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Fristlose Soldatenentlassung wegen außerdienstlicher Straftaten

VG München – Az.: M 21 S 17.5826 – Beschluss vom 06.08.2018

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 7.421,43 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 6. Mai 1997 geborene Antragsteller, der die Realschule erfolgreich abgeschlossen hat, stand zuletzt im Rang eines Hauptgefreiten als Soldat auf Zeit im Dienst der Antragsgegnerin. Mit seinem Eilantrag wendet er sich gegen seine fristlose Entlassung aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit.

Zuletzt wurde die Dienstzeit des Antragstellers aufgrund seiner Verpflichtungserklärung vom 4. März 2015 gerechnet ab dem 1. August 2015 auf vier Jahre, endend mit Ablauf des 30. September 2018, festgesetzt (Teil A II der Stammakte).

Am 17. Dezember 2014 wurde gegen ihn eine Disziplinarbuße von 200 € verhängt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe am Abend des 11. Dezember 2014 gegen 19:00 Uhr in der Uckermarck-Kaserne auf einer Stube drei Flaschen á 0,33 l Bier und zwei Faltbecher Vodka-Energy zu sich genommen, obwohl bei einem Zug-Antreten am 23. Oktober 2014 durch den Kompaniechef Alkohol im Unterkunftsblock verboten worden sei. Am 12. Dezember 2014 gegen 0:30 Uhr habe der Antragsteller einen mit zwei bis drei Liter Wasser gefüllten Eimer auf das Bett eines Kameraden, in dem dieser sich auch befunden habe, geworfen. Dabei sei das Headset dieses Kameraden zerstört worden.

Fristlose Soldatenentlassung wegen außerdienstlicher Straftaten
(Symbolfoto: Michele Ursi/Shutterstock.com)

Im Aktenvermerk des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd vom 3. September 2017 wurde im Wesentlichen festgehalten, am 3. September 2017 um 0:49 Uhr habe eine Streife einen Streit vor der One Bar in Rosenheim mitgeteilt. Ein Beamter und die Unterzeichnerin seien für den Transport des am Streit beteiligten Antragstellers angefordert worden. Dieser habe in Sicherheitsgewahrsam genommen werden sollen, nachdem ihm von einem Mitarbeiter des Sicherheitsdiensts der One Bar ein Hausverbot erteilt worden sei, welches der Antragsteller nicht habe akzeptieren wollen. Dem Antragsteller sei auch durch anwesende Polizeibeamte mehrmals ein Platzverweis erteilt worden, dem er nicht gefolgt sei. Der Antragsteller habe sich aggressiv gezeigt und sei zur Eigensicherung durch die Beamten gefesselt worden. Im Dienstfahrzeug habe er sich auf dem Weg in den Sicherheitsgewahrsam zunehmend aggressiv gezeigt. Mehrmals habe der Antragsteller betont, sich als Soldat für das Land geopfert zu haben. Deswegen sei es nicht rechtens, dass er von der Polizei in Gewahrsam genommen werde. Seine Durchsuchung in der Haftzelle habe der Antragsteller abgelehnt. Zur Durchführung der Durchsuchung habe er auf dem Bett in der Haftzelle auf dem Bauch liegend durch drei Polizeibeamte festgehalten werden müssen. Dabei habe der Antragsteller die Unterzeichnerin als „Du Fotze“ bezeichnet. Ein um 1:33 Uhr beim Antragsteller durchgeführter Atemalkoholtest habe einen Wert von 1,10 mg/l (entspricht mehr als zwei Promille) ergeben. Die Unterzeichnerin habe Strafantrag gestellt.

Anlässlich ihrer Anhörung zur beabsichtigten Entlassung des Antragstellers nach § 55 Abs. 5 des Soldatengesetzes (SG) führte die Vertrauensperson am 26. September 2017 insbesondere aus, leider habe sich der Antragsteller in seiner Freizeit in alkoholisiertem Zustand nicht so im Griff, wie es sich für einen erwachsenen Menschen seines Alters gehöre. Die von ihm begangenen Taten seien durch nichts zu entschuldigen. Er habe dafür die vollen Konsequenzen zu tragen. Auch wenn es das erste Vergehen in dieser Richtung sei, habe der Antragsteller durch sein Verhalten gezeigt, dass es ihm eklatant an soldatischer Disziplin mangle.

