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Frachtführerhaftung bei Sendungsverlust – Darlegungs- und Beweislast

OLG Zweibrücken – Az.: 1 U 138/16 – Urteil vom 25.10.2017

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 22.09.2016, Az. 1 O 224/15, abgeändert:

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.500 € seit dem … sowie aus 6.500 € seit dem … zu zahlen, abzüglich am 20.03.2015, am 10.04.2015 und am 22.05.2015 jeweils gezahlter 150 €.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist Transportversicherer der … (nachfolgend: Versicherungsnehmerin).

Sie nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht wegen eines fehlgeschlagenen Transports von zwei Goldbarren auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Versicherungsnehmerin und der Beklagte sind Beförderungsdienstleister und gehören als System- und Stationspartner dem sog. … (Versicherungsnehmerin) und … (Beklagter) an. Im Rahmen dieses Systemverbundes besteht die Möglichkeit, werthaltige Sendungen als sogenannte „BestSchick“-Sendungen zu verschicken.

Herr … bestellte bei der Firma …, ausweislich der als Anlage K 3 (Bl. 11 d.A.) vorgelegten Rechnung vom … zwei Goldbarren à 100 Gramm und à 250 Gramm zum Kurswert von 3.231,28 € und 8.030,88 € zuzüglich Transportkosten in Höhe von 19 €. Mit dem als Anlage K 1 (Bl. 9 d.A.) vorgelegten Versandauftrag mit der Nummer … beauftragte die Versicherungsnehmerin (…) den Beklagten (…) mit dem Vermerk „Best Schick“ mit der Auslieferung an … In einer Statusübersicht (vgl. Bl. 38 d. beigezogenen Ermittlungsakte der StA Zweibrücken, Az. …) ist die Sendung mit der Nummer … am … um … erfasst.

Eine Auslieferung der Goldbarren an … erfolgte nicht.

Die Parteien streiten im Wesentlichen darum, ob die Goldbarren, wegen deren Verlust die Klägerin von dem Beklagten Schadensersatz beansprucht, in die Obhut des Beklagten gelangt sind. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 21.07.2014 (Anlage K 6, Bl. 14 d.A.) forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung von 2.500 € auf und teilte mit, dass es sich hierbei um den bislang von der Klägerin an die … gezahlten Betrag handele und derzeit noch nicht abgeschätzt werden könne, ob noch weitere Schadensersatzansprüche gestellt würden. Der Beklagte ließ mit Email vom 28.01.2015 (Anlage K 7, Bl. 16 d.A.) gegenüber den klägerischen Prozessbevollmächtigten Folgendes erklären:

„wir möchten darüber informieren, dass wie die Forderung Ihres Mandanten in monatlichen Raten von 100,00 Euro zahlbar erstmals ab dem 20.02.15, auf Ihrer Bankverbindung ausgleichen möchten.“

Mit weiterer Email vom 13.02.2015 (Anlage K 8, Bl. 17 d.A.) bot der Beklagte Zahlung einer monatlichen Rate von 150 € ab dem 01.03.2015 an. Daraufhin zahlte er insgesamt drei Raten à 150 € am 20.03.2015, am 10.04.2015 und am 22.05.2015. Weitere Raten zahlte er nicht. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18.08.2015 (Anlage K 11, Bl. 23 f. d.A.) teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass der Gesamtschaden 9.000 € betrage.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, dass die beiden Goldbarren vom Zeugen … in der Logistikabteilung der Firma … in einen manipulationssicheren KEP-Safebag verpackt und bis zur Abholung des Kurierfahrers der Versicherungsnehmerin unter Kameraüberwachung verwahrt worden seien. Sie seien dem Abholfahrer, dem Zeugen …, von dem Zeugen … in dem Safebag übergeben worden. Der Zeuge … habe die Goldbarren in dem Safebag übernommen und zum Lager des Beklagten transportiert. Dort habe er die Sendung ausgescannt und auf dem vorgesehenen Ablageort in der Lagerhalle des Beklagten abgelegt.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 9.000 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 2.500 € seit dem 20.08.2014 sowie aus 6.500 € seit dem 02.09.2015 zu zahlen, abzüglich am 20.03.2015 gezahlter 150 €, abzüglich am 10.04.2015 gezahlter 150 € sowie abzüglich am 22.05.2015 gezahlter 150 €.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen:

