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Diskriminierung bei frauenfördernden Hinweis in Stellenausschreibung?

Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Az.: 12 Sa 1102/08

Vorinstanz: Arbeitsgericht Düsseldorf, Az.: 11 Ca 754/08


Leitsätze:

Weist der öffentliche Arbeitgeber in einer ansonsten geschlechtsneutral gehaltenen Ausschreibung darauf hin, dass „ein besonderes Interesse an Bewerbungen von Frauen bestehe“, werden hierdurch männliche Stellenbewerber nicht i.S.d. AGG unzulässig benachteiligt, wenn in der für die Stelle maßgeblichen Vergleichsgruppe Frauen unterrepräsentiert sind.


Unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.06.2008 teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz bzw. auf Entschädigung wegen Benachteiligung auf Grund seines Geschlechts bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte entwickelte im Jahr 2007 ein „Sport- und Bewegungsmodell“, das – mit dem Ziel der Bewegungs-, Sport- und Talentförderung – die Erkennung und Förderung sowohl motorisch leistungsschwacher als auch sport- und bewegungsbegabter Kinder vorsieht. Dazu werden alle Zweitklässler der Grundschulen im Rahmen des Sportunterrichtes getestet und ihnen – nach einer individuellen Auswertung der Testergebnisse – speziell auf ihre jeweiligen Stärken oder Schwächen zugeschnittene Empfehlungen für verschiedene Sport- und Bewegungsangebote gegeben.

Für das Modellprojekt suchte die Beklagte mit einer im Juli 2007 in der Tageszeitung, bei der Arbeitsagentur und im Internet veröffentlichten Ausschreibung „eine/n Diplom-Sportlehrer/in“ in einer auf 2 Jahren befristeten, nach Entgeltgruppe 10 TVöD vergüteten Teilzeittätigkeit. In dem Ausschreibungstext werden Aufgabenschwerpunkte, Tätigkeitsanforderungen und erwünschte Berufserfahrungen genannt. Weiterhin enthält der Text den Passus:

„Es besteht ein besonderes Interesse an Bewerbungen von Frauen und von Schwerbehinderten“.

In der Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes waren Ende Juli 2007 bei der Beklagten insgesamt 253 männliche Mitarbeiter und 241 weibliche Mitarbeiterinnen, in der Entgeltgruppe 10 TVöD (= A 11 BBG) 62 männliche Mitarbeiter und 54 weibliche Mitarbeiterinnen beschäftigt. Im Sportamt waren jeweils 2 Männer und 2 Frauen im gehobenen Dienst tätig. Im Schuldienst sind, beim Land Nordrhein-Westfalen beschäftigt, die männlichen Mitarbeiter gegenüber den weiblichen Mitarbeiterinnen deutlich unterrepräsentiert.

Der am 07.10.1969 geborene Kläger, der im Jahr 1997 das zweite Staatsexamen für Sportlehrer an Schulen der Sekundarstufe I/II abgelegt hatte und zuletzt vorwiegend im Bereich der Fortbildung von Fitness- und Sporttrainern sowie als Personal Trainer tätig war bzw. ist, hatte, wie auch einige andere Bewerber, bereits im Vorfeld von deren möglichen Einrichtung der Stelle erfahren und sich wiederholt telefonisch bei dem im Sportamt beschäftigten Zeugen M. nach der Ausschreibung erkundigt. Der Kläger behauptet, dass bei einem dieser Anrufe der Zeuge M. sinngemäß geäußert habe, dass ihm, M., für die zu besetzende Stelle „eine Frau lieber sei“. Die Beklagte bestreitet dies.

Die Beklagte leitete mit Schreiben vom 20.07.2007den Ausschreibungstext dem Kläger unmittelbar zu. Unter dem 02.08.2007 bewarb sich der Kläger auf die Stelle.

Insgesamt gingen auf die Ausschreibung die Bewerbungen von 31 Männern und 38 Frauen mit der erforderlichen Qualifikation (Studium) ein. Aus den 69 Bewerbern wurden 6 zum Vorstellungsgespräch geladen, nämlich 2 Männer, darunter der Kläger, und 4 Frauen. Die Durchführung der Vorstellungsgespräche und der Auswahl des einzustellenden Bewerbers erfolgte durch die Personalauswahlkommission der Beklagten am 20.09.2007. Der Personalauswahlkommission gehörten der zuständige Fachdezernt (Beigeordnete), der Zeuge P. als Sachgebietsleiter im Personalamt, der für die Sachbearbeitung im Sportamt zuständige Zeuge M., ein Mitglied des Personalrats sowie eine Mitarbeiterin der Gleichstellungsbeauftragten an. In den einzelnen Vorstellungsgesprächen wurden jedem Bewerber die in einem Fragenkatalog (Bl. 112 f.) formulierten Fragen gestellt. Anschließend wurden die Bewertungen ihrer Antworten in einer Liste (114 ff.) erfasst. Danach erzielte der Kläger bei der ersten Frage 5 von 7 Punkten (die später eingestellte Mitbewerberin D. 7 von 7), bei der zweiten Frage 3 von 6 Punkten (die eingestellte Bewerberin 5 von 6). In der Zusammenfassung (Bl. 117) dokumentierte die Personalauswahlkommission ihren Gesamteindruck zum Kläger, der letztlich auf den 3. Rang gesetzt wurde, wie folgt:

„Die Mitglieder der Kommission erachten alle Fragen als perfekt beantwortet, es ist eine große theoretische Erfahrung vorhanden. Er hat bereits als Tester mitgewirkt und ist sehr strukturiert. Hinsichtlich der praxisorientierten Arbeit mit Kindern fehlten konkrete Aussagen.“

Zu der ausgewählten Bewerberin heißt es:

