Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Was passiert, wenn man einem gerichtlich bestellten Gutachter nicht traut?
- Worum ging es in dem jahrelangen Rechtsstreit?
- Warum genau wollte Herr W. die Sachverständige ablehnen?
- Hatte das erste Gericht den Antrag zu Recht abgewiesen?
- Wie entschied das Oberlandesgericht über die Frist für den Antrag?
- Warum sah das Gericht trotz der scharfen Worte keine Befangenheit?
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was ist der Unterschied, wenn man einen gerichtlich bestellten Gutachter wegen fachlicher Mängel oder wegen Befangenheit ablehnen möchte?
- Wann genau sollte man einen Antrag stellen, um einen gerichtlich bestellten Gutachter wegen Befangenheit abzulehnen?
- Wann werden persönliche oder emotional gefärbte Äußerungen eines gerichtlich bestellten Gutachters als Befangenheit gewertet?
- Was bedeutet der Maßstab der „vernünftigen Prozesspartei“ bei der Prüfung, ob ein Sachverständiger befangen ist?
- Welche Möglichkeiten habe ich, wenn ich mit einem gerichtlichen Gutachten inhaltlich nicht einverstanden bin, aber keine Befangenheit des Sachverständigen vorliegt?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 17 W 19/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Frankfurt
- Datum: 03.04.2025
- Aktenzeichen: 17 W 19/24
- Verfahren: Sofortige Beschwerde
- Rechtsbereiche: Zivilprozessrecht, Medizinrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Begehrt materiellen und immateriellen Schadensersatz aufgrund mutmaßlicher ärztlicher Fehler bei zwei Wirbelsäulenoperationen und einer MRSA-Infektion. Er lehnte die gerichtlich bestellte Sachverständige wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
- Beklagte: Das beklagte Krankenhaus und die beteiligten Ärzte, die die Operationen durchführten. Sie unterstützten die Auffassung des Landgerichts, die Ablehnung der Sachverständigen zurückzuweisen.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Der Kläger forderte Schadensersatz wegen angeblicher Behandlungsfehler und Infektionen nach Operationen. Im Verlauf des Rechtsstreits lehnte der Kläger eine vom Gericht beauftragte Sachverständige wegen angeblicher Parteilichkeit und unsachlicher Äußerungen ab.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Ist die gerichtlich bestellte Sachverständige wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, weil sie nach Auffassung des Klägers in ihrem Gutachten und insbesondere in ihren mündlichen und schriftlichen Erläuterungen parteilich oder unsachlich argumentiert und sich abfällig über das Prozessverhalten des Klägers geäußert hat?
Wie hat das Gericht entschieden?
- Sofortige Beschwerde zurückgewiesen: Die Beschwerde des Klägers gegen die Ablehnung der Sachverständigen wurde abgewiesen.
- Kernaussagen der Begründung:
- Zulässigkeit des Gesuchs: Das Ablehnungsgesuch des Klägers war entgegen der Auffassung des Landgerichts fristgerecht und damit zulässig.
- Keine Besorgnis der Befangenheit: Die Vorwürfe des Klägers gegen die Sachverständige begründen keine Besorgnis der Befangenheit.
- Mängel am Gutachten: Vorwürfe einer unzureichenden Sorgfalt oder inhaltlicher Fehler des Gutachtens betreffen nicht die Unparteilichkeit und sind kein Grund für eine Befangenheit.
- Sachverständigen-Äußerungen: Die als unsachlich gerügten Äußerungen der Sachverständigen in Reaktion auf das Ablehnungsgesuch waren im Kontext der scharfen Kritik des Klägers als zulässige und angemessene Reaktion zu werten.
- Folgen für die Klägerin/den Kläger:
- Das Ablehnungsgesuch gegen die Sachverständige blieb letztlich erfolglos.
- Der Kläger muss die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen.
Der Fall vor Gericht
Was passiert, wenn man einem gerichtlich bestellten Gutachter nicht traut?
Stellen Sie sich vor, Sie haben einen komplizierten Rechtsstreit. Es geht um eine medizinische Behandlung, die schiefgelaufen ist. Da der Richter kein Arzt ist, braucht er Hilfe von einem Experten, der die medizinischen Fragen klären kann. Das Gericht bestellt daher einen sogenannten Sachverständigen. Das ist ein unabhängiger Fachmann – in diesem Fall ein Arzt –, der ein Gutachten erstellt. Dieses Gutachten soll dem Gericht helfen, die Wahrheit zu finden. Aber was, wenn Sie das Gefühl haben, dieser Experte ist gar nicht neutral? Was, wenn Sie glauben, er sei voreingenommen und parteiisch? Genau mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt befassen.
Worum ging es in dem jahrelangen Rechtsstreit?

Ein Mann, wir nennen ihn Herr W., verklagte ein Krankenhaus und mehrere Ärzte. Der Grund: Er war im Jahr 2008 an der Wirbelsäule operiert worden. Einige Wochen später war eine zweite Operation zur Korrektur notwendig. Herr W. behauptete, dass bei der ersten Operation Fehler gemacht worden seien. Zudem warf er dem Krankenhaus vor, dass er sich wegen mangelhafter Hygiene bei der zweiten Operation mit einem gefährlichen Krankenhauskeim (MRSA) infiziert habe. Diese Infektion habe zu weiteren Operationen, langen Krankenhausaufenthalten und schließlich dazu geführt, dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte. Er forderte daher Schadensersatz für seine finanziellen Verluste und Schmerzensgeld.
Um diese komplexen medizinischen Vorwürfe zu klären, beauftragte das zuständige Landgericht (die erste Instanz in diesem Fall) eine Expertin für Krankenhaushygiene, wir nennen sie Frau A. Sie sollte prüfen, ob die Hygiene im Krankenhaus ausreichend war und ob die Infektion von Herrn W. darauf zurückzuführen ist.
Warum genau wollte Herr W. die Sachverständige ablehnen?
