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Fußballverletzung – Schadensersatz bei unerlaubter Handlung

LG Coburg, Az.: 23 O 58/15, Urteil vom 27.10.2015

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 9.642,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche auf Grund einer ihm zugefügten Verletzung im Rahmen eines D-Junioren-Verbandsfußballspiels geltend.

Am 16.06.2012 fand auf dem Vereinsgelände … Verbandsspiel der D-Junioren des Fußballvereins … gegen den 1. FC … statt. Beide Parteien waren zum Zeitpunkt des Vorfalls 11 Jahre alt. Der Kläger war Torhüter des Vereins …, der Beklagte Feldspieler des 1. FC … . Kurz vor Abpfiff des Spiels kam es vor dem Tor des DJK … zu einer letzten Spielsituation, an der beide Parteien beteiligt waren und bei der sich der Kläger schwer verletzte. Der konkrete Hergang der Spielsituation ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger erlitt einen doppelten Kieferbruch, war bis 31.07.2012 krank geschrieben und musste sich im Rahmen einer stationären Operation einer Osteosynthese unterziehen.

Der Kläger behauptet, gegen Ende des Spiels sei ein Schuss aufs Tor des DJK … erfolgt, den er parierte und den Ball sicher vor seinem Operkörper festhielt, wobei er auf dem Ball lag. Er habe den Ball, der am Boden lag, mit beiden Armen sicher vor der Brust umschlungen und habe mit dem Oberkörper auf dem Ball gelegen. Obwohl dies der Beklagte erkannt habe, sei er auf den Kläger zugerannt und habe offensichtlich aus Frust ausgeholt, voll durchgezogen und den Kläger mit seinem ledernen Fußballschuh mit voller Wucht am Kopf getroffen. Bei diesem Vorgehen handele es sich nicht mehr um einen Sportunfall, sondern um eine vorsätzliche Körperverletzung. Der Angriff des 1. FC … sei bereits beendet gewesen, der Kläger habe den Ball sicher gehabt. Die Verletzung sei mithin nicht in einer Spielsituation oder im Zweikampf entstanden. Es handele sich um einen vorsätzlichen, zumindest grob fahrlässigen Regelverstoß, bei dem die Grenze zwischen noch gerechtfertigter Härte und unfairem Regelverstoß überschritten sei.

Der Kläger habe wegen der Verletzung im Oktober 2012 eine weitere Operation über sich ergehen lassen müssen und sei zwei weitere Wochen krankgeschrieben gewesen. Im neuen Schuljahr habe er am Sportunterricht nicht teilnehmen dürfen. Er sei zudem in seiner Freizeitgestaltung, beim Essen und beim Sport beeinträchtigt gewesen. Er habe unter Schmerzen gelitten und sei auf Schmerzmittel angewiesen gewesen. Nach der Operation habe er noch viermal nach Erlangen ins Klinikum fahren müssen. Ein Vorspielen bei den Talentscouts sei ihm nicht möglich gewesen. Diese Folgen rechtfertigten nach Ansicht des Klägers ein Schmerzensgeld von mindestens 6.000,– €. Darüber hinaus sei dem Kläger ein erheblicher Pflegemehraufwand während der ersten sechs Wochen nach dem Vorfall im Umfang von täglich drei Stunden für Zahnhygiene, Medikamentenbeschaffung und -einnahmeüberwachung, Essen kochen und zerkleinern, kühlen usw. entstanden. Nach der zweiten Operation sei dies ebenfalls über einen Zeitraum von zwei Wochen der Fall gewesen. In der dritten Woche habe der Pflegemehraufwand noch 70 % und in der vierten Woche noch 50 % betragen. Dies ergebe einen vorfallsbedingten Pflegemehraufwand von 193,20 Stunden. Dieser müsse mit einem Stundensatz von 8,50 € angesetzt werden. Zudem seien Dauerschäden möglich. Es könnten sich Probleme mit dem Zahnwachstum ergeben. Ein Zahn, der eigentlich jetzt durchbrechen müsse, wachse derzeit nicht weiter und könne schief stehen. Hieraus könnten sich ggf. Folgebehandlungen ergeben.

