Das Landgericht Lüneburg hat die Berufung des Kindergarten-Trägers zurückgewiesen, da die fristlose Kündigung des Betreuungsvertrages wegen einer Haselnussallergie des betreuten Kindes unwirksam ist. Der Betreiber hätte durch organisatorische Maßnahmen das Risiko minimieren können, statt sich auf die Kündigung zu berufen. Das Gericht stellte fest, dass die Allergie bereits bei Vertragsschluss bekannt war und keine unzumutbare Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellt.
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Übersicht:
- ✔ Kurz und knapp
- Allergie im Kindergarten: Kündigung unwirksam – Gerichtsurteil beleuchtet rechtliche Grauzonen
- ✔ Der Fall vor dem Landgericht Lüneburg
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen: Kündigung Kindertagesstätte wegen Allergie
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⬇ Das vorliegende Urteil vom Landgericht Lüneburg
✔ Kurz und knapp
- Der Betreuungsvertrag für ein Kind mit Haselnussallergie in einer Kindertageseinrichtung kann nicht durch eine fristlose Kündigung beendet werden.
- Die Verschlimmerung einer bekannten Allergie stellt keine so schwerwiegende Änderung dar, dass dem Träger ein Festhalten am Vertrag unzumutbar wäre.
- Der Träger muss durch organisatorische Maßnahmen wie Allergiemanagement das Risiko für das allergische Kind minimieren.
- Es besteht kein vertragliches außerordentliches Kündigungsrecht für derartige Fälle.
- Die Kündigung erfolgte nach Ablauf der zweiwöchigen Ausschlussfrist und war daher unwirksam.
- Der Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 BGB scheitert mangels schwerwiegender Änderung der Umstände.
- Das Interesse des Kindes an Kontinuität und Integration überwiegt das Interesse des Trägers.
- Eine Verlegung in eine andere, kleinere Einrichtung kann nicht einseitig verlangt werden.
Allergie im Kindergarten: Kündigung unwirksam – Gerichtsurteil beleuchtet rechtliche Grauzonen
Kinder mit Allergien stellen Kindertageseinrichtungen oft vor besondere Herausforderungen. Insbesondere schwerwiegende Nahrungsmittelallergien müssen bei der Betreuung sorgfältig berücksichtigt werden, um die Gesundheit und Sicherheit der Kinder zu gewährleisten. Eltern und Einrichtungen sind gefordert, eng zusammenzuarbeiten und geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Oftmals erfordert dies organisatorische Anpassungen, um die Betreuung zu ermöglichen und den Bedürfnissen des allergischen Kindes gerecht zu werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen zu dieser Thematik sind nicht immer eindeutig, sodass im Konfliktfall die Gerichte gefragt sind, Klarheit zu schaffen. Ein aktuelles Gerichtsurteil befasst sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Betreuungsvertrag für ein Kind mit Haselnussallergie in einer Kindertageseinrichtung gekündigt werden kann.
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✔ Der Fall vor dem Landgericht Lüneburg
Sachverhalt der fristlosen Kündigung in einer Kindertagesstätte wegen Haselnussallergie
Im vorliegenden Fall geht es um die fristlose Kündigung eines Betreuungsvertrages durch eine Kindertagesstätte, die auf eine Verschlimmerung der Haselnussallergie eines betreuten Kindes zurückgeführt wird. Die Kündigung wurde von dem Träger der Kindertagesstätte „R.“ in E. ausgesprochen, wobei der Betreuungsvertrag ursprünglich am 16. Juni 2021 zwischen den Parteien geschlossen wurde. Die rechtliche Auseinandersetzung begann, als die Eltern des Kindes A. C. S. gegen die Kündigung Widerspruch einlegten. Das rechtliche Problem entstand durch die unterschiedlichen Auffassungen darüber, ob die allergische Reaktion des Kindes einen hinreichend wichtigen Grund darstellt, der den Betreiber der Kindertagesstätte zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Der Fall wurde zunächst vor dem Amtsgericht Celle verhandelt, das zugunsten der Kläger entschied, und fand seine Fortsetzung im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Lüneburg.
