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Fristlose Mietvertragskündigung bei Bedrohung des Vermieters mit einer Straftat

AG Frankfurt, Az.: 33 C 3506/14 (30), Urteil vom 26.03.2015

Der Beklagte wird verurteilt, die Wohnung … bestehend aus einem Zimmer, Kochküche, Loggia, Flur, Bad mit WC und Badewanne, Keller zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung bezüglich des Hauptausspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Vollstreckung wegen der Kosten kann der Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Beklagte hält die im Klageantrag näher bezeichnete Wohnung aufgrund des mit der Klägerin abgeschlossenen Mietvertrages vom 1.01.2013 inne.

Am 10.07.14 gegen 18:05 Uhr kam es zu einem Vorfall im gemeinsamen Hausflur der Liegenschaft, bei dem sich der Zeuge …, ein 9-jähriger Nachbarsjunge, im Flur, welcher durch eine Glastür von den Aufzügen getrennt ist, befand und der Beklagte vor den Aufzügen auf der anderen Seite der Tür stand. Die genauen Details des Vorfalls sind zwischen den Parteien streitig.

Die Mutter des Zeugen … hatte die Polizei gerufen und Anzeige wegen Bedrohung und Nötigung gegen den Beklagten erstattet.

Fristlose Mietvertragskündigung bei Bedrohung des Vermieters mit einer Straftat
Symbolfoto: Von Ivan Chudakov /Shutterstock.com

Die Klägerin hatte von dem Vorfall im Juli 2014 erfahren und ihren Prozessvertreter mit der Einsicht in die Ermittlungsakte beauftragt. Dieser erhielt mit Schreiben des Amtsgerichts Frankfurt vom 19.09.2014 Kenntnis von der gegen den Beklagten erhobenen Anklage und der Anklageschrift vom 11.08.2014 (Kopie Bl. 20-22 d. A.).

Die Klägerin erklärte daraufhin auf der Grundlage des Vorfalls mit Schreiben vom 17.10.2014 das Mietverhältnis außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich zum 31.01.2015 (Kopie Bl.23,24 d. A sowie erneut außerordentlich fristlose und hilfsweise ordentliche mit Klageschrift.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte hätte dem Zeugen … auf dessen Zuwinken hin sein Taschenmesser gezeigt, dessen Klinge abgeleckt und dann seine Hose am Reisverschluss nach vorne gezogen und mit säbelnden Bewegungen dem Zeugen angedeutet, dessen Penis abzuschneiden. Dabei hätte er ihn angesehen und auf ihn gezeigt.

Der Beklagte habe wenige Tage nach dem Vorfall der Zeugin … gedroht, dem Jungen würde etwas passieren, wenn sie nicht die Anzeige zurückziehe.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Wohnung …, bestehend aus einem Zimmer, Kochküche, Loggia, Flur, Bad mit WC und Badewanne, Keller zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet er wäre auf dem Nachhauseweg auf den Boden gestürzt, wobei eine Glasscherbe in den Zeigefinger der rechten Hand eingedrungen sei. Die Wunde habe stark geblutet. Er habe sich zu seinen Bekannten, dem Zeugen … und dem benannten Zeugen … begeben, die die Wunde mittels eines Verbandes notversorgt hätten. Es sei etwa eine Stunde später gegen 18:00 Uhr gewesen, als er dann den Hausflur der Liegenschaft betrat. Er habe vor dem Aufzug im Erdgeschoss stehend starke Schmerzen in der Wunde, in der ein langer Glassplitter gesteckt habe, verspürt. Er habe deshalb sein Taschenmesser aus der Hosentasche herausgezogen, um damit den Splitter aus der Wunde zu lösen. Hierfür habe er seine Hand nach unten, in Höhe seines Beckens, gehalten und mit der linken Hand schneidende Bewegungen ausgeführt, ohne dass es ihm gelungen sei, den Splitter zu entfernen. Dann sei er zunächst zu dem Mitbewohner und zwischenzeitlich verstorbenen … gefahren, der ihm ein Spray auf die Wunde gesprüht habe. Kurz nach Ankunft in seiner Wohnung habe dann die Polizei geklingelt. Erst durch die Polizei habe er von den Anschuldigungen erfahren. Er selbst habe den Zeugen … weder gesehen noch sehen können, da an der Glastür, welche die Aufzüge und den Hausflur trennt, eine schwarze Folie angebracht gewesen sei. Diese sei dann am Folgetag entfernt gewesen. Es müsse sich bei dem Vorfall um ein Missverständnis handeln.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 02.01.2015 (Bl. 47 d. A.) durch Vernehmung der Zeugen … und der Zeugin … sowie den Beklagten informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie der Anhörung des Beklagten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 04.03.2015 (Bl. 114 ff d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin kann vom Beklagten die Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung nach § 546 Abs. 1 BGB verlangen, da das Mietverhältnis durch die außerordentlich fristlose Kündigung vom 17.10.2014 wirksam beendet wurde.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nach Überzeugung des Gerichts im Rahmen der ihm nach § 286 ZPO zukommenden freien Beweiswürdigung fest, dass der Beklagte dem Zeugen … ein Taschenmesser gezeigt, dessen Klinge abgeleckt und dann in Penishöhe mit säbelnden Bewegungen dem Zeugen angedeutet hat, dessen Penis abzuschneiden.

