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Führerscheinneuerteilung und Alkoholfahrt vor 10 Jahren

VG Mainz

Az.: 3 K 920/04

Urteil vom 25.01.2005


In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Erteilung der Fahrerlaubnis hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2005 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen zugunsten des Beigeladenen ergangenen Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses der Beklagten.

Dem Beigeladenen ist in der Vergangenheit mehrfach die Fahrerlaubnis entzogen worden, weil er als Führer eines Kraftfahrzeuges unter erheblichem Alkoholeinfluss am Straßenverkehr teilgenommen hatte. Zuletzt geschah dies durch Urteil des Amtsgerichts Worms vom 08. April 1986, nachdem er mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,83 %o verkehrsauffällig geworden war. In der Folge wurde er (u.a.) wegen einer weiteren Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,23 %o durch Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen/Rhein vom 09. September 1987 bestraft. Am 29. März 1990 beantragte er bei der Beklagten die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Der Aufforderung der Beklagten zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens kam er nicht nach. Sein Antrag wurde deshalb mit Bescheid vom 08. August 1990 bestandskräftig abgelehnt. Mit Schreiben vom 01. Oktober 1990 wurde diese Versagung der Fahrerlaubnis dem Kraftfahrtbundesamt mitgeteilt.

Am 17. November 2003 beantragte der Beigeladene bei der Beklagten nochmals die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Die Anfrage beim Bundeszentralregister ergab für den Beigeladenen keine Eintragung; auch das Verkehrszentralregister enthielt keine Eintragung. Gleichwohl forderte ihn die Beklagte unter Bezugnahme auf die früheren Trunkenheitsfahrten zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf. Dem kam der Beigeladene nicht nach.

Mit Bescheid vom 05. März 2004 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, infolge der Nichtvorlage des angeforderten Gutachtens hätten die Bedenken gegen seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht ausgeräumt werden können; es sei davon auszugehen, dass bei ihm eine über dem Grenzwert der Eignung liegende Rückfallwahrscheinlichkeit bestehe.
Mit seinem am 16. März 2004 erhobenen Widerspruch hielt der Beigeladene dem entgegen, dass zu seinen Lasten längst getilgte Entscheidungen berücksichtigt worden seien; die Auffassung der Beklagten, die Verwertbarkeit der zur Fahrerlaubnisentziehung führenden Verkehrsstraftaten sei wegen der noch nicht abgelaufenen 10-jährigen Tilgungsfrist der auf diese Delikte abhebenden Versagung im Jahr 1990 zulässig, sei unrichtig. Dem schloss sich der Stadtrechtausschuss der Beklagten im Ergebnis an. Mit Widerspruchsbescheid aufgrund seiner Beratung vom 16. August 2004 verpflichtete er deshalb die Beklagte, dem Beigeladenen bei Erfüllung aller Voraussetzungen! die beantragte Fahrerlaubnis zu erteilen; dabei habe sie davon auszugehen, dass die ehemals zur Entziehung der Fahrerlaubnis führenden Vorkommnisse aktuell nicht mehr verwertet werden dürften.

Gegen den auf den 25. August 2004 datierten und ihm am 31. August 2004 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger mit am 15. September 2004 bei dem Verwaltungsgericht Neustadt/Weinstraße eingegangenem Schriftsatz Klage erhoben; durch Beschluss dieses Verwaltungsgerichts vom 23. September 2004 ist der Rechtsstreit an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Mainz verwiesen worden. Zur Begründung macht der Kläger geltend: Die Trunkenheitsdelikte des Beigeladenen seien zwar nicht mehr unmittelbar verwertbar Es handele sich bei ihnen aber um Tatsachen, die bei der Ablehnung der Erteilung der Fahrerlaubnis im Jahre 1990 verwertbar gewesen seien. Diese beschwerende Entscheidung sei indes nach Maßgabe der Übergangsbestimmung des § 65 Abs. 9 Satz 1 StVG vorliegend 15 Jahre – also bis in das Jahr 2005 – verwertbar.

Der Kläger beantragt, den Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses der Beklagten vom 25. August 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides und beruft sich ergänzend darauf, dass die vorliegend in Rede stehende Verwertungsfrist von 15, Jahren keine Rechtsgrundlage in der Übergangsbestimmung des §65 Abs. 9 Satz 1 StVG finde. Nach dieser Bestimmung würden – bei folgerichtiger Auslegung – vor dem 01. Januar 1999 in das Verkehrszentralregister eingetragene Entscheidungen bis zum 01. Januar 2004 nach altem Recht getilgt. Lediglich Eintragungen, die zugleich in das Bundeszentralregister eingetragen worden seien, unterfielen einer Verwertungsfrist von maximal 15 Jahren. Diese Voraussetzungen erfüllten aber nur Straftaten bzw. Verurteilungen/nicht aber Verwaltungsentscheidungen wie die Versagung der Fahrerlaubnis, die nur in das Verkehrszentralregister eingetragen werde. Als solche sei die Versagung aus dem Jahre 1990 getilgt und deshalb nebst den berücksichtigten Verkehrsdelikten des Beigeladenen nicht mehr verwertbar.

