Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 2 U 6/18 – Urteil vom 31.01.2019
Auf die Berufung der Klägerin wird das angefochtene Urteil unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der zwischen der Jagdgenossenschaft W. und den Beklagten geschlossene Jagdpachtvertrag vom 9. Februar 1999 für sich ebenso wie in der Gestalt des Ergänzungsvertrages vom 2. Februar 2017 nichtig ist.
Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, die Jagd auf den Flurstücken 18 und 19 der Flur 4, Gemarkung W., auszuüben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen haben die Klägerin zu 30 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 70 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin als Eigentümerin zweier landwirtschaftlicher Flurstücke mit einer Gesamtgröße von 12,6102 ha (Grundbuch von W. Blatt 206) begehrt die Feststellung, dass ein zwischen der Jagdgenossenschaft W. als Verpächterin und den Beklagten als Pächtern geschlossener Jagdpachtvertrag nichtig sei. Ferner nimmt sie die Beklagten auf Unterlassung der Jagdausübung auf den Flächen des gemeinschaftlichen Jagdbezirks W. in Anspruch.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Auffassung vertreten, der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig, weil das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse fehle. Die Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt, dass sie selbst Mitglied der Jagdgenossenschaft W. und damit durch den Jagdpachtvertrag in eigenen subjektiven Rechten betroffen sei. Die Beklagten hätten die Eigenschaft der Klägerin als Jagdgenossin qualifiziert bestritten und auf die (für sich unstreitige) Entstehung eines Eigenjagdbezirks der Klägerin in W. im Jahre 2008 verwiesen. Dem sei die Klägerin nicht ausreichend entgegengetreten, indem sie auf ihre im Grundbuch von W. Blatt 206 eingetragenen Flächen – deren Erwerb durch die Klägerin ebenfalls in das Jahr 2008 falle – verwiesen habe. Die Klägerin habe nicht konkret vorgetragen, ob die beiden Flurstücke sich im gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Jagdgenossenschaft W. befänden oder aber ihrem Eigenjagdbezirk zugehörig seien. Den Antrag auf Unterlassung der Jagdausübung hat das Landgericht als unbegründet angesehen. Für einen Abwehranspruch nach § 1004 BGB sei die Eigentümerstellung der Klägerin an einer Fläche im gemeinschaftlichen Jagdbezirk nicht hinreichend dargetan. Dies ergebe sich aus den Ausführungen zum Feststellungsantrag.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre Anträge aus erster Instanz in vollem Umfang weiter. Sie rügt, das angefochtene Urteil sei eine Überraschungsentscheidung. Das Landgericht habe seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO verletzt und nicht erkennen lassen, dass es auf die verschiedenen streitigen Punkte nicht ankomme, weil schon der Vortrag zu ihren Flächen im Bereich des gemeinschaftlichen Jagdbezirks nicht ausreichend sei. Anhand der in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am Richtertisch eingesehenen Revierkarten hätte die Lage der betroffenen Flurstücke ohne Weiteres von allen Anwesenden bestätigt werden können. Hinzu komme, dass das Landgericht die Darlegungslast dafür verkannt habe, dass die Flächen im Grundbuch von W. Blatt 206 (Flurstücke 18 und 19 der Flur 4, Gemarkung W.) nicht zum Eigenjagdbezirk der Klägerin gehörig seien. Insoweit handele es sich um eine negative Tatbestandsvoraussetzung in § 8 Abs. 1 BJagdG, für die die Beklagten darlegungs- und beweispflichtig seien. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin nunmehr eine Flurkarte vorgelegt, in der ihr Eigenjagdbezirk gelb markiert und die – daran nicht angrenzenden – Flurstücke 18 und 19 blau umrandet sind. Im Übrigen hat die Klägerin auf ihr Vorbringen aus der ersten Instanz Bezug genommen.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und machen geltend, sie hätten bereits in der Klageerwiderung die Aktivlegitimation der Klägerin in Abrede gestellt und noch in der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2018 mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin Eigentümerin eines Flurstücks im gemeinschaftlichen Jagdbezirk W. sei, das keinem Eigenjagdbezirk zugehörig sei. Die Klägerin habe in ihrem Schriftsatz vom 27. März 2018 selbst angekündigt, zu ihrer Aktivlegitimation gesondert vorzutragen, so dass es eines Hinweises des Gerichts nach § 139 ZPO nicht bedurft habe.
II.
Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache überwiegend Erfolg.
1.
Der Feststellungsantrag ist nach dem im Berufungsverfahren zu berücksichtigenden aktuellen Sach- und Streitstand zulässig (a.) und begründet (b.).
a.
Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin ist gegeben.
Unschädlich ist zunächst, dass die Klägerin schon nach ihrem eigenen Vortrag nicht unmittelbar Vertragspartei des Jagdpachtvertrages ist, dessen Nichtigkeit sie feststellen lassen will. Der Pachtvertrag wurde abgeschlossen zwischen der Jagdgenossenschaft W. und den Beklagten. Auch ein einzelnes Mitglied einer Jagdgenossenschaft hat indes ein rechtliches Interesse, dass die streitige Frage der Gültigkeit oder Ungültigkeit des von der Jagdgenossenschaft mit einem Dritten geschlossenen Jagdpachtvertrages geklärt wird (BGH, AgrarR 1991, S. 169 f.; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Jagdrechtliche Entscheidungen IV Nr. 129). Das Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass der einzelne Jagdgenosse im Falle der Nichtigkeit des Pachtvertrages befugt ist, dem Pächter das Betreten seiner Grundflächen zur Jagdausübung zu verbieten (BGH; Brandenburgisches Oberlandesgericht – jeweils a. a. O.).
Die Klägerin ist Mitglied der Jagdgenossenschaft W.. Nach § 8 Abs. 1 BJagdG bilden alle Grundflächen einer Gemeinde, die nicht zu einem Eigenjagdbezirk gehören, einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk, wenn sie im Zusammenhang mindestens 150 Hektar umfassen. Die Eigentümer der Grundflächen, die zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehören, bilden nach § 9 Abs. 1 S. 1 BJagdG die jeweilige Jagdgenossenschaft. Die im Grundbuch von W. Blatt 206 eingetragenen landwirtschaftlichen Flurstücke 18 und 19 der Flur 4 liegen unstreitig im Gebiet der Gemeinde W. und stehen im Eigentum der Klägerin. In erster Instanz war lediglich streitig, ob die genannten Flurstücke zu dem Eigenjagdbezirk im Sinne des § 7 Abs. 1 BJagdG gehören, der der Klägerin unstreitig ebenfalls in W. zusteht, oder aber sich auf dem sonstigen Gemeindegebiet befinden und damit Teil des gemeinschaftlichen Jagdbezirks W. sind. Diese Frage ist im ersten Rechtszug nicht abschließend geklärt worden. Es kann jedoch dahinstehen, ob dies auf einer Verletzung der Hinweispflicht des Gerichts nach § 139 ZPO beruht und wer die Darlegungs- und Beweislast für die Nichtzugehörigkeit der Flurstücke 18 und 19 zum Eigenjagdbezirk der Klägerin trägt. Aus dem detaillierten Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren zur Lage ihres Eigenjagdbezirks einerseits und der Flurstücke 18 und 19 andererseits ergibt sich, dass die genannten Flurstücke nicht zum Eigenjagdbezirk gehören und die Klägerin damit auch Mitglied der Jagdgenossenschaft ist. Die mit der Berufungsbegründung vorgelegte Flurkarte (Bl. 194 d. A.) zeigt deutlich, dass die blau umrandeten Flurstücke 18 und 19 in keinem Zusammenhang zum gelb markierten Eigenjagdbezirk der Klägerin stehen.
Der entsprechende Vortrag der Klägerin ist zu berücksichtigen, obwohl er erstmals im Berufungsverfahren vorgebracht worden ist. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind im zweiten Rechtszug zwar gemäß § 531 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nur unter den dort genannten Voraussetzungen zuzulassen. Es ist jedoch nahezu allgemein anerkannt, dass neuer, unstreitiger Tatsachenvortrag unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen ist, und zwar selbst dann, wenn dadurch in der Folge eine Beweiserhebung nötig wird (vgl. nur BGHZ 161, 138; Zöller-Heßler, ZPO, 32. Auflage, § 531 Rn. 20). Die Beklagten haben den Tatsachenvortrag aus der Berufungsbegründung weder schriftsätzlich noch im Rahmen der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestritten und auch nicht angedeutet, die nunmehr vorgelegte Flurkarte gebe die ihnen bekannten örtlichen Gegebenheiten nicht zutreffend wieder. Sie haben in der Berufungserwiderung vom 12. Juli 2018 und ihrem weiteren Schriftsatz vom 14. August 2018 lediglich Ausführungen dazu gemacht, dass die Frage der Aktivlegitimation bereits in erster Instanz ausreichend erörtert worden sei und es keines Hinweises nach § 139 ZPO bedurft habe.
b.
