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Fristlose Kündigung Handelsvertretervertrag – Anspruch auf Rückzahlung Aufbauhilfe

Ein Handelsvertreter droht seinem Versicherungsunternehmen mit Vertragskündigungen von Kunden und muss dafür tief in die Tasche greifen: Das Landgericht Bielefeld verurteilte ihn zur Rückzahlung von Aufbauhilfen in Höhe von fast 29.000 Euro. Der Fall zeigt, wie schnell eine Vertrauensbasis zerstört werden kann und welche finanziellen Folgen daraus resultieren können.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Beklagte muss der Klägerin die erhaltenen Aufbauhilfen zurückzahlen.
  • Die Klägerin und der Beklagte hatten einen Handelsvertretervertrag mit Zusatzvereinbarung über Aufbauhilfen.
  • Die Klägerin kündigte den Vertrag fristlos wegen eines Vorfalls, bei dem der Beklagte die Klägerin beleidigte.
  • Die Kündigung wurde als berechtigt angesehen, da das Verhalten des Beklagten das Vertrauensverhältnis zerstörte.
  • Eine vorherige Abmahnung war nicht erforderlich, da der Vorfall schwerwiegend genug war.
  • Die Klägerin forderte die Rückzahlung der Aufbauhilfen für die letzten zwölf Monate.
  • Der Beklagte argumentierte, dass es sich bei den Zahlungen um verdiente Provisionen und nicht um Aufbauhilfen handelte.
  • Das Gericht entschied zugunsten der Klägerin, da die fristlose Kündigung gerechtfertigt war und die Aufbauhilfen zurückgefordert werden können.
  • Die Widerklage des Beklagten wurde abgewiesen, da sie unbegründet war.
  • Dieses Urteil hat Auswirkungen auf Handelsvertreterverträge, speziell bei fristlosen Kündigungen und Rückzahlungsforderungen.

Fristlose Kündigung: Wann Handelsvertreter Anspruch auf Rückzahlung von Aufbauhilfe haben

Der Handelsvertretervertrag ist ein essenzielles Instrument für viele Unternehmen, um ihre Produkte oder Dienstleistungen zu vertreiben. Ein Handelsvertreter ist dabei nicht Angestellter, sondern selbstständiger Unternehmer, der im Auftrag eines Unternehmens tätig wird und Provisionen für erfolgreich abgeschlossene Geschäfte erhält. Doch was geschieht, wenn die Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und dem Handelsvertreter vorzeitig endet, beispielsweise durch eine fristlose Kündigung? Vor allem im Falle einer fristlosen Kündigung stellt sich die Frage, ob dem Handelsvertreter Anspruch auf Rückzahlung von Aufbauhilfe zusteht, die er vom Unternehmen erhalten hat.

Die Rechtslage zu diesem Thema ist komplex und hängt von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise von der Art der Aufbauhilfe, den Gründen für die fristlose Kündigung und den Vereinbarungen im Handelsvertretervertrag. Grundsätzlich kann ein Anspruch auf Rückzahlung von Aufbauhilfe entstehen, wenn der Handelsvertreter durch die fristlose Kündigung in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet wird. Ob und in welcher Höhe ein solcher Anspruch besteht, ist jedoch stets im Einzelfall anhand der konkreten Sachlage zu beurteilen. Im folgenden Fallbeispiel wird ein aktuelles Gerichtsurteil im Detail analysiert, um die rechtliche Situation in einem konkreten Fall zu beleuchten.

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Der Fall vor Gericht


Rückzahlungspflicht für Aufbauhilfen nach fristloser Kündigung eines Handelsvertretervertrages

Das Landgericht Bielefeld hat in einem Urteil vom 12.06.2020 (Az. 10 O 68/18) entschieden, dass ein Handelsvertreter nach fristloser Kündigung zur Rückzahlung erhaltener Aufbauhilfen verpflichtet sein kann.

Hintergrund des Rechtsstreits

Ein Versicherungsunternehmen (Klägerin) und ein Handelsvertreter (Beklagter) schlossen 2013 einen Vermittlervertrag. In einer Zusatzvereinbarung von 2014 wurde dem Handelsvertreter eine „Aufbauhilfe“ in Form von Garantieprovisionen, Mitarbeiter- und Bürokostenzuschüssen gewährt. Die Vereinbarung sah vor, dass der Handelsvertreter bei einer vom Unternehmen ausgesprochenen fristlosen Kündigung zur Rückzahlung der Aufbauhilfen der letzten 12 Monate verpflichtet ist.

Ende 2015 kam es zu Unstimmigkeiten bei der Regulierung eines Versicherungsfalls. Der Handelsvertreter drohte daraufhin in einer E-Mail damit, Kunden zur Kündigung ihrer Verträge und zum Wechsel zu anderen Versicherern zu bewegen, falls der Fall nicht wie von ihm gewünscht reguliert würde. Das Unternehmen kündigte daraufhin fristlos und forderte die Rückzahlung der Aufbauhilfen in Höhe von rund 28.700 Euro.

Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Bielefeld gab der Klage des Versicherungsunternehmens auf Rückzahlung der Aufbauhilfen in vollem Umfang statt.

Die fristlose Kündigung war nach Ansicht des Gerichts gerechtfertigt. Die Androhung des Handelsvertreters, Kunden zur Kündigung zu bewegen, stelle eine vorsätzliche Missachtung der Interessen des Unternehmers dar. Dies sei ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nach § 89a HGB. Der Handelsvertreter habe damit gegen seine Pflicht zur Interessenwahrnehmung aus § 86 HGB verstoßen.

Das Gericht sah die Äußerungen des Handelsvertreters weder als bloße Meinungsäußerung noch als Wahrnehmung berechtigter Interessen an. Eine vorherige Abmahnung war nach Auffassung des Gerichts entbehrlich, da die Vertrauensbasis durch das Verhalten des Handelsvertreters so stark beschädigt wurde, dass sie nicht wiederhergestellt werden konnte.

Die Rückzahlungsklausel in der Zusatzvereinbarung hielt das Gericht für wirksam. Der Handelsvertreter war daher zur Rückzahlung der erhaltenen Aufbauhilfen für die letzten 12 Monate in Höhe von 28.718,04 Euro verpflichtet. Dies umfasste Garantieprovisionen sowie Mitarbeiter- und Bürokostenzuschüsse.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil verdeutlicht die Grenzen zulässiger Kritik eines Handelsvertreters gegenüber dem vertretenen Unternehmen. Drohungen, die direkt gegen die Interessen des Unternehmers gerichtet sind, können eine fristlose Kündigung rechtfertigen – auch ohne vorherige Abmahnung.

Für Unternehmen zeigt das Urteil, dass Rückzahlungsklauseln für Aufbauhilfen in Handelsvertreterverträgen grundsätzlich wirksam sein können. Sie bieten die Möglichkeit, bei vertragswidrigem Verhalten des Handelsvertreters gewährte finanzielle Unterstützungen zurückzufordern.

Handelsvertreter müssen sich bewusst sein, dass auch einmalige schwerwiegende Pflichtverletzungen direkte finanzielle Konsequenzen haben können. Die Rückzahlung von Aufbauhilfen kann eine erhebliche wirtschaftliche Belastung darstellen.