Urteil des Amtsgerichts und Berufung
Das Amtsgericht Celle gab der Klage der Eltern statt und befand, dass die Kündigung nicht wirksam war. Die Richter argumentierten, dass die Haselnussallergie des Kindes kein ausreichender Grund für eine außerordentliche Kündigung sei. Sie verwiesen darauf, dass der Betreiber der Einrichtung stattdessen durch organisatorische Maßnahmen das Risiko hätte minimieren können, zum Beispiel durch eine Umzäunung von Haselnusspflanzen oder die Einrichtung eines nussfreien Bereichs. Diese Maßnahmen seien dem Träger der Kindertagesstätte zumutbar, insbesondere da das Kind nur noch für einen begrenzten Zeitraum bis zum Schuleintritt in der Einrichtung verbleiben würde.
Entscheidung des Landgerichts Lüneburg
Das Landgericht Lüneburg beabsichtigte, die Berufung des Betreibers der Kindertagesstätte zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe. In seiner vorläufigen Beurteilung schloss sich das Gericht der Auffassung des Amtsgerichts an und betonte, dass die rechtlichen und tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts korrekt seien. Das Gericht erklärte weiter, dass weder die rechtlichen noch die tatsächlichen Gründe, die das Amtsgericht zur Stützung seiner Entscheidung angeführt hatte, eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würden.
Rechtliche Bewertung und Argumentation
Das Berufungsgericht erörterte, dass die von den Klägern dargelegten Argumente und die vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen keine Rechtsverletzung aufzeigen und daher keine andere Entscheidung rechtfertigen würden. Es wurde betont, dass ein ordentliches Kündigungsrecht des Betreibers nicht bestehe und die außerordentliche Kündigung nicht durch die Kita-Ordnung gedeckt sei. Auch wurde das Argument des Betreibers, dass eine Vertragsanpassung aufgrund veränderter Umstände (erhebliche Verschärfung der Allergie) notwendig sei, zurückgewiesen. Das Gericht stellte klar, dass die Allergie bereits bei Vertragsschluss bekannt war und die Verschärfung der Allergie keine unzumutbare Veränderung der Geschäftsgrundlage darstelle.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Das Landgericht Lüneburg hat entschieden, dass die fristlose Kündigung eines Betreuungsvertrags durch eine Kindertagesstätte aufgrund einer verschlimmerten Haselnussallergie des Kindes unwirksam ist. Ausschlaggebend hierfür war, dass die Allergie bereits bei Vertragsschluss bekannt war, womit die spätere Verschlimmerung keine unvorhersehbare Änderung der Umstände darstellt.
Der Kita-Träger hätte die durch die Allergie entstandenen Risiken durch zumutbare organisatorische Maßnahmen minimieren müssen, anstatt den Vertrag zu kündigen.
✔ FAQ – Häufige Fragen: Kündigung Kindertagesstätte wegen Allergie
Welche Rechte und Pflichten haben Eltern und Betreuungseinrichtungen bei der Betreuung allergischer Kinder?
Eltern und Betreuungseinrichtungen haben bei der Betreuung allergischer Kinder sowohl Rechte als auch Pflichten, die eng miteinander verknüpft sind.
Rechte und Pflichten der Eltern:
- Eltern haben das Recht, dass ihr allergisches Kind in der Kita/Schule angemessen betreut und vor allergenen Stoffen geschützt wird.
- Sie müssen der Einrichtung die Allergie und erforderlichen Notfallmaßnahmen mitteilen und ärztliche Bescheinigungen vorlegen.
- Eltern sind verpflichtet, der Kita Medikamente wie Notfall-Spritzen zur Verfügung zu stellen und das Personal einzuweisen.
Rechte und Pflichten der Betreuungseinrichtung:
- Die Einrichtung hat das Recht, von den Eltern eine ärztliche Bestätigung der Allergie zu verlangen.