„Die Mitglieder der PAK erachten alle Fragen als sehr gut beantwortet, die Ausführungen für sehr zutreffend. Der Eindruck war sehr gut. Sie wirkt offen, frisch und selbstsicher in ihrer gesamten Darstellung. Sie zeigt stark praxisorientiertes Handeln. Beste Ideen zu den Förderprogrammen.“

In dem Protokoll vom 20.09.2007 (Bl. 118) begründete die Personalauswahlkommission ihr einstimmiges Votum für die Bewerberin wie folgt:

„Diese hat sowohl die Fragen erschöpfend und wohl strukturiert beantwortet. Sie stellt ihre Berufserfahrung und insbesondere die praxisorientierte Erfahrung in der Arbeit mit Kindern überzeugend dar. Nach einhelliger Meinung der PAK-Mitglieder bringt sie die besten Voraussetzungen für einen praxisbezogenen und methodischen Zugang zu Eltern und Kindern mit.“

Frau D. ist zum 01.11.2007 als Sportlehrerin für das Projekt „Sport- und Bewegungsmodell“ eingestellt worden. Sie ist die einzige in der Funktion des/der Sportlehrers/Sportlehrerin beschäftigte Mitarbeiterin bei der Beklagten.

Mit Schreiben vom 23.10.2007 (Bl.16) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich die Personalauswahlkommission für einen anderen Bewerber entschieden habe.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.12.2007 (Bl. 18 f.) an die Beklagte machte der Kläger geltend, dass angesichts des Ausschreibungstextes und Äußerungen in Gesprächen einerseits und seiner Qualifikation andererseits eine nicht gerechtfertigte Bevorzugung von Frauen vorliege und seine Benachteiligung zu vermuten sei.

„Bei nachteiligungsfreier Auswahl hätte eine Einstellung erfolgen müssen. …

Als Rechtsfolge des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 AGG sind Sie meiner Mandantschaft zum Schadensersatz verpflichtet, § 15 AGG.

Die Höhe des Schadens ist nicht begrenzt. Dies bedeutet in dem hier zu Rede stehenden Fall, dass Herr T. während der Dauer des auf 2 Jahre befristeten Arbeitsverhältnisses so zu stellen ist, wie er bei Aufnahme der Stelle stehen würde.

Da die Stelle mit einem Entgelt gemäß Gruppe E 10 TVöD ausgeschrieben ist, ergibt sich gemäß der als Anlage beigefügten Berechnung ein Jahresbruttogehalt in Höhe von 19.169,28 €. Für die zweijährige Dauer der Beschäftigung ergibt sich mithin ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 38.338,56 €, der hiermit ausdrücklich geltend gemacht wird.“

Mit der im Februar 2008 vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von € 38.338,56 (24 Monatsgehälter) in Anspruch genommen. Mit Schriftsatz vom 18.03.2008 hat er sein Zahlungsbegehren in Höhe von € 4.792,32 (3 Monatsgehälter) hilfsweise auf § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG gestützt.

Er hat vorgetragen, dass aufgrund des Passus in der Ausschreibung „Es besteht ein besonderes Interesse an Bewerbungen von Frauen und von Schwerbehinderten“ und der Äußerung des Zeugen M., dass ihm eine Frau lieber sei, seine Benachteiligung wegen des Geschlechts zu vermuten sei. Angesichts seiner Qualifikation, Fortbildung, erworbenen Lizenzen und Berufserfahrung hätte bei einer benachteiligungsfreien Auswahl die Einstellungsentscheidung zu seinen Gunsten getroffen werden müssen.

Die Beklagte hat eine Benachteiligung des Klägers auf Grund seines Geschlechts in Abrede gestellt und den Ausschreibungstext unter Hinweis auf § 8 Abs. 4 Satz 2 LGG NRW und die vorhandene Unterrepräsentanz der Frauen verteidigt. Die Personalauswahlkommission habe Frau D. als bestgeeignete Bewerberin angesehen. Der Kläger habe zwar mit seinem theoretischen Wissen nicht weniger überzeugt. Frau D. habe jedoch ihre praxisorientierte Erfahrung bei der Arbeit mit Kindern darzustellen vermocht und daher – nach Einschätzung der Personalauswahlkommission – die besten Voraussetzungen für einen praxisbezogenen und methodischen Zugang zu Kindern und Eltern aufgewiesen.

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Insoweit habe der Kläger nicht überzeugt. Die Personalauswahlkommission habe auch im Hinblick auf den beruflichen Werdegang des Klägers und aus seiner Persönlichkeit den Eindruck gewonnen, dass ihm die erforderliche Beziehung zu Kindern im Grundschulalter fehle.

Der Kläger ist der Bewertung, die die Personalauswahlkommission zu seinen Lasten vornahm, entgegen getreten.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 38.338,56 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 10.06.2008 der Klage in Höhe von € 2.396,16 stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die Beklagte das Urteil, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an. Sie beantragt die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung. Er greift ebenfalls das Urteil an, soweit es den Anspruch auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG aberkannt und als Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG lediglich 1 ½ Monatsgehälter statt 3 Monatsgehälter zuerkannt hat.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen Bezug genommen.

Die Kammer hat in der Verhandlung am 12.11.2008 den Kläger angehört und durch Vernehmung der Zeugen N. und Q. Beweis erhoben. Hierzu wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12.11.2008 hingewiesen.

B.

Die Klage ist unbegründet und daher – unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils – auf die Berufung der Beklagten insgesamt abzuweisen.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG.

1.

Die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG ist gewahrt. Nachdem die Beklagte ihn mit Schreiben vom 23.10.2007 von der Ablehnung seiner Bewerbung unterrichtete, machte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 23.20.2008, per Fax der Beklagten zugeleitet, den Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von Euro 38.338,56 (Verdienstausfall für die zweijährige Vertragslaufzeit) geltend.