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Handelsvertreter und Unternehmen. Bei Konflikten sollten beide Seiten auf eine sachliche Kommunikation achten und Drohungen vermeiden, um die Geschäftsbeziehung nicht zu gefährden.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil verdeutlicht die hohe Bedeutung der Interessenwahrungspflicht des Handelsvertreters. Eine vorsätzliche Missachtung der Unternehmerinteressen durch Androhung von Kundenverlust rechtfertigt eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung. Rückzahlungsklauseln für Aufbauhilfen in Handelsvertreterverträgen sind grundsätzlich wirksam und können bei vertragswidrigem Verhalten greifen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und sachlichen Kommunikation zwischen Handelsvertreter und Unternehmen, um schwerwiegende finanzielle Konsequenzen zu vermeiden.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Unternehmen und Handelsvertreter hat dieses Urteil weitreichende Konsequenzen. Es unterstreicht die hohe Bedeutung der Interessenwahrungspflicht des Handelsvertreters. Eine Drohung, Kunden zur Kündigung zu bewegen, kann als schwerwiegende Vertragsverletzung eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen. Entscheidend ist dabei, dass das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört wurde. Für Handelsvertreter bedeutet dies, dass selbst einmalige Äußerungen gravierende finanzielle Folgen haben können, wenn Rückzahlungsklauseln für Aufbauhilfen greifen. Unternehmen hingegen sollten solche Klauseln sorgfältig prüfen und vertraglich verankern, um sich abzusichern. Bei Konflikten ist für beide Seiten äußerste Vorsicht und sachliche Kommunikation geboten, um die Geschäftsbeziehung nicht zu gefährden.


FAQ – Häufige Fragen

Rückzahlungspflicht für Aufbauhilfen nach fristloser Kündigung eines Handelsvertretervertrags – ein komplexes Thema, das viele Fragen aufwirft. Mit dieser FAQ-Rubrik möchten wir Ihnen einen umfassenden und verständlichen Überblick über die rechtlichen Aspekte bieten.


Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Rückzahlungspflicht für Aufbauhilfen nach einer fristlosen Kündigung eines Handelsvertretervertrages?

Die Rückzahlungspflicht für Aufbauhilfen nach einer fristlosen Kündigung eines Handelsvertretervertrages wird primär durch die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches (HGB) geregelt. Von zentraler Bedeutung sind hierbei die §§ 89 und 89a HGB.

Gemäß § 89a Abs. 1 Satz 1 HGB kann das Vertragsverhältnis von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Diese Möglichkeit zur fristlosen Kündigung darf weder ausgeschlossen noch beschränkt werden, wie § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB ausdrücklich festlegt. Dies ist eine zwingende Schutzvorschrift zugunsten beider Vertragsparteien.

In Bezug auf Aufbauhilfen und deren potenzielle Rückzahlung ist § 89 Abs. 2 Satz 1 HGB von besonderer Relevanz. Diese Norm besagt, dass die Kündigungsfrist für den Unternehmer nicht kürzer sein darf als für den Handelsvertreter. Daraus lässt sich ableiten, dass Vertragsklauseln, die eine sofortige Rückzahlung von Aufbauhilfen bei Vertragsende vorsehen, kritisch zu betrachten sind.

Die Rechtsprechung hat hierzu eine differenzierte Sichtweise entwickelt. Vereinbarungen zur Rückzahlung von Aufbauhilfen können als unzulässige Kündigungserschwernis gewertet werden, wenn sie den Handelsvertreter in seiner Entscheidungsfreiheit zur Vertragsbeendigung unangemessen einschränken. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn die Rückzahlungsverpflichtung so hoch ist, dass sie faktisch einer Vertragsbindung gleichkommt.

Allerdings ist nicht jede Rückzahlungsklausel per se unzulässig. Es kommt auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Dabei werden verschiedene Faktoren berücksichtigt:

1. Die Höhe der zurückzuzahlenden Beträge im Verhältnis zu den Verdienstmöglichkeiten des Handelsvertreters.

2. Der Zeitraum, für den die Rückzahlung gefordert wird.

3. Die Art und der Zweck der geleisteten Aufbauhilfe.

4. Die Dauer des Vertragsverhältnisses bis zur Kündigung.

Entscheidend ist, ob die Rückzahlungsverpflichtung eine unzulässige mittelbare Beschränkung des Kündigungsrechts darstellt. Ist dies der Fall, kann die entsprechende Vertragsklausel gemäß §§ 134, 138 BGB nichtig sein.

Bei der rechtlichen Beurteilung spielt auch eine Rolle, ob die Aufbauhilfe als echter Vorschuss oder als Darlehen gewährt wurde. Handelt es sich um einen Vorschuss auf künftige Provisionen, ist eine Rückzahlungspflicht grundsätzlich eher gerechtfertigt als bei einer als Darlehen gewährten Aufbauhilfe.

In der Praxis führt dies dazu, dass Gerichte eine Gesamtabwägung vornehmen. Sie prüfen, ob die Rückzahlungsklausel unter Berücksichtigung aller Umstände eine unangemessene Benachteiligung des Handelsvertreters darstellt. Dabei wird auch beachtet, ob die Aufbauhilfe tatsächlich dem Aufbau des Geschäfts diente oder ob sie eher den Charakter einer versteckten Vergütung hatte.

Es ist wichtig zu betonen, dass selbst bei einer unwirksamen Rückzahlungsklausel nicht automatisch ein Anspruch des Handelsvertreters auf Behalten der Aufbauhilfe entsteht. In solchen Fällen kann der Unternehmer möglicherweise einen Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) geltend machen.

Die rechtliche Beurteilung solcher Fälle erfordert stets eine sorgfältige Analyse der spezifischen Vertragsgestaltung und der tatsächlichen Umstände. Dabei müssen die Interessen beider Parteien angemessen berücksichtigt werden, um eine faire und rechtskonforme Lösung zu finden.

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Unter welchen Bedingungen kann ein Handelsvertreter zur Rückzahlung von Aufbauhilfen verpflichtet werden?

Die Rückzahlungspflicht von Aufbauhilfen für Handelsvertreter ist ein komplexes rechtliches Thema, das von verschiedenen Faktoren abhängt. Grundsätzlich können Handelsvertreter zur Rückzahlung von Aufbauhilfen verpflichtet werden, wenn bestimmte vertragliche oder gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sind.

Eine wesentliche Bedingung für die Rückzahlungspflicht ist die vertragliche Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und dem Handelsvertreter. In vielen Fällen enthalten Handelsvertreterverträge spezifische Klauseln, die die Modalitäten für die Gewährung und mögliche Rückzahlung von Aufbauhilfen regeln. Diese Vereinbarungen müssen jedoch im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen stehen, insbesondere mit dem Handelsgesetzbuch (HGB).

Ein häufiger Grund für eine Rückzahlungspflicht ist die vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses. Wenn der Handelsvertreter den Vertrag vor Ablauf einer vereinbarten Mindestlaufzeit kündigt oder durch sein Verhalten eine fristlose Kündigung durch das Unternehmen provoziert, kann dies zu einer Rückzahlungsverpflichtung führen. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass solche Klauseln nicht das Recht des Handelsvertreters auf eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 89a HGB einschränken dürfen.

Die Höhe der Rückzahlungsverpflichtung hängt oft von der Dauer der tatsächlichen Vertragslaufzeit ab. Viele Verträge sehen eine anteilige Rückzahlung vor, bei der der zurückzuzahlende Betrag mit zunehmender Vertragsdauer sinkt. Dies soll dem Umstand Rechnung tragen, dass der Handelsvertreter mit der Zeit einen wachsenden Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Zweckbestimmung der Aufbauhilfe. Wurde sie explizit als Vorschuss auf künftige Provisionen gewährt, kann eine Rückzahlungspflicht eher gerechtfertigt sein als bei Zahlungen, die zur Deckung von Anlaufkosten oder zur Unterstützung des Geschäftsaufbaus gedacht waren.

Entscheidend ist auch, ob die Rückzahlungsklausel eine unzulässige Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Handelsvertreters darstellt. Gerichte prüfen in diesem Zusammenhang, ob die finanziellen Folgen einer Kündigung so gravierend sind, dass sie den Handelsvertreter faktisch an der Ausübung seines Kündigungsrechts hindern. Ist dies der Fall, kann die Klausel als unwirksam erachtet werden.