Der Kläger beantragt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die auf Grund der Körperverletzungshandlung vom 16.06.2012 erlittenen immateriellen Schäden sowie die bereits eingetretenen Dauerschäden ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von 6.000,– € jedoch nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich aus einem Betrag von 5.000,– € seit 17.08.2013 sowie aus einem Betrag von 1.000,– € seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen zukünftigen Schäden zu ersetzen, die aus der Körperverletzungshandlung vom 16.06.2012 resultieren, soweit sie nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

3. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger weiteren Schadensersatz in Höhe von 1.642,– € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten jährlich über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 661,16 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Die Verletzung des Klägers sei aus einer Spielsituation heraus entstanden. Der Beklagte sei in der allerletzten Spielszene mit dem Ball am Fuß am rechten 12-Meter-Strafraumeck Richtung Tor gelaufen und habe aus einer Entfernung von ca. 10 m halbrechts auf das Tor geschossen. Dieser Schuss sei etwa 3 m vor dem Tor der DJK … am Torwart oder einem Mitspieler hängen geblieben, mehrmals abgeprallt und sei von den Spielern des DJK … nicht unter Kontrolle gebracht worden. Der Kläger habe durch einen Sprung in der Art eines Schwimmers, der vom Beckenrand mit Oberkörper, Kopf und Händen vorausspringt, den Ball unter Kontrolle zu bringen versucht, er etwa 1 m vor ihm gelegen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe auch der Beklagte etwa 1 m vom Ball entfernt gestanden und ebenfalls versucht, den Ball zu erreichen. Der Beklagte sei schneller am Ball gewesen und zum Schuss gekommen, bevor der Kläger habe eingreifen können und den Ball überhaupt berührt habe. Durch diesen Schuss sei dann der Kläger bedauerlicherweise getroffen worden, wobei nicht feststellbar sei, ob durch den Ball oder durch den Fuß des Beklagten. Es handele sich bei diesem Vorgehen des Beklagten nicht um einen Regelverstoß. Es habe auch keine Ahndung durch den Schiedsrichter gegeben. Der Vorfall sei als Sportunfall zu qualifizieren, der weder rechtswidrig noch schuldhaft gewesen sei. Insbesondere liege hier auch keine grobe oder vorsätzliche Regelverletzung vor. Selbst bei gefährlichem Spielen, Verstoß gegen Regel 12 / 2 Nr. 1 der Regeln des Deutschen Fußballbundes, träfe den Spieler kein Verschulden, da das Verhalten einen nur objektiv geringen Verstoß im Grenzbereich zwischen der gebotenen Härte und der unzulässigen Unfairness darstelle. Es fehle daher bereits an der Tatbestandsmäßigkeit und der Rechtswidrigkeit einer Haftung des Beklagten. Der Beklagte habe jedoch auch nicht schuldhaft gehandelt, da für ihn die Gefährlichkeit seines Verhaltens nicht vorauszusehen war. Eine Haftung des Beklagten sei auch wegen § 828 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Dem Kläger sei ein grobes Mitverschulden anzulasten, da er nach dem Ball, der sich beim Beklagten befunden habe, gesprungen sei.

Das Gericht hat die gesetzlichen Vertreter der Parteien informatorisch angehört, vgl. Protokoll vom 16.06.2015 (Bl. 65 ff. d. A.). Darüber hinaus hat das Gericht Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen …, vgl. Protokoll vom 06.10.2015 (Bl. 82 ff. d. A.). Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I.

Fußballverletzung - Schadensersatz bei unerlaubter Handlung
Symbolfoto: Von Syda Productions /Shutterstock.com

Dem Kläger steht kein Anspruch gegen den Beklagten wegen schuldhafter und rechtswidriger Verletzung des Körpers oder der Gesundheit gemäß §§ 823Abs. 1, Abs. 2, 253 Abs. 2 BGB, 223Abs. 1, 229 StGB zu.

Der Beklagte hat dem Kläger im Rahmen eines offiziellen Verbandsspiels der D-Jugend die streitgegenständliche Verletzung zugefügt.