2.

Die Anspruchsvoraussetzungen nach § 15 Abs. 1 AGG sind nicht erfüllt. Für die Auswahl und Einstellung einer Sportlehrerin anstelle des Klägers spielte das Geschlecht keine Rolle. Das Geschlecht ist nicht einmal – in einer Mehrzahl von Auswahlkriterien, Erwägungen und Motiven bei der Einstellungsentscheidung – für die Beklagte mitbestimmendes Motiv gewesen. Diese Feststellung steht nach dem unstreitigen Parteivorbringen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest (§ 286 ZPO), so dass die Beweislastregel des § 22 AGG dem Kläger nicht weiter zugute kommen kann.

a) Die Beklagte hat ihre Pflichten aus Art. 33 Abs. 2 GG nicht verletzt. Eine Auswahl nach den Kriterien von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung setzt als Entscheidungsgrundlage eine Bewertung der Bewerber im Hinblick auf ihre Eignung für die zu besetzende Stelle voraus. Im übrigen lässt Art. 33 Abs. 2 GG bei der Entscheidung über die Besetzung einer freien Stelle neben der Bestenauslese auch andere Kriterien bei der Auswahlentscheidung zu, die allerdings sachlich untersetzt sein müssen. Dem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber steht ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Dies gilt für die Festlegung des Anforderungsprofils der zu besetzenden Stelle und die Gewichtung der einzelnen Qualifikationsmerkmale ebenso wie für die Feststellung, welcher Bewerber das Anforderungsprofil am besten erfüllt. Die Auswahlentscheidung ist ein Akt wertender Erkenntnis. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Arbeitgeber bei seiner wertenden Entscheidung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet hat und ein fehlerfreies Verfahren eingehalten hat, ob insbesondere auch die selbstgesetzten Kriterien, namentlich in einer Ausschreibung, willkürfrei angewendet oder ob sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (BAG, Urteil vom 21.01.2003, 9 AZR 307/02, Juris Rz. 32 = ZTR 2003, 572 ff., Urteil vom 21.01.2003, 9 AZR 72/02, Juris Rz. 32 ff. = ZTR 2003, 463 ff., Urteil vom 07.09.2004, 9 AZR 537/03, Juris Rs. 28 = ZTR 2005, 205 ff., Urteil vom 19.02.2008, 9 AZR 70/07, Juris Rz. 35 = NZA 2008, 1016, vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.05.2002, 2 BvR 723/99, Juris Rz. 13). Der öffentliche Arbeitgeber darf sein Eignungsurteil auch auf den persönlichen Eindruck stützen, den der Gesprächsführer (i.c. die Personalauswahlkommission) aus den Vorstellungsgesprächen und dem Auftreten der einzelnen Bewerbern gewonnen hat (BVerwG, Urteil vom 30.01.2003, 2 A

1/02, Juris Rz. 11-14, BAG vom 07.09.2004, a.a.O., Juris Rz. 42 f.).

b) Daran, dass die gerichtlichen Kontrolle von Auswahlentscheidungen i.S.v. Art. 33 Abs. 2 GG eingeschränkt ist, ändert das AGG nichts. Die Beweislastregel des § 22 AGG lässt die Maßgeblichkeit des in der der Stellenausschreibung wiedergegebenen Anforderungsprofils ebenso unberührt (Schiek/ Kocher AGG, § 22 Rz. 25) wie das Auswahlermessen des Arbeitgebers, also seine in Bezug zu dem „Anforderungsprofil“ gesetzte Bewertung, welcher bestqualifizierteste Bewerber für die ausgeschriebene Stelle sei.

Wohl wird durch § 22 AGG der Nachweis einer z.B. geschlechtsspezifischen Diskriminierung erleichtert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.09.2006 1 BvR 308/03, Juris Rz. 14). Wenn die geschlechtsbedingte Benachteiligung nicht auf der Hand liegt, genügt es, dass der Arbeitnehmer Vermutungstatsachen, insbes.

Erklärungsverhalten des Arbeitgebers oder andere, die die Annahme einer Benachteiligung wegen des Geschlechts nahe legen, vorträgt und, falls bestritten beweist. Ist danach zur Überzeugung des Gerichts die Benachteiligung aus geschlechtsspezifischen Gründen überwiegend wahrscheinlich, muss der Arbeitgeber den vollen Beweis führen. Wird bewiesen, dass andere Bewerber unter Zugrundelegung der maßgebenden sachlichen Auswahlkriterien als besser geeignet erscheinen, scheidet ein Schadensersatzanspruch des auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht angestellten Bewerber nach § 15 Abs. 1 AGG aus, allerdings nicht auch ein Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG (vgl. BAG, Urteil vom 05.02.2004, 8 AZR 112/03, Juris Rz. 68 ff. = ZTR 2004, 435 ff.).

c) Soweit die Beklagte die Mitbewerberin D. hat zum Zuge kommen lassen, weil sie den Anforderungen der Stelle am ehesten entspreche, hat sie ihren Beurteilungsspielraum nicht verletzt und ihr Auswahlermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.

Die Vorstellungsgespräche fanden in standardisierter Form statt. Allen Bewerbern wurden nach einem vorformulierten Fragenkatalog dieselben Fragen zu dem Aufgabengebiet gestellt, die Beurteilung der Antworten dokumentiert, bepunktet, und in einer Schlussbeurteilung wurde der Gesamteindruck niedergelegt und gewichtet.

Die Mitbewerber des Klägers wiesen ebenfalls die in der Stellenausschreibung geforderte Formalqualifikation auf und erfüllten die weiteren Fachkriterien des Anforderungsprofils.