- Sie muss Vorkehrungen treffen, um das allergische Kind zu schützen und im Notfall richtig zu handeln.
- Das Personal muss von den Eltern in die Handhabung von Notfallmedikamenten eingewiesen werden.
- Die Einrichtung darf allergische Kinder nicht diskriminieren, muss ihnen aber auch keine unverhältnismäßigen Sonderleistungen bieten.
Beide Seiten müssen eng zusammenarbeiten und offen kommunizieren, um die bestmögliche Betreuung und Sicherheit des allergischen Kindes zu gewährleisten. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Basis der jeweiligen Rechte und Pflichten ist unerlässlich.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 626 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) – Außerordentliche Kündigung: Dieser Paragraph regelt die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Im vorliegenden Fall wurde erörtert, ob die Verschlimmerung einer Haselnussallergie einen solchen wichtigen Grund darstellt, der den Betreiber der Kindertagesstätte zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte. Es wurde festgestellt, dass diese Bedingung nicht erfüllt ist, da die Allergie bereits bekannt war und die Verschlimmerung innerhalb des erwartbaren Risikos liegt.
- § 313 BGB – Störung der Geschäftsgrundlage: Dieser Paragraph kommt zur Anwendung, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsabschluss so schwerwiegend verändern, dass einem der Vertragsparteien das Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann. Im diskutierten Fall wurde argumentiert, dass die Verschlimmerung der Allergie keine unzumutbare Veränderung darstellt, die eine Vertragsanpassung oder Kündigung rechtfertigen würde.
- § 522 Abs. 2 ZPO (Zivilprozessordnung) – Zurückweisung der Berufung ohne mündliche Verhandlung: Diese Vorschrift wurde angewendet, um die Berufung des Betreibers der Kindertagesstätte zurückzuweisen, da keine Aussicht auf Erfolg bestand. Dies verdeutlicht, wie Gerichte effizient mit offensichtlich unbegründeten Rechtsmitteln umgehen.
- § 621 BGB – Kündigung von Dienstverhältnissen bei unbestimmter Zeit: Dieser Paragraph wurde im Kontext diskutiert, ob der Betreuungsvertrag unter bestimmten Bedingungen gekündigt werden könnte. Es wurde festgestellt, dass der Vertrag eine bestimmte Laufzeit bis zum Eintritt des Kindes in die Schule hat und somit eine ordentliche Kündigung nicht in Betracht kommt.
- § 620 BGB – Befristete Dienstverhältnisse: Im Zusammenhang mit der Bestimmung der Laufzeit des Betreuungsvertrages wurde dieser Paragraph herangezogen, um zu klären, dass das Dienstverhältnis bis zum Schuleintritt des Kindes läuft und daher eine fristgemäße Kündigung nicht möglich ist, wenn die vertraglichen Voraussetzungen für eine Kündigung nicht vorliegen.
⬇ Das vorliegende Urteil vom Landgericht Lüneburg
LG Lüneburg – Az.: 2 S 21/23 – Beschluss vom 15.08.2023
Das Berufungsgericht beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
Der Berufungskläger erhält Gelegenheit, hierzu binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung und gegebenenfalls aus Kostengründen das Rechtsmittel zurück zu nehmen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von dem Beklagten zum 30.11.2022 ausgesprochenen Kündigung des zwischen den Parteien unter dem 16.06.2021 geschlossenen Vertrages zur Betreuung des Kindes A. C. S. in der von dem Beklagten betriebenen Kindertagesstätte „R.“ in E..
Hinsichtlich der erstinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen und der gestellten Anträge wird Bezug genommen auf das am 14.06.2023 verkündete Urteil des Amtsgerichts Celle (Bl. 87 ff. d. A.).