Nachdem Frau A. ihr Gutachten erstellt und es vor Gericht mündlich erläutert hatte, war Herr W. überzeugt, dass sie nicht unparteiisch war. Er stellte deshalb einen sogenannten Ablehnungsantrag wegen Besorgnis der Befangenheit. Das ist ein offizieller Antrag bei Gericht, einen Sachverständigen (oder auch einen Richter) aus dem Verfahren zu entfernen, weil es gute Gründe gibt, an seiner Neutralität zu zweifeln. Es geht dabei nicht darum, zu beweisen, dass der Experte tatsächlich voreingenommen ist. Es reicht schon aus, wenn aus der Sicht einer vernünftigen, verständigen Prozesspartei ernsthafte Zweifel an der Unvoreingenommenheit aufkommen.
Herr W. stützte seine Zweifel auf zwei Punkte:
Erstens warf er Frau A. vor, sich in der mündlichen Anhörung vor Gericht parteiisch verhalten zu haben. Er empfand ihre Aussagen als „hanebüchen“ und fand, sie habe versucht, ihre ärztlichen Kollegen zu schützen und die ganze Sache „ins Lächerliche zu ziehen“. Er hatte das Gefühl, sie argumentiere nicht sachlich, sondern nach dem Motto „Vorgehen frei Schnauze ist in Ordnung“.
Zweitens reagierte Frau A. auf diesen Ablehnungsantrag mit zwei schriftlichen Stellungnahmen an das Gericht. Darin äußerte sie sich nach Ansicht von Herrn W. abfällig. Sie schrieb zum Beispiel, sie sehe sich „unter Verschwendung ihrer privaten und Arbeitszeit“ zu einer erneuten Stellungnahme gezwungen. Das Vorgehen des Klägers erinnere sie an „Taubenschach“ – eine Metapher für eine sinnlose Debatte. Außerdem schrieb sie, man brauche die Expertise von Krankenhaushygienikern in den Krankenhäusern und nicht für „strategische Rechtsspiele und Nachhilfeunterricht in Infektionsprävention für Rechtsanwälte“. Für Herrn W. waren diese Aussagen der endgültige Beweis für ihre Voreingenommenheit.
Hatte das erste Gericht den Antrag zu Recht abgewiesen?
Das Landgericht, bei dem der Prozess ursprünglich lief, wies den Ablehnungsantrag von Herrn W. zurück. Es hatte dafür zwei Begründungen. Erstens meinte es, der Antrag sei zu spät eingereicht worden und damit Unzulässig. Das bedeutet, das Gericht hat sich den Inhalt gar nicht erst richtig angeschaut, weil eine formale Voraussetzung – hier die Frist – nicht erfüllt war. Zweitens sagte das Gericht, selbst wenn der Antrag rechtzeitig gewesen wäre, sei er unbegründet. Das heißt, die von Herrn W. genannten Gründe reichten nicht aus, um eine Befangenheit von Frau A. anzunehmen.
Gegen diese Entscheidung legte Herr W. eine sofortige Beschwerde ein. Das ist ein Rechtsmittel, mit dem man eine schnelle Überprüfung einer solchen prozessualen Entscheidung durch die nächsthöhere Instanz – hier das Oberlandesgericht Frankfurt – verlangen kann.
Wie entschied das Oberlandesgericht über die Frist für den Antrag?
Das Oberlandesgericht (OLG) sah einen Punkt ganz anders als das Landgericht: die Frage der Frist. War der Antrag von Herrn W. wirklich zu spät?
Das Landgericht hatte den Anwälten eine Frist bis zum 16. Januar gesetzt, um zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Der Anwalt von Herrn W. reichte den Ablehnungsantrag aber erst am 18. Januar ein – also zwei Tage zu spät. Das Landgericht sagte daher: Pech gehabt, Frist verpasst.
Das OLG erklärte diese Sichtweise für falsch. Um das zu verstehen, müssen wir uns kurz das Gesetz anschauen. Die Frist zur Ablehnung eines Sachverständigen ist in Paragraph 406 der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Dort steht, dass der Antrag innerhalb einer bestimmten Zeit gestellt werden muss, nachdem man von dem Ablehnungsgrund erfahren hat.
Das OLG argumentierte so:
- Die vom Landgericht gesetzte Frist war nur eine allgemeine Frist zur Stellungnahme. Sie war keine sogenannte Ausschlussfrist, die bei Versäumnis sofort zum Verlust eines Rechts führt.
- Der entscheidende Moment war, als der Anwalt von Herrn W. das Protokoll der mündlichen Anhörung erhielt. Diese Anhörung war sehr lang und komplex gewesen, das Protokoll umfasste 13 Seiten. Der Anwalt bekam es erst am 8. Januar. Erst durch das genaue Lesen des Protokolls konnte er die beanstandeten Aussagen von Frau A. sorgfältig prüfen.
- Der Antrag wurde am 18. Januar eingereicht, also nur zehn Tage nach Erhalt des Protokolls. Das OLG befand dies als absolut rechtzeitig und angemessen.
Das OLG stellte klar: Man kann von einem Anwalt nicht verlangen, in einer über drei Stunden dauernden, komplizierten Anhörung sofort alle potenziell befangenen Äußerungen zu erkennen und sofort einen Antrag zu stellen. Er muss die Chance haben, das Protokoll in Ruhe zu prüfen. Der Antrag war also zulässig.
Warum sah das Gericht trotz der scharfen Worte keine Befangenheit?
Obwohl der Antrag rechtzeitig war, gab das OLG Herrn W. in der Sache selbst nicht recht. Es entschied, dass die Vorwürfe keine Besorgnis der Befangenheit begründeten. Die Begründung des Gerichts ist hier in zwei Teile geteilt, genau wie die Vorwürfe von Herrn W.
Die Vorwürfe aus der mündlichen Verhandlung
Das Gericht prüfte die Kritik von Herrn W. an den Aussagen von Frau A. im Gerichtssaal (Vorwürfe wie „hanebüchen“, „ins Lächerliche gezogen“). Es kam zu dem Schluss, dass all diese Punkte im Kern eines bedeuten: Herr W. warf Frau A. vor, ihr Gutachten sei Fachlich mangelhaft und unsorgfältig. Er kritisierte also die Qualität ihrer Arbeit.