Laut Eröffnungs- und Anhörungsniederschrift vom 28. September 2017 wurde dem Antragsteller an diesem Tag mitgeteilt, auf Antrag des nächsten Disziplinarvorgesetzten werde der personalbearbeitenden Stelle aufgrund der Dienstpflichtverletzungen vorgeschlagen, ihn fristlos nach § 55 Abs. 5 SG zu entlassen. In dem Anhörungs- und Eröffnungsvermerk wurde festgehalten, der Antragsteller sei mit der Personalmaßnahme nicht einverstanden. Seine schriftliche Äußerung vom 20. September 2017 sei beigefügt. Darin führte er im Wesentlichen aus, es sei ihm bewusst, durch die Beleidigung der Polizeibeamtin einen nicht tolerierbaren Fehler gemacht zu haben. Seine Entlassung finde er jedoch unverhältnismäßig. Da er stets gute Dienste geleistet habe, habe er seine Dienstpflichten nicht verletzt. Bis auf die Anzeige erstattende Polizeibeamtin habe niemand gewusst, dass der Antragsteller Soldat sei.

Durch Bescheid des BAPersBw vom 9. November 2017 wurde der Antragsteller nach § 55 Abs. 5 SG mit sofortiger Wirkung aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit entlassen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, indem er einem polizeilichen Platzverweis nicht nachgekommen sei, Polizeibeamten bei der Ausübung ihres Dienstes Widerstand entgegengesetzt habe und eine Polizeibeamtin als „Du Fotze“ beschimpft habe, habe der Antragsteller insbesondere gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), seine Pflicht zum Gehorsam (§ 11 SG), sowie seine allgemeine und außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 SG) schuldhaft in Kern- wie Randbereichen soldatischer Pflichten verstoßen und damit das in ihn gesetzte Vertrauen grob missbraucht. Von jedem freiwillig dienenden Soldaten werde erwartet, dass er die allgemeinen Gesetze achte, die Organe des Staates respektiere und seinen Dienst zuverlässig verrichte. Ein Soldat, der in diesen Bereichen versage, indem er außerdienstliche Straftaten, insbesondere in Form von Widerstandshandlungen und Beleidigungen gegen Polizeibeamte begehe, gefährde seine dienstliche Stellung ernstlich. Die Feststellung einer ernstlichen Gefährdung der militärischen Ordnung ergebe sich aus den begangenen Dienstpflichtverletzungen sowie hieraus resultierend aus dem zerstörten Vertrauen in Rechtstreue und Zuverlässigkeit des Antragstellers. Die dienstliche Einsetzbarkeit nehme analog zum Vertrauensverlust ab, womit eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung einhergehe. Eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung ergebe sich überdies aus der dem Verhalten des Antragstellers innewohnenden Nachahmungsgefahr. Bei seinem Verbleiben im Dienst könne in der Truppe der Eindruck entstehen, dass die Begehung außerdienstlicher Straftaten geduldet werde. Die Stellungnahme des Antragstellers vom 20. September 2017 lasse erkennen, dass er die Tragweite seines Handelns nicht überblicke. Zudem sei auch das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet. Spätestens auf der Polizeistation sei den Polizeibeamten der Soldatenstatus des Antragstellers bekannt gewesen. Daher werde er ermessensgerecht aus der Bundeswehr entlassen.

Am 29. November 2017 ließ der Antragsteller Beschwerde gegen den Bescheid vom 9. November 2017 erheben, über die – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden ist.

Am 14. Dezember 2017 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragen, die aufschiebende Wirkung seiner Beschwerde vom 27. November 2017 und einer nachfolgenden Klage gegen den Entlassungsbescheid vom 9. November 2017 anzuordnen.

Zur Begründung wurde durch Schriftsatz vom 14. Dezember 2017 im Wesentlichen ausgeführt, vorliegend komme nur eine ernstliche Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr in Betracht, da die militärische Ordnung offensichtlich zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen sei. Vom Bundesverwaltungsgericht abgelehnt worden seien fristlose Entlassungen unter anderem bei außerdienstlichen Straftaten ohne dienstlichen Bezug. Allgemein werde bei außerdienstlichen Straftaten von geringem Gewicht eine Entlassung erst bei einer Wiederholung in Betracht kommen. Eine abgeurteilte Straftat sei den Akten der Antragsgegnerin nicht zu entnehmen.

Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde durch Schreiben vom 18. Januar 2018 im Wesentlichen ausgeführt, die Entlassungsverfügung sei rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zum Eilverfahren und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige, insbesondere statthafte (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 VwGO, § 23 Abs. 6 Satz 2 der Wehrbeschwerdeordnung, WBO) Eilantrag ist unbegründet.

Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung insbesondere in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Die damit gebotene Interessenabwägung zwischen dem Suspensivinteresse des Antragstellers und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angegriffenen Entlassungsbescheids fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil eine etwaige nachfolgende Anfechtungsklage nach summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit mangels Begründetheit erfolglos wäre (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 55 Abs. 5 SG kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde.

Daran gemessen ist die angegriffene Entlassung in tatbestandlicher Hinsicht mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig.

Der Antragsteller ist als Soldat auf Zeit unstreitig während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen worden.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt.

Die ausgesprochene Entlassungsverfügung wird tatbestandlich durch die außerdienstlichen Straftaten, auf welche sie gestützt ist, getragen. Insoweit hat sich der Antragsteller des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs [StGB]) und der Beleidigung (§ 186 StGB) strafbar gemacht. Darauf, dass diese Taten offenbar nicht strafrechtlich abgeurteilt worden sind, kommt es nicht an (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.1980 – 2 C 16/78 – juris Rn. 16 m.w.N.).

Somit hat der Antragsteller mit hoher Wahrscheinlichkeit jedenfalls seine sich aus § 17 Abs. 2 Satz 2 SG ergebende Pflicht verletzt. Außer Dienst hat sich der Soldat nach dieser Vorschrift außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt.

Für die Feststellung eines Verstoßes gegen § 17 Abs. 2 Satz 2 SG kommt es nicht darauf an, ob eine ernsthafte Beeinträchtigung auch tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das Verhalten des Soldaten dazu geeignet war (vgl. BVerwG, U.v. 20.6.1983 – 6 C 2/81 – juris Rn. 17 m.w.N.). Das ist hier der Fall.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat der Antragsteller auch schuldhaft gehandelt und damit ein Dienstvergehen (§ 23 Abs. 1 SG) begangen. Nach einem – wegen der unterschiedlichen Wirkung des Alkohols nicht schematisch anwendbaren – statistischen Erfahrungssatz liegt erst bei einer Blutalkoholkonzentration von drei Promille aufwärts (strafrechtliche) Schuldunfähigkeit nahe, ist aber selbst dann nicht notwendig gegeben (vgl. nur Kühl in Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 20 Rn. 18 m.w.N.).

Das Verbleiben des Antragstellers in seinem Dienstverhältnis würde die militärische Ordnung der Bundeswehr und das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden.

Unter militärischer Ordnung ist der Inbegriff der Elemente zu verstehen, die die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr nach den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen erhalten. Dabei kann es nicht genügen, wenn Randbereiche des Militärischen berührt werden. Im Gegensatz zu der zweiten Alternative, die das Ansehen der Bundeswehr schützen soll, handelt es sich hier um den betriebsbezogenen Schutz, der erforderlich ist, um dem Zweck der Bundeswehr geordnet gerecht werden zu können (vgl. BVerwG, U.v. 20.6.1983 – 6 C 2/81 – juris Rn. 20 m.w.N.).

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§ 55 Abs. 5 SG soll die personelle und materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gewährleisten. Die fristlose Entlassung stellt ein Mittel dar, um eine Beeinträchtigung der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft zu vermeiden. Bereits aus dem Wortlaut des § 55 Abs. 5 SG ergibt sich, dass diese Gefahr gerade als Auswirkung einer Dienstpflichtverletzung des Soldaten drohen muss. Dies ist von den Verwaltungsgerichten aufgrund einer nachträglichen Prognose zu beurteilen (vgl. nur BVerwG, B.v. 28.1.2013 – 2 B 114/11 – juris Rn. 8 m.w.N.).