Dies hat der Zeuge … mit seiner Aussage bestätigt. Er schilderte ausführlich die Geschehnisse am 10.07.2014 in dem Hausflur. Es handelt sich bei dem Vorfall um eine Begegnung, die auch ein 9-jähriger Junge gut wahrnehmen und wiedergeben kann. Der Zeuge erinnerte sich gut, nannte viele Details der Begegnung mit dem Beklagten und hatte bei seiner Vernehmung die Säbelbewegungen des Beklagten mit dem Messer anschaulich nachgemacht. Er war bei seiner Aussage in ruhiger Verfassung, tätigte diese überlegt, widerspruchsfrei und schilderte den Vorfall dem Gericht detailliert. Auch auf weiteres Nachfragen konnte er glaubhafte und plausible Angaben machen. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen keine Zweifel. Er räumte von sich aus ein, wenn er sich nicht mehr an Details erinnern konnte, zum Beispiel, ob der Beklagte von Anfang an das Messer in der Hand gehabt hatte oder dies erst später aus der Tasche zog. Seine Aussage, dass vor dem Glas der Tür keine Folie vorhanden war und man entsprechend gut durchsehen konnte, wird zudem gestützt durch den Bericht des den Vorfall aufgenommenen Polizeikommissars … vom 10.07.2014, der unter „Tatort“ angegeben hat, dass es sich bei der besagten Zwischentür um eine solche mit durchsichtigem Glaselement handelt.

Die Zeugin … hat die Angaben des Zeugen … bestätigt. Für das Gericht bestehen keinerlei Anhaltspunkte an der Glaubhaftigkeit sowohl ihrer als auch an der Aussage des Zeugen … zu zweifeln. Indirekt bestätigt der Beklagte sogar die Aussagen der Zeugen, denn er selbst gibt an, vor dem Aufzug stehend mit dem Messer, wobei er – entgegen den Angaben in der Klageerwiderung- nunmehr die Hand auf seinen Oberschenkel gelegt habe, schneidende Bewegungen ausgeführt zu haben. Wenn er weiter angibt, dies sei aber nur erfolgt, um einen Splitter aus dem linken Zeigefinger zu entfernen und es sich daher bei dem Vorfall lediglich um ein Missverständnis gehandelt habe, kann dem das Gericht jedoch nicht folgen. Seine Angaben, er sei auf den Boden gestürzt und dabei sei ein Glassplitter in den linken Zeigefinger eingedrungen, wird durch die Bekundung des Zeugen … nicht bestätigt. Der Beklagte hatte sich nach eigenen Angaben mit der Verletzung zu dem Zeugen begeben. Dieser bekundete jedoch spontan unter Angabe von Details, dass der Beklagte ihm gesagt habe, dass er bei einer Auseinandersetzung mit einem Zuhälter sich mit seinem Messer die Verletzung, die der Zeuge auf der rechten Handfläche zeigte, zugezogen habe. Wenn der Zeuge zwar dann, nachdem der Beklagte während der Vernehmung beeinflussend geäußert hatte, es sei doch der Zeigefinger gewesen, äußerte, dass die Verletzung am Zeigefinder gewesen sei, bestätigte er jedoch auf Nachfrage des Gerichts die Verletzung auf der Handfläche mit den Worten, dass er der Meinung ist, dass es die Handfläche gewesen sei und er nur deshalb jetzt den Zeigefinger angibt, weil es der Beklagte so sagt. Ganz offensichtlich wollte der Zeuge dem Beklagten zum Gefallen seine Aussage „revidieren“, was jedoch nicht gelang. Denn zum einen hatte er die Verletzung auf der Handfläche eingangs seiner Bekundungen sofort spontan mit Unterstreichung von Gestik gemacht, zum anderen hatte er dann weiter angegeben, dass der benannte Zeuge … um die Hand einen Verband gewickelt und mit einer Klammer festgemacht habe, wobei der Zeuge wiederum mit Gestik das Umwickeln der Hand unterstrich und nicht etwa das Umwickeln eines Zeigefingers. Den Verband hatte der Beklagte bei seiner vor der Aussage des Zeugen erfolgten informatorischen Anhörung benannt und angegeben, diesen vor Betreten des Hauses entsorgt zu haben. Der Vortrag des Beklagten, sich einen Glassplitter in den linken Zeigefinger zugezogen zu haben, ist mithin nicht bestätigt, sondern sogar widerlegt worden. Hinzukommt, dass der Beklagte unter Berücksichtigung des von ihm erfolgten Geschehensablaufs keine Veranlassung gehabt hätte, das besagte Messer wegzuwerfen. Dies tat er jedoch, wie dem Bericht des Polizeikommissars … entnehmbar, nachdem ihm der Vorwurf bekannt gegeben und mitgeteilt worden war, dass er durchsucht werde.