Bei der Beurteilung der Rückzahlungspflicht spielen zudem die Umstände der Vertragsbeendigung eine Rolle. Hat das Unternehmen durch sein Verhalten einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung durch den Handelsvertreter geliefert, kann dies die Rückzahlungspflicht entfallen lassen. Gleiches gilt, wenn das Unternehmen selbst ohne wichtigen Grund kündigt.

Es ist zu beachten, dass Gerichte bei der Beurteilung von Rückzahlungsklauseln eine Gesamtschau vornehmen. Sie berücksichtigen dabei die Höhe der Aufbauhilfe, die Dauer der Vertragsbindung, die wirtschaftlichen Folgen für den Handelsvertreter und die Interessen des Unternehmens. Ziel ist es, eine angemessene Balance zwischen der unternehmerischen Freiheit und dem Schutz des Handelsvertreters zu finden.

In der Praxis empfiehlt es sich daher, Rückzahlungsklauseln sorgfältig und differenziert zu gestalten. Sie sollten die Dauer der Vertragsbindung, die Höhe der Aufbauhilfe und die Umstände einer möglichen Vertragsbeendigung berücksichtigen. Pauschale oder übermäßig belastende Regelungen laufen Gefahr, von Gerichten als unwirksam eingestuft zu werden.

Für Handelsvertreter ist es ratsam, vor Unterzeichnung eines Vertrages die Bedingungen für eine mögliche Rückzahlung von Aufbauhilfen genau zu prüfen und gegebenenfalls zu verhandeln. Unternehmen sollten darauf achten, dass ihre Rückzahlungsklauseln angemessen und rechtlich haltbar sind, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

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Welche Folgen hat eine fristlose Kündigung für die wirtschaftliche Existenz eines Handelsvertreters?

Eine fristlose Kündigung kann erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Existenz eines Handelsvertreters haben. Der sofortige Wegfall der Einnahmen stellt oftmals die gravierendste Folge dar. Mit der Kündigung verliert der Handelsvertreter unmittelbar seinen Anspruch auf laufende Provisionszahlungen, was zu einem abrupten Einkommensausfall führt. Dies kann insbesondere bei Handelsvertretern, die ausschließlich für ein Unternehmen tätig waren, zu akuten finanziellen Engpässen führen.

Neben dem Provisionsausfall droht auch der Verlust des Ausgleichsanspruchs, der normalerweise bei Beendigung des Vertragsverhältnisses gezahlt wird. Dieser Anspruch, der sich aus § 89b des Handelsgesetzbuches (HGB) ergibt, soll den Handelsvertreter für den vom Unternehmen weiterhin genutzten Kundenstamm entschädigen. Bei einer berechtigten fristlosen Kündigung durch den Unternehmer entfällt dieser Anspruch in der Regel vollständig.

Allerdings ist zu beachten, dass nicht jede vom Unternehmen ausgesprochene fristlose Kündigung auch rechtmäßig ist. Häufig fehlt es an einem wichtigen Grund, der eine sofortige Vertragsbeendigung rechtfertigen würde. In solchen Fällen kann der Handelsvertreter die Unwirksamkeit der Kündigung geltend machen und seine Ansprüche auf Provision und Ausgleichszahlung aufrechterhalten.

Die wirtschaftlichen Folgen einer fristlosen Kündigung gehen oft über den reinen Einkommensverlust hinaus. Viele Handelsvertreter haben im Vertrauen auf die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses Investitionen getätigt, etwa in Büroausstattung, Fahrzeuge oder Warenlager. Diese Investitionen können sich bei einer plötzlichen Vertragsbeendigung als verlustreich erweisen. Zudem können laufende finanzielle Verpflichtungen wie Mietzahlungen oder Leasingraten zu einer zusätzlichen Belastung werden.

Ein weiterer Aspekt betrifft mögliche Rückzahlungsforderungen des Unternehmens. In manchen Fällen haben Handelsvertreter zu Beginn ihrer Tätigkeit Aufbauhilfen oder Vorschüsse erhalten. Bei einer fristlosen Kündigung könnte das Unternehmen versuchen, diese zurückzufordern, was die finanzielle Situation des Handelsvertreters zusätzlich verschärfen würde.

Die langfristigen Auswirkungen einer fristlosen Kündigung können ebenfalls beträchtlich sein. Der Verlust eines wichtigen Auftraggebers kann den Ruf des Handelsvertreters in der Branche schädigen und die Akquise neuer Auftraggeber erschweren. Zudem können nachvertragliche Wettbewerbsverbote die Möglichkeiten des Handelsvertreters einschränken, in seinem bisherigen Tätigkeitsfeld weiter zu arbeiten.

Um die negativen Folgen einer fristlosen Kündigung abzumildern, stehen dem Handelsvertreter verschiedene Optionen zur Verfügung. Eine sorgfältige Prüfung der Kündigungsgründe ist der erste wichtige Schritt. Erweist sich die Kündigung als unberechtigt, kann der Handelsvertreter auf Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bestehen oder Schadensersatzansprüche geltend machen.

In jedem Fall sollte der Handelsvertreter zeitnah alle offenen Provisionsansprüche geltend machen und eine detaillierte Abrechnung vom Unternehmen einfordern. Auch die Durchsetzung des Ausgleichsanspruchs, sofern dieser nicht aufgrund eines wichtigen Kündigungsgrundes entfallen ist, kann die finanziellen Einbußen teilweise kompensieren.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, mit dem Unternehmen über einen Aufhebungsvertrag zu verhandeln. Dieser kann vorteilhafter sein als eine strittige fristlose Kündigung, da hier Raum für Kompromisse besteht, etwa hinsichtlich der Höhe des Ausgleichsanspruchs oder der Dauer eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots.

Die schnelle Suche nach neuen Auftraggebern oder alternativen Einkommensquellen ist für die wirtschaftliche Existenzsicherung entscheidend. Hierbei können bestehende Netzwerke und Kontakte in der Branche hilfreich sein. Gegebenenfalls ist auch eine berufliche Neuorientierung in Betracht zu ziehen, insbesondere wenn nachvertragliche Wettbewerbsverbote die Tätigkeit im bisherigen Bereich erschweren.

Die fristlose Kündigung eines Handelsvertretervertrags kann somit weitreichende Folgen für die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen haben. Eine genaue Kenntnis der rechtlichen Situation, eine schnelle Reaktion und die Entwicklung alternativer Geschäftsstrategien sind entscheidend, um die negativen Auswirkungen zu begrenzen und die berufliche Zukunft neu zu gestalten.

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Welche Maßnahmen können Handelsvertreter ergreifen, um sich gegen unberechtigte fristlose Kündigungen und Rückzahlungsforderungen zu schützen?

Handelsvertreter können verschiedene Maßnahmen ergreifen, um sich gegen unberechtigte fristlose Kündigungen und damit verbundene Rückzahlungsforderungen zu schützen.

Eine wesentliche präventive Maßnahme ist die sorgfältige Dokumentation der eigenen Tätigkeit. Handelsvertreter sollten alle relevanten Geschäftsvorgänge, Kundenkontakte und erbrachten Leistungen detailliert und chronologisch festhalten. Dies umfasst auch die Aufbewahrung sämtlicher Korrespondenz mit dem vertretenen Unternehmen. Eine lückenlose Dokumentation kann im Streitfall als Beweismittel dienen und die Position des Handelsvertreters stärken.