Die Goldbarren seien nicht in seine Obhut gelangt. Zu dem Zeitpunkt der angeblichen Anlieferung am … morgens sei seine Station nicht besetzt gewesen. Der für die Station zuständige Disponent, der Zeuge …, sei erst gegen …Uhr gekommen. Diesem sei nach der Planung der Touren und beim Aufladen der Pakete aufgefallen, dass das ausgescannte streitgegenständliche Frachtgut gefehlt habe. Der Zeuge … habe damals einen Schlüssel für die verschlossene Lagerhalle des Beklagten gehabt. Das Ausscannen des Paketes durch den Zeugen … beweise nicht, dass das Paket in den Gewahrsam des Beklagten gelangt sei.

Das Landgericht hat die Zeugen … vernommen (Sitzungsprotokoll vom 06.04.2016, Bl. 192 ff. d.A.) und den Zeugen … im Wege der Rechtshilfe durch das Amtsgericht München vernehmen lassen (Sitzungsprotokoll vom 20.50.2016, Bl. 211 ff. d.A.). Es hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Frachtführerhaftung bei Sendungsverlust - Darlegungs- und Beweislast
(Symbolfoto: Von BongkarnGraphic/Shutterstock.com)

Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Schadensersatz nach § 425 Abs. 1, § 429 HGB, § 398 BGB zu. Sie habe nicht zur Überzeugung des Landgerichts nachgewiesen, dass die in die Obhut des Beklagten gelangte, an … gerichtete Sendung tatsächlich den behaupteten Inhalt, nämlich zwei Goldbarren zu einem Handelsrechnungswert von insgesamt 11.262,16 € gehabt habe. Der Beweis für den Umfang und den Wert einer verlorengegangenen Sendung unterliege der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO, so dass die Klägerin den vollen Beweis hierfür zu erbringen habe. Die vorliegenden Indizien, nämlich die an … gerichtete Rechnung, das an … in den Versand gelangte Wertpaket sowie die glaubhaften Angaben des Zeugen … würden allerdings nicht genügen, um eine hinreichende Überzeugung des Gerichts davon zu begründen, dass die streitgegenständliche Sendung mit der Nummer … Gold in der behaupteten Menge beinhaltet habe. Es bestehe die nicht fernliegende Möglichkeit, dass eine versehentliche Fehlbestückung der Sendung erfolgt sei. Weiter könne eine zu geringe Menge verpackt oder die zu versendenden Güter könnten beim Verpacken schlicht vertauscht worden sein. Der Zeuge … habe zu dem Verpackungsvorgang keine konkreten Angaben machen können.

Auch auf ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis oder ein „tatsächliches“ Anerkenntnis („Zeugnis gegen sich selbst“) des Beklagten könne die Klägerin ihre Forderung nicht stützten. In Ermangelung weiterer Anhaltspunkte könne in der Begleichung einer Rechnung über den Charakter als Erfüllungshandlung im Sinne des § 363 BGB hinaus keine Erklärung des Schuldners dahin gesehen werden, er stelle den Bestand der erfüllten Forderung insgesamt oder in einzelnen Beziehungen außer Streit. Das gelte auch für die tatsächlichen Grundlagen der einzelnen Anspruchsmerkmale. Erforderlich hierfür seien weitere Umstände, die geeignet seien, eine solche Wertung zu tragen.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts und den Einzelheiten seiner rechtlichen Beurteilung wird auf den Tatbestand und die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin, die mit der Berufung ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Der Beklagte und die Streithelferin zu 1 verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung und beantragen jeweils die Zurückweisung der Berufung.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf alle sonstigen Aktenteile.

