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Fristverlängerungsantrag gegenüber unzuständigem Gericht


Bundesgerichtshof

Az: XII ZB 155/13

Beschluss vom 20.08.2014


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 12. März 2013 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.

Beschwerdewert: 3.296 €


Gründe

I.

Mit Beschluss vom 9. November 2012, der dem Antragsgegner am 21. November 2012 zugestellt worden ist, hat das Familiengericht ihn zur Zahlung von Kindesunterhalt an den Antragsteller verpflichtet. Hiergegen hat der Antragsgegner rechtzeitig Beschwerde eingelegt. Mit einem am 15. Januar 2013 nach Dienstschluss beim Familiengericht eingegangenen Telefax hat der Antragsgegner die Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung beantragt. Die Akte lag zu der Zeit dem Rechtspfleger des Familiengerichts vor. Am 18. Januar 2013 hat die Abteilungsrichterin des Familiengerichts verfügt, den Vertretern der Beteiligten sei mitzuteilen, dass Fristverlängerung bis 8. Februar 2013 gewährt werde. Am 21. Januar 2013 hat die Kanzleiangestellte der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners beim Familiengericht die Auskunft eingeholt, dass die beantragte Fristverlängerung gewährt sei. Am selben Tag hat das Familiengericht die Weiterleitung der Akte an das Beschwerdegericht verfügt, wo sie am 23. Januar 2013 eingegangen ist. Mit Verfügung des Vorsitzenden des Beschwerdesenats vom 31. Januar 2013 ist dem Antragsgegner mitgeteilt worden, dass seinem Antrag auf Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung nicht stattgegeben werden könne, weil der Antrag erst nach Ablauf der zweimonatigen Beschwerdebegründungsfrist beim Beschwerdegericht eingegangen sei. Am 8. Februar 2013 hat der Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Beschwerdebegründung nachgeholt.

Das Beschwerdegericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Beschwerde verworfen. Die Beschwerdebegründungsfrist sei versäumt, weil das Familiengericht sie nicht wirksam habe verlängern können und die Akte mit dem Verlängerungsantrag erst nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist beim Beschwerdegericht eingegangen sei. Die Frist sei auch nicht schuldlos versäumt. Die Bevollmächtigte des Antragsgegners habe ihre Kanzleiangestellte, die den Verlängerungsantrag an das Familiengericht adressiert und dort eingereicht habe, nicht ausreichend darüber unterrichtet, dass der Fristverlängerungsantrag auch dann beim Beschwerdegericht eingereicht werden müsse, wenn sich die Akte noch beim Familiengericht befinde. Das Familiengericht habe den Antrag im ordentlichen Geschäftsgang an das Beschwerdegericht weitergeleitet. Zu einer besonderen Beschleunigung der Aktenübersendung sei das Familiengericht nicht verpflichtet gewesen. Der Anspruch auf ein faires Verfahren sei auch nicht dadurch verletzt, dass der Kanzleiangestellten telefonisch durch die Geschäftsstelle des Familiengerichts die Fristverlängerung bestätigt worden sei.

II.

Die gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4, Abs. 5 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner nicht in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einem Beteiligten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten seines Verfahrensbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juni 2008 – XII ZB 184/07 – FamRZ 2008, 1605 Rn. 6 mwN).

1. Zu Recht hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass die Frist zur Beschwerdebegründung nicht gewahrt ist, da bis zu deren Ablauf am 21. Januar 2013 weder die Beschwerdebegründung noch ein Fristverlängerungsantrag bei dem Beschwerdegericht eingegangen war. Die Frist war auch nicht wirksam durch die Abteilungsrichterin des Familiengerichts verlängert worden, da über die Verlängerung der Begründungsfrist der Vorsitzende des Beschwerdegerichts entscheidet (§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. § 520 Abs. 2 Satz 2, 3 ZPO). Insoweit liegt der Fall anders als bei der Fristverlängerung durch den Vorsitzenden eines nicht berufenen Spruchkörpers (BGHZ 37, 125 = NJW 1962, 1396; offen gelassen in einem wiederum anders gelagerten Fall BGH Beschluss vom 12. Februar 2009 – VII ZB 76/07 – NJW 2009, 1149).