Die Zeugen M. und P. haben übereinstimmend bekundet, dass das Geschlecht des auszuwählenden Bewerbers für die Personalauswahlkommission keine Rolle gespielt habe und schließlich für die Entscheidung der Gesamteindruck ausschlaggebend gewesen sei, dass die ausgewählte Bewerberin bereits über praktische Erfahrung bei der Sportförderung im Umgang mit Kindern verfügte und bezogen auf die Zielgruppe (Grundschulkinder) als die Geeignetste erschien. Die Aussagen der Zeugen sind glaubhaft. Die Zeugen haben lebensnah, plausibel und widerspruchsfrei, im Einklang mit der Dokumentation der Vorstellungsgespräche und Auswahlentscheidung der Personalauswahlkommission, den Vorgang der Entscheidungsfindung geschildert. Ihre Aussagen sind auch glaubwürdig. Die Kammer ist von der Aussageehrlichkeit der Zeugen überzeugt. Dass den Zeugen aufgrund ihrer Beschäftigung bei der Beklagten sowie ihrer Mitwirkung in der Personalauswahlkommission am 20.09.2007 in dem Streit der Parteien darüber, ob die Einstellungsentscheidung i.S.d. AGG benachteiligungsfrei und nach Art. 33 Abs. 2 GG korrekt getroffen wurde, an einem Obsiegen der Beklagten gelegen sein mag, ist nicht auszuschließen. Diese mögliche Interessiertheit der Zeugen an dem Ausgang des Rechtsstreits beeinträchtigt aber nicht die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen. Abgesehen davon, dass keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich sind, bei der Aufstellung des Anforderungsprofils „maßgeschneiderte“ Qualifikationen zu mutmaßen, und die Stelle auch nicht sonderlich prickelnd ausgestattet war, ist für die Kammer nachvollziehbar, dass der Kläger aufgrund seines beruflichen Werdegangs, der Fortbildung von Sportlehrern und der auf Fitness- und Sportstudios und Personal Training fokussierten Praxiserfahrung, sich weniger für die Arbeit mit Grundschülern, der Zielgruppe des „Sport- und Bewegungsmodells“, aufdrängte und es der Beklagten auf sein durch Fortbildungen und langjährige Beruftstätigkeit erworbenes theoretisches Wissen nicht entscheidend ankam.

In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob der Zeuge M. im Vorfeld am Telefon zu verstehen gab, dass ihm eine Frau lieber sei, und ob der inkriminierte Passus in der Ausschreibung, wenn nicht nur rituell, sondern mit konkreten Frauenförderungsintention aufgenommen, eine Benachteiligung der männlichen Bewerber wegen ihres Geschlechts darstellt. Denn diese Umstände wirkten sich, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, jedenfalls nicht auf die Auswahlentscheidung der Beklagten aus. Dabei ist hinzuzufügen, dass der Zeuge

M. zwar als im Sportamt zuständiger Sachbearbeiter auch der Personalauswahlkommission angehörte, aber auf deren Entscheidungsfindung keinen erheblichen Einfluss nahm, er es vielmehr dem ihm vorgesetzten Fachdezernenten (Beigeordneten) überließ, Fragen an die Bewerber zu richten, und sich vor ihm zu dem auszuwählenden Bewerber zu äußern.

3.

Da der Kläger die für ihn negative Auswahlentscheidung der Beklagten nicht mit Erfolg beanstanden kann, erübrigen sich Überlegungen zur Schadenshöhe. Es braucht daher weder darauf eingegangen zu werden, ob der Vermögensschaden (entgangener Arbeitsverdienst) auf den nächstzulässigen ordentlichen Kündigungstermin zu begrenzen ist, was die Beklagte meint, noch ob es, worauf das Arbeitsgericht abgestellt hat, der Kläger an Darlegungen zur Schadensminderung hat fehlen lassen. Schließlich brauchen nicht die in der mündlichen Verhandlung protokollierten Angaben des Klägers zu seinem anderweitigen Zwischenverdienst näher bewertet zu werden.

II.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

1.

Es kann offen bleiben, ob der Kläger einen etwaigen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 4 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung schriftlich geltend machen musste und ob das Schreiben vom 21.12.2007 eine Geltendmachung dieses Anspruchs beinhaltet.

a) In dem Schreiben erhebt der Kläger einen Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG. Die Behauptung, dass „bei benachteiligungsfreier Auswahl eine Einstellung erfolgen müsse“, verknüpft er mit der Ansicht, dass die Beklagte „zum Schadensersatz verpflichtet“ sei, „die Höhe des Schadens nicht begrenzt“ sei und in dem Verdienstausfall für die zweijährige Beschäftigungsdauer bestehe. Die Erklärung, dass „mithin ein Schadensersatzanspruch in Höhe von € 38.388,56 … hiermit ausdrücklich geltend gemacht“ werde, ist danach allein als Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs nach § 15 Abs. 1 AGG zu verstehen. In dem Schreiben vom 21.12.2007 wird, auch nicht andeutungsweise oder hilfsweise, der – der Höhe nach auf 3 Monatsgehälter begrenzte – Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG erhoben oder etwa reklamiert, dass – abgehen von dem bezifferten Vermögensschaden – ein immaterieller Schaden eingetreten und dieser von der Beklagten zu ersetzen sei.