Ebenso wichtig ist die genaue Kenntnis des Handelsvertretervertrags. Handelsvertreter sollten alle vertraglichen Pflichten und Rechte genau kennen und einhalten. Besonderes Augenmerk sollte auf Klauseln zu Kündigungsgründen und -fristen sowie zu etwaigen Rückzahlungsverpflichtungen gelegt werden. Bei Unklarheiten empfiehlt es sich, diese frühzeitig mit dem Unternehmen zu klären.

Im Falle einer fristlosen Kündigung ist es entscheidend, umgehend zu reagieren. Der Handelsvertreter sollte die Kündigung schriftlich zurückweisen und dabei detailliert darlegen, warum er sie für unberechtigt hält. Hierbei kann auf die eigene Dokumentation zurückgegriffen werden, um die Erfüllung der vertraglichen Pflichten zu belegen.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Prüfung der Kündigungsgründe. Gemäß § 89a HGB ist eine fristlose Kündigung nur aus wichtigem Grund zulässig. Der Handelsvertreter sollte genau prüfen, ob die angeführten Gründe tatsächlich die Schwelle eines wichtigen Grundes erreichen. Häufig reichen kleinere Vertragsverletzungen nicht aus, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

Bei ungerechtfertigten Rückzahlungsforderungen sollten Handelsvertreter Widerspruch einlegen und die Rechtmäßigkeit der Forderung in Frage stellen. Oft basieren solche Forderungen auf komplexen vertraglichen Regelungen, die einer genauen rechtlichen Prüfung bedürfen.

Eine effektive Schutzmaßnahme ist auch die Einholung rechtlicher Unterstützung. Ein auf Handelsvertreterrecht spezialisierter Jurist kann die Situation objektiv bewerten und geeignete rechtliche Schritte empfehlen. Dies kann von der Formulierung eines Widerspruchsschreibens bis hin zur Einleitung gerichtlicher Schritte reichen.

In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, eine Feststellungsklage zu erheben. Damit kann gerichtlich geklärt werden, ob die fristlose Kündigung rechtmäßig war und ob das Vertragsverhältnis tatsächlich beendet ist. Dies kann insbesondere dann wichtig sein, wenn der Handelsvertreter Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach § 89b HGB hat.

Handelsvertreter sollten auch die Möglichkeit eines Vergleichs in Betracht ziehen. Oft kann eine einvernehmliche Lösung für beide Seiten vorteilhafter sein als ein langwieriger Rechtsstreit. Hierbei ist es wichtig, die eigenen Interessen klar zu formulieren und gleichzeitig kompromissbereit zu sein.

Zur Absicherung gegen zukünftige Streitigkeiten können Handelsvertreter auch eine Rechtsschutzversicherung in Erwägung ziehen. Diese kann die finanziellen Risiken eines möglichen Rechtsstreits abmildern und ermöglicht es, die eigenen Rechte ohne Kostenrisiko durchzusetzen.

Letztlich ist es für Handelsvertreter ratsam, regelmäßige Gespräche mit dem vertretenen Unternehmen zu führen. Offene Kommunikation kann helfen, Missverständnisse frühzeitig auszuräumen und potenzielle Konflikte zu entschärfen, bevor sie eskalieren und zu einer fristlosen Kündigung führen.

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Wie sollte ein Handelsvertreter auf eine fristlose Kündigung und die Aufforderung zur Rückzahlung von Aufbauhilfen reagieren?

Bei einer fristlosen Kündigung des Handelsvertretervertrags und der Aufforderung zur Rückzahlung von Aufbauhilfen sollte der Handelsvertreter besonnen und strategisch vorgehen.

Zunächst ist es wichtig, die Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung zu prüfen. Eine außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrags ist nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig. Der Handelsvertreter sollte sorgfältig analysieren, ob tatsächlich ein solcher wichtiger Grund gegeben ist, der die sofortige Beendigung des Vertragsverhältnisses rechtfertigt. Häufig fehlt es an einem ausreichenden Kündigungsgrund oder es wurde keine erforderliche Abmahnung ausgesprochen.

Liegt kein wichtiger Grund vor, kann der Handelsvertreter die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung geltend machen. In diesem Fall besteht der Vertrag grundsätzlich bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fort. Der Handelsvertreter hat dann Anspruch auf Fortzahlung der Provisionen bis zum regulären Vertragsende. Um dies durchzusetzen, ist es ratsam, zeitnah eine Feststellungsklage zu erheben mit dem Ziel, die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung gerichtlich feststellen zu lassen.

Bezüglich der Rückzahlungsforderung für Aufbauhilfen ist Vorsicht geboten. Grundsätzlich können Vereinbarungen zur Rückzahlung von Aufbauhilfen bei Vertragsbeendigung eine unzulässige Kündigungserschwernis darstellen. Dies gilt insbesondere, wenn die Rückzahlungsverpflichtung an die Kündigung geknüpft ist und den Handelsvertreter faktisch von einer Kündigung abhalten soll. Solche Klauseln können nach § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB unwirksam sein.

Der Handelsvertreter sollte daher die vertraglichen Regelungen zu den Aufbauhilfen genau prüfen. Entscheidend ist, ob die Rückzahlungsverpflichtung eine unzulässige mittelbare Kündigungserschwernis darstellt. Ist dies der Fall, kann der Handelsvertreter die Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel geltend machen.

Es empfiehlt sich, auf die Rückzahlungsforderung schriftlich zu reagieren und die Rechtmäßigkeit unter Verweis auf § 89a HGB zu bestreiten. Dabei sollte der Handelsvertreter darlegen, warum die Rückzahlungsverpflichtung eine unzulässige Kündigungserschwernis darstellt. Gleichzeitig ist es ratsam, vorsorglich die Einrede der Verjährung zu erheben, falls die Forderung doch berechtigt sein sollte.

In vielen Fällen ist es sinnvoll, dem Unternehmen ein Angebot zur gütlichen Einigung zu unterbreiten. Dabei kann beispielsweise eine Ratenzahlungsvereinbarung oder ein Teilerlass der Forderung vorgeschlagen werden. Dies kann helfen, einen kostspieligen Rechtsstreit zu vermeiden.

Sollte keine Einigung erzielt werden, muss der Handelsvertreter damit rechnen, dass das Unternehmen die Rückzahlung gerichtlich geltend macht. In diesem Fall ist es wichtig, sich auf das Gerichtsverfahren gründlich vorzubereiten und alle Argumente gegen die Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel zusammenzutragen.

Besondere Vorsicht ist bei der Frage geboten, ob der Handelsvertreter seinerseits fristlos kündigen sollte. Eine solche Kündigung kann zwar gerechtfertigt sein, wenn die fristlose Kündigung des Unternehmens unwirksam war. Allerdings besteht das Risiko, dass der Handelsvertreter dadurch seinen Anspruch auf laufende Provisionen verliert. Es ist daher in der Regel ratsamer, zunächst die Unwirksamkeit der Kündigung geltend zu machen und den Vertrag fortzuführen.

Der Handelsvertreter sollte zudem prüfen, ob ihm ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB zusteht. Dieser Anspruch entfällt nur dann, wenn ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung vorlag. Ist die Kündigung dagegen unwirksam, bleibt der Ausgleichsanspruch bestehen.