Mit dem Erfordernis, dass die Gefährdung der militärischen Ordnung ernstlich sein muss, entscheidet das Gesetz selbst die Frage der Angemessenheit der fristlosen Entlassung im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck und konkretisiert so den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zwar können Dienstpflichtverletzungen auch dann eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung herbeiführen, wenn es sich um ein leichteres Fehlverhalten handelt oder mildernde Umstände hinzutreten. Jedoch ist im Rahmen der Gefährdungsprüfung zu berücksichtigen, ob die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr durch eine Disziplinarmaßnahme abgewendet werden kann (vgl. nur BVerwG, B.v. 28.1.2013 – 2 B 114/11 – juris Rn. 9 m.w.N.).

Auf dieser Grundlage haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, bei denen eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung im Sinne des § 55 Abs. 5 SG regelmäßig anzunehmen ist. Dies gilt vor allem für Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigen. Bei Dienstpflichtverletzungen außerhalb dieses Bereichs kann regelmäßig auf eine ernstliche Gefährdung geschlossen werden, wenn es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handelt, wenn die begründete Befürchtung besteht, der Soldat werde weitere Dienstpflichtverletzungen begehen (Wiederholungsgefahr) oder es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftritt oder um sich zu greifen droht (Nachahmungsgefahr). Jedenfalls die beiden letztgenannten Fallgruppen erfordern eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzung, um die Auswirkungen für die Einsatzbereitschaft oder das Ansehen der Bundeswehr beurteilen zu können (vgl. nur BVerwG, B.v. 28.1.2013 – 2 B 114/11 – juris Rn. 10 m.w.N.). Unter Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich können schon begrifflich nur (schwere) innerdienstliche Dienstpflichtverletzungen fallen, oder außerdienstliches Verhalten, das unmittelbar hierauf gerichtet ist (vgl. nur BVerwG, B.v. 28.1.2013 – 2 B 114/11 – juris Rn. 12).

Es soll also gerade nicht jeder mit einem leichteren Fehlverhalten zwangsläufig einhergehende Verlust des „uneingeschränkten“ Vertrauens der Vorgesetzten zur Entlassung aus dem Dienstverhältnis führen können. Vielmehr müssen gerade bei leichterem Fehlverhalten entweder eine Wiederholungsgefahr oder eine Nachahmungsgefahr hinzukommen. Zudem muss feststehen, dass die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr nicht durch eine Disziplinarmaßnahme abgewendet werden kann (vgl. nur BVerwG, B.v. 28.1.2013 – 2 B 114/11 – juris Rn. 13).

In Anwendung der vorstehenden Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung besteht im Fall des Antragstellers kein Anlass, die Ernstlichkeit insbesondere der Gefährdung der militärischen Ordnung unter Verhältnismäßigkeitsaspekten in Zweifel zu ziehen. Der Antragsteller hat weder aus dem Affekt heraus gehandelt (vgl. nur BVerwG, U.v. 20.6.1983 – 6 C 2/81 – juris Rn. 23 m.w.N.), noch handelt es sich um eine einmalige Verfehlung in einer schwierigen Lebenslage (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 20.6.1983 – 6 C 2/81 – juris Rn. 24 m.w.N; OVG NW, U.v. 5.12.2012 – 1 A 846/12 – juris Rn. 44 f. m.w.N.), noch ist die schuldhaft begangene Dienstpflichtverletzung als nur geringfügig zu bewerten (vgl. hierzu OVG MV, B.v. 23.10.1997 – 2 L 32/97 – juris Rn. 25 ff. m.w.N.).

Bezüglich der schuldhaft begangenen Dienstpflichtverletzung, die zwar nicht den militärischen Kernbereich, aber das Vertrauensverhältnis zwischen dem Antragsteller und seinen Vorgesetzten als Bestandteil der militärischen Ordnung betrifft, ist eine Wiederholungsgefahr anzunehmen. Bereits dadurch unterscheidet sich dieser Fall maßgeblich von dem von den Bevollmächtigten des Antragstellers angeführten Bezugsfall, den das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat (BVerwG, U.v. 20.6.1983 – 6 C 2/81 – juris). Im dortigen Fall war aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts und des Strafgerichts wegen der Besonderheit der Tat eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen (vgl. BVerwG, U.v. 20.6.1983 – 6 C 2/81 – juris Rn. 20).

