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Führerscheinneuerteilung nach Alkoholfahrt – MPU

VG Köln

Az: 11 K 1105/09

Urteil vom 26.02.2010


Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger war Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen 3 und 1a.

Am 25.12.1996 führte der Kläger ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,71 Promille. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Brühl vom 18.03.1997 – rechtskräftig seit 10.04.1997 – wurde dem Kläger wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 60 DM verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen sowie eine sechsmonatige Sperre für die Wiedererteilung angeordnet.

Am 03.08.1997 führte der Kläger vorsätzlich ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Brühl vom 27.11.1997 – rechtskräftig seit 18.12.1997 – wurde eine isolierte Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von einem Jahr angeordnet wurde.

In der Folgezeit führte der Kläger auch am 05.11.1998 ein Kraftfahrzeug ohne Fahrerlaubnis, woraufhin mit Urteil des Amtsgerichts Brühl vom 19.02.1999 – rechtskräftig seit 16.03.1999 – eine isolierte Sperrfrist von zwei Jahren festgesetzt wurde.

Am 17.02.1999 führte der Kläger nochmals ein Kraftfahrzeug ohne Fahrerlaubnis. Mit Urteil des Amtsgerichts Brühl vom 08.06.1999 – rechtskräftig seit 16.06.1999 – wurde wiederum eine Sperrfrist von nunmehr drei Jahren angeordnet.

Am 25.10.2000 stellte der Kläger einen Wiedererteilungsantrag verbunden mit einem Antrag auf Sperrzeitverkürzung.

Auf die vom Beklagten unter dem 04.12.2000 angeordnete medizinisch-psychologische Untersuchung legte der Kläger ein negatives Gutachten des TÜV-Rheinland vom 23.01.2001 vor. Der Kläger gab im Rahmen der Untersuchung zu dem Vorfall vom 25.12.1997 u.a. an: Er habe Heilig Abend mehr als 10 Bier getrunken. Er habe Probleme gehabt. Solche Mengen habe er sonst nie getrunken. In der Woche vorher und danach noch etliche Tage habe er teilweise getrunken. Mit Alkohol habe er keine Probleme. Er habe Verantwortung, seit 1998, als er seine Frau kennengelernt habe. Der Gutachter führte aus, dass zu erwarten sei, dass der Kläger auch in Zukunft ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen und erheblich gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Dem Kläger wurde darin angeraten ein – mehrere Schritte umfassendes – Rehabilitationsprogramm (verkehrstherapeutische Maßnahme) zu absolvieren. Der Kläger erklärte sich gegenüber dem Beklagten dazu bereit und der Wiedererteilungsantrag wurde zunächst ruhend gestellt. Ein weiteres Eignungsgutachten legte der Kläger entgegen seiner Ankündigung jedoch nicht vor.

Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 11.03.2002 den Wiedererteilungsantrag ab.

Am 12.06.2008 beantragte der Kläger erneut die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis.

Mit Schreiben vom 07.08.2008 ordnete der Beklagte die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung an und setzte eine Frist zur Vorlage bis zum 07.11.2008. Zur Begründung führte der Beklagte die Alkoholfahrt sowie die wiederholten Fahrten ohne Fahrerlaubnis an

Mit Bescheid vom 27.01.2009 lehnte der Beklagte den Wiedererteilungsantrag ab, nachdem eine Gutachtenvorlage nicht erfolgt war.

Hiergegen hat der Kläger am 27.02.2009 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, die Ablehnung sei rechtswidrig, da die Gutachtenanforderung nicht mehr auf die Trunkenheitsfahrt aus dem Jahr 1997 gestützt werden könne. Die seit dem 10.04.1997 rechtskräftige Entscheidung unterliege seit dem 10.04.2002, spätestens jedoch seit dem 10.04.2007, einem Verwertungsverbot. Entsprechendes gelte hinsichtlich des Vorwurfs des Fahrens ohne Fahrerlaubnis aus dem Jahr 1997. Lege man eine fünfjährige Tilgungsfrist zugrunde gelte das Verwertungsverbot auch für die weiteren zwei Fahrten ohne Fahrerlaubnis. Darüber hinaus begründeten die letztgenannten Verstöße für sich genommen keinen Eignungsmangel.

Der Kläger beantragt, die Versagungsverfügung des Beklagten vom 27.01.2009 betreffend die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 12.06.2008 hin eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt der Beklagte an, der Kläger habe seine Kraftfahreignung bislang nicht nachgewiesen. Dass die Alkoholfahrt, die zur Fahrerlaubnisentziehung geführt habe, vor mehr als 12 Jahren stattgefunden habe sei unerheblich. Allein durch Zeitablauf sei die Kraftfahreignung nicht wieder hergestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Fahrerlaubnis. Die ablehnende Entscheidung des Beklagten verletzt ihn nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Bei der Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung finden die Vorschriften über die Ersterteilung entsprechende Anwendung, § 20 Abs.1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Nach Maßgabe der §§ 11, 13 und 14 FeV sind mög-liche Eignungsmängel mit Hilfe der notwendigen Begutachtungen aufzuklären.