Das Verhalten des Beklagten stellt den für eine außerordentliche fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB notwendigen wichtige Grund dar. Sie muss es als Vermieterin nicht hinnehmen, dass ein Mieter einen Mitmieter mit einem Verbrechen (§ 241 StGB) bedroht, sich damit eklatant gegen die Rechtsordnung verhält und somit nachhaltig den Hausfrieden stört. Die nachhaltige Störung des Hausfriedens führt unter Berücksichtigung aller Umstände zu einer Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Klägerin als Vermieterin, da die vorzunehmende Interessenabwägung zwischen den Interessen des Beklagten als Mieter am Erhalt der Wohnung und den Interessen der Klägerin als Vermieterin an der Wirksamkeit der Kündigung und sofortigen Beendigung des Mietvertrages zugunsten der Klägerin ausfällt. Ihr ist aus Gründen der Schutzpflicht ihren übrigen Mietern gegenüber nicht zuzumuten, das Mietverhältnis mit dem Beklagten fortzuführen. Das Zusammenleben unter einem Dach steht unter dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Der Vermieter ist jedem Mieter gegenüber verpflichtet, auf ein friedliches Miteinander hinzuwirken und auf Mitmieter seiner Mieter im Rahmen seiner Möglichkeiten einzuwirken. Der Vermieter hat somit ein Interesse daran, bei nachhaltigen Störungen des Hausfriedens durch einen Mieter das Mietverhältnis schnell zu beenden. Dem Interesse des Klägers am Erhalt der Wohnung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist steht das vorrangige Interesse der Klägerin an einer sofortigen Beendigung des Mietvertrages unter Berücksichtigung des Charakters der Verfehlung als Straftat vorrangig entgegen. Der Klägerin ist es daher nicht zumutbar, an dem Mietverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist festzuhalten. Entsprechend war gemäß § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB die sofortige Kündigung ohne vorherige Abmahnung des Beklagten wirksam erfolgt. Eine Abmahnung dient dazu, die betroffene Partei zur Umkehr zu bewegen und ihr Verhalten in der Zukunft anzupassen. Vorliegend kann jedoch selbst durch ein geändertes Verhalten die Störung des Hausfriedens nicht beseitigt werden und der Grund für die Kündigung, die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung, würde nicht entfallen.

Der Wirksamkeit der Kündigung steht auch nicht entgegen, dass diese nicht unmittelbar in zeitlichem Zusammenhang von der Kenntnis des Vorfalls ausgesprochen wurde. Die Obliegenheitspflicht gegenüber dem Beklagten gebot es, dass die Klägerin sich nicht alleine auf die Aussagen einer Seite zu stützte, sondern zunächst einen Rechtsanwalt mit der Akteneinsicht in das Ermittlungsverfahren beauftragte. Als die entsprechende Information vorlag, ist seitens der Klägerin dann auch nach einer zuzugestehenden Überprüfungs- und Überlegungsfrist die Kündigung ausgesprochen worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage bezüglich des Hauptausspruchs in §§ 708 Nr. 7, die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708Nr. 7, 711 Satz 1 ZPO und hinsichtlich der Kostenausspruchs nach §§ 708Nr. 11, 711 Satz 1 und 2,709 Satz 2 ZPO.

Angesichts der Schwere der Verfehlung war dem Beklagten keine Räumungsfrist nach § 721 ZPO einzuräumen.

 

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