In jedem Fall ist es für den Handelsvertreter wichtig, alle relevanten Unterlagen und Beweise zu sichern. Dazu gehören der Handelsvertretervertrag, Provisionsabrechnungen, Korrespondenz mit dem Unternehmen und Nachweise über die geleistete Tätigkeit. Diese Dokumente können in einem möglichen Rechtsstreit von entscheidender Bedeutung sein.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Handelsvertreter: Ein Handelsvertreter ist ein selbstständiger Unternehmer, der für ein Unternehmen tätig ist, um dessen Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen. Er erhält für seine Vermittlungstätigkeiten Provisionen. Handelsvertreter sind nicht Angestellte des Unternehmens, sondern arbeiten auf eigene Rechnung und sind für mehrere Unternehmen gleichzeitig tätig.
  • Fristlose Kündigung: Eine fristlose Kündigung beendet das Vertragsverhältnis sofort und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Sie ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, nämlich wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Fortsetzung des Vertrags unzumutbar macht. Im Handelsvertreterrecht ist die fristlose Kündigung in § 89a HGB geregelt.
  • Aufbauhilfe: Aufbauhilfen sind finanzielle Unterstützungen, die ein Unternehmen einem Handelsvertreter gewährt, um ihm den Aufbau eines Kundenstamms oder den Ausbau seiner Geschäftstätigkeit zu erleichtern. Diese Hilfen können in Form von Geldzahlungen oder Sachleistungen erfolgen und sind oft an bestimmte Bedingungen geknüpft, wie z.B. die Erreichung bestimmter Umsatzziele.
  • Rückzahlungsklausel: Eine Rückzahlungsklausel ist eine vertragliche Vereinbarung, die besagt, dass erhaltene Leistungen unter bestimmten Bedingungen zurückgezahlt werden müssen. Im Handelsvertretervertrag kann dies z.B. der Fall sein, wenn der Handelsvertreter fristlos gekündigt wird und die Kündigung aus einem von ihm zu vertretenden Grund erfolgt.
  • Interessenwahrungspflicht: Die Interessenwahrungspflicht des Handelsvertreters bedeutet, dass er die Interessen des Unternehmens, für das er tätig ist, fördern und schützen muss. Dazu gehört insbesondere die Pflicht, alles zu unterlassen, was dem Unternehmen schaden könnte. Verstöße gegen diese Pflicht können zu einer fristlosen Kündigung des Vertrages führen.
  • Wichtiger Grund: Ein wichtiger Grund ist ein Ereignis oder Verhalten, das eine sofortige Kündigung eines Vertrages rechtfertigt, ohne dass eine Kündigungsfrist eingehalten werden muss. Im Handelsvertreterrecht ist ein wichtiger Grund z.B. gegeben, wenn der Handelsvertreter die Interessen des Unternehmens erheblich verletzt, etwa durch Vertrauensbruch oder grobe Pflichtverletzung.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 89a Abs. 2 HGB (Handelsgesetzbuch): Dieser Paragraph regelt die fristlose Kündigung eines Handelsvertretervertrags aus wichtigem Grund. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Im vorliegenden Fall wurde die fristlose Kündigung durch das Gericht aufgrund der Drohung des Handelsvertreters, Kunden zur Kündigung ihrer Verträge zu bewegen, als gerechtfertigt angesehen.
  • § 86 HGB (Handelsgesetzbuch): Dieser Paragraph beschreibt die Pflichten des Handelsvertreters, insbesondere die Pflicht zur Förderung der Geschäftsinteressen des Unternehmers. Der Handelsvertreter ist verpflichtet, sich um die Vermittlung von Geschäften zu bemühen und die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen. Im vorliegenden Fall hat der Handelsvertreter durch seine Drohung gegen diese Pflicht verstoßen, was zur Rechtfertigung der fristlosen Kündigung beitrug.
  • § 675 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Dieser Paragraph regelt das Darlehensrecht und ist relevant für die Rückzahlung der Aufbauhilfe. Ein Darlehen ist ein Vertrag, durch den der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag zur Verfügung stellt und der Darlehensnehmer sich verpflichtet, diesen Betrag zurückzuzahlen. Im vorliegenden Fall wurde die Aufbauhilfe als Darlehen betrachtet, das aufgrund der fristlosen Kündigung und der entsprechenden Vertragsklausel zurückzuzahlen war.
  • § 314 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Dieser Paragraph regelt die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Im vorliegenden Fall wurde die fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrags aufgrund der Drohung des Handelsvertreters als gerechtfertigt angesehen.
  • § 138 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Dieser Paragraph betrifft sittenwidrige Rechtsgeschäfte. Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob die Rückzahlungsklausel für die Aufbauhilfe sittenwidrig war, was jedoch vom Gericht verneint wurde.

Das vorliegende Urteil

LG Bielefeld – Az.: 10 O 68/18 – Urteil vom 12.06.2020


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 28.718,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.04.2016 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Rückzahlung von ihr so bezeichneter erhaltener Aufbauhilfen.

Die Klägerin ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Unter dem 03.05.2013/14.05.2013 schlossen die Parteien einen Vertrag dahingehend, dass der Beklagte als Vermittler mit Wirkung zum 01. Juli 2013 für die Klägerin tätig wird (Anlage K 4). Unter dem 17.11.2014/18.12.2014 schlossen die Parteien eine Zusatzvereinbarung Nr. 010 zum vorgenannten Vertrag (Anlage K 3). In der Zusatzvereinbarung heißt es, dass diese dem Agenten eine „Aufbauhilfe“ gewähre. Weiter heißt es dort wörtlich:

„(…) Die Gesellschaft will mit der Zahlung einer finanziellen Aufbauhilfe, die über die geschuldete Provisionsvergütung hinausgeht, im Interesse des Agenten die finanzielle Grundlage für einen Bestandsaufbau im Rahmen der nachstehend vereinbarten Zielgrößen schaffen.( … )

2. BP-Garantie: Für den Bestandsaufbau gem. Ziffer 1 erhält der Agent eine monatlich nachträglich fällige BP-Garantie in Höhe von

5.000,- Euro pro Monat für die Zeit vom 01.07.2013 bis zum 30.06.2018.

Der Garantiebetrag wird nach Maßgabe folgender Bestimmungen gewährt:

a)Auf die Garantie werden die Betreuungsprovisionen und alle KR-Provisionen sämtlicher Konten des Agenten angerechnet. Dies gilt nicht für Provisionen der O. Vermittlungs-GmbH.b)Ist der während des Garantiezeitraumes ermittelte anrechenbare Betrag insgesamt höher als die Garantiebeträge, so wird der Mehrbetrag nach Ablauf des Garantiezeitraumes ausgezahlt, ein Minderbetrag geht zu Lasten der Gesellschaft.c)Der Mehr- bzw. Minderbetrag aus der bisherigen Garantievereinbarung wird auf diese übertragen.

3. Mitarbeiterzuschuss: Dem Agenten wird als Kostenbeteiligung der Gesellschaft für die Beschäftigung der Innendienst-Mitarbeiterin Frau U. für die Zeit vom 01.01.2015 bis 31.12.2015 ein dafür zweckgebundener, monatlicher, nachträglich fälliger Zuschuss in folgender Höhe gezahlt:

350,00 EUR vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2015.