II.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus §§ 425, 429 Abs. 1, § 435 HGB, § 398 BGB in der beantragten Höhe zu.

1. Die Versicherungsnehmerin hat den Beklagten damit beauftragt, den Transport der im Versandauftrag vom … genannten Sendung mit der Nummer … durchzuführen.

Das ergibt sich aus dem als Anlage K 1 (Bl. 9 d.A.) vorgelegten Versandauftrag und der Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 16.12.2015 (Sitzungsprotokoll vom 16.12.2015, Seite 3, Bl. 62 d.A.), nach der unstreitig ist, dass der Beklagte mit dem Transport beauftragt wurde. Danach steht fest, dass die Versicherungsnehmerin mit dem Beklagten einen Frachtvertrag im Sinne des § 407 HGB geschlossen hat.

2. Die Versicherungsnehmerin hat ihre Ansprüche wegen des Verlusts der beiden streitgegenständlichen Goldbarren gemäß § 398 BGB an die Klägerin abgetreten (Anlage K 5, Bl. 13 d.A.). Die Aktivlegitimation der Klägerin wird von der Beklagten in der zweiten Instanz nicht mehr moniert.

3. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist davon auszugehen, dass die gegenständliche Sendung mit den beiden Goldbarren während der Obhutszeit des Beklagten verloren ging, so dass der Beklagte nach § 429 HGB deren Wert zu ersetzen hat.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 12.06.2014 – I ZR 50/13, juris Rn. 19; BGH, Urt. v. 26.04.2007 – I ZR 31/05, juris Rn. 13) muss in Fällen der vorliegenden Art der Kläger den vollen Beweis nach § 286 ZPO dafür erbringen, dass das Transportgut während der Obhutszeit des Beklagten abhandengekommen ist, was neben dem Beweis der Übernahme von Gütern als solchen auch den Nachweis ihrer Identität, ihrer Art, ihrer Menge und ihres Zustands umfasst.

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Entgegen der Auffassung des Landgericht liegt vorliegend die Beweislast allerdings aufgrund der vorprozessualen Erklärungen des Beklagten und dessen Ratenzahlung beim Beklagten.

Die Zahlung eines Teilbetrages kann ein „Zeugnis gegen sich selbst“ darstellen und zu einer Umkehr der Beweislast führen (BGH, Urt. v. 01.12.2005 – I ZR 284/02, juris Rn. 16). Ein solches Zeugnis gegen sich selbst ist dann anzunehmen, wenn die Leistung den Zweck hat, dem Gläubiger Erfüllungsbereitschaft anzuzeigen, um diesen dadurch von Maßnahmen abzuhalten oder ihm den Beweis zu erleichtern. Die Auslegung des Verhaltens des Beklagten ist dabei Tatfrage (BGH, aaO.), die hier im Sinne der Klägerin zu beantworten ist.

b) Richtig geht das Landgericht in dem Zusammenhang noch davon aus, dass das bloße Zahlen einer Rechnung ohne Erhebung von Einwendungen nicht ausreicht, um ein einseitiges Anerkenntnis anzunehmen, das zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der behaupteten Schäden führt (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.2008 – VIII ZR 265/07, juris Rn. 12 f.). Erforderlich ist stets das Vorliegen von weiteren Umständen, die geeignet sind, eine derartige Wertung zu tragen (BGH, aaO juris, Rn. 13). Vorliegend sind solche weiteren Umstände gegeben.