Im vorliegenden Fall gab insbesondere die Alkoholfahrt vom 25.12.1996 mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,71 Promille, die mit Strafbefehl vom 18.03.1997 zur Fahrerlaubnisentziehung geführt hat Veranlassung, den Eignungsmängeln erneut durch eine entsprechende Gutachtenanforderung nachzugehen, § 13 S. 1 Nr. 2 c) und d) FeV.

Die Verurteilung des Klägers mit Strafbefehl vom 18.03.1997 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und die damit einhergehende Fahrerlaubnisentziehung war ebenso wie der nachfolgende Strafbefehl vom 27.11.1997 und die Urteile vom 19.02.1999 und vom 08.06.1999 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis auch weiterhin verwertbar. Herangezogen werden kann daher auch weiterhin das an diese Verstöße anknüpfende – schlüssige – negative medizinisch-psychologische Gutachten vom 23.01.2001.

Die insoweit maßgeblichen Fristen sind hier noch nicht abgelaufen.

Für die Entscheidungen vom 18.03.1997 und vom 27.11.1997, die vor dem 01.01.1999 im Verkehrszentralregister eingetragen worden sind, bestimmt die Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 9 StVG die Anwendbarkeit von § 29 StVG sowie § 13a StVZO in deren ausgelaufenen Fassungen (Geltung bis zum 31.12.1998). Daher ist insoweit nach § 13 a Abs. 2 Ziff. 2 a) und e) StVZO a.F. von einer Tilgungsfrist von fünf Jahren auszugehen. Danach war die Verurteilung mit Strafbefehl vom 18.03.1997 zwar am 18.03.2002 und die Verurteilung mit Strafbefehl vom 27.11.1997 am 27.11.2002 im Verkehrszentralregister zu tilgen. Mit der eingetretenen Tilgungsreife ist jedoch in diesen von der Übergangsregelung erfassten „Altfällen“ nicht zugleich auch ein Verwertungsverbot verbunden. Denn § 65 Abs. 9 S. 1 StVG verweist auch hinsichtlich der Verwertbarkeit auf die alte Rechtslage: Nach dem 2. Halbsatz dieser Vorschrift dürfen die vor dem 1. Januar 1999 im Verkehrszentralregister eingetragenen Entscheidungen grundsätzlich nach § 52 Abs. 2 BZRG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung verwertet werden. Nach § 52 Abs. 2 BZRG darf eine frühere Tat abweichend von § 51 Abs. 1 BZRG – wonach eine Tat im Falle der Tilgung oder Tilgungsreife dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten werden bzw. nicht zu seinem Nachteil verwertet werden darf – jedoch in einem Verfahren berücksichtigt werden, das die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat, wenn die Verurteilung wegen dieser Tat in das Verkehrszentralregister einzutragen war. Hiernach konnten also Eintragungen im Verkehrszentralregister trotz Tilgungsreife in einem Verfahren – ohne zeitliche Begrenzung – berücksichtigt werden, das die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand hatte – so genannte ewige Verwertung – vgl. BVerwG, Urteil vom 12.07. 2001 – 3 C 14.01 – und Urteil vom 09.06.2005 – 3 C 21/04 -, juris.

Dieser in § 65 Abs. 9 S. 1 Halbsatz 2 StVG enthaltene Verweis auf die Geltung der Verwertungsvorschriften nach altem Recht ist jedoch beschränkt auf eine Verwertbarkeit bis längstens „zu dem Tag, der einer zehnjährigen Tilgungsfrist entspricht“. Was einer zehnjährigen Tilgungsfrist „entspricht“, ergibt sich aber aus § 29 StVG n.F. einschließlich der Regelung über den Beginn der Tilgungsfrist in § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG, vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 09.06.2005 – 3 C 21/04 -, juris.

Für die „Neufälle“, d.h. Eintragungen ab dem 1. Januar 1999, beginnt der Lauf der zehnjährigen Tilgungsfrist gemäß § 29 Abs. 5 StVG – und damit abweichend von der alten Rechtslage – bei Versagung oder Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung und der Anordnung einer isolierten Sperre nach § 69a Abs. 1 S. 3 StGB erst mit der Erteilung oder Neuerteilung der Fahrerlaubnis, spätestens jedoch fünf Jahre nach der beschwerenden Entscheidung, d.h. spätestens fünf Jahre nach der Entscheidung über die Versagung, Entziehung bzw. Sperrfristanordnung.