( … )

4. Bürokostenzuschuss: Dem Agenten wird als Kostenbeteiligung der Gesellschaft für den Aufbau der Agentur und im Hinblick auf die vereinbarte Nutzungsbeschränkung des (Laden)Büros folgender nachträglich fälliger Zuschuss gezahlt:

190,00 EUR pro Monat vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2015

( … ) 5.2 ( … )Sofern der Gesellschaft ein vom Agenten zu vertretender Grund für eine fristlose Kündigung des Agenturvertrages gemäß § 89a Abs. 2 HGB zusteht, ist der Agent zur Rückzahlung der erhaltenen Aufbauhilfen für den Zeitraum der letzten zwölf Monate verpflichtet. Das gleiche gilt, wenn der Agent während der Laufzeit dieser Vereinbarung eine anderweitige gewerbsmäßige Nebentätigkeit ausübt, ohne dass ihm dafür die ausdrückliche Zustimmung der Gesellschaft vorliegt.( … )“

Zwischen den Parteien kam es zu einer Auseinandersetzung im Rahmen eines Versicherungsfalles der Kundin L., die vom Beklagten betreut wurde. Die Klägerin sah zunächst die Voraussetzungen als nicht gegeben an, dass der Schaden von ihr zu decken gewesen wäre. In dem Zuge sandte der Beklagte unter dem 18.12.2015 eine E-Mail an den bei der Klägerin beschäftigten G. (Anlage K 5). In dieser E-Mail heißt es wörtlich:

„Sehr geehrter Herr G.,auch in dieser Sache läuft mal wieder alles gegen den Kunden.Ich hample mal wieder seit Wochen und Monaten herum, um hier eine Zahlung in Höhe von 280,00 Euro zu erwirken.Letzter Stand ist, dass ich in der Sache mit Herrn D. telefoniert habe, der meint, den Schaden ablehnen zu müssen, da uns der Kunde nicht beschwören kann, dass er das Fahrrad abgeschlossen hat.Diese ekelhafte Haarspaltereien der [KLÄGERIN], verbunden mit den ständigen Hinweisen, dass die [KLÄGERIN] doch eigentlich so großzügig in der Regulierung sei, geht mir so langsam sowas von gegen den Strich, dass ich jetzt jede sich bietende Gelegenheit nutzen werde, auch meine eigenen Verträge bei der [Klägerin] abzuziehen.Dem Kunden, seiner Lebensgefährtin und seinen Eltern werde ich, sofern die Ablehnung verschickt wird, erläutern müssen, dass sie wohl beim falschen Versicherer gelandet sind und empfehlen, sich eine ordentliche Versicherungsgesellschaft zu suchen, bei der solch ein Schaden auch reguliert wird.Ich weiß nicht, warum in Hannover solch eine perverse Lust existiert, Kunden und Vertreter zu drangsalieren, darf Ihnen aber schreiben, dass ich nicht gewillt bin, mit dieses noch allzu lange anzutun.Es steht Ihnen frei, sich in der Sache für den Kunden zu verwenden.Mit freundlichen Grüßen[Beklagter]( … )“

Unter dem 30. Dezember 2015 kündigte die Klägerin den Vermittlervertrag vom 03.05.2013 / 14.05.2013 aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Hintergrund der Kündigung war insbesondere das vorgenannte Geschehen.

Unter dem 26. Januar 2016 bot die Klägerin dem Beklagten eine Aufhebungsvereinbarung an (Anlage WK 1). In dieser heißt es wörtlich:

„( … ) 3.) Provisionsabrechnung Die Gesellschaft und Herr [Beklagter] stimmen überein, dass Herr [Beklagter] alle Angaben über die vermittelten Geschäfte und ihre Betreuung erhalten hat, die nach den zwischen ihm und der Gesellschaft getroffenen Provisionsvereinbarungen für die Provision von Bedeutung sind.Der Stand der Agenturkonten ( … )

Nr. 55-8006 9.966,11 Euro

per Buchungsnote vom 30.12.2015 wird damit von Herrn [Beklagter] als richtig und vollständig anerkannt.

( … ) “

Die Aufhebungsvereinbarung wurde vom Beklagten nicht angenommen.

Unter dem 18.03.2016 regulierte die Klägerin unter Berücksichtigung einer Leistungskürzung den Versicherungsfall der Frau L. (Anlage B 1).

Unter dem 22.03.2016 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie mit Schreiben vom 09.03.2016 ihre Kunden darüber informiert habe, dass er nicht mehr für sie tätig sei. Ferner forderte die Klägerin den Beklagten auf, die streitgegenständliche Klageforderung bis zum 18. April 2016 fruchtlos auszugleichen. Dem Schreiben war die Forderungsaufstellung entsprechend Anlage K 2 beigefügt, auf die Bezug genommen wird.

Der Beklagte nimmt die Klägerin derzeit im Wege der Stufenklage vor dem Landgericht Neubrandenburg (dortiges Az. 4 O 720/18) in Anspruch. Mit dem dortigen Klageantrag zu 1) macht er gegen die Klägerin die Erteilung eines Buchauszuges für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung über alle vom Kläger für die Beklagte vermittelten, betreuten und im Sinne des § 87 Abs. 3 Nr. 1 HGB angebahnten Geschäfte geltend. Mit dem dortigen Klageantrag zu 5) macht er weiter gegenüber der Klägerin geltend, die sich nach Erteilung der Auskunft / Informationen ergebenden Provisionen in Höhe von mindestens 25.000,00 Euro nebst Zinsen an ihn zu zahlen. Die Provisionen sind zwischen den Parteien dort streitig. Unter dem 26.02.2019 hat die Klägerin dem Beklagten in dem Verfahren vor dem Landgericht Neubrandenburg einen Buchauszug erteilt, der vom Beklagten nicht anerkannt bzw. als nicht vollständig angesehen wird.

Die Klägerin hat für den Zeitraum von Januar 2015 bis Dezember 2015 gegenüber dem Beklagten monatlich Provisions-Garantie-Abrechnungen erteilt (Anlagen K 19, K 33) und entsprechende Zahlungen geleistet. Auf den Inhalt der Abrechnungen wird Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Klage sei zulässig und begründet.

Hinsichtlich der Zuständigkeit verweist sie auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Vermittlervertrag (Anlage K 3), wonach sich aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung der Gerichtsstand nach der zuständigen Bezirksdirektion, hier Bielefeld (Anlage K 8) richte. Ferner sei die Klägerin als Kaufmann zu betrachten.

Der Anspruch auf Rückzahlung der von ihr geltend gemachten Aufbauhilfen ergebe sich aus Ziffer 5.2 Abs. 2 der Zusatzvereinbarung (Anlage K 3). Das Verhalten des Beklagten u.a. im Zusammenhang mit dem Fall L. stelle einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Vertrages dar mit der Folge, dass die Aufbauhilfe zurückzuzahlen sei. Einen wichtigen Grund sieht sie darin, dass der Beklagte sich eines strafbaren Verhaltens zu Lasten der Klägerin schuldig gemacht habe, insbesondere der Erpressung, der Untreue, sowie des Betruges, was zudem ein vertragswidriges Verhalten darstelle, was nicht zu billigen sei. Einer Abmahnung bedurfte es in diesem Fall nicht, auch sei nicht eine ordentliche Kündigung von Nöten gewesen.Die Klägerin behauptet, aufgrund des Verhaltens des Beklagten im Vorfeld der fristlosen Kündigung sei das Vertrauensverhältnis der Parteien endgültig und nicht wieder heilbar entfallen.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 28.718,04 Euro zuzüglich fünf Prozent Fälligkeitszinsen hierauf seit dem 30.12.2015 bis zum 22.03.2016 sowie Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2016 hierauf zu zahlen; hilfsweise festzustellen, dass sie berechtigt ist, von dem Beklagten aus der Zusatzvereinbarung Nr. 010 (Anlage K 4) gemäß deren Ziffer 5.2 Abs. 3 die Rückzahlung der erhaltenen Aufbauleistung für den Zeitraum der letzten zwölf Monate zu verlangen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt der Beklagte, die Klägerin zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 9.966,11 Euro nebst neun Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 27.01.2016 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld sowie die funktionale Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen. Er ist weiter der Ansicht, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zustünde. Bei dem an ihn ausgezahlten Betrag handele es sich ausschließlich und allein um verdiente Provisionen und nicht um Aufbauhilfen. Im Übrigen sei die fristlose Kündigung nicht berechtigt gewesen. Seine E-Mail vom 18.12.2015 sei lediglich Ausdruck seines Unverständnisses ob der ungewöhnlichen Nichtregulierung eines Kleinstschadens gewesen. Inhaltlich seien seine Ausführungen von der Meinungsfreiheit gedeckt, im Übrigen stelle sein Verhalten die Wahrnehmung berechtigter Interessen dar. Weiter wäre vor der Kündigung eine Abmahnung erforderlich gewesen. Pflichten gegenüber der Klägerin habe er nicht verletzt. Ihm stehe gegen den geltend gemachten Klageanspruch ein Zurückbehaltungsrecht mit Blick auf die Provisionsforderungen zu, die er noch vor dem Landgericht Neubrandenburg geltend mache. Der Beklagte ist der Ansicht, ihm stünden gegen die Klägerin noch Provisionsansprüche zu. Diese könne er allerdings erst dann beziffern und näher darlegen, wenn das Verfahren vor dem Landgericht Neubrandenburg so weit gediehen sei, dass er seine Ansprüche beziffern könne, was derzeit noch nicht der Fall sei. Der Klage stehe zudem ein Einwand aus § 242 BGB entgegen, da die Klägerin ihm nicht seine Rechte aus § 87c HGB gewähre.