Ein solcher Vorwurf, so das Gericht, ist aber kein Grund für eine Ablehnung wegen Befangenheit. Fachliche Fehler oder eine schlampige Arbeitsweise betreffen nicht die Unparteilichkeit des Sachverständigen. Um das zu veranschaulichen: Es ist ein Unterschied, ob man seinem Automechaniker vorwirft: „Du hast die Bremse schlecht repariert“ (Kritik an der Qualität der Arbeit) oder ob man sagt: „Du hast die Bremse absichtlich schlecht repariert, weil du mit dem Unfallgegner befreundet bist“ (Vorwurf der Parteilichkeit). Nur der zweite Vorwurf würde eine Befangenheit begründen. Für fachliche Mängel im Gutachten gibt es andere Lösungen im Prozess, zum Beispiel eine erneute Befragung des Experten oder die Beauftragung eines neuen Gutachters.
Die Vorwürfe aus der schriftlichen Stellungnahme
Interessanter sind die scharfen Äußerungen von Frau A. in ihren Briefen („Taubenschach“, „strategische Rechtsspiele“). Konnten diese Worte nicht doch Zweifel an ihrer Neutralität wecken?
Auch hier sagte das OLG: Nein. Der entscheidende Punkt für das Gericht war der Kontext. Die Äußerungen von Frau A. waren eine Reaktion auf den Ablehnungsantrag von Herrn W. In diesem Antrag hatte der Anwalt von Herrn W. seinerseits mit sehr scharfen Worten die Kompetenz und die Sachlichkeit von Frau A. angegriffen.
Das Gericht erklärte, dass ein Sachverständiger, der persönlich und unsachlich angegriffen wird, sich auch mit zugespitzten Worten verteidigen darf. Die Äußerungen von Frau A. waren aus Sicht des Gerichts zwar scharf, aber noch eine angemessene und verständliche Reaktion auf den vorangegangenen Angriff.
- Die Metapher vom „Taubenschach“ bezog sich darauf, dass sie aus ihrer Sicht bereits alles mehrfach erklärt hatte, ohne den Kläger überzeugen zu können.
- Die Rede von „strategischen Rechtsspielen“ war ihre Bewertung des Vorgehens, das sie nicht mehr als sachliche Auseinandersetzung, sondern als prozesstaktisches Manöver empfand.
Wichtig war für das Gericht auch, dass Frau A. in ihren Schreiben nicht nur zurückschoss, sondern auch noch einmal ausführlich und sachlich auf die fachlichen Einwände von Herrn W. einging. Sie zeigte damit, dass sie sich einer inhaltlichen Diskussion nicht verschloss. Dies sprach für das Gericht ebenfalls stark gegen eine grundsätzliche Voreingenommenheit.
Die sofortige Beschwerde von Herrn W. wurde daher zurückgewiesen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil des OLG Frankfurt verdeutlicht die hohen Hürden für die Ablehnung gerichtlich bestellter Sachverständiger und stellt wichtige Grundsätze zum Umgang mit konfrontativen Äußerungen im Gerichtsverfahren auf.
- Strikte Trennung zwischen fachlicher Kritik und Befangenheit: Das Urteil bestätigt, dass bloße Zweifel an der fachlichen Qualität eines Gutachtens keine Befangenheit begründen. Kritik an der Arbeitsweise oder den Schlussfolgerungen eines Sachverständigen betrifft dessen Kompetenz, nicht dessen Unparteilichkeit.
- Angemessene Frist für sorgfältige Prüfung: Das Gericht etabliert den Grundsatz, dass Prozessbeteiligte ausreichend Zeit erhalten müssen, um komplexe Verhandlungsprotokolle zu analysieren. Eine allgemeine gerichtliche Stellungnahmefrist begründet keine automatische Ausschlussfrist für Ablehnungsanträge.
- Kontextuelle Bewertung zugespitzter Äußerungen: Das Urteil zeigt auf, dass auch scharfe Worte eines Sachverständigen keine Befangenheit indizieren, wenn sie eine verständliche Reaktion auf vorangegangene unsachliche Angriffe darstellen und gleichzeitig eine sachliche Auseinandersetzung mit den Einwänden erfolgt.
Diese Entscheidung stärkt das Vertrauen in das System der gerichtlichen Sachverständigentätigkeit, indem sie einerseits faire Verfahrensstandards sicherstellt, andererseits aber vor missbräuchlichen Ablehnungsanträgen schützt.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist der Unterschied, wenn man einen gerichtlich bestellten Gutachter wegen fachlicher Mängel oder wegen Befangenheit ablehnen möchte?
Wenn ein Gericht einen Gutachter beauftragt, soll dieser dem Gericht helfen, komplexe Sachverhalte zu verstehen. Für Sie als Beteiligten ist es wichtig zu wissen, dass es zwei grundlegend unterschiedliche Gründe gibt, mit einem Gutachten oder dem Gutachter unzufrieden zu sein – und jeder Grund erfordert einen anderen Umgang im Gerichtsverfahren.
Ablehnung wegen Befangenheit des Gutachters
Befangenheit bedeutet, dass ernsthafte Zweifel daran bestehen, ob der Gutachter seine Aufgabe unparteiisch und neutral erledigen kann. Es geht hierbei nicht um die fachliche Qualität des Gutachtens, sondern um die Person des Gutachters und deren Objektivität.
- Worum es geht: Haben Sie Grund zu der Annahme, dass der Gutachter aus persönlichen Gründen – zum Beispiel wegen einer Freundschaft oder Feindschaft zu einer der Parteien, eines finanziellen Interesses am Ausgang des Verfahrens oder einer bereits öffentlich geäußerten, festgefahrenen Meinung zum Streitgegenstand – nicht objektiv urteilen kann?