2. Ebenso zutreffend hat das Beschwerdegericht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt, da die Frist nicht schuldlos versäumt ist.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – auch des Senats – gehört es zu den Aufgaben des Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 – XII ZB 691/10 – juris 6 und vom 19. September 2012 – XII ZB 221/12 – juris Rn. 7, 9). In einer Familienstreitsache ist die Begründung der Beschwerde beim Beschwerdegericht einzureichen (§ 117 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Dasselbe gilt für Anträge auf Verlängerung der Frist, über die der Vorsitzende des Beschwerdegerichts entscheidet. Die schuldhafte Verkennung dieser eindeutigen Gesetzeslage ist dem Antragsgegner nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

Selbst wenn sich die Akten mit der eingelegten Beschwerde noch beim Ausgangsgericht befinden, ist die Beschwerdebegründung oder ein entsprechender Verlängerungsantrag in Ehe- und Familienstreitsachen nach § 117 Abs. 1 FamFG beim Beschwerdegericht einzureichen. Auch darüber konnte bei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners kein Zweifel bestehen (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Juni 2011 – XII ZB 468/10 – FamRZ 2011, 1389 Rn. 10).

An einen mit der Beschwerdeeinlegung betrauten Rechtsanwalt sind hinsichtlich der Ermittlung des für die Einlegung des Rechtsmittels zuständigen Gerichts hohe Sorgfaltsanforderungen zu stellen (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 3. November 2010 – XII ZB 197/10 – FamRZ 2011, 100 Rn. 19 mwN). Denn die Klärung der Zuständigkeit fällt in seinen Verantwortungsbereich. Er ist daher gehalten, die Rechtsmittelschrift und insbesondere die Empfangszuständigkeit des darin bezeichneten Adressaten auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. September 2012 – XII ZB 221/12 – juris Rn. 7, 9; BGH Beschlüsse vom 14. Oktober 2010 – VIII ZB 20/09 – NJW 2011, 683 Rn. 16 und vom 12. April 2010 – V ZB 224/09 – NJW-RR 2010, 1096 Rn. 12 mwN). Dieselben Maßstäbe gelten für die Einreichung der Rechtsmittelbegründung und eines darauf bezogenen Fristverlängerungsantrags. Bei der Unterzeichnung eines solchen Antrags hat der Rechtsanwalt den von der Kanzleiangestellten vorbereiteten Entwurf auf seine Richtigkeit, insbesondere auf korrekte Adressierung hin zu überprüfen.

b) Das Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten entfällt nicht dadurch, dass die Abteilungsrichterin des Familiengerichts eine Fristverlängerung bewilligt hat und dies der Kanzleiangestellten der Bevollmächtigten auf deren telefonische Nachfrage mitgeteilt worden ist. Der daraus bei der Kanzleiangestellten entstandene Irrtum, welcher sie letztlich zur Streichung der Frist im Fristenkalender veranlasst hat, lässt die Fristversäumung nicht als unverschuldet erscheinen, weil er eine schlichte Folgewirkung der von der Verfahrensbevollmächtigten persönlich zu vertretenden Fehladressierung ist.

Auch wenn die Verfahrensbevollmächtigte vor Fristablauf von der Fristverlängerung durch das Familiengericht erfahren hätte, hätte sie auf deren Wirksamkeit nicht vertrauen dürfen.

c) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens.

Nach der auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurückgehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsuchender allerdings darauf vertrauen, dass ein mit der Sache bereits befasstes Gericht einen bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird (Senatsbeschlüsse vom 23. Mai 2012 – XII ZB 375/11 – FamRZ 2012, 1205 Rn. 26 und vom 15. Juni 2011 – XII ZB 468/10 – FamRZ 2011, 1389 Rn. 12). Das ist im vorliegenden Fall geschehen. Der am 15. Januar 2013 nach Dienstschluss eingegangene Verlängerungsantrag hat der Geschäftsstelle am 16. Januar 2013 vorgelegen. Dies bewegt sich im Rahmen eines ordentlichen Geschäftsgangs (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juni 2013 – XII ZB 394/12 – FamRZ 2013, 1384 Rn. 23).

Dass die Abteilungsrichterin irrtümlich verfügt hat, den Vertretern der Beteiligten sei mitzuteilen, dass Fristverlängerung bis 8. Februar 2013 gewährt werde, hat den ansonsten ordentlichen Geschäftsgang nur um einen Tag verzögert. Ohne diese Verzögerung wäre die Aktenübersendung am Montag, den 21. Januar 2013, von der Geschäftsstelle veranlasst worden. Auch in diesem Fall wäre sie nicht mehr rechtzeitig am selben Tag, an dem auch die Frist ablief, beim Oberlandesgericht eingegangen.

3. Das Oberlandesgericht hat dem Antragsgegner daher die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 233 ZPO zu Recht versagt. Auch die Verwerfung der Beschwerde nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist deswegen nicht zu beanstanden.


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