Wäre im Falle des Klägers die Entziehung der Fahrerlaubnis durch Strafbefehl bzw. die Anordnung einer ersten Sperre nach § 69a Abs. S. 3 StGB erst nach dem 31.12.1998 in das Verkehrszentralregister eingetragen worden, hätte die Tilgungsfrist erst fünf Jahren nach Unterzeichnung der Strafbefehle (§ 29 Abs. 4 Nr. 1 StVG) – also hier mit Ablauf des 18.03.2002 und 27.11.2002 – zu laufen begonnen. § 29 Abs. 5 S. 1 StVG sieht in den genannten Fällen eine „Anlaufhemmung“ für den Lauf der zehnjährigen Tilgungsfrist vor, da der Betroffene in der Zeit, in der er kein Fahrerlaubnis besitzt, keine „Bewährung“ im Straßenverkehr aufweisen kann und damit der Lauf der Tilgungsfrist nicht gerechtfertigt ist. Diese „Anlaufhemmung“ findet auch im Rahmen der Übergangsbestimmung des § 69 Abs. 9 S. 1 Halbs. 2 StVG für die Verwertung von vor dem 01. 01.1999 in das Verkehrszentralregister eingetragenen Verurteilungen Anwendung vgl. BVerwG, Urteil vom 09.06.2005 – 3 C 21/04 -; VG Augsburg, Urteil vom 30.05.2006 – Au 3 K 05.899 -, juris.

Das führt im vorliegenden Fall dazu, dass nach § 65 Abs. 9 StVG i. V. m. § 29 Abs. 5 StVG der Strafbefehl vom 18.03.1997 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr dem Kläger bis zum 18.03.2012 und der Strafbefehl vom 27.11.1997 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bis zum 27.11.2012 entgegengehalten werden.

Auch hinsichtlich der Urteile vom 19.02.1999 und vom 08.06.1999 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, für die nach § 29 Abs. 1 StVG die Tilgungsfrist 10 Jahre beträgt, ergibt sich nach § 29 Abs. 5 StVG eine Verwertbarkart bis zum 19.02.2014 bzw. 08.06.2014.

Darüber hinaus regelt § 29 Abs. 6 S. 1 StVG, dass bei Eintragung mehrerer Entscheidungen im Register die Tilgung einer Eintragung erst zulässig ist, wenn für alle Eintragungen die Tilgungsvoraussetzungen vorliegen. Ob diese Regelung über die „Ablaufhemmung“ der Tilgungsfrist ebenfalls auf die „Altfälle“ Anwendung findet, mit der Folge, dass nach derzeitigem Stand eine Verwertung aller Taten noch bis 08.06.2014 möglich wäre, so jedenfalls VGH Baden Württemberg, Urteil vom 20.03.2009 – 10 S 95/08 -, juris,

kann im vorliegenden Fall dahinstehen, da im hier maßgeblich Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung alle vier Taten – auch ungeachtet des § 29 Abs. 6 S. 1 StVG – noch verwertbar sind. Können danach alle Taten dem Kläger noch entgegengehalten werden, sind sie zu Recht Grundlage der erneuten Gutachtenanforderung.

Die hiernach gesetzlich festgelegten Fristen können auch nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beiseite geschoben oder relativiert werden. Angesichts der großen Gefahren, die die Teilnahme am Straßenverkehr unter dem Einfluss von Alkohol für die Allgemeinheit mit sich bringt, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber eine relativ lange Zeit ansetzt, bevor ein Verwertungsverbot greift. Eine bereits manifest gewordene Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr begründet eine große Rückfallgefahr. Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass zum Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs diesem Risiko im Rahmen des Möglichen vor Neuerteilung einer Fahrerlaubnis für längere Zeit durch die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens begegnet werden muss, erscheint sachgerecht und trägt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung vgl. auch dazu BVerwG, Urteil vom 09.06.2005 – 3 C 21/04 – a.a.O.

Darüber hinaus war aber insbesondere die Trunkenheitsfahrt hier auch allein aufgrund des Gewichts des seinerzeitigen Alkoholkonsums noch geeignet, die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung zu rechtfertigen.

Die Anordnung vom 07.08.2008 genügte auch den formellen Anforderungen nach § 11 Abs. 6 S. 2 und Abs. 8 S. 2 FeV.

Da der Kläger sich – bislang – geweigert hat, sich dieser Begutachtung zu unterziehen und anerkennenswerte Gründe hierfür auch nicht ersichtlich sind, hat der Beklagte zu Recht auf die Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen, § 11 Abs. 8 FeV. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

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