Der Beklagte hat nicht nur Teilzahlungen auf die an ihn von den klägerischen Prozessbevollmächtigten herangetragene Forderung erbracht, sondern gegenüber den klägerischen Prozessbevollmächtigten zudem mit Email vom 28.01.2015 (Anlage K 7, Bl. 16 d.A.) ausdrücklich erklärt, darüber zu informieren, dass er die Forderung der Klägerin (in Raten) ausgleichen möchte. Die Abgabe einer solchen Erklärung geht über das bloße Begleichen einer Rechnung hinaus, weil sie dem Gegner Erfüllungsbereitschaft signalisiert und diesen von sofortigen Maßnahmen abhalten oder ihm den Beweis erleichtern soll (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 781 Rn. 6). Auch mit der weiteren Email vom 13.02.2015 (Anlage K 8, Bl. 17 d.A.), mit der der Beklagte gegenüber dem Rechtsbeistand der Klägerin die Zahlung einer höheren monatlichen Rate verbindlich – und nicht etwa unter Vorbehalt – anbietet, bringt er letztlich zum Ausdruck, dass er den Nachweis des klägerischen Schadens für erbracht hält und damit ein einseitiges (tatsächliches) Anerkenntnis abgeben möchte. Nachdem der Beklagte seine Verantwortlichkeit für den Verlust zuvor, nämlich mit Schreiben vom 20.08.2014 (Anlage K 12, Bl. 77 d.A.) und mit Schreiben vom 12.09.2014 (Anlage K 14, Bl. 79 f. d.A.) ausdrücklich in Abrede gestellt hat, rechtfertigen die späteren Erklärungen des Beklagten vom 28.01.2015 und vom 13.02.2015 bei der gebotenen Gesamtschau, wenn dieser, wie hier, im prozessualen Nachgang zur vorgerichtlichen Korrespondenz nunmehr seine Verantwortlichkeit für den Verlust der Güter (erneut) bestreitet, wegen derer er bereits vorgerichtlich in Anspruch genommen wurde, eine Beweislastumkehr nach den Grundsätzen des gegen sich selbst abgegebenen Zeugnisses anzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 05.05.2003 – II ZR 50/01, juris Rn. 13; BGH, Urt. v. 01.12.2005 – I ZR 284/02, juris Rn. 16). Als Folge hiervon muss der Beklagte den Gegenbeweis führen, dass der Klägerin keine oder nur geringere Ansprüche zustehen (vgl. BGH, Urt. v. 05.05.2003 – II ZR 50/01, juris Rn. 13); zudem ist er mit zuvor behaupteten Einwendungen ausgeschlossen.

Soweit der Beklagte vorbringt, dass er sich erst dann auf die Ratenzahlung eingelassen habe, als die Streithelferin die Haftungsübernahme abgelehnt hat, mag es sich zwar um das Motiv des Beklagten gehandelt haben, die wirtschaftlichen Folgen einer Haftung erträglich zu gestalten. Für die Auslegung seiner Erklärung kommt es aber entscheidend auf den objektiven Empfängerhorizont an und nicht auf interne Vorgänge oder Verhandlungen mit Dritten, die in der Erklärung keinen Niederschlag gefunden haben.

Danach waren die Erklärungen des Beklagten vom 28.01.2015 und vom 13.02.2015 aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers als Anerkenntnis zu verstehen, nachdem er seine Haftung zuvor in Abrede gestellt hatte.

c) Infolge der danach bestehenden Beweislastumkehr hat der Beklagte vorliegend nachzuweisen, dass die beiden Goldbarren nicht in seinem Gewahrsamsbereich verloren gegangen sind.

Da der Beklagte einzig den Zeugen …, den das Erstgericht vernommen hat (Bl. 197 f. d.A.) und dessen Bekundungen nicht darauf schließen lassen, dass die Goldbarren nicht im Obhutsbereich des Beklagten abhandengekommen sind, zur Beweisführung angeboten hat und unstreitig ist, dass der Empfänger, …, das Paket nicht erhalten hat (Sitzungsprotokoll vom 16.12.2015, Seite 3 f., Bl. 62 f. d.A.), ist zu Lasten des Beklagten davon auszugehen, dass das Paket mit den beiden Goldbarren in dessen Gewahrsamsbereich abhandengekommen ist.

