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Fußballtrainer im Amateurbereich – Dienstvertrag oder Arbeitsvertrag?


Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Az: 3 Ta 21/14

Beschluss vom 07.07.2014


Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des beklagten Vereins vom 08.05.2014 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes Neubrandenburg vom 25.04.2014 – Aktenzeichen 1 Ca 984/12 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die weitere Beschwerde gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.


Gründe

Die Parteien streiten im Vorabverfahren über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen.

Hintergrund des Rechtsstreites ist die Kündigungsschutzklage des Klägers gegen die fristlose Kündigung vom 10.09.2012 sowie darauf aufbauende Zahlungsanträge des Klägers und wechselseitig gestellte Auflösungsanträge, welche dann im weiteren Verfahren zurückgenommen worden sind.

In diesem Zusammenhang hat der Kläger in dem laufenden Verfahren bisher folgende Anträge gestellt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung vom 10.09.2012 nicht aufgelöst worden ist, sondern bis zum 30.06.2014 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Mit dem Klageantrag zu 2. macht der Kläger gegen den beklagten Verein darauf aufbauend Lohnansprüche für Zeit vom 01.09.2012 bis zum 01.05.2014 in Höhe von insgesamt 10.650,00 Euro geltend.

Mit Schriftsatz vom 12.03.2014 rügt der beklagte Verein die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen. Der Kläger sei als Amateurtrainer im Nebenberuf nicht Arbeitnehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziffer 3 ArbGG. Dies habe auch das Landesarbeitsgericht Hamm mit Beschluss vom 13.12.2012 zum Aktenzeichen 2 Ta 680/11 so entschieden.

Mit Beschluss vom 25.04.2014 hat das Arbeitsgericht die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen bejaht und im Wesentlichen argumentiert, der Kündigungsschutzantrag stelle einen sogenannten sic-non-Fall im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dar. Bei den geltend gemachten Zahlungsansprüchen handele es sich um einen sogenannten aut-aut-Fall, wobei es diesbezüglich genüge, dass der Kläger die von ihm behauptete Arbeitnehmereigenschaft schlüssig dargetan habe. Für die Abgrenzung des Dienstvertrages zum Arbeitsvertrag sei die gesetzgeberische Wertung nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB maßgeblich. Für die Prüfung des Vertragscharakters sei in diesem Zusammenhang in der Regel die von den Parteien getroffene Vereinbarung selbst ausschlaggebend. Sei es den Parteien darum gegangen, tatsächlich einen Arbeitsvertrag abzuschließen, dann sei der zur Dienstleistung Verpflichtete als Arbeitnehmer anzusehen.

Im vorliegenden Fall sei von den Parteien ein Arbeitsverhältnis geschlossen worden. Dieser Umstand folge bereits aus Ziffer 8 des Vertrages („Scheidet Herr A. aus dem Arbeitsverhältnis aus, erhält er ein angemessenes, qualifiziertes Zeugnis über seine Tätigkeit sowie einen gesonderten Beschäftigungsnachweis.“)

Bis zur Unzuständigkeitsrüge durch den Beklagten seien beide Parteien auch von dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ausgegangen. Der Beklagte habe gar einen Auflösungsantrag gestellt. Auch die Praxis der Abrechnung als geringfügig Beschäftigter spreche für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und die Behandlung des Klägers als Arbeitnehmer. Selbst wenn der Kläger in fachlicher Hinsicht keinen Weisungen unterlegen habe, so spreche das nicht gegen ein Arbeitsverhältnis. Die in Ziffer 3 des Vertrages festgelegten Trainingszeiten an vorgegebenen Wochentagen seien Beleg für die Eingebundenheit des Klägers in die Arbeitsabläufe bei dem beklagten Verein. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger als Cheftrainer durch einen anderen Trainer vertreten werden könne, seien aus dem Vertrag vom 01.04.2012 nicht zu entnehmen. Die Formulierung in Satz 3 der Ziffer 3 des Vertrages „Ausnahmen sind ausschließlich vom amtierenden Vorstandsvorsitzenden zu genehmigen“ sage nichts darüber aus, dass der Kläger seine Cheftrainertätigkeit nicht höchstpersönlich auszuüben gehabt habe. In Ziffer 1 des Vertrages habe der Kläger sich auch ausdrücklich dazu verpflichtet, ausschließlich für den beklagten Verein als Trainer tätig zu werden.