- Was das Gericht prüft: Das Gericht interessiert sich hier vorrangig für die Unvoreingenommenheit des Experten. Selbst ein fachlich hochqualifizierter Gutachter kann befangen sein, wenn seine Neutralität angezweifelt wird.
- Wie Sie vorgehen: Sie stellen einen Antrag auf Ablehnung des Gutachters wegen Befangenheit. Diesen Antrag müssen Sie begründen und konkrete Tatsachen nennen, die die Befangenheit belegen. Es reicht nicht, nur eine Vermutung zu äußern.
- Die Konsequenz: Wenn der Antrag auf Befangenheit erfolgreich ist, wird der Gutachter ausgetauscht. Das Gericht muss dann einen anderen, unabhängigen Gutachter bestellen.
Umgang mit fachlichen Mängeln des Gutachtens
Fachliche Mängel beziehen sich auf den Inhalt oder die Erstellung des Gutachtens selbst. Hier geht es darum, ob das Gutachten fachlich korrekt, vollständig, nachvollziehbar und schlüssig ist.
- Worum es geht: Liegt ein Fehler im Gutachten vor? Ist es unvollständig, widersprüchlich, nicht nachvollziehbar oder basiert es auf falschen Annahmen? Wurde eine notwendige Untersuchung vergessen oder ein Befund falsch interpretiert?
- Was das Gericht prüft: Bei fachlichen Mängeln prüft das Gericht die inhaltliche Richtigkeit und Überzeugungskraft des Gutachtens. Eine vermeintlich „schlampige Arbeitsweise“ allein begründet keine Befangenheit, sondern ist ein fachlicher Mangel, wenn sie zu inhaltlichen Fehlern führt.
- Wie Sie vorgehen: Sie können nicht den Gutachter wegen fachlicher Mängel „ablehnen“ im Sinne einer Auswechslung. Stattdessen haben Sie andere Wege, um die fachlichen Mängel aufzuzeigen und zu korrigieren:
- Sie können Fragen an den Gutachter stellen, um Unklarheiten zu beseitigen oder fehlende Informationen zu ergänzen.
- Sie können eine Ergänzung des Gutachtens verlangen, wenn es unvollständig ist.
- Sie können die Befragung des Gutachters im Gerichtstermin beantragen, um seine Schlussfolgerungen und Methoden kritisch zu hinterfragen.
- Sie können ein Gegengutachten (ein privat eingeholtes Sachverständigengutachten) vorlegen, das die Mängel des gerichtlichen Gutachtens aufzeigt und eine andere fachliche Einschätzung liefert.
- In seltenen Fällen und bei schwerwiegenden, nicht behebaren Mängeln können Sie beantragen, dass ein neues Gutachten von einem anderen Sachverständigen eingeholt wird. Dies ist aber nur möglich, wenn das ursprüngliche Gutachten so fehlerhaft ist, dass es als Entscheidungsgrundlage unbrauchbar ist.
- Die Konsequenz: Das Gericht wird versuchen, die fachlichen Mängel zu klären. Das kann durch weitere Fragen, Erläuterungen oder eine Ergänzung des Gutachtens geschehen. Ziel ist, ein klares und überzeugendes Ergebnis zu erhalten, das für die richterliche Entscheidung verwertbar ist. Der Gutachter wird in der Regel nicht ausgetauscht, es sei denn, die Mängel sind so gravierend, dass sie an der Eignung des Gutachters als Ganzes zweifeln lassen und andere Maßnahmen ausgeschöpft sind.
Der Hauptunterschied liegt also darin, ob Sie dem Gutachter seine Unparteilichkeit (Befangenheit) oder die Qualität seiner Arbeit (fachliche Mängel) vorwerfen. Für jeden dieser Vorwürfe gibt es im Gerichtsverfahren eigene Regeln und Wege, um damit umzugehen.
Wann genau sollte man einen Antrag stellen, um einen gerichtlich bestellten Gutachter wegen Befangenheit abzulehnen?
Ein Antrag auf Ablehnung eines gerichtlich bestellten Gutachters wegen Befangenheit muss unverzüglich gestellt werden, sobald die Partei den Grund für die Befangenheit des Gutachters erfahren hat. Es gibt hierfür keine feste, allgemein vom Gericht gesetzte Frist, die beispielsweise ab Zustellung eines Beschlusses läuft. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt, zu dem die betroffene Partei konkrete Kenntnis von den Tatsachen erlangt, die eine mögliche Befangenheit des Gutachters begründen.
Was bedeutet „Befangenheit“ bei einem Gutachter?
Ein gerichtlich bestellter Gutachter muss objektiv und unparteiisch sein. Er darf keine persönlichen Interessen am Ausgang des Verfahrens haben oder in einer Beziehung zu einer der Parteien stehen, die Zweifel an seiner Neutralität aufkommen lassen könnte. Wenn solche Umstände vorliegen, spricht man von Befangenheit. Beispiele könnten eine frühere Behandlung der Gegenpartei, eine persönliche Beziehung zu einer der Streitparteien oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreit sein.
Der entscheidende Zeitpunkt: Kenntnis vom Ablehnungsgrund
Für Sie als Beteiligten ist es wichtig zu verstehen, dass es auf den Moment ankommt, in dem Ihnen die konkreten Informationen über die mögliche Befangenheit bekannt werden. Dies ist ein grundlegendes Prinzip im Zivilprozessrecht, geregelt unter anderem in § 406 Absatz 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO). Wenn Sie beispielsweise erst durch eine spätere Recherche oder zufällige Information erfahren, dass der Gutachter eine Verbindung zur Gegenseite hat, beginnt die Frist für Ihren Ablehnungsantrag erst mit diesem neuen Wissensstand. Sie sollten also nicht zögern, wenn Sie solche Informationen erhalten.