Der Feststellungsantrag ist begründet, weil der Pachtvertrag zwischen der Jagdgenossenschaft W. und den Beklagten auch unter Berücksichtigung der Ergänzung vom 2. Februar 2017 unwirksam ist. Die Nichtigkeit folgt zwar im Ergebnis nicht aus § 138 Abs. 1 BGB (1). Der Jagdpachtvertrag genügt jedoch nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform nach § 11 Abs. 4 S. 1 BJagdG und ist damit nach § 11 Abs. 6 S. 1 BJagdG nichtig (2).
(1)
Die Klägerin macht geltend, der am 9. Februar 1999 für die Zeit von 30 Jagdjahren abgeschlossene Pachtvertrag verstoße gegen die guten Sitten und sei nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil die Jagdgenossenschaft und die Pächter damit – über die Regelung in § 14 Abs. 2 S. 1 BJagdG – allein die Entstehung eines Eigenjagdbezirks für die Schleswig-Holsteinischen Landesforsten über einen langen Zeitraum hätten verhindern wollen, nachdem deren zusammenhängende Flächen in W. durch Hinzuerwerb auf insgesamt mehr als 75 ha angewachsen waren. Dieses Verhalten stelle sich als unzulässige Rechtsausübung gegenüber dem Land Schleswig-Holstein als Mitglied der Jagdgenossenschaft dar. Es kann jedoch im Ergebnis dahinstehen, ob bei Abschluss des Pachtvertrages vom 9. Februar 1999 ein Verstoß gegen die guten Sitten durch Schädigung der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten (SHLF) AöR vorlag.
Die Klägerin ist jedenfalls nach § 242 BGB gehindert, sich gegenüber den Beklagten auf die etwaige Nichtigkeit des Pachtvertrages nach § 138 Abs. 1 BGB zu berufen. Die Berufung auf die Nichtigkeit nach § 138 BGB kann insbesondere dann treuwidrig sein, wenn sich seit der Vornahme eines Rechtsgeschäfts die tatsächlichen Umstände oder die Weltanschauung in einer Weise geändert haben, dass dieses Rechtsgeschäft heute nicht mehr als sittenwidrig erscheint (vgl. nur Sack/Fischinger in: Staudinger, 2017, § 138 Rn. 33, 138, m. w. N.). So liegt es hier. Durch die im Oktober/November 2016 abgeschlossene Vereinbarung (Anlage B 1) ist eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten. Falls der Pachtvertrag vom 9. Februar 1999 als sittenwidrig anzusehen sein sollte, würde dies auf der damit verbundenen Schädigung der SHLF beruhen, während kein Sittenverstoß zum Nachteil der Klägerin vorliegt. Im Verhältnis zu den SHLF AöR haben die Jagdgenossenschaft W. und die Beklagten indes eine abschließende Einigung erzielt, durch die die negativen Folgen des langfristigen Pachtvertrages beseitigt werden. In dieser Situation ist es treuwidrig, wenn die Klägerin als von dem etwaigen Sittenverstoß nicht betroffene Jagdgenossin sich gegenüber den Beklagten auf die Nichtigkeit des Pachtverhältnisses nach § 138 Abs. 1 BGB beruft.
(2)
Der Pachtvertrag vom 9. Februar 1999 ist jedoch formnichtig, und der Verstoß ist auch nicht nachträglich geheilt worden. Gemäß § 11 Abs. 4 S. 1 BJagdG ist der Jagdpachtvertrag schriftlich abzuschließen.Ein Jagdpachtvertrag, der dieser Vorschrift bei seinem Abschluss nicht entspricht, ist nach § 11 Abs. 6 S. 1 BJagdG nichtig. Die Formbedürftigkeit betrifft den gesamten Inhalt des Jagdpachtvertrages und alle späteren Zusatz- und Änderungsverträge (BGH, NJW-RR 1994, S. 778 f., m. w. N.). Ein formunwirksamer Vertrag erlangt nicht dadurch Rechtswirksamkeit, dass die Behörde ihn im Anzeige- und Beanstandungsverfahren nach § 12 BJagdG nicht beanstandet hat (BGH, a. a. O.).