Gegen diese am 29.04.2014 zugegangene Entscheidung richtet sich die am 12.05.2014 bei dem Arbeitsgericht Neubrandenburg eingegangene sofortige Beschwerde des beklagten Vereins.

Der beklagte Verein ist der Rechtsauffassung, dass ein sic-non-Fall nur dann angenommen werden könne, wenn Streitgegenstand eine ordentliche Kündigung sei. Hinsichtlich der Zahlungsansprüche könne die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen ebenfalls nicht bejaht werden. So habe bereits das LAG Hamm in der Entscheidung vom 13.03.2012 entschieden, dass auf Grund der Vorgabe der Trainingszeiten und des Trainingsortes nicht eine Arbeitnehmerschaft angenommen werden könne, weil die diesbezügliche Weisungsfreiheit keine notwendige Voraussetzung für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit sei. In der Gestaltung des Trainings (Art, Umfang etc.) sei der Kläger – unstreitig – nicht Weisungsgebunden gewesen. Soweit in Ziffer 8 des Vertrages der Begriff „Arbeitsverhältnis“ verwendet werde, sei zu berücksichtigen, dass die Bezeichnung eines Vertrages durch die Parteien grundsätzlich nicht maßgeblich für den tatsächlichen Rechtscharakter eines Vertrages sei. Diesbezüglich könne allenfalls von einer Indizwirkung ausgegangen werden. Die Formulierung in Ziffer 3 des Vertrages sei unklar. Sie sage aus, dass der Kläger jedenfalls über die insoweit festgesetzten Trainingszeiten anderweitig Trainingszeiten ansetzen und die üblichen Trainingszeiten auch verändern oder verlängern könne. Hinsichtlich dieser Gestaltungsfreiheit habe keine Begrenzung vorgelegen.

Mit Beschluss vom 23.05.2014 hat das Arbeitsgericht Neubrandenburg der sofortigen Beschwerde des beklagten Vereins nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern zur weiteren Entscheidung vorgelegt.

Die zulässige – insbesondere frist- und formgerecht eingelegte – sofortige Beschwerde des beklagten Vereins ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht Neubrandenburg ist rechtsfehlerfrei mit zutreffenden Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen vorliegend gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 3 a (für den Klageantrag zu Ziffer 2) sowie b (für den Klageantrag zu Ziffer 1) ArbGG eröffnet ist.

Der Rechtsauffassung des beklagten Vereins, für den Feststellungsantrag zu Ziffer 1 könne ein sic-non-Fall nicht bejaht werden, da Streitgegenstand eine außerordentliche Kündigung sei, kann bereits deshalb nicht gefolgt werden, weil für die Frage eines sic-non-Falles nicht maßgeblich ist, ob es sich um eine ordentliche oder aber um eine außerordentliche Kündigung handelt, sondern vielmehr entscheidend ist, ob die beantragte Feststellung voraussetzt, dass im Zeitpunkt der (ordentlichen oder außerordentlichen) Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat (BAG vom 17.01.2001 – 5 AZB 18/00 – juris Rn. 15, 16). Dies ist vorliegend der Fall. Denn mit den Formulierungen in dem Feststellungsantrag zu 1 bringt der Kläger deutlich zum Ausdruck, dass er von dem Bestand eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ausgeht und dass er in diesem Zusammenhang die Feststellung begehrt, dass eben dieses Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2014 fortbesteht. Soweit der beklagte Verein anführt, die Entscheidung des LAG Hamm vom 13. März 2012 – 2 Ta 860/11 – stehe der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes entgegen, so ist dieser Vortrag nicht nachvollziehbar. Denn in der benannten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm geht es ausschließlich um Vergütungsansprüche und eben gerade nicht um einen Kündigungsschutzantrag mit dem Begehr der Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses.

Auch hinsichtlich der von dem Kläger in Abhängigkeit von dem Erfolg des Klageantrags zu Ziffer 1 geltend gemachten Zahlungsansprüche ist die streitgegenständliche Entscheidung zutreffend zu dem Ergebnis der Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen gelangt. Dem Arbeitsgericht ist zuzustimmen, dass es sich insoweit um einen sogenannten aut-aut-Fall handelt. Denn für die geltend gemachten Zahlungsansprüche ist eine Arbeitnehmereigenschaft des Klägers nicht zwingende Voraussetzung. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass nach ständiger und zutreffender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 03.06.1998 – 5 AZR 656/97 -) sich Arbeitsverhältnis einerseits und freies Mitarbeiterverhältnis andererseits durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der jeweils zur Dienstleistung Verpflichtete befindet, unterscheiden (so auch OLG Rostock vom 21.02.2006 – 3 W 117/05 -). Arbeitnehmer ist danach derjenige, der seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbstständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Zwar gilt diese Regelung unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbstständigen Handelsvertreters vom abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen. Über diesen unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält diese Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrages vom Arbeitsvertrag zu beachten ist (BAG vom 03.06.1998 a. a. O.; OLG Rostock vom 21.02.2006 a. a. O.). Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich danach insbesondere daran, dass der Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht seines Vertragspartners unterliegt. Für die Abgrenzung von Bedeutung sind demnach in erster Linie Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist und gerade nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben bzw. eine von den Parteien gewünschte Rechtsfolge. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich vielmehr aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Dieser wiederum erfolgt aus den getroffenen Vereinbarungen oder aus der tatsächlichen Durchführung des Vertrages. Widersprechen sich Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung, so ist Letztere maßgebend. Insgesamt kommt es zur Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung der maßgebenden Umstände im Einzelfall an (BAG vom 03.06.1998 a. a. O.).

Unter Berücksichtigung der genannten Voraussetzungen hat das Arbeitsgericht Neubrandenburg mit ausführlicher Begründung den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für gegeben erachtet, so dass deshalb auf den streitgegenständlichen Beschluss vom 25.04.2014 Bezug genommen werden kann, zumal durch die Parteien keine neuen Tatsachen in der Beschwerdeinstanz eingeführt worden sind.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger gemäß § 3 des Vertrages zwingend zur Ableistung an Übungsleitertätigkeiten von ca. zehn Stunden wöchentlich und ca. 40 Stunden monatlich verpflichtet war. Er hatte mindestens dreimal in der Woche in W. das Training zu leiten und die erste Mannschaft zum jeweilig angesetzten Pflicht- bzw. Freundschafts- oder Vorbereitungsspiel vorzubereiten und zu betreuen. Die Trainingszeiten waren wöchentlich jeweils für Montag, Mittwoch und Donnerstag, 18:30 Uhr bis 20:00 Uhr vorgegeben, so dass von einem Weisungsrecht des beklagten Vereins hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste im vorgenannten Sinne auszugehen ist. Soweit der beklagte Verein vorträgt, dass LAG Hamm sei in seiner Entscheidung vom 13. März 2012 (2 Ta 680/11) zu einem anderen Ergebnis gelangt, so kann dem nicht gefolgt werden. Eine Vergleichbarkeit mit der hier getroffenen Entscheidung ist bereits deshalb anzulehnen, weil der Kläger zum dortigen Verfahren keine Tätigkeiten auf der Grundlage einer konkreten schriftlichen Vereinbarung, sondern lediglich auf der Grundlage einer nicht näher spezifizierten mündlichen Vereinbarung erbrachte. Mithin handelt es sich insoweit – von der Notwendigkeit zur Durchführung einer Einzelfallprüfung einmal ganz abgesehen – um einen völlig anderen Sachverhalt.

Da der beklagte Verein mit dem von ihm eingelegten Rechtsmittel unterlegen ist, hat er die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Diese Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden allein.

Gründe für die Zulassung der weiteren Beschwerde gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG sind nicht ersichtlich.


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