Praktische Auswirkungen dieser Regelung
Dieser Grundsatz bedeutet, dass Sie keine „allgemeine“ Frist verpassen können, die unabhängig von Ihrem Wissen läuft. Stattdessen sind Sie gefordert, umgehend zu handeln, sobald Sie einen nachvollziehbaren Grund für Befangenheit entdecken. Wenn Sie den Antrag erst stellen, nachdem Sie den Ablehnungsgrund bereits längere Zeit kannten, kann der Antrag als verspätet und somit als unzulässig angesehen werden. Dies hätte zur Folge, dass der Ablehnungsantrag nicht inhaltlich geprüft würde und der Gutachter trotz der potenziellen Befangenheit weiterhin im Verfahren tätig wäre. Das Verständnis dieses Zeitpunkts hilft Ihnen, prozessuale Fehler zu vermeiden, die dazu führen könnten, dass Ihr Anliegen nicht berücksichtigt wird. Es geht darum, Transparenz und die Unvoreingenommenheit der gerichtlichen Sachverständigen sicherzustellen.
Wann werden persönliche oder emotional gefärbte Äußerungen eines gerichtlich bestellten Gutachters als Befangenheit gewertet?
Ein gerichtlich bestellter Gutachter muss neutral und unvoreingenommen sein, ähnlich wie ein Richter. Seine Aufgabe ist es, dem Gericht eine objektive fachliche Einschätzung zu liefern. Wenn ein Gutachter in einer Weise auftritt oder sich äußert, die Zweifel an dieser Neutralität aufkommen lässt, kann er wegen Befangenheit abgelehnt werden.
Was bedeutet Befangenheit bei einem Gutachter?
Befangenheit liegt vor, wenn es objektive Gründe gibt, die berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit des Gutachters wecken. Es geht nicht darum, ob Sie persönlich ein ungutes Gefühl haben. Vielmehr muss ein vernünftiger und unvoreingenommener Beobachter aus den Umständen schließen können, dass der Gutachter nicht mehr objektiv urteilen kann. Das Gesetz stellt hierbei auf die gleichen Gründe ab, die auch für die Befangenheit eines Richters gelten würden.
Wann sind persönliche oder emotionale Äußerungen problematisch?
Persönliche oder emotional gefärbte Äußerungen eines Gutachters sind dann problematisch, wenn sie den Eindruck erwecken, dass der Gutachter bereits vorgefasst ist, eine Partei bevorzugt oder benachteiligt oder seine professionelle Distanz verloren hat. Ein Beispiel wäre, wenn der Gutachter sich abfällig über eine Prozesspartei äußert oder deutliche Sympathie für die Gegenseite zeigt, ohne dass dies in direktem Zusammenhang mit seiner fachlichen Aufgabe steht.
Wann führen scharfe Worte nicht unbedingt zur Befangenheit?
Gerichte prüfen sehr genau den Gesamtzusammenhang solcher Äußerungen. Eine zugespitzte Formulierung oder eine emotional wirkende Reaktion des Gutachters muss nicht zwangsläufig zur Annahme von Befangenheit führen, vor allem wenn:
- Die Äußerung eine nachvollziehbare Reaktion auf einen vorherigen Angriff oder eine Provokation war. Stellen Sie sich vor, der Gutachter wird in seiner Kompetenz stark angegriffen und reagiert darauf scharf, ohne dass seine fachliche Einschätzung der Sache selbst davon betroffen ist.
- Die Äußerung, trotz ihrer Form, nicht die Sachlichkeit des Gutachtens oder die Unvoreingenommenheit gegenüber dem Fall grundsätzlich infrage stellt. Es ist entscheidend, ob die Worte die objektive Beurteilung des Gutachters als Ganzes beeinflussen oder ob sie lediglich Ausdruck einer momentanen Frustration oder eines Unmuts sind, die die fachliche Arbeit nicht beeinträchtigen.
- Das Gutachten selbst inhaltlich weiterhin objektiv und nachvollziehbar ist und die emotionalen Äußerungen nicht auf eine Voreingenommenheit in der Sache schließen lassen.
Für Sie bedeutet das: Das Gericht wird abwägen, ob die Äußerungen so gravierend sind, dass die Unparteilichkeit des Gutachters tatsächlich gefährdet ist und ein objektiver Betrachter berechtigte Zweifel an seiner Fähigkeit zur neutralen Begutachtung hätte. Es geht immer darum, ob der Gutachter seine Aufgabe noch unvoreingenommen und sachlich erfüllen kann.
Grundlegende Informationen zu den Regeln für gerichtliche Gutachter finden Sie beispielsweise in der Zivilprozessordnung (ZPO).
Was bedeutet der Maßstab der „vernünftigen Prozesspartei“ bei der Prüfung, ob ein Sachverständiger befangen ist?
Der Maßstab der „vernünftigen Prozesspartei“ ist entscheidend, um zu beurteilen, ob ein gerichtlich bestellter Sachverständiger als befangen angesehen werden kann. Er bedeutet, dass es nicht auf das persönliche, subjektive Gefühl oder Misstrauen einer beteiligten Partei ankommt, sondern darauf, ob objektive und nachvollziehbare Gründe vorliegen, die auch für einen unbeteiligten Dritten mit gesundem Menschenverstand Zweifel an der Neutralität und Unparteilichkeit des Gutachters aufkommen lassen.
Was der Maßstab konkret bedeutet
Stellen Sie sich vor, Sie sind in einer Gerichtsverhandlung – zum Beispiel nach einer Wirbelsäulen-OP mit anschließender Infektion. Ein Gericht ordnet ein Sachverständigengutachten an, um die medizinischen Abläufe zu prüfen. Wenn Sie als Kläger Bedenken gegen den Sachverständigen haben, weil dieser beispielsweise mit dem Krankenhaus, in dem die OP stattfand, geschäftlich verbunden ist, dann ist die Frage: Würde ein außenstehender, unvoreingenommener Beobachter, der über die Fakten informiert ist, diese Verbindung ebenfalls als problematisch empfinden und an der Unbefangenheit zweifeln?
- Es geht also nicht darum, ob Sie persönlich ein ungutes Gefühl haben.