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Betreuungsvertrag vom 16.06.2021 über die Betreuung des Sohnes der Kläger A. in der Kindertagesstätte „R.“ sie durch die Kündigung des Beklagten vom 11.10.2022 nicht wirksam beendet worden, weil dem Beklagten weder ein Recht zur ordentlichen Kündigung noch ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zugestanden habe. Insbesondere stelle die bei A. bestehende ausgeprägte Haselnussallergie keinen wichtigen Grund dar, der den Beklagten zur außerordentlichen Kündigung des Betreuungsvertrages berechtige. Vielmehr habe der Beklagte das mit dieser verbundene gesundheitliche Risiko für A. durch organisatorische und/oder strukturelle Veränderungen – wie etwa die Umzäunung der Haselgewächse oder die Aufteilung des Außengeländes in getrennte Bereiche, das stete Mitführen des Notfall-Pens beim Kind oder die (ggf. vorübergehende) Einrichtung eines nussfreien Kindergartens – zu reduzieren, was dem Beklagten insbesondere, weil A. bis zum Schuleintritt ohnehin nur noch für 13 Monate in der Kindertagesstätte betreut werde, auch zumutbar. Dies gelte umso mehr, als der Sohn der Kläger bereits seit zwei Jahren die Kindertagesstätte besuche, so dass er dort entsprechend integriert sei, was das Interesse der Kläger an einer Fortführung der dortigen Betreuung rechtfertige. Auch einen Anspruch auf Vertragsanpassung wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage habe der Beklagte nicht, weil angesichts der bereits bei Aufnahme in den Kindergarten von den Klägern offengelegten Haselnussallergie trotz der im weiteren Verlauf als erheblich qualifizierten Haselnussallergie schon eine schwerwiegende Veränderung der Umstände, die dem Beklagten ein Festhalten am Vertrag unzumutbar mache, nicht erkennbar sei.
Hiergegen richtet sich die vollumfängliche Berufung des Beklagten. Er ist der Auffassung, der Vertrag habe nach § 621 Nr. 3 BGB gekündigt werden dürfen. Insbesondere jedoch könne er im Rahmen der Vertragsanpassung von den Klägern verlangen, dass A. nicht mehr in dem fünfzügigen Kindergarten „R.“ in E., sondern in dem Kleinkindergarten in L., in dem es nur eine Gruppe mit max. 25 Kindern gebe, betreut werde. Dazu behauptet er, dass er angesichts der nach Abschluss des Kindergartenvertrages bei dem Kind eingetretenen massiven Haselnussallergie bei einem vertretbaren Betreuungsaufwand nicht mehr zu einer fachgerechten und gefahrlosen Betreuung des Kindes in der Lage sei. Die hochgradige Haselnussallergie mit der Gefahr eines anaphylaktischen Schocks berge die Gefahr eines Notfalls in sich, mit der weder die Mitarbeiterinnen des Beklagten noch die anderen zu betreuenden ca. 120 Kindergartenkinder konfrontiert werden dürften. Mit der Kündigung des Betreuungsvertrages und dem Verweis auf die Kindertagesstätte in L. würden auch und gerade den gesundheitlichen Interessen von A. Rechnung getragen werden, da nur so die Gefahr, direkt oder über andere Kinder mit Haselnüssen in Kontakt zu kommen, minimiert werden könne.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Celle vom 14.06.2023 zur Geschäftsnummer 160 C 215/23 (12.2) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger und Berufungsbeklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
Ergänzend für das Vorbringen der Parteien in erster und zweiter Instanz wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Kammer beabsichtigt, die zulässige Berufung des Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung der derzeitigen Sach- und Rechtslage aus den folgenden Gründen offensichtlich keinen Erfolg.