b) Der Kläger machte den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG erstmals mit Schriftsatz vom 18.03.2008 geltend, also nahezu 5 Monate nach der ihm mit Schreiben der Beklagten vom 23.10.2007 mitgeteilten Ablehnung seiner Bewerbung. Auch wenn man dafür hält, dass nach gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG der Zugang der Ablehnung der Bewerbung nicht ausreicht, sondern die Kenntnis von der Benachteiligung wegen des Geschlechts hinzukommen muss (Wendeling-Schröder/Stein, AGG [2008], § 15 Rz. 74), und man diese Kenntniserlangung erst zu dem Zeitpunkt annimmt, als der Kläger davon erfuhr, dass eine weibliche Bewerberin eingestellt wurde, ist die schriftliche Geltendmachung nach § 15 Abs. 4 AGG verspätet gewesen. Denn der Kläger erfuhr, wie er in der Verhandlung vor der Kammer erklärt hat, spätestens vier Wochen nach der Ablehnung davon, dass eine weibliche Mitbewerberin ausgewählt und eingestellt wurde.

c) Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss „ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2“ innerhalb der Zweimonatsfrist geltend gemacht werden. Zu der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB IX a.F. („Ein Anspruch auf Entschädigung nach den Nummern 2 und 3 muss innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung der Bewerbung schriftlich geltend gemacht werden.“) hat die höchstrichterliche Rechtsprechung aus der Verwendung des unbestimmten Artikels „ein Anspruch“ gefolgert, dass es genüge, einen Anspruch wegen Benachteiligung auf Grund einer Behinderung geltend zu machen (BAG, Urteil vom 15.02.2005, 9 AZR 635/03, Juris Rz. 26, Urteil vom 12.09.2006, 9 AZR 807/05, Juris Rz. 16, Urteil vom 03.04.2007, 9 AZR 823/06, Juris Rz. 31). Ob diese Wortlautauslegung, die sich von der herkömmlichen Auslegung tariflicher Verfallklauseln abhebt (vgl. BAG, Urteil vom 09.04.2008, 4 AZR 104/07, Juris Rz. 51, Urteil vom 07.02.2007, 5 AZR 41/06, Juris Rz. 29 m.w.N., Urteil vom 17.05.2001, 8 AZR 366/00, Juris Rz. 28, Urteil vom 26.06.1985, 7 AZR 150/83, Juris Rz. 50 ) für § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG angängig ist und der Intention des Gesetzgebers gerecht wird, durch eine kurze Geltendmachungsfrist Rechtssicherheit für den Arbeitgeber zu schaffen, bedarf hier keiner Klärung. Immerhin: Wenn § 15 Abs. 4 AGG bezweckt, den Arbeitgeber auch vor jenen Anspruchstellern, deren spätes Entschädigungsverlangen auf Scheinbetroffenheit hindeutet, zu schützen, spricht viel dafür, für eine ordnungsgemäße Geltendmachung die erkennbare Reklamation einer Verletzung des

Persönlichkeitsrechts vorauszusetzen. Hinzu kommt, dass mit dem verschuldensabhängigen Ersatz des Vermögensschadens nach § 15 Abs. 1 AGG und der verschuldensunabhängigen Entschädigung für einen erlittenen Nichtvermögensschaden nach § 15 Abs. 1 AGG zwei unterschiedliche Streitgegenstände in Rede stehen. Der Anspruchssachverhalt nach Abs. 1 AGG setzt persönliche Betroffenheit von der Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht voraus. Der Arbeitnehmer kann und darf den Fokus darauf legen, dass er die negative Auswahlentscheidung gerade und nur unter dem Aspekt beanstanden will, dass eine benachteiligungsfreie Auswahl zu seiner Einstellung geführt hätte.

Zwar ist in diesem Kontext nicht zu übersehen, dass nach Vorstellung des Gesetzgebers (BT-Drs. 16/1780 S. 38) „immaterielle Schäden … regelmäßig bei einer ungerechtfertigten Benachteiligung aus den in § 1 genannten Gründen vorliegen“. Gleichwohl wird eine Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht gesetzlich fingiert, so dass § 15 Abs. 4 AGG nicht von vornherein die Obliegenheit ausschließt, eine solche Verletzung zumindest konkludent für eine gemäß Abs. 2 verlangte Entschädigung anzugeben.

d) Schließlich braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob die zweimonatige Ausschlussfrist, weil zu kurz bemessen, europarechtswidrig sein könnte (Wendeling-Schröder/Stein, § 15 Rz. 66).

e) Unter der Prämisse, dass der Entschädigungsanspruch form- und fristgerecht geltend gemacht worden ist, würde allerdings die am 06.02.2008 eingereichte Zahlungsklage die dreimonatige Klagefrist des § 61 b Abs. 1 ArbGG wahren.

2.

Der Kläger hat weder eine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts erfahren, noch ist ihm ein immaterieller Schaden, für den ihn die Beklagte zu entschädigen hätte, entstanden. Daher ist ein Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht gegeben.

a) Das Ausschreibungs-, Auswahl- und Besetzungsverfahren begründet nicht i. S. v. § 22 AGG die Vermutung, dass der Kläger, unabhängig davon, ob auch andere Gründe für die Einstellungsentscheidung der Beklagten maßgeblich waren, wegen seines Geschlechts benachteiligt wurde.

b) Der Kläger hat schriftsätzlich behauptet, dass der Zeuge M. als im Sportamt zuständiger Sachbearbeiter anlässlich eines vor der Ausschreibung geführten Telefonats geäußert habe, dass ihm, M., für die zu besetzende Stelle „eine Frau lieber sei“. Diesen Vortrag hat er in der Verhandlung vor der Kammer derart verstanden wissen wollen, dass „bei einem Telefonat Herr M. meinte, dass ich ja qualifiziert sei, wobei er in einem Nebensatz anfügte, dass ihm eine Frau aber lieber sei. So äußerte sich Herr M. sinngemäß. Ob die Äußerung ernst oder amüsant gemeint war, vermag ich nicht zu bewerten.“