- Es geht darum, ob nach außen hin erkennbare Umstände die Besorgnis der Befangenheit begründen. Diese Umstände müssen so schwerwiegend sein, dass sie berechtigte Zweifel an der objektiven Beurteilung des Gutachters wecken.
Beispiele für solche Umstände können sein:
- Eine enge persönliche Beziehung des Sachverständigen zu einer der Prozessparteien.
- Ein finanzielles Interesse des Sachverständigen am Ausgang des Verfahrens.
- Frühere öffentliche Äußerungen oder Gutachten, die eine Voreingenommenheit des Sachverständigen in der Sache vermuten lassen.
Praktische Auswirkungen dieses Maßstabs
Für Sie als Laie in einer Situation wie der Infektion nach einer Wirbelsäulen-OP bedeutet dieser Maßstab, dass Sie Ihre Bedenken gegenüber einem Sachverständigen auf konkrete und beweisbare Fakten stützen sollten. Bloßes Misstrauen oder eine allgemeine Skepsis sind rechtlich nicht ausreichend. Sie müssen Tatsachen vorlegen können, die objektiv begründen, warum die Neutralität des Gutachters angezweifelt werden muss. Wenn Sie beispielsweise wissen, dass der Sachverständige regelmäßig als Gutachter für das konkret betroffene Krankenhaus tätig ist oder eine Forschungsgruppe leitet, die von der Gegenseite finanziert wird, sind das objektive Anhaltspunkte, die die Besorgnis der Befangenheit begründen können. Die Deutsche Zivilprozessordnung (ZPO) enthält in § 406 die Regelungen zur Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit. Das Gericht prüft dann, ob die vorgebrachten Gründe aus Sicht einer vernünftigen Prozesspartei tatsächlich eine Befangenheit belegen.
Welche Möglichkeiten habe ich, wenn ich mit einem gerichtlichen Gutachten inhaltlich nicht einverstanden bin, aber keine Befangenheit des Sachverständigen vorliegt?
Wenn Sie mit dem Inhalt eines gerichtlichen Gutachtens nicht einverstanden sind, aber keine Gründe für eine Befangenheit des Sachverständigen vorliegen – also keine Zweifel an dessen Unparteilichkeit bestehen –, haben Sie dennoch verschiedene Wege, um das Gutachten im Prozess zu hinterfragen und Ihre Sichtweise darzulegen. Es geht darum, das Gericht davon zu überzeugen, dass die Schlussfolgerungen des Gutachtens möglicherweise nicht zutreffend oder unvollständig sind.
Stellungnahme zum Gutachten abgeben
Sie haben die Möglichkeit, eine schriftliche Stellungnahme zum Gutachten einzureichen. Dies ist Ihr Weg, detailliert und fundiert darzulegen, warum Sie mit bestimmten Aussagen oder Schlussfolgerungen des Gutachtens nicht einverstanden sind. Stellen Sie sich vor, der Sachverständige hat im Fall einer Krankenhauskeim-Infektion nach einer Wirbelsäulen-OP einen Aspekt übersehen oder anders bewertet als erwartet. In Ihrer Stellungnahme können Sie auf mögliche Fehler, Unstimmigkeiten, logische Lücken oder fehlende Berücksichtigung wichtiger Fakten hinweisen, die sich aus den Akten oder bereits vorhandenen Beweismitteln ergeben. Für Sie bedeutet das: Sie können die Argumente des Gutachtens Punkt für Punkt überprüfen und mit Ihren eigenen, durch Fakten gestützten Argumenten widerlegen oder ergänzen.
- Praktische Auswirkung: Durch eine Stellungnahme können Sie Ihre abweichende Meinung formal und ausführlich dem Gericht präsentieren und zeigen, welche Punkte des Gutachtens Ihrer Ansicht nach fehlerhaft oder unvollständig sind.
Ergänzung oder Erläuterung des Gutachtens beantragen
Wenn das Gutachten unvollständig, missverständlich oder in bestimmten Punkten nicht nachvollziehbar ist, können Sie beantragen, dass der Sachverständige das Gutachten ergänzt oder mündlich erläutert. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Sachverständiger in dem Beispiel mit der Wirbelsäulen-OP und der Infektion nicht alle relevanten Untersuchungsbefunde berücksichtigt hat oder wenn seine Schlussfolgerungen zur Ursache der Infektion nicht klar begründet sind. Sie können konkrete Fragen formulieren, die der Sachverständige beantworten oder klären soll. Das Gericht kann dann anordnen, dass der Sachverständige eine weitere schriftliche Stellungnahme abgibt oder in einer mündlichen Verhandlung weitere Erläuterungen gibt.
- Praktische Auswirkung: Dies hilft, Lücken zu schließen oder Unklarheiten zu beseitigen, sodass das Gericht ein umfassendes und klares Bild der Sachlage erhält.
Obergutachten beantragen
Die Beantragung eines Obergutachtens ist ein weiterer, oft bedeutsamer Schritt. Ein Obergutachten bedeutet, dass ein neuer, anderer Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt wird. Dies ist in der Regel dann möglich, wenn das erste Gutachten erhebliche Mängel aufweist, widersprüchlich ist, entscheidende Fragen nicht beantwortet oder begründete Zweifel an seiner Richtigkeit bestehen, die nicht durch eine Ergänzung oder Erläuterung beseitigt werden können. Es reicht dabei nicht aus, dass Ihnen das Ergebnis des ersten Gutachtens nicht gefällt; es müssen konkrete, nachvollziehbare Gründe für die mangelhafte Qualität des Gutachtens vorliegen. Im Fall der Infektion nach der OP könnte dies der Fall sein, wenn das erste Gutachten grundlegende medizinische Leitlinien ignoriert hat.
- Praktische Auswirkung: Ein Obergutachten kann zu einer neuen, unabhängigen Bewertung des Sachverhalts durch einen weiteren Fachmann führen und somit eine fehlerhafte Ersteinschätzung korrigieren.