4. Das Anerkenntnis des Beklagten ist der Höhe nach nicht auf den von der Klägerin vorprozessual zunächst in Höhe von 2.500 € geltend gemachten Betrag begrenzt.

Die Beweislastumkehr zu Lasten des Beklagten beruht auf einem tatsächlichen Anerkenntnis. Dieses erstreckt sich dementsprechend auf die Tatsache des Verlusts der beiden Goldbarren im Verantwortungsgewahrsam des Beklagten. Streitig war zwischen den Parteien nicht die Höhe des in Betracht kommenden Schadensersatzanspruchs, sondern die Haftung des Beklagten dem Grunde nach wegen des Verlusts der Warensendung. Dieser Streit sollte erkennbar mit den Erklärungen des Beklagten vom 28.01.2015 und vom 13.02.2015 beendet werden. Dass der nunmehr von der Klägerin wegen des Verlusts geltend gemachte Schaden dem Betrag nach höher als der ihm Schreiben vom 21.07.2014 (Anlage K 6, Bl. 14 f. d.A.) zunächst mitgeteilte Betrag ist, ist daher für die Reichweite des Anerkenntnisses ohne Belang. Dafür spricht zudem, dass im Forderungsschreiben vom 21.07.2014 bereits ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der Betrag von 2.500 € den Schaden nicht abschließend beziffert.

5. Auf den in § 431 HGB genannten Haftungshöchstbetrag (8,33 Rechnungseinheiten je Kilogramm des Frachtgewichts) kann sich der Beklagte vorliegend nicht berufen. Er haftet für den Verlust der beiden Goldbarren vielmehr gemäß § 435 HGB unbeschränkt.

a) Nach § 435 HGB gelten die für Frachtführer vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbeschränkungen, zu denen auch jene des § 431 HGB gehört, nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 HGB genannte Person vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat. Leichtfertigkeit in diesem Sinne erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine „Leute“ in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen (BGH, Urt. v. 25.03.2004 – I ZR 205/01, juris 1. Leitsatz = BGHZ 158, 322). Ein krasses Außerachtlassen der Sicherheitsinteressen des Vertragspartners liegt dabei vor, wenn der Frachtführer oder seine Gehilfen elementare Schutzvorkehrungen nicht getroffen haben (BGH, aaO, juris Rn. 38 ff. = BGHZ 158, 322, 330). So liegen die Dinge hier.

b) Zur Lagerhalle des Beklagten hatten seinerzeit alle „Nachtlinienfahrer“ einen Schlüssel. Der vom Beklagten benannte Zeuge … begründete dies plausibel damit, dass „man sonst schon um 4.00 Uhr zu arbeiten anfangen müsste“ (Sitzungsprotokoll vom 06.04.2016, Seite 7, Bl. 198 d.A.). Die Fahrer der verschiedenen Kurierdienstleister (…) hatten danach freien Zugang zur Lagerhalle des Beklagten, ohne dass für den Beklagten arbeitendes Personal die Sendungen in Empfang nahm oder zumindest anwesend war. Der Zeuge … hat bei seiner Vernehmung angegeben, dass er die Tür aufgeschlossen, dass Rolltor hochgemacht und die Sachen einfach auf den Boden „auf einen Haufen“ gelegt hat (Sitzungsprotokoll vom 06.04.2016, Seite 3, Bl. 194 d.A.). Auch für die sogenannten „BestSchick-Sendungen“, mit denen Wertgegenstände transportiert werden („Werttransporte“), gab es beim Beklagten keinen Tresor, so der Zeuge … (Sitzungsprotokoll vom 06.04.2016, Seite 7, Bl. 198 d.A.). Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat in dem Zusammenhang ebenfalls erklärt, dass der Beklagte zur damaligen Zeit keine besonderen Aufbewahrungsmöglichkeiten für BestSchick-Sendungen vorhielt. Überwachungseinrichtungen, wie etwa eine Kamera, wurden erst später installiert.