Der Pachtvertrag vom 9. Februar 1999 wurde zunächst auf Seiten der Verpächterin nur durch den Jagdvorsteher unterzeichnet, obwohl die Jagdgenossenschaft W. gemäß § 6 Abs. 1 ihrer alten Satzung vom 21. April 1969 und § 8 Abs. 4 der neuen Satzung vom 13. Mai 2014 durch den Jagdvorstand vertreten wird, der aus dem Jagdvorsteher und zwei weiteren Vorstandsmitgliedern besteht. Dabei kann dahinstehen, ob dieser Formverstoß dadurch geheilt worden ist, dass der schriftlich am 20. April 2016 abgeschlossene Änderungsvertrag zum Pachtvertrag vom 9. Februar 1999 durch den gesamten Jagdvorstand und alle vier Pächter – neben den Beklagten auch Uwe L. – unterschrieben ist und darin vereinbart wurde, dass die Bestimmungen des ursprünglichen Pachtvertrages im Übrigen unverändert bleiben (Anlage K 4). Jedenfalls genügt der Vertrag vom 9. Februar 1999, auf den im Vertrag vom 20. April 2016 Bezug genommen wird, hinsichtlich der Bezeichnung des Pachtgegenstandes nicht der gesetzlichen Schriftform.
Nach § 1 Abs. 1 des Pachtvertrages vom 9. Februar 1999 wird verpachtet (so wörtlich) „die gesamte Jagdnutzung auf den zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk B lt. Karte“. Hintergrund ist, dass dieser Pachtvertrag nur einen Teil des gemeinschaftlichen Jagdbezirks W. betrifft, nämlich den so genannten Jagdbogen B, während der Jagdbogen A in einem gesonderten Vertrag anderweitig verpachtet wurde. In § 2 Abs. 1 des Vertrages vom 9. Februar 1999 heißt es weiter, der verpachtete Jagdbezirk sei „in dem dieser Vertragsurkunde beigefügten Lageplan dargestellt“. Nach Abs. 3 der Vorschrift gilt die Jagdnutzung auf einer Fläche von „etwa 1000 ha“ als verpachtet. Es existiert zwar eine Flurkarte, in der mit grobem Textmarkerstrich offenbar die ungefähre Reviergrenze markiert worden ist (Anlage zum Protokoll der Verhandlung vor dem Landgericht vom 23. März 2018). Die Karte ist jedoch weder mit der Vertragsurkunde verbunden, noch ist sie mit einer Beschriftung versehen, die einen Zusammenhang zum Jagdpachtvertrag erkennen lässt. Die Beschreibung in den §§ 1 und 2 des Pachtvertrages sowie die Existenz einer gesonderten, nicht beschrifteten Karte mit farbiger Markierung sind nicht ausreichend, um der Schriftform im Hinblick auf die Bezeichnung des Pachtgegenstandes zu genügen.
Zu berücksichtigen ist zunächst die Rechtsprechung des BGH zur Einhaltung der für längerfristige Miet- und Pachtverträge vorgeschriebenen Schriftform nach den §§ 550 S. 1, 585a BGB. Diese erfordert keine körperliche Verbindung der einzelnen Blätter der Urkunde, wenn sich deren Einheit aus fortlaufender Paginierung, fortlaufender Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher grafischer Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder vergleichbaren Merkmalen zweifelsfrei ergibt (BGH, NJW 1999, S. 1104 f.). Durch einen Jagdpachtvertrag wird zwar kein Grundstück verpachtet, sondern das Recht zur Jagdausübung. Dies ändert aber nichts daran, dass das Gebiet, für das das Jagdrecht verpachtet wird, sich aus dem schriftlichen Pachtvertrag eindeutig ergeben muss (OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Jagdrechtliche Entscheidungen III Nr. 220; OLG Celle, Jagdrechtliche Entscheidungen III Nr. 223; OLG Düsseldorf, ZMR 2015, S. 15 f.; OLG Koblenz, Jagdrechtliche Entscheidungen III Nr. 206; Herrler in: Staudinger, BGB, 2018, § 581 Rn. 163). Die Vertragsurkunde vom 9. Februar 1999 enthält hingegen nur eine Bezeichnung des verpachteten Reviers mit „Jagdbezirk B“ und die Größenangabe „etwa 1000 ha“. Im Übrigen wird auf eine Karte bzw. einen Lageplan Bezug genommen. Die vorhandene Karte wäre ohnehin nur zur ungefähren Bestimmung des verpachteten Reviers geeignet und ist insbesondere weder mit der Vertragsurkunde verbunden, noch sonst in irgendeiner Weise als Vertragsbestandteil gekennzeichnet. Dies genügt nicht im Ansatz den Anforderungen an die Bezeichnung des Vertragsgegenstandes in einem schriftlichen Jagdpachtvertrag, die sich aus den zitierten obergerichtlichen Entscheidungen ergeben. Insbesondere gelten für die Verbindung des Jagdpachtvertrages mit einem Lageplan dieselben Anforderungen wie bei längerfristigen Miet- und Pachtverträgen (OLG Celle, a. a. O.; Herrler in: Staudinger, a. a. O., § 581 Rn. 163), welche hier nicht eingehalten sind. Im konkreten Fall kommt erschwerend hinzu, dass die genauen Grenzen des verpachteten Jagdreviers nicht einmal durch Einsicht in das Jagdkataster festgestellt werden könnten (was für sich ohnehin nicht ausreichen würde), weil die Jagd nicht für den gesamten gemeinschaftlichen Jagdbezirk W. verpachtet wurde, sondern nur für den so genannten Jagdbogen B.