Eigenes Privatgutachten vorlegen
Sie haben zudem die Möglichkeit, auf eigene Kosten ein Privatgutachten von einem Sachverständigen Ihrer Wahl erstellen zu lassen. Dieses Privatgutachten können Sie dem Gericht vorlegen. Es gilt dann als qualifizierter Parteivortrag, also als eine Art fachlich fundierte Argumentation Ihrerseits. Es ist wichtig zu verstehen, dass ein Privatgutachten rechtlich nicht die gleiche Stellung hat wie ein gerichtlich angeordnetes Gutachten, da es von einer Partei beauftragt wurde. Dennoch muss das Gericht das Privatgutachten zur Kenntnis nehmen und in seine Beweiswürdigung einbeziehen. Wenn Ihr Privatgutachten die Fehler oder Schwächen des gerichtlichen Gutachtens aufzeigt oder eine überzeugende alternative Sichtweise darstellt, kann es das Gericht dazu bewegen, das gerichtliche Gutachten kritisch zu hinterfragen oder weitere Schritte einzuleiten.
- Praktische Auswirkung: Ein Privatgutachten bietet Ihnen eine Möglichkeit, eine alternative Expertenmeinung einzubringen, die die des gerichtlich bestellten Sachverständigen herausfordern und neue Perspektiven für das Gericht eröffnen kann.
All diese Schritte dienen dazu, die Beweisaufnahme zu vertiefen und dem Gericht eine umfassende Grundlage für seine Entscheidung zu liefern. Es geht darum, dass alle relevanten Fakten und fachlichen Einschätzungen sorgfältig geprüft werden, um ein gerechtes Urteil zu ermöglichen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Ablehnungsantrag wegen Besorgnis der Befangenheit
Dies ist ein offizieller Antrag, den eine Partei bei Gericht stellt, um einen Sachverständigen oder auch einen Richter aus einem Gerichtsverfahren zu entfernen. Der Antrag wird gestellt, wenn es gute Gründe gibt, an der Neutralität und Unparteilichkeit der betreffenden Person zu zweifeln. Es muss nicht bewiesen werden, dass die Person tatsächlich voreingenommen ist; es reicht, wenn aus Sicht einer vernünftigen Prozesspartei ernsthafte Zweifel an der Unvoreingenommenheit aufkommen. Ziel ist es, die Objektivität des Verfahrens zu wahren, falls die richterliche Logik oder die entscheidenden Argumente dahinter nicht mehr nachvollziehbar wären, weil die Person nicht neutral erscheint.
Beispiel: Herr W. stellte einen solchen Antrag, weil er annahm, die Gutachterin sei nicht objektiv, da sie seine Anliegen als „Taubenschach“ bezeichnete und sich in ihren Formulierungen persönlich angegriffen fühlte.
Ausschlussfrist
Eine Ausschlussfrist ist eine gesetzlich oder gerichtlich bestimmte Frist, deren Nichteinhaltung dazu führt, dass ein Recht unwiederbringlich verloren geht. Das bedeutet, nach Ablauf dieser Frist kann ein bestimmter Anspruch oder ein bestimmtes Vorgehen im Prozess nicht mehr geltend gemacht werden. Im Gegensatz zu einer bloßen „Soll-Frist“ führt das Verpassen einer Ausschlussfrist unweigerlich zum Verlust des Rechts, selbst wenn die Gründe für die Verspätung nachvollziehbar wären.
Beispiel: Im Fall von Herrn W. hatte das Landgericht fälschlicherweise angenommen, die allgemeine Stellungnahmefrist sei eine Ausschlussfrist für den Befangenheitsantrag, was das OLG korrigierte, da der Antrag gemäß ZPO erst mit Kenntnis des Ablehnungsgrundes unverzüglich zu stellen ist.
Befangenheit
Befangenheit bedeutet, dass ernsthafte und objektive Gründe bestehen, die an der Unvoreingenommenheit und Neutralität einer Person Zweifel aufkommen lassen, die eine offizielle Aufgabe im Gerichtsverfahren hat (z.B. ein Richter oder Sachverständiger). Es geht nicht um die persönliche Einschätzung einer Partei, sondern darum, ob ein unbeteiligter Beobachter berechtigte Zweifel an der Fähigkeit zur objektiven Urteilsfindung hätte. Liegt Befangenheit vor, soll die betreffende Person aus dem Verfahren ausgeschlossen werden, um die Fairness und Glaubwürdigkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten.
Beispiel: Eine Gutachterin wäre befangen, wenn sie eine enge persönliche Beziehung zu einer der Streitparteien hätte oder ein direktes finanzielles Interesse am Ausgang des Verfahrens verfolgte.
Fachlich mangelhaft
Ein Gutachten ist fachlich mangelhaft, wenn es inhaltliche Fehler, Unvollständigkeiten, Widersprüche oder logische Brüche aufweist, die seine Richtigkeit oder Nachvollziehbarkeit beeinträchtigen. Es betrifft die Qualität der fachlichen Arbeit und nicht die persönliche Neutralität des Sachverständigen. Solche Mängel können dazu führen, dass das Gutachten als Entscheidungsgrundlage ungeeignet ist oder weiterer Klärung bedarf.
Beispiel: Wenn ein Gutachter bei einer medizinischen Frage grundlegende Leitlinien ignoriert oder wichtige Untersuchungsbefunde nicht berücksichtigt, ist sein Gutachten fachlich mangelhaft, aber nicht unbedingt Ausdruck von Befangenheit.
Sachverständiger
Ein Sachverständiger ist ein unabhängiger und fachkundiger Experte, der von einem Gericht beauftragt wird, um in einem Verfahren komplexe technische oder wissenschaftliche Fragen zu klären, die über das juristische Wissen des Richters hinausgehen. Er erstellt ein Gutachten oder gibt mündliche Erläuterungen, die dem Gericht als Grundlage für seine Entscheidungsfindung dienen. Seine Aufgabe ist es, die Wahrheit objektiv und unparteiisch zu ermitteln, damit das Gericht die Sachlage korrekt beurteilen kann.