Hilfsweise erklärt der Beklagte die Aufrechnung mit von ihm behaupteten Provisionsansprüchen des Beklagten zu Betreuungs- und KR-Provisionen gegenüber der geltend gemachten Klageforderung.

Hinsichtlich der erhobenen Widerklage ist der Beklagte der Ansicht, dass mit der Anlage WK1 die Klägerin den mit der Widerklage geltend gemachten Betrag anerkannt habe.

Die Klägerin hält die Hilfsaufrechnung für unzulässig, insbesondere da die damit geltend gemachten Ansprüche bereits vor dem Landgericht Neubrandenburg rechtshängig seien. Ferner ist sie der Ansicht, die Widerklage sei abzuweisen, da diese unsubstantiiert sei.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist bis auf die geltend gemachten Nebenforderungen zulässig und begründet; die Widerklage ist unzulässig und unbegründet.

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld ergibt sich aus den Allgemeinen Vertragsbedingungen zum Vermittlervertrag (Anlage B 2) und der dort enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung am Ende. Dort heißt es, dass die Gerichte zuständig sein sollen, an dem die zuständige Bezirksdirektion der Gesellschaft geführt wird. Bei beiden Parteien handelt es sich um Kaufleute i.S.d. § 38 ZPO, insbesondere bei der Klägerin (vgl. MüKoZPO/Patzina, 5. Aufl., § 38 Rn. 15). Die beklagtenseits zuständige Bezirksdirektion befindet sich in Bielefeld (Anlage K 8). Das scheint mittlerweile auch der Beklagte so zu sehen, da er mit Schriftsatz vom 10.06.2020 hat vortragen lassen, dass er beim anhängigen Verfahren beim Landgericht Neubrandenburg einen Verweisungsantrag an das Landgericht mit vorgenannten Begründung gestellt hat. Aus den vorgenannten Umständen ergibt sich auch die funktionale Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen, § 95 Abs. 1 Ziffer 1 GVG.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung der Aufbauhilfe aus dem Handelsvertretervertrag vom 03.05.2013 / 14.05.2013 in Verbindung mit Ziffer 5.2 Abs. 3 der Zusatzvereinbarung Nr. 010 vom 17.11.2014/18.12.2014 (Anlage K 3) zu. Die Klausel ist wirksam (vgl. OLG Jena, 2 U 437/18).