Die angegriffene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Betreuungsvertrag vom 16.06.2021 zur Betreuung des Sohnes der Kläger A. C. S. in der Kindertagesstätte „R.“ in E. nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 11.10.2022 zum 30.11.2022 beendet worden ist. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Die zum 30.11.2022 ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
1. Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass der Betreuungsvertrag vom 16.06.2021 weder aufgrund eines vertraglichen Kündigungsrechts noch nach § 621 Nr. 3 BGB oder § 624 BGB wirksam gekündigt worden ist.
a) Ein ordentliches Kündigungsrecht sieht § 6 Nr. 1 der Kita-Ordnung des Beklagten nur für die Eltern der betreuten Kinder, nicht aber für den Beklagten vor, denn eine „Abmeldung“ erfolgt bereits begriffsnotwendig durch die Eltern des Kindes und nicht durch die betreuende Einrichtung.
b) Ein Recht zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 6 Nr. 4 der Kita-Ordnung steht dem Beklagten nicht zu. Danach kann eine außerordentliche Kündigung seitens der Einrichtung nach § 5 Nr. 5 (Zahlungsverzug) der Kita-Ordnung, bei wiederholten Verstößen gegen den Betreuungsvertrag sowie bei fehlender Kooperationsbereitschaft der Sorgeberechtigten erfolgen. Keine dieser Voraussetzungen ist vorliegend erfüllt. Weder waren die Kläger mit mehr als zwei Monatsentgelten im Rückstand, noch hat der Beklagte dargetan, dass die Kläger wiederholt gegen den Betreuungsvertrag verstoßen oder sich nicht kooperationsbereit gezeigt hätten.
c) Auch hat das Amtsgericht zutreffend ein Kündigungsrecht des Beklagten gemäß § 621 Nr. 3 BGB verneint, weil dieses nur bei Dienstverträgen besteht, deren Dauer nicht bestimmt noch aus der Beschaffenheit oder dem Zwecke der Dienste zu entnehmen ist (§ 620 Abs. 2 BGB). Die Berufung geht fehl in der Annahme, der Betreuungsvertrag weise keine bestimmte Laufzeit auf. Das Amtsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sich eine bestimmte Dauer des Betreuungsvertrages aus der Natur des Betreuungsverhältnisses ergibt, weil die Betreuung des Kindergartenkindes im Zweifel so lange läuft, bis das Kindergartenkind zum Schulkind herangereift ist und der Schulpflicht entsprechend dann den Kindergarten verlässt (ebenso OLG Brandenburg, Urt. v. 26.03.2021 – 4 U 26/21 – Rn. 49 m. w. N., zit. n. juris). Nur so ist es zu verstehen, dass der Betreuungsvertrag keinerlei Regelungen zur Vertragsbeendigung im Falle des Schuleintritts enthält, sondern vielmehr in § 6 Nr. 2 der Kita-Ordnung lediglich vorgesehen ist, dass die Kinder, die am Ende des Kindergartenjahres die Schule besuchen, zwischen dem 01.04. und 31.07. nur in begründeten Ausnahmefällen abgemeldet werden können. Dies ist nur dahin zu verstehen, dass ausnahmsweise eine frühere Abmeldung möglich ist, die Kinder, die am Ende des Kindergartenjahres die Schule besuchen, aber im Regelfall bis zum Ende des Kindergartenjahres bleiben und dann automatisch, ohne dass es einer ausdrücklichen Kündigung bedarf, aus dem Betreuungsverhältnis ausscheiden.
d) Ferner hat das Amtsgericht im Ergebnis zutreffend auch ein außerordentliches Kündigungsrecht des Beklagten nach § 626 BGB verneint. Gemäß § 626 Abs. 1 kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob dem Beklagten ein ihn zur außerordentlichen Kündigung berechtigender wichtiger Grund zur Seite steht. Denn jedenfalls dürfte die Wirksamkeit der Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB bereits daran scheitern, dass die insoweit gemäß § 626 Abs. 2 BGB geltende Ausschlussfrist nicht gewahrt ist. Danach kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Beklagte meint, aufgrund der nunmehr feststehenden Haselnussallergie zur außerordentlichen Kündigung des Betreuungsvertrages berechtigt zu sein. Von der hochgradigen Allergie und dem damit verbundenen Risiko eines anaphylaktischen Schocks hat der Beklagte bereits im Juni 2022 Kenntnis erlangt. Die Kündigung ist indessen erst 3 ½ Monate später, nämlich mit Schreiben vom 11.10.2022 und damit nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB erfolgt.