Beispiel: Im Artikel wurde eine Ärztin als Sachverständige bestellt, um zu beurteilen, ob mangelhafte Hygiene im Krankenhaus zu einer Infektion geführt hatte.
Sofortige Beschwerde
Die sofortige Beschwerde ist ein Rechtsmittel gegen bestimmte prozessuale Entscheidungen eines Gerichts, die keine Endurteile sind. Sie ermöglicht eine schnelle Überprüfung dieser Entscheidungen durch die nächsthöhere Instanz. Dieses Rechtsmittel ist oft auf Fälle beschränkt, in denen das Gesetz es ausdrücklich vorsieht, wie zum Beispiel bei der Ablehnung eines Befangenheitsantrags.
Beispiel: Herr W. legte eine sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts ein, seinen Antrag auf Ablehnung der Sachverständigen wegen Befangenheit zurückzuweisen.
Unzulässig
Im juristischen Kontext bedeutet „unzulässig“, dass ein Antrag, ein Rechtsmittel oder eine Klage aufgrund formaler Fehler oder nicht erfüllter Voraussetzungen vom Gericht nicht inhaltlich geprüft wird. Das Gericht weist den Antrag bereits ab, bevor es sich mit dessen Begründung auseinandersetzt. Häufige Gründe für Unzulässigkeit sind das Überschreiten von Fristen, Formfehler oder mangelnde Zuständigkeit.
Beispiel: Das Landgericht hielt den Ablehnungsantrag von Herrn W. zunächst für unzulässig, weil es die Frist als versäumt ansah, ohne den Inhalt des Antrags zu prüfen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Zivilprozessordnung (ZPO), § 406 ZPO (Ablehnung eines Sachverständigen): Dieser Paragraph regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Prozesspartei einen vom Gericht bestellten Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen kann. Es ist nicht notwendig zu beweisen, dass der Sachverständige tatsächlich voreingenommen ist; es genügt, wenn aus der Sicht einer vernünftigen Partei Gründe vorliegen, die objektiv Zweifel an seiner Unparteilichkeit aufkommen lassen. Dies dient der Sicherstellung eines fairen Verfahrens und des Vertrauens in die richterliche Entscheidungsfindung, da die Ergebnisse des Gutachters maßgeblich sein können. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Kernfrage des Falles ist die Zulässigkeit und Begründetheit des Ablehnungsantrags von Herrn W. gegen die Sachverständige Frau A. nach dieser Vorschrift.
- Zivilprozessordnung (ZPO), § 404 ZPO (Ernennung von Sachverständigen): Diese Vorschrift ermächtigt das Gericht, in einem Rechtsstreit einen oder mehrere Sachverständige zu ernennen, wenn zur Klärung von Tatsachenfragen besondere Sachkunde erforderlich ist. Der Sachverständige ist dabei eine unabhängige Hilfsperson des Gerichts, die objektiv und unparteiisch die ihr gestellten Fragen beantworten soll, um dem Gericht bei der Wahrheitsfindung zu assistieren. Er muss seine Fachkenntnisse zur Verfügung stellen, ohne eine Seite zu bevorzugen. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Frau A. wurde vom Landgericht gemäß dieser Bestimmung als Sachverständige für Krankenhaushygiene bestellt, um die medizinischen Vorwürfe des Herrn W. zu prüfen und zu bewerten.
- Zivilprozessordnung (ZPO), § 286 ZPO (Freie Beweiswürdigung): Dies ist ein zentraler Grundsatz des Zivilprozessrechts, wonach das Gericht die Beweise frei nach seiner Überzeugung würdigt und entscheidet, ob eine Tatsachenbehauptung für wahr oder unwahr erachtet wird. Die Beweiswürdigung muss dabei logisch nachvollziehbar und aus den Prozessakten ableitbar sein. Das Gericht ist bei seiner Entscheidungsfindung auf glaubwürdige und nachvollziehbare Beweismittel angewiesen, zu denen auch objektive Sachverständigengutachten zählen. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Diskussion um die Befangenheit der Sachverständigen zielt darauf ab, die Qualität der Beweismittel zu sichern, da ein voreingenommenes Gutachten die freie und objektive Beweiswürdigung des Gerichts beeinträchtigen könnte.
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 823 Abs. 1 BGB und § 253 Abs. 2 BGB: § 823 Abs. 1 BGB ist die zentrale Norm des Deliktsrechts, die eine Schadensersatzpflicht begründet, wenn jemand vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt. § 253 Abs. 2 BGB ergänzt dies, indem er speziell festlegt, dass auch ein nichtvermögensrechtlicher Schaden, wie Schmerz und Leid (Schmerzensgeld), in bestimmten Fällen – insbesondere bei Verletzung des Körpers oder der Gesundheit – in Geld entschädigt werden kann. Diese Paragraphen bilden die Grundlage für Haftungsansprüche. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Diese Vorschriften bilden die rechtliche Grundlage für die ursprüngliche Klage von Herrn W. auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen mutmaßlicher Behandlungsfehler und der Krankenhausinfektion.
- Zivilprozessordnung (ZPO), § 567 ZPO (Sofortige Beschwerde): Die sofortige Beschwerde ist ein spezielles Rechtsmittel im Zivilprozess, das sich gegen bestimmte Prozessentscheidungen des Gerichts der ersten Instanz richtet, die keine Endurteile sind. Sie ermöglicht eine schnelle Überprüfung dieser Entscheidungen durch das nächsthöhere Gericht, um prozessuale Fehler zeitnah korrigieren zu können. Die Frist und Form für dieses Rechtsmittel sind gesetzlich genau geregelt, um Rechtssicherheit zu gewährleisten. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Herr W. legte gegen die Entscheidung des Landgerichts, seinen Ablehnungsantrag zurückzuweisen, sofortige Beschwerde ein, wodurch der Fall zur Überprüfung vor das Oberlandesgericht Frankfurt gelangte.
Das vorliegende Urteil
OLG Frankfurt – Az.: 17 W 19/24 – Beschluss vom 03.04.2025
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz