Amtsgericht Hamburg
Beschluss vom 27.11.2008
Az: 67c IN 478/08
I. Der Antrag wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
III. Der Geschäftswert wird auf EUR 4.000,– festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist alleiniger Gesellschafter der … GmbH. Er stellt unter dem 6.11.2008 Insolvenzantrag für die GmbH und trägt anwaltlich vertreten vor: „Die Gesellschaft ist eventuell führungslos. Ende Mai 2008 fand in den damaligen Geschäftsräumen der Gesellschaft eine Durchsuchung der Steuerfahndung statt. Dabei wurden umfangreiche Geschäftsunterlagen beschlagnahmt. Im Anschluss an diese Durchsuchung verschwand der Geschäftsführer. Seit Anfang / Mitte Juni hat unser Mandant keinen Kontakt zu dem Geschäftsführer, der aber nach Kenntnis unseres Mandanten seine Geschäftsführung auch nicht niedergelegt hat.“
Das Gericht hat unter dem 11.11.2008 auf mangelnde Glaubhaftmachung hingewiesen. Der Antragsteller bittet darauf hin ohne weiteren Vortrag um Prüfung und Entscheidung von Amts wegen.
II.
Der Antrag ist unzulässig.
Der Antragsteller stellt Insolvenzantrag gem. der neuen Fassung des § 15 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. § 15 a Abs. 3 InsO seit 1.11.2008.
Gem. § 15 Abs. 2 S. 2 InsO, der erst durch den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages in das „MoMIG“ auf Anregung des Bundesrates eingefügt wurde (Bt.-Drs.16/9737 v. 24.6.2008, dort zu Art. 9 Nr. 2) ist die Führungslosigkeit glaubhaft zu machen. Die Mittel der Glaubhaftmachung ergeben sich aus § 294 ZPO. Der Antragsteller hat seinem Antrag aber keine der dort genannten möglichen Glaubhaftmachungen beigefügt. Auch auf Hinweis des Gerichtes wurde keine solche nachgereicht. Der Antragsteller schreibt in seinem Antrag selbst von „eventueller“ Führungslosigkeit.
Der Antrag ist aber auch aus anderen Gründen unzulässig.
Eine „Führungslosigkeit“ liegt nach dem Vorbringen des Antragstellers, selbst wenn es glaubhaft gemacht wäre, nicht vor.
Der Geschäftsführer hat sein Amt nach antragstellerseitigem Vorbringen nicht niedergelegt. Die „Führungslosigkeit“ ist in § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG und in § 10 Abs. 2 S. 2 InsO n.F. seit 1.11.2008 legal definiert: Danach ist eine juristische Person „Führungslos“, die keinen organschaftlichen Vertreter „hat“.
Nach dem objektiven Empfängerhorizont ist diese Bestimmung so auszulegen, dass der organschaftliche Vertreter rechtlich oder tatsächlich nicht mehr existieren darf. Der Regierungsentwurf zum MoMIG (Regierungsentwurf v. 23.5.2007 (ZIP-aktuell, Heft 21/VI; Beilage ZIP Heft 23/2007; BT-Drs. 16/172 -Beschlussfassung) hat ausdrücklich (dort S. 127 zu Art. 9 Nr. 3, § 15 a Abs. 3 InsO)die Fassung des Referentenentwurfes, nach welcher es genügen sollte, wenn der Aufenthalt des organschaftlichen Vertreters „unbekannt“ war, fallen gelassen. damit ist klargestellt, dass „Führungslosigkeit“ nur dann vorliegt, wenn der organschaftliche Vertreter nicht mehr lebt oder sein Amt niedergelegt hat (Römermann, NZI 2008, 641, 645).
Der gegenteilige Ansicht, die selbst nach dem Gesetzgebungsverfahren noch annehmen möchte, dass das Verschwinden des organschaftlichen Vertreters zugleich „konkludente Amtsniederlegung“ sein könnte (Gehrlein, BB 2008, 846, 848), ist nicht zu folgen, denn diese Auslegung würde die Gesellschafter und die Gesellschaft in einen „Graubereich“ der möglichen Antragspflicht bzw. -konfrontation bringen, da kaum je zuverlässig ermittelbar sein wird, mit welcher Willensrichtung und ob überhaupt, der organschaftliche Vertreter wirklich „unbekannten Aufenthaltes“ ist. Es wäre dann unklar, ob es genügen solle, wenn er für die Gesellschafter nicht mehr erreichbar ist oder ob es erst genügt, wenn er für Behörden und sein gesamtes Umfeld nicht mehr erreichbar ist und auch Nachforschungen nach seinem Verbleib ins Leere laufen. Dann könnte auf das Tatbestandsmerkmal des Fehlens eines organschaftlichen Vertreters in den vorgenannten Bestimmungen gänzlich verzichtet werden (zu Recht: Römermann, aaO, 645).
Der Antrag des Antragstellers war daher zurückzuweisen, denn er hat ausdrücklich vorgetragen, dass der Geschäftsführer sein Amt nicht niedergelegt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 4 InsO, 91 Abs. 1 ZPO. Die Wertfestsetzung folgt aus § 28 Abs. 3, 23 Abs. 3 S. 2 RVG analog.