Vor dem Hintergrund, dass der Beklagte als Frachtführer verpflichtet ist, jeglichem Verlust der in seine Obhut gelangten Güter durch geeignete und ausreichende Sicherheitsvorkehrungen entgegenzuwirken (vgl. BGH, Urt. v. 25.03.2004 – I ZR 205/01, juris Rn. 39 = BGHZ 158, 322), stellt das Fehlen eines gegen den Zugriff unbefugter Dritter besonders gesicherten Aufbewahrungsortes für dem Beklagten zum Transport anvertraute objektiv erkennbare Wertgegenstände („BestSchick“-Sendungen) einen Verstoß gegen elementare Sorgfaltsvorkehrungen in der Organisation des Betriebs des Beklagten dar. Das gegenständliche Frachtgut war vorliegend im Ergebnis einem unkontrollierten Zugriff Dritter ausgesetzt.

Da der Beklagte danach elementare Sicherheitsvorkehrungen unterlassen hat, obwohl aufgrund der Bezeichnung der Sendungen als „BestSchick“ erkennbar war, dass Wertgegenstände transportiert werden, handelte er in dem Bewusstsein, dass es in Ermangelung solcher Vorkehrungen zu einem Schadenseintritt kommen kann (vgl. BGH, aaO., juris Rn. 38) und damit leichtfertig im Sinne des § 435 HGB. 6. Anhaltspunkte für einen mitwirkenden Schadensbeitrag der Versicherungsnehmerin nach § 425 Abs. 2 HGB hat der Beklagte nicht dargetan und sind auch nicht ersichtlich.

Die Versicherungsnehmerin hat den Transport der Goldbarren im Wege der sog. „BestSchick-Sendung“ beauftragt, die für den Transport von Wertgegenständen im KEP-Systemverbund vorgesehen ist. Dass es für die Versendung von höchst werthaltigen Gütern, wie die hier im Streit stehenden Goldbarren, seitens des Beklagten eine weitere Versandart gibt, mit der ein vergleichsweise geringeres Verlustrisiko verbunden ist, hat der Beklagte nicht dargelegt.

Die vom Landgericht festgestellte und für den Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindende Tatsache, dass die „BestSchick“-Sendungen beim Beklagten zur damaligen Zeit von dem anliefernden Zeugen … in der vom Beklagten unterhaltenen Lagerhalle gemeinsam mit den anderen Sendungen auf den Boden auf einen „Haufen gelegt “ wurden, stellt keinen mitwirkenden Schadensbeitrag der Versicherungsnehmerin dar.

Der Beklagte hat unstreitig zur damaligen Zeit für „BestSchick“-Sendungen keine besondere Aufbewahrungsmöglichkeit, insbesondere keinen Tresor vorgehalten (vgl. Sitzungsprotokoll vom 16.12.2015, Seite 3, Bl. 62 d.A.). Das hat der vom Beklagten benannte Zeuge … bestätigt (Sitzungsprotokoll vom 06.04.2016, Seite 7, Bl. 198 d.A.). Damit hatte der von der Versicherungsnehmerin beauftragte Fahrer keine andere Möglichkeit, als die Sendungen in der Halle des Beklagten abzulegen.

7. Die Entscheidung über die Verzugszinsen folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat den Beklagten hinsichtlich des Betrages von 2.500 € mit Schreiben vom 21.07.2014 (Anlage K 6, Bl. 14 f. d.A.) mit Ablauf des 19.08.2014 und hinsichtlich des Betrages von 6.500 € mit Schreiben vom 18.08.2015 (Anlage K 11, Bl. 23 d.A.) in Verzug gesetzt.

8. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die weder von höchstrichterlicher noch von obergerichtlicher Rechtsprechung abweicht. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und erfordert auch keine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts.

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