Der Formverstoß ist auch nicht durch den Anfang 2017 vorgesehenen Ergänzungsvertrag zwischen der Jagdgenossenschaft und den Beklagten (Anlage K 6) für die Zukunft beseitigt worden. Dabei kann dahinstehen, ob die Beschreibung in § 1 des auszugsweise vorgelegten Vertrages ausreichend wäre und der im Rechtsstreit nicht vorgelegte Lageplan nunmehr eine Bezugnahme auf die Vertragsurkunde enthält. Jedenfalls wurde der Ergänzungsvertrag unstreitig nicht durch den Jagdvorsteher unterschrieben, und zwar nach den Angaben der Beklagten im Termin vor dem Landgericht aufgrund eines Besuchs des Vaters der Klägerin, Herrn Peter St., am 1. Februar 2017.
Schließlich ist die Klägerin nicht nach § 242 BGB daran gehindert, sich auf den Formverstoß zu berufen. Gegenüber der sich aus der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 11 Abs. 6 BJagdG ergebenden Nichtigkeit versagt die Berufung auf Treu und Glauben und auf die Arglisteinrede schon grundsätzlich (BGH, NJW-RR 1994, S. 778 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 28. Februar 2018, Az. 30 U 101/17, bei juris; OLG Koblenz, Jagdrechtliche Entscheidungen III Nr. 206, Orientierungssatz 3). Im Übrigen sind keine besonderen Gründe ersichtlich, die das Verhalten der Klägerin insoweit als treuwidrig erscheinen ließen. Sie war selbst am Abschluss des Pachtvertrages nicht beteiligt und ist nicht verantwortlich für den Formverstoß. Aus welchen Gründen es Anfang 2017 nicht zur Beseitigung des Formmangels für die Zukunft gekommen ist und ob die Klägerin ihren Vater zur Intervention beim Jagdvorsteher veranlasst hat, ist nicht vorgetragen. Jedenfalls liegt es allein in der Verantwortung der Jagdgenossenschaft zu entscheiden, ob sie nunmehr einen formgerechten Jagdpachtvertrag abschließt bzw. aus welchen Gründen sie dies unterlässt.
2.
Der Unterlassungsantrag ist zulässig und insoweit begründet, als die Klägerin die Unterlassung der Jagdausübung auf den in ihrem Eigentum stehenden Flächen des gemeinschaftlichen Jagdbezirks W. – den Flurstücken 18 und 19 der Flur 4, Gemarkung W. – begehrt. Der Abwehranspruch folgt aus § 1004 Abs. 1 BGB. Wie bereits ausgeführt, ist der einzelne Jagdgenosse im Falle der Nichtigkeit des Jagdpachtvertrages befugt, dem Pächter das Betreten seiner Grundflächen zur Jagdausübung zu verbieten (BGH, AgrarR 1991, S. 169 f.; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Jagdrechtliche Entscheidungen IV Nr. 129). Die Klage ist hingegen unbegründet, soweit die Klägerin den Unterlassungsantrag auch in Bezug auf die anderen Flächen des gemeinschaftlichen Jagdbezirks W. stellt. Eine Anspruchsgrundlage ist insoweit nicht ersichtlich. Die Klägerin beruft sich für ihren Unterlassungsanspruch selbst nur auf § 1004 Abs. 1 BGB. Ein Abwehranspruch in Bezug auf die Flächen anderer Jagdgenossen kann indes nicht aus dem Eigentum der Klägerin und damit nicht aus § 1004 Abs. 1 BGB folgen. Die Klägerin ist auch nicht befugt, die Unterlassungsansprüche anderer Jagdgenossen aus deren Eigentum im eigenen Namen geltend zu machen.
3.
Der Ausspruch zu den Kosten des Rechtsstreits folgt aus den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 543 ZPO bestehen nicht.