Das ist hier nicht der Fall. Für eine Wiederholungsgefahr spricht bereits der Sachverhalt, welcher der am 17. Dezember 2014 gegen den Antragsteller verhängten Disziplinarbuße zu Grunde liegt. Auch damals hat der Antragsteller gezeigt, dass er sich in alkoholisiertem Zustand nicht im Griff hat. Dementsprechend ist auch die Stellungnahme der Vertrauensperson vom 26. September 2017 zur beabsichtigten, fristlosen Entlassung des Antragstellers ausgefallen. Die Vertrauensperson hatte bezeichnenderweise insbesondere festgehalten, der Antragsteller habe sich in seiner Freizeit in alkoholisiertem Zustand nicht so im Griff, wie es sich für einen erwachsenen Menschen seines Alters gehöre. Somit ist (auch) die Prognose gerechtfertigt, dass es beim Antragsteller zur weiteren vergleichbaren Dienstpflichtverletzungen kommen werde.

Zudem würde sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden.

Zwar ist nach der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich davon auszugehen, dass das Begehen einer objektiv schwerwiegenden Straftat dazu führt, dass das Ansehen der Bundeswehr ohne fristlose Entlassung des Täters ernstlich gefährdet wäre. Jedoch kann auch bezüglich des Ansehens der Bundeswehr die Wirkung einer möglichen Disziplinarmaßnahme dann nicht außer Acht gelassen werden, wenn eine Dienstpflichtverletzung eine Affekthandlung ohne Wiederholungsgefahr und als solche nicht Teilstück einer als allgemeine Erscheinung auftretende Neigung zu Disziplinlosigkeit ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.6.1983 – 6 C 2/81 – juris Rn. 23 m.w.N.).

Wie bereits überwiegend dargelegt sind diese vom Bundesverwaltungsgericht umschriebenen Ausnahmekonstellationen für den Antragsteller nicht einschlägig. Die begangene Dienstpflichtverletzung ist nicht als Affekthandlung ohne Wiederholungs- und Nachahmungsgefahr zu bewerten.

Bei der Prüfung einer ernstlichen Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr ist zu berücksichtigen, dass sich der Antragsteller jedenfalls gegenüber den ihn in Gewahrsam nehmenden Vollzugspolizisten als Soldat zu erkennen gegeben hat. Verbliebe der Antragsteller im Dienst, so würde dies für andere Soldaten auch Anlass zu ähnlichen Dienstpflichtverletzungen bieten. Somit würde das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet, weil der in der Öffentlichkeit betrunkene, sich nicht im Griff habende Soldat abträgliche Vorurteile gegenüber Soldaten in der Bevölkerung bestätigte.

Der angegriffene Entlassungsbescheid ist auch mit hoher Wahrscheinlichkeit ermessensfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO).

Die Frage der Angemessenheit des Eingriffs im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck ist im Rahmen des § 55 Abs. 5 SG in Gestalt einer Vorabbewertung durch den Gesetzgeber jedenfalls im Wesentlichen bereits durch die Vorschrift selbst – und zwar auf der Tatbestandsebene – konkretisiert worden. Für zusätzliche Erwägungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist somit nach der Gesetzeskonzeption (grundsätzlich) kein Raum (vgl. OVG NW, B.v. 20.1.2005 – 1 B 2009/04 – juris Rn. 34 m.w.N.).

Dies zu Grunde gelegt, ist das Ermessen der zuständigen Behörde, beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG vom Ausspruch der fristlosen Entlassung absehen zu können, trotz des Wortlauts „kann“ im Sinne einer sogenannten „intendierten Entscheidung“ auf besondere (Ausnahme-)Fälle zu beschränken (vgl. OVG NW, B.v. 20.1.2005 – 1 B 2009/04 – juris Rn. 36 m.w.N.; BayVGH U.v. 25.7.2001 – 3 B 96.1876 – juris Rn. 58 ff. m.w.N.).

Nach den Umständen des Falles war die fristlose Entlassung des Antragstellers als „intendierte Entscheidung“ wie geschehen auszusprechen. Für eine atypische Sachverhaltskonstellation ist in seinem Fall weder etwas vorgetragen, noch sonst etwas ersichtlich.

Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG, wobei die Hälfte des fiktiven Solds des Antragstellers für das Jahr 2017 (29.685,72 € : 2 = 14.842,86 €) nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai / 1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch einmal zu halbieren war.

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