Der Beigeladene beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, hinsichtlich seiner Verkehrsstraftaten dürfe nicht auf die Versagung im Jahre 1990 abgestellt werden, weil eine derartige Versagung nicht in das Bundeszentralregister eingetragen werde. Seine letzte Verurteilung aus dem Jahr 1987 sei indes nicht mehr verwertbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen. Die Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten lagen dem Gericht vor; sie wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als Aufsichtsklage gemäß § 17 Abs. 1 AGVwGO zulässig. Insbesondere ist der Kläger klagebefugt; denn er ist die zuständige „andere obere Aufsichtsbehörde“ im Sinne dieser Bestimmung, weil der Stadtrechtsausschuss der Beklagten in einer Auftragsangelegenheit tätig geworden ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, AS 30, 48).

Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg; denn gegen den angefochtenen Widerspruchsbescheid ist im Ergebnis rechtlich nichts zu erinnern. Dem Anspruch des Beigeladenen auf Neuerteilung der begehrten Fahrerlaubnis nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 2 StVG, 20 Abs. 1 FeV kann vorliegend nicht entgegengehalten werden, wegen der Nichtvorlage des angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens hätten die Bedenken gegen seine Fahreignung nicht ausgeräumt werden können. Zwar darf die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 FeV aus einer diesbezüglichen Weigerung des Betroffenen bei ihrer Entscheidung auf dessen Nichteignung schließen. Voraussetzung ist aber, dass die Fahrerlaubnisbehörde berechtigt war, die Beibringung des geforderten Gutachtens anzuordnen. Daran mangelt es hier. Denn keine der von ihm in der Vergangenheit begangenen und strafrechtlich geahndeten Trunkenheitsfahrten durfte dem Beigeladenen mehr vorgehalten und zu seinem Nachteil im Blick auf eine Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik gemäß § 13 FeV verwendet werden.

Der Kläger räumt selbst ein, dass die entsprechenden Eintragungen im Verkehrszentralregister wie auch im Bundeszentralregister zutreffend getilgt worden sind. Soweit er gleichwohl der Auffassung ist, diese Delikte seien -mittelbar- verwertbar, weil sie bei der Versagung der Fahrerlaubnis im Jahre 1990 Berücksichtigung gefunden hätten und diese Versagung -ungeachtet ihrer ebenfalls bereits erfolgten Tilgung im Verkehrszentralregister – dem Beigeladenen vorgehalten werden könne, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Denn diese rechtlichen Erwägungen finden keine Stütze in der vorliegend noch heranzuziehenden Übergangsbestimmung des § 65 Abs. 9 StVG. Zufolge § 65 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 1 StVG werden Entscheidungen, die vor dem 01. Januar 1999 im Verkehrszentralregister eingetragen worden sind (u.a. Versagungen der Fahrerlaubnis), bis zum 01. Januar 2004 nach den Bestimmungen des § 29 in der bis zum 01. Januar 1999 geltenden Fassung in Verbindung mit §13 a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung getilgt; demgemäß war die durch Bescheid vom 08, August 1990 erfolgte und im Verkehrszentralregister eingetragene Versagung der Fahrerlaubnis zehn Jahre nach Unanfechtbarkeit zu tilgen. Zwar dürfen zufolge § 65 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 StVG „die Entscheidungen“ nach § 52 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung verwertet werden, jedoch (abweichend der bis dahin möglichen „ewigen Verwertung“ bei Verfahren auf Erteilung oder Entziehung der Fahrerlaubnis) längstens bis zu dem Tag, der einer zehnjährigen Tilgungsfrist entspricht, d.h. im Blick auf §29 Abs. 5 StVG maximal 15 Jahre (vgl. OVGdes Saarlandes, Urteil vom 24. Mai 2004 -1 R 25/03 -). Nach Ansicht des Gerichtes sind Entscheidungen im Sinne dieses Halbsatzes 2 aber nur solche, die in das Bundeszentralregister einzutragen sind; dazu zählt indes die hier in Rede stehende Versagung der Fahrerlaubnis nicht. Der Annahme des Klägers, bei § 65 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 StVG handele es sich um eine sogenannte Rechtsfolgenverweisung, widerstreitet bereits der klare Gesetzeswortlaut; denn es wird nicht etwa eine entsprechende Anwendung des § 52 Abs. 2 BZRG a.F. auf von dieser Norm nicht erfasste Entscheidungen, sondern lediglich für einen bestimmten Zeitraum die Geltung alten Rechts in seinem ursprünglichen Normbereich angeordnet. Allein dieses Verständnis wahrt den Charakter des § 65 Abs. 9 Satz 1 StVG als Übergangsbestimmung und trägt der gesetzgeberischen Begründung für die (nachträgliche) Anfügung des Halbsalzes 2 durch das Gesetz vom 19r März 2001 (BGBl. l S. 386) Rechnung, ausweislich derer es darum ging, „dass für die bis Ende 1998 im VZR eingetragenen Straftaten‘ nicht nur die alten Tilgungsfristen, sondern auch die alte Verwertungsvorschrift des § 52 Abs. 2 Bundeszentralregistergesetz weiter angewendet werden kann, allerdings bis maximal 10 Jahre“ (BTDrucks 14/4304, S. 13).

Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kostenfolge aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

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