Die Parteien haben miteinander einen Handelsvertretervertrag mit Wirkung ab dem 01.07.2013 geschlossen. Die Klägerin hat diesen Vertrag mit Schreiben vom 30.12.2015 zu Recht aus wichtigem Grund nach § 89 Abs. 2 HGB fristlos gekündigt. Voraussetzung für eine fristlose Kündigung ist, dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung bis zur vereinbarten Vertragsbeendigung oder bis zum Ablauf der Frist zur ordentlichen Kündigung nicht zugemutet werden können (vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 39. Aufl., § 89a RN 6). Solche Umstände beim Handelsvertreter sind insbesondere die vorsätzliche oder grob fahrlässige Missachtung der Interessen des Unternehmers, insbesondere widerrechtliche Drohungen (Hopt aaO, § 89a RN 17). Entsprechende Umstände sind hier in der E-Mail vom 18.12.2015 (Anlage K 5) des Beklagten gegeben. In dieser kündigt er der Klägerin an, dem Kunden, seiner Lebensgefährtin und seinen Eltern bei Ablehnung der Leistung erläutern zu müssen, beim falschen Versicherer gelandet zu sein und Empfehlung zu geben, sich eine ordentliche Versicherungsgesellschaft zu suchen, bei der solch ein Schaden reguliert wird. Die Erklärung in der E-Mail kann – entgegen der Auslegung des Beklagten – nach §§ 133, 157 BGB nur allein vom Wortlaut dahin ausgelegt werden, dass er im Falle einer Ablehnung der Regulierung durch die Klägerin den dort Genannten empfehlen werde, Versicherungsverträge bei der Klägerin zu kündigen und zur anderen Versicherungsgesellschaften zu wechseln. Es handelte sich mithin um eine Drohung des Beklagten, bei Kunden der Klägerin auf die Beendigung von Verträgen hinzuwirken, wenn die Klägerin in einer Auseinandersetzung nicht seinem Begehren, was aus Rechtsgründen aus Sicht der Klägerin aufgrund der damaligen Lage abgelehnt worden war, nachkomme und eine Deckungszusage erteile. Dies alleine – unabhängig von der unsachgerechten, nicht zu billigendem Ansprache an die Klägerin – stellt zunächst einmal einen Ansatzpunkt für einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung dar. Mithin ist dabei zu berücksichtigen, dass nach § 86 HGB der Handelsvertreter insbesondere die Interessen des Unternehmers, sprich der Klägerin, wahrzunehmen hat. Im Rahmen einer Gesamtabwägung stehen einer fristlosen Kündigung aufgrund vorgenannter Umstände auch keine Umstände entgegen. Es handelt sich bei den Äußerungen, die Gegenstand der E-Mail vom 18.12.2015 sind, weder um schlichte Meinungsäußerungen noch die Wahrnehmung berechtigter Interessen. Der Beklagte äußert in dieser klar die an der Klägerin als Drohung aufzufassende Ankündigung, dass, wenn sie nicht den Versicherungsfall reguliere, er die Kunden zur Kündigung und Abwanderung zu einer anderen Versicherungsgesellschaft bewegen werde. Dies stellt weder die Wahrnehmung berechtigter Interessen von sich selbst noch derjenigen der Kunden dar. Ein Handelsvertreter darf sich auch nicht in einer solchen Art und Weise in der Regulierungsverhalten des Unternehmers einmischen. Im Rahmen einer Gesamtabwägung steht auch nicht die Laufzeit des Vertrages zwischen den Parteien einer außerordentlichen Kündigung entgegen, da es sich hier noch nicht um eine lange Laufzeit handelte; die Parteien waren zweieinhalb Jahre, mithin von Juli 2013 bis Dezember 2015, verbunden. Selbst wenn die Klägerin zu der Zeit unberechtigterweise eine Regulierung des Streitfalls L. abgelehnt hätte, stellt die E-Mail vom 18.12.2015 des Beklagten kein adäquates Verhalten eines Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmer dar. Selbst unterstellt, es handelt sich hier um den einzigen Fall, in dem sich der Handelsvertreter – der Beklagte – so verhält, ist ein solches Verhalten durch nichts gerechtfertigt, es handelt sich mithin auch nicht um ein entschuldbares Einmalversagen mit Blick auf die angekündigte Drohung. Daran ändert sich auch nichts, falls es zutreffend sein sollte, dass der Beklagte ansonsten keinen schadensanfälligen Bestand gehabt haben sollte.Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es hier nicht. Zwar ist grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich, auch wenn die Vertrauensseite – wie hier – betroffen ist (Baumbach/Hopt, aaO., RN 10). Eine Abmahnung ist aber bei so schwerwiegenden Vertragsverletzungen entbehrlich, wenn die Abmahnung die Vertrauensbasis nicht wieder herstellen kann. So liegt der Fall hier, bei einem derart grob widerrechtlichen Verhalten mit einer Drohung des Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmer, Kunden zur Kündigung der Verträge zu bewegen und zu anderen Gesellschaften zu wechseln. Dies beschädigt das Vertrauen zwischen den Parteien derart stark, dass ein Vertrauen nicht wieder herzustellen ist. Sofern der Beklagte bestreitet, dass die Vertrauensbasis zwischen den Parteien entfallen ist, so kann er damit nicht gehört werden. Dass die Vertrauensbasis entfallen ist, ergibt sich schon allein daraus, dass die Klägerin tatsächlich die Kündigung auch gegenüber den Kunden umgesetzt hat. Sie hat unstreitig unter dem 09.03.2016 die vom Beklagten betreuten Kunden angeschrieben mit dem Inhalt, dass dieser nicht mehr für die Klägerin tätig sei. Dies dokumentiert zusammen mit den langen streitgegenständlichen Verfahrenslauf, insbesondere dem anderen Rechtsstreit vor dem Landgericht Neubrandenburg, dass zwischen den Parteien keine Vertrauensbasis und auch keine sonstige Grundlage mehr zur Fortsetzung der Vertragsbeziehung bestand und besteht. Aus vorgenannten Gründen reichte in diesem Fall auch nicht aus, die Klägerin aufgrund des Verhaltens des Beklagten auf eine ordentliche Kündigung zu verweisen.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten danach einen Anspruch auf Zahlung der begehrten 28.718,04 Euro. Dieser Betrag setzt sich aus der gezahlten Aufbauhilfe in Höhe von insgesamt 22.238,04 Euro, den Mitarbeiterzuschuss für die Mitarbeiterin Frau U. in Höhe von 4.200,00 Euro sowie den Bürokostenzuschuss in Höhe von 2.280,00 Euro zusammen, mithin 28.718,04 Euro. Soweit der Beklagte bestreitet, dass es sich insoweit um Zahlungen entsprechend dem Vortrag der Klägerin handelt, sondern um verdiente Provisionen des Beklagten, kann er damit nicht gehört werden. Die Klägerin hat unter Vorlage der Berechnungen, insbesondere der dem Beklagten unstreitig übersandten Abrechnungen (Anlagen K 19, K 33) ausreichend dargelegt und mithin im Einzelnen aufgeführt, wie sich die Zahlungen unter Abzug der einzelnen verdienten Provisionen des Beklagten berechnet. Der Beklagte kann mit Blick auf den Vortrag nicht damit gehört werden, dass er schlicht und einfach diese Positionen bestreitet. Vielmehr hätte er, da er insoweit Gegenrechte geltend macht, weitere berechtigte, ihm zustehende Provisionsansprüche darlegen und begründen müssen, die über die von der Klägerin berücksichtigten, hinausgehen. Der Beklagte hat jedoch nicht in einem Fall einzelne Provisionsansprüche dargelegt und unter Beweis gestellt, die sein Begehren rechtfertigen könnten oder gar über die von der Klägerin eingeräumten Provisionen hinausgingen, was ihm allerdings oblegen hätte, da diese die bezahlten Beträge reduziert hätten. Die Klägerin hat den Beklagten mehrfach auf seine Darlegungslast hingewiesen. Der Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, dass ihm insoweit Zurückbehaltungsrechte bzw. Einwendungen aus Treu und Glauben nach § 242 BGB i.V.m. § 87c HGB zustünden, da er nicht in der Lage sei, solange die Klägerin ihm nicht einen Buchauszug erteile, entsprechend vorzutragen. Denn es ist schon nicht nachvollziehbar, weshalb er nicht einen einzigen Provisionsfall aus der Zeit 2015 vortragen kann. Schließlich hat er selber das Büro geführt und die Geschäfte dort abgewickelt und hat auch eigenen Schriftverkehr in der Sache. So ergibt sich nicht ein einziger Ansatz für weitere Provisionsabzüge. Soweit der Beklagte nunmehr erstmals mit Schriftsatz vom 10.06.2020 – größtenteils unleserliche – Auszüge aus dem ihm überlassenen Buchauszug vorlegt und Provisionszahlungen in Höhe von 116.900,00 Euro und anderes geltend macht, sind diese Zahlen auch nicht ansatzweise aus dem Tabellenwerk zu entnehmen bzw. nachzuvollziehen. Vor dem Hintergrund sind entsprechende Gegenansprüche, die hier berücksichtigt werden könnten, nicht nachvollziehbar und unsubstantiiert.

Zwar ist die vom Beklagten hier erklärte Hilfsaufrechnung zwar zulässig, da die anderweitige Rechtshängigkeit vor dem Landgericht Neubrandenburg dem nicht entgegensteht. Die Aufrechnung ist aber insoweit unbegründet, als nicht ein ansatzweiser Vortrag des Beklagten vorhanden ist, der einen Anspruch erkennen lässt, womit Gegenansprüche unsubstantiiert sind; auf die vorherigen Ausführungen wird Bezug genommen.

Zinsen kann die Klägerin allerdings erst ab dem 19.04.2016 gemäß §§ 286, 288Abs. 1 geltend machen. Die Klägerin hatte den Beklagten mit Schreiben vom 21.03.2016 (Anlage K 6) fruchtlos zur Rückzahlung der Aufbauhilfen bis zum 18.04.2016 aufgefordert. Da es sich bei der Rückzahlung der Aufbauhilfen aber nicht um eine Entgeltforderung handelt, steht der Klägerin nur ein Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.04.2016 zu. Weitergehende Zinsansprüche stehen der Klägerin nicht zu.

Die Widerklage ist unzulässig und unbegründet.

Die Beklagte macht im Rahmen der Widerklage Provisionsansprüche gegen die Klägerin geltend, die ausweislich seines Vortrages bereits im Rahmen der Stufenklage vor dem Landgericht Neubrandenburg geltend gemacht werden, mithin steht der Widerklage die anderweitige Rechtshängigkeit nach § 261 Abs. 1 entgegen. Die Stufenklage ist ein Sonderfall der objektiven Klagenhäufung. Der Vorteil besteht darin, dass der Hauptanspruch bereits mit Erhebung der Stufenklage in der sich später ergebenden Höhe rechtshängig wird (Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 254 RN 1).

Im Übrigen ist der im Wege der Widerklage geltend gemachte Zahlungsanspruch auch unbegründet. Soweit der Beklagte zur Begründung sich auf die lediglich von der Klägerin unterzeichnete Aufhebungsvereinbarung (Anlage WK 1) vom 26.01.2016 bezieht, kann er darauf sein Begehren nicht stützen. Denn das dort Niederlegte hinsichtlich der Provisionsabrechnung unter Ziffer 3 stellt kein Anerkenntnis der Klägerin dar. Es handelt sich hier um ein Angebot der Klägerin zur Regelung der Trennung zwischen den Parteien. Dass sie die vom Beklagten so gesehenen Beträge anerkennen wolle, ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Gesamtzusammenhang des Angebots. Mithin wehrt sich die Klägerin vor dem Landgericht Neubrandenburg gegen die Provisionsansprüche des Beklagten. Vor dem Hintergrund kann es sich hierbei nur um eine vorläufige Berechnung handeln. Der Beklagte hat diese Zahlen auch nicht weiter begründet bzw. hinterlegt. Somit ist der geltend gemachte Anspruch – wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hat vortragen lassen – unsubstantiiert.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Ziffer 1,709 S. 1, S 2 ZPO.


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