Mit dem – strittigen – Vortrag hat der Kläger zwar ein Indiz angeführt, das eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen könnte. Er ist jedoch beweisfällig geblieben. Der Zeuge M. hat bei seiner Vernehmung in Abrede gestellt, wörtlich oder sinngemäß die Bemerkung, dass ihm eine Frau aber lieber sei, getätigt zu haben. Demgegenüber vermochte der angehörte Kläger mit seiner vagen Schilderung die Kammer nicht davon zu überzeugen, dass der Zeuge M. zu erkennen gab, weibliche Bewerberinnen nach einer etwaigen Ausschreibung bei der Einstellung zu bevorzugen. Einer entsprechenden Bemerkung hätte nach Lage der Dinge auch der Ernst gefehlt, denn der Zeuge M. konnte aufgrund seiner nachgeordneten Stellung im Fachamt weder im Vorfeld noch anlässlich der am 20.09.2007 durch die Personalauswahlkommission getroffenen Auswahl die Einstellungsentscheidung der Beklagten i. S. der Bevorzugung einer weiblichen Bewerberin beeinflussen.

c) Der Kläger macht des Weiteren geltend, dass die Beklagte bei Anwendung des Gebots der Bestenauslese (und benachteiligungsfreier Auswahl) die ausgeschriebene Stelle ihm und nicht der tatächlich ausgewählten Mitbewerberin hätte geben müssen. Dieser Vortrag hat sich, wie bereits ausgeführt, nach der Beweisaufnahme als unzutreffend herausgestellt.

d) Daher kann ein Entschädigungsanspruch allein darauf gestützt werden, dass die Beklagte mit dem inkriminierten Passus das Gebot der geschlechtsneutralen Ausschreibung verletzt habe.

(11) Nach einhelliger Rechtsmeinung scheidet ein Entschädigungsanspruch nur wegen Verletzung des § 11 AGG aus (Wendeling-Schröder/Stein, § 11 Rz. 25, ErfK/Schlachter, 8. Aufl., § 11 Rz. 2, Schiek/Schmidt, AGG, § 11 Rz. 6, Rust/Falke, AGG, § 11 Rz. 23). Allerdings lässt ein Verstoß gegen § 11 AGG die Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen des verpönten Merkmals vermuten (BVerfG vom 21.09.2006, 1 BvR 308/03, Juris Rz. 15, BAG, Urteil vom 24.04.2008, 8 AZR 257/07, Juris Rz. 34, vgl. Adomeit/Mohr, AGG, § 22 Rz. 53).

(22) Anders liegen die Dinge, wenn ein Rechtfertigungsgrund nach § Abs. 2, §§ 8 bis 10 AGG oder eine positive Maßnahme nach § 5 AGG vorliegt. In dieser Konstellation sind geschlechtsspezifische Formulierungen in der Ausschreibung nicht zu beanstanden (Wendeling-Schröder/Stein, § 11 Rz. 13, Schiek/ Schmidt, § 11 AGG Rz. 5, Rust/Falke, § 11 AGG Rz. 12).

Hiervon richtigerweise ausgehend hat das Arbeitsgericht dem in der Ausschreibung enthaltenen Passus „Es besteht ein besonderes Interesse an Bewerbungen von Frauen und von Schwerbehinderten“ einen geschlechtsspezifischen Einschlag entnommen. Das Gericht hat weiterhin der Beklagten zwar zugestanden, in der Ausschreibung auf die landesgesetzliche Frauenförderung hinweisen zu dürfen (vgl. auch ArbG Lingen, Urteil vom 19.01.2006, 1 Ca 419/05, Juris Rz. 19). Es hat ihr jedoch angelastet, vom Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 4 LGG NRW („In der Ausschreibung sind sowohl die männliche als auch die weibliche Form zu verwenden, es sei denn, ein bestimmtes Geschlecht ist unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit. In der Ausschreibung ist darauf hinzuweisen, dass Bewerbungen von Frauen ausdrücklich erwünscht sind und Frauen bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt werden, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen“) abgewichen zu sein, und hieraus auf eine Benachteiligung des Klägers mit der Folge des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG gefolgert.

Dem vermag die Kammer nicht beizupflichten.

(33) Es bedarf hier keiner Vertiefung, ob ein Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG entfällt, wenn sich der öffentliche Arbeitgeber an verwaltungsgesetzliche Bestimmungen hält, die ihm bei einer Ausschreibung den Hinweis auf die Frauenförderung vorschreiben (krit. zur Haftungseinschränkung bei Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen: Wendeling-Schröder/Stein, § 15 AGG Rz. 57 ff. m.w.N.). Ein Verstoß gegen textliche Vorgaben wird, weil die Normen (hier: § 8 Abs. 4 Satz 2 LGG NRW) kein Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB zu sein pflegen, regelmäßig schadensersatzrechtlich folgenlos bleiben.

Entscheidend für die Ersatzpflicht nach § 15 AGG ist vielmehr, ob die in einer Ausschreibung zu Tage tretende unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen von § 5 AGG abgedeckt ist. Das wäre der Fall, wenn „durch geeignete und angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile wegen eines in § 1 genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen werden sollen“.

a) Dabei ist in einem ersten Schritt der Ausschreibungstext nach § 133, § 157 BGB und den daraus entwickelten methodischen Anweisungen auszulegen, wobei der objektive Empfängerhorizont, also die Sicht der potentiellen Bewerber maßgebend ist.