2. Dem Beklagten steht nach Auffassung der Kammer auch kein Recht zur Kündigung des Betreuungsvertrages unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1, Abs. 3 BGB zu. Gemäß § 313 Abs. 1 BGB kann dann, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, eine Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Weder ist eine solch schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage, aufgrund derer sich gemäß § 313 Abs. 3 BGB ein Kündigungsrecht des Beklagten ergeben könnte, eingetreten noch ist ersichtlich, dass dem Beklagten die Fortsetzung des Betreuungsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist.
a) Zunächst hat das Amtsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass der Beklagte schon zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Kindertagesstätte „R.“ Kenntnis von der bei A. bestehenden Haselnussallergie hatte. In dem Aufnahmebogen ist unter „Allergien/überstandene/chronische Krankheiten“ vermerkt „vermutlich Heuschnupfen, Haselnüsse“. Bei wortgenauer Betrachtung ist die Haselnussallergie damit als bestehend angegeben worden, weil sich der Zusatz „vermutlich“ nur auf den Heuschnupfen bezieht. Selbst wenn man jedoch dem Beklagten darin folgen wollte, dass sich das „vermutlich“ nicht nur auf möglichen Heuschnupfen, sondern auch auf eine mögliche Haselnussallergie bezieht, war der Kindergarten doch von Beginn an über die Allergieproblematik mit den möglichen Konsequenzen informiert, nämlich dass ein Kontakt des Kindes mit dem Allergen Haselnuss vermieden werden muss, und zwar unabhängig davon, in welcher Ausprägung die Allergie besteht.
b) Soweit in der Anmeldung nicht angegeben ist, dass es sich um eine hochgradige Haselnussallergie mit der Gefahr eines anaphylaktischen Schocks handelt, liegt hierin auch kein zur außerordentlichen Kündigung berechtigendes Vertragsschlussverschulden der Kläger, da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass sich die Schwere der Haselnussallergie erst nach Abschluss des Kindergartenvertrages herausgestellt hat, nachdem im Juni 2022, also ein Jahr nach Vertragsabschluss, bei A. ein Test zur Ermittlung des Schweregrades der Haselnussallergie vorgenommen worden war. Auch ein schweres Vertragsverschulden dahin, dass die Kläger die Kindergartenleitung nicht unverzüglich über die Schwere der Haselnussallergie informiert hat, ist nicht ersichtlich. Denn es ist unstreitig, dass die Kindergartenleitung über das Ergebnis des im Juni 2022 bei A. durchgeführten Tests unmittelbar informiert worden ist und die Kläger unverzüglich sichergestellt haben, dass dem Kindergarten ein Notfallpen zur Verfügung steht, und auf Veranlassung der Kläger eine ärztliche Unterweisung von Mitarbeiterinnen des Beklagten in die Verwendung dieses Notfallpens erfolgt ist.
c) Ist dem Beklagten bei Aufnahme des Sohnes der Kläger in den Kindergarten bekannt, dass dieser an einer Haselnussallergie leidet, stellt die Verschlimmerung der Allergie keine so schwerwiegende Veränderung dar, dass dem Beklagten ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar ist. Denn das Risiko einer Verschlimmerung ist dem Bestehen der Allergie gleichsam immanent. Die Kammer verkennt nicht, dass eine schwere Allergie mit der Gefahr eines anaphylaktischen Schocks andere und deutlich strengere Vorkehrungen verlangt als eine Allergie, die sich lediglich mit Juckreiz, Nießen und tränenden Augen bemerkbar macht, und daher die Erkenntnis des Bestehens einer schweren Allergie mit der Gefahr eines anaphylaktischen Schocks eine relevante Veränderung darstellt. Allein dies genügt jedoch für eine Vertragsanpassung bzw. Kündigung nach § 313 Abs. 1, Abs. 3 BGB nicht. Vielmehr verlangt die Vorschrift als weitere Voraussetzung, dass es sich um eine so schwerwiegende Veränderung handelt, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Durch die Formulierung kommt zum Ausdruck, dass nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsabschluss bestehenden oder gemeinsam erwarteten Verhältnisse eine Vertragsanpassung oder eine Kündigung rechtfertigt. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Deshalb kommt eine Vertragsanpassung dann nicht in Betracht, wenn der betroffenen Vertragspartei ein unverändertes Festhalten am vertraglich Vereinbarten unter Abwägung aller Umstände eischließlich der vertraglichen Risikoverteilung zumutbar ist. So verhält es sich hier. Denn unter Abwägung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls ist nicht ersichtlich, dass es dem Beklagten nicht zumutbar wäre, die Betreuung des Sohnes der Kläger bis zu dessen Schulreife im Sommer 2024 fortzusetzen.
Im Verhältnis zwischen Kindergarten und Eltern trägt grundsätzlich der Kindergarten die mit der Betreuung der Kindergartenkinder verbundenen Risiken. Zu diesen Risiken gehören auch und gerade Notsituationen, die sich im Zusammenhang mit dem Kindergartenalltag beim Aufenthalt der Kinder in der Kindertagesstätte ereignen können, wie beispielsweise Stürze vom Klettergerüst, welche schwerwiegende Verletzungen nach sich ziehen können, das Verschlucken von Gegenständen, das mit der Gefahr des Erstickens einhergeht, oder eben auch allergische Reaktionen, die bis hin zum anaphylaktischen Schock reichen können, was im Übrigen jedes Kindergartenkind, das von einer Biene gestochen wird und hierauf – ggf. erstmalig – hochallergisch reagiert, treffen kann. Gegen solche Risiken Vorkehrungen zu treffen bzw. im Falle solcher Notfälle adäquat zu reagieren, gehört zu den Kernaufgaben eines Kindergartens.
Die schwere Allergie des Sohnes der Beklagten stellt auch kein Risiko dar, auf das sich die Mitarbeiterinnen des Beklagten nicht einstellen könnten. Dass dies möglich ist, haben die Mitarbeiterinnen in den annähernd zwei Jahren, die A. bereits die Einrichtung der Beklagten besucht, unter Beweis gestellt, indem es bislang gelungen ist, A. so zu betreuen, dass er keinen anaphylaktischen Schock erlitten hat. Es genügen bereits wenige einfache organisatorische Maßnahmen, um die Gefahr eines anaphylaktischen Schocks aufgrund der bestehenden Haselnussallergie zu minimieren. Zutreffend hat das Amtsgericht darauf verwiesen, dass die Haselgewächse auf dem Außengelände der Kindertagesstätte eingezäunt werden können, so dass die Kinder mit diesen nicht in Berührung kommen. Auch ist es zumutbar, zumindest vorübergehend den Kindergarten haselnussfrei zu halten, indem entsprechendes sowohl an den Caterer als auch an die Eltern der übrigen Kindergartenkinder kommuniziert wird. Sollte es trotz dieser Maßnahmen einmal zu einer schweren allergischen Reaktion bei dem Kind der Kläger kommen, sind auch hierfür Vorkehrungen getroffen, indem von den Klägern sichergestellt ist, dass das Kind für alle Fälle mit einem Notfallpen ausgestattet in die Kindertagesstätte kommt, und überdies das Betreuungspersonal des Beklagten mit dem Umgang dieses Notfallpens vertraut gemacht ist und damit weiß, was hier – wie auch in anderen in der Kindertagesstätte vorkommenden Notfällen, mit denen immer zu rechnen ist – zu tun ist.
III.
Da die Berufung somit ohne Erfolg bleiben dürfte, mag der Beklagte – ungeachtet der Möglichkeit zur Stellungnahme – aus Kostengründen eine Rücknahme der Berufung in Betracht ziehen.