Mit dem Hinweis in der Stellenausschreibung, dass an Bewerbungen von Frauen ein besonderes Interesse bestehe, man sich hierüber sehr freue, Bewerbungen auch von Frauen ausdrücklich erwünscht seien o.ä., will der öffentliche Arbeitgeber – für Bewerber erkennbar – regelmäßig auf die ihm gesetzlich auferlegte Förderung von Frauen in unterrepräsentierten Bereichen hinweisen (vgl. Schiek/Vieten, Frauengleichstellungsgesetze, 2. Aufl., § 6 BGleiG, Rz. 913) und diese zur Bewerbung ermutigen. Der Hinweis bezweckt Frauenförderung im Rahmen des gesetzlich Gebotenen und Zulässigen. Indem entsprechend der Zielsetzung, die Unterrepräsentanz zu beseitigen, qualifizierte Bewerberinnen entweder unmittelbar angesprochen oder mittelbar aus ihrer erhöhten Zahl gewonnen werden sollen, wird das Prinzip der Bestenauslese nicht in Frage gestellt. Der Hinweis enthält zwar eine geschlechtsspezifische Aussage, wirkt jedoch auf den potentiellen Bewerberkreis nicht etwa wie ein konstitutives Anforderungsprofil, das den nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung auszuwählenden Bewerberkreis de facto auf Frauen beschränkt. Das belegt die Faktizität: Auf die Ausschreibung bewarben sich in großer Zahl auch Männer, darunter der Kläger, um die Sportlehrer-Stelle.

b) Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der in die Stellenausschreibung aufgenommene Hinweis, dass ein besonderes Interesse an Bewerbungen von Frauen bestehe, eine zum Ausgleich bestehender Nachteile geeignete und angemessene Maßnahme i. S. v. § 5 AGG ist.

(11) Die Unterrepräsentanz einer Merkmalsgruppe ist ein ausgleichsfähiger Nachteil im Sinne der Vorschrift (Wendeling-Schröder/Stein § 5 AGG Rz. 12, Däubler/Hinrichs, AGG, 2. Aufl., § 5 Rz. 23). Vorliegend ist zur Ermittlung des Repräsentanzverhältnisses von Männern und Frauen auf die bei der Beklagten in der Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes Beschäftigten abzustellen: Eine andere Vergleichsgruppe lässt sich nicht sachgerecht bilden, weil zum einen die Beklagte keine Mitarbeiter auch nur annähernd in der Funktion des Sportlehrers beschäftigt und zum anderen die im Sportamt im gehobenen Dienst tätigen Mitarbeiter angesichts ihrer geringen Zahl (4) nicht repräsentativ für die Beschäftigtenzahlen nach Geschlecht sind.

Bei der Beklagten sind in der Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes, auch in der Vergütungsgruppe (Entgeltgruppe 10 TVöD = A 11 BBG) Frauen gegenüber Männern unterrepräsentiert ( 253 : 241 bzw. 62 : 54). Der geringere Frauenanteil auf dieser Hierarchie- und Vergütungsebene indiziert eine Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern. Diesen Nachteil darf nach § 5 AGG ein Arbeitgeber durch positive Maßnahmen ausgleichen.

Der Streitfall erfordert keine Klärung, ob funktionell oder organisatorisch abgrenzbare Gruppen oder Bereiche, z.B. die bei der Anstellungsbehörde beschäftigte Lehrerschaft, in bestimmten Fächern, Schulformen oder Leitungspositionen, als sachgerechte Bezugsgröße für die Ermittlung einer Überoder Unterrepräsentanz in Betracht kommen (vgl. Schiek/Schmidt, AGG, § 7 Rz. 13).

Da im gehobenen Dienst bei der Beklagten und speziell in der Entgeltgruppe 10 TVöD Vergütungsgruppe Frauen, wenn auch nicht gravierend, unterrepräsentiert sind, ist die explizit an Frauen gerichtete Ermutigung, sich zu bewerben, sachlich zutreffend. Anders können die Dinge liegen, wenn der frauenförderliche Hinweis in Konstellationen ergeht, in denen tatsächlich eine Unterrepräsentanz nicht vorliegt (vgl. Schiek/Schmidt, AGG, § 7 Rz. 13).

(22) Der Hinweis in der Ausschreibung ist i. S. v. § 5 AGG geeignet, die mit der Unterrepräsentanz der Frauen verbundenen Nachteile auszugleichen. Denn er kann für sie ein notwendiger oder zusätzlicher Anreiz sein, sich um die Stelle zu bewerben.

(33) Mit dem Passus „Es besteht ein besonderes Interesse an Bewerbungen von Frauen (und von Schwerbehinderten)“ wird eine angemessene Maßnahme ergriffen. Dem Passus lässt sich weder ein Vorgriff auf die Auswahlentscheidung entnehmen noch liefert er den männlichen Bewerbern begründeten Anlass für die Mutmaßung, dass nicht nach Prinzip der Bestenauslese verfahren werden soll.

Diese durften vielmehr davon ausgehen, dass die Beklagte mit dem Hinweis ihrer rechtlichen Verpflichtung zur Frauenförderung genügen und das obligatorische Bekenntnis abgeben wollte. Mit dem inkriminierten Passus hat daher die Beklagte unter Abwägung der Exspektanzen der zurückgesetzten Gruppe, i.e. der männlichen und nicht schwerbehinderten Bewerber um die Sportlehrer-Stelle, den ihr in § 5 AGG gelassenen Spielraum bei der Wahl und Gestaltung von positiven Maßnahmen nicht überschritten.

Weil es nach § 5 AGG nicht der Beklagten obliegt, die in § 8 Abs. 2 Satz 2 LGG NRW vorgegebene Formulierung zu verwenden, löst die Wahl einer Formulierungsvariante nicht bereits die Entschädigungspflicht nach § 15 Abs. 2 AGG aus. Überdies ist bei der Inhaltskontrolle von derartigen Hinweisen zu bedenken, dass zum einen eine Ausschreibung sich zwangsläufig auf eine knappe Formulierung beschränken muss und ggf. noch weitere Gruppen, insbesondere schwerbehinderte Menschen, ansprechen will und zum anderen jede auch immer gewählte kurze Formulierung nur ungenügend die rechtliche und tatsächliche Komplexität und Problematik der Gleichbehandlung einerseits und der Förderung benachteiligter Gruppen andererseits einfängt, etwa inwieweit nach § 5 AGG positive Maßnahmen (i.c. für Frauen) bei einer europarechtskonformen Auslegung insbes. im Licht der EGRL 2000/78 und der Rechtsprechung des EuGH zulässig sind oder nicht (vgl. Wendeling-Schröder/Stein, § 5 AGG, Rz. 2, 7, Rust/Falke/Raasch, § 5 Rz. 19 ff., ferner Schiek/Vieten, Frauengleichstellungsgesetze, § 8 LGG NRW, Rz. 2502). Daher dürfen die Anforderungen an den Inhalt nicht überspannt werden.

In Anwendung dieser Maßstäbe ist der von der Beklagten in der Ausschreibung verwendete Passus nicht zu beanstanden.

c) Nimmt man gleichwohl zu Gunsten des Klägers, dass der inkriminierte Passus nicht als Frauenförderungsmaßnahme nach § 5 AGG zulässig sei, ist – als weiterer Prüfungsschritt – die Feststellung zu treffen, ob der implizite Verstoß gegen das Gebot der geschlechtsneutralen Ausschreibung gemäß § 22 AGG die Vermutung für einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot selbst begründet und eine i. S. v. § 15 Abs. 2 AGG entschädigungspflichtige Persönlichkeitsrechtsverletzung eingetreten ist.

Im Streitfall ist nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien und dem als richtig unterstellten Vortrag des Klägers nicht feststellbar oder nur zu vermuten, dass das in der Ausschreibung seitens der Beklagten bekundete „besondere Interesse an Bewerbungen von Frauen“ zu einem immateriellen Schaden führte.

(11) Im Allgemeinen kommt eine Geldentschädigung bei einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur in Betracht, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Ob der Eingriff schwerwiegend ist, hängt insbesondere von seiner Bedeutung und Tragweite, weiterhin von Anlass und Beweggrund des Handelnden, von dem Grad seines Verschuldens und von der geschützten Sphäre, in die der Eingriff erfolgte, ab. Geringfügige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht lösen keine Entschädigungsansprüche aus (BGH, Urteil vom 05.10.2004, VI ZR 255/03, Juris Rz. 22/13).

Geht es um eine Benachteiligung aus Gründen des § 1 AGG, gilt allerdings die Besonderheit, dass jede Diskriminierung auch die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts indiziert (§ 22 AGG) und § 15 Abs. 2 GG den in den Erwägungsgründen Nr. 31, 32 und 35 sowie nach Art. 11 EGRL 2000/78 angesprochenen Viktimierung-, Präventions- und Pönalisierungszwecken zusätzlich Rechnung tragen soll. Auch wenn in § 15 Abs. 2 AGG die anerkannten Regeln über die Entschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht aufgegeben werden, muss daher das Erfordernis einer – eine Entschädigung in Geld gebietende – Erheblichkeit der Verletzung des Persönlichkeitsrechts im Fall der Benachteiligung eines Stellenbewerbers wegen des Geschlechts als durchweg erfüllt angesehen werden (vgl. BAG, Urteil vom 14.03.1989, 8 AZR 447/87, Juris Rz. 28, Urteil vom 15.02.2005, 9 AZR 635/03, Juris Rz. 24, Wendeling-Schröder/Stein, § 15 AGG, Rz. 38 ff., Adomeit/Mohr, § 15 AGG Rz. 39, vgl. Schiek/Kocher, § 15 AGG Rz. 31 ff.). Ausnahmsweise liegen die Dinge anders, wenn die Verletzungshandlung von geringer Relevanz ist und ohne signifikanten Benachteilungseffekt bleibt (Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, 2. Aufl., § 15 Rz. 58, a.A. Schiek/Kocher, § 15 AGG, Rz. 42).

So verhält es sich im Streitfall. Der Passus, dass ein „besondere Interesse an Bewerbungen von Frauen“ bestehe, ist eingebettet in eine sonst nach Form und Inhalt völlig geschlechtsneutral gehaltene Ausschreibung. Die Beklagte wollte ersichtlich der gesetzlichen Obliegenheit zur Frauenförderung genügen, ohne damit vom Prinzip der Bestenauslese abzugehen. Wie die eingegangenen Bewerbungen belegen, wurden durch den Passus weder der Kläger noch andere männliche Bewerber von der Bewerbung abgehalten.

Auch die weiteren Geschehnisse lassen – abgesehen von der Geltendmachung eines durch Nichtbeachtung des Prinzips der Bestenauslese entstandenen Vermögensschadens – keine erhebliche persönliche Betroffenheit des Klägers erkennen. So machte der Kläger weder im Schreiben vom 21.12.2007 noch in der Klageschrift eine Verletzung seines allgemeines Persönlichkeitsrechts im Sinne der Inanspruchnahme der Beklagten auf Entschädigung geltend. Erst nach der Replik der Beklagten vom 18.02.2008 machte er „hilfsweise“ einen Entschädigungsanspruch in Höhe von drei Monatsgehältern geltend (kl. Schriftsatz vom 18.03.2008).

In der Gesamtschau aller Umstände hält die Kammer daher – eine unzulässige Benachteiligung durch den inkriminierten Ausschreibungspassus unterstellt – die Persönlichkeitsrechtsverletzung für so geringfügig, dass diese nicht nach § 15 Abs. 2 AGG zu entschädigen ist.

C.

Die Kosten des Rechtsstreits hat nach § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger als unterlegene Partei zu tragen.

Die Kammer hat den entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 ArbGG für den Kläger die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.

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