1. Es ist jedoch allgemeine Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass die Haftung für Verletzungen bei spielerischen Wettkämpfen mit erhöhtem Gefährdungspotential, wie etwa einem Fußballspiel, der Haftungsmaßstab bei Verletzung eines Mitspielers reduziert ist, vgl. BGH, Urteil vom 05.11.1994, Az. VI ZR 100/73 sowie Az. VI ZR 125/73, BGH, Urteil vom 10.02.1976, Az. VI ZR 32/74, OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.04.2004, Az. 14 U 230/03, OLG Saarbrücken, Urteil vom 02.08.2010, Az. 5 U 492/09, OLG Köln, Beschluss vom 16.08.2010, Az. 11 U 96/10 sowie BGH, Urteil vom 27.10.2009, Az. VI ZR 296/08. Dass bei einem Wettkampf ein Spieler einen anderen verletzt, begründet für sich genommenen noch keinen Sorgfaltspflichtverstoß. Eine Haftung nach § 823 BGB setzt den Nachweis voraus, dass der Verletzer schuldhaft gegen die Regeln des sportlichen Wettkampfs verstoßen und dabei einen anderen verletzt hat. Dagegen scheidet eine Haftung aus, wenn es sich um Verletzungen handelt, die sich ein Sportler bei einem regelgerechten und dem bei jeder Sportausübung zu beachtenden Fairnessgebot entsprechenden Einsatz seines Gegners zuzieht. In einem solchen Fall hat sich der Schädiger jedenfalls nicht sorgfaltswidrig verhalten. Die Sorgfaltsanforderung an den Teilnehmer eines Wettkampf bestimmen sich nach den besonderen Gegebenheiten des Sport, bei dem sich der Unfall ereignet hat. Sie sind an der tatsächlichen Situation und den berechtigten Sicherheitserwartungen der Teilnehmer des Wettkampfs auszurichten und werden durch das beim jeweiligen Wettkampf geltende Regelwerk konkretisiert. Die Beweislast für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Schädigers trägt dabei nach allgemeinen Grundsätzen der Verletzte.

a) Fußball ist ein Kampfspiel, d. h. ein gegeneinander ausgetragenes Kontaktspiel, bei dem es also zu körperlichen Berührungen kommt, dass unter Einsatz von Kampf und Geschicklichkeit geführt wird und dass wegen des dieser Sportart eigenen kämpferischen Elements bei dem gemeinsamen Kampf um den Ball nicht selten zu unvermeidbaren Verletzungen führt. Mit deren Eintritt rechnet jeder Spieler und geht davon aus, dass auch der andere diese Gefahr in Kauf nimmt, da er etwaige Haftungsansprüche nicht erheben will. Diese von den Spielern unter gleichen Bedingungen und gemeinsam in Kauf genommene Gefahr führt zu dem Schluss, dass bei Verletzungen, die trotz Einhaltung der Spielregeln eingetreten sind, der Spieler von seiner etwaigen Haftung voll frei gestellt sein soll, vgl. BGH, Urteil vom 05.11.1974, Az. VI ZR 100/73 Rdn. 8 und 10. Handelt es sich um ein Fußballverbandsspiel, so bieten die Fußballregeln des Deutschen Fußballbundes das entscheidende Erkenntnismittel für das Ausmaß des mit dem Spiel eingegangenen und übernommenen Risikos. Insbesondere bieten die Generalklauseln des Spielens in gefährlicher Weise, des unsportlichen Betragens und des rohen Spiels mit den einzeln aufgeführten, dem Schutz der Spieler dienenden Verboten einen wichtigen Maßstab dafür, was als spielordnungsgemäßes Verhalten anzusehen ist und wo nach dem Willen der Spieler die Grenze des Erlaubten überschritten wird, vgl. BGH a. a. O., Rdn. 14. Ein Schadensersatzanspruch des bei einem Fußballwettkampf durch regelwidrige Spielweise eines Mitspielers verletzten Teilnehmers setzt den Nachweis voraus, dass der Mitspieler sich nicht regelgerecht verhalten hat, vgl. BGH, Urteil vom 05.11.1974, Az. VI ZR 125/73.

b) Der Verletzte muss ebenso ein Verschulden des Verletzers nachweisen. Handelt es sich um ein Verhalten des Verletzers im Grenzbereich zwischen Härte, also einem regelgerechten Verhalten, und Unfairness, mithin einem im Sinne der Regel 12/2 Nr. 1 (gefährliches Spiel), liegt bereits ein objektiv geringfügiger Regelverstoß vor, vgl. BGH, Urteil vom 10.02.1976, Az. VI ZR 32/74, Rdn. 30. Dies ist bei der Frage des Verschuldens genauso zu berücksichtigen, wie der Grundsatz, dass eine Vermeidbarkeit bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nur mit aller Zurückhaltung bejaht werden kann. Denn die Hektik und Eigenart eines Fußballspiels zwingt den Spieler oft im Bruchteil einer Sekunde Chancen abzuwägen und Risiken einzugehen. Es stellt hohe Anforderungen an die physische und psychische Kraft, an Schnelligkeit, Geschicklichkeit und körperlichen Einsatz, vgl. BGH a. a. O..

Auch reicht eine einfache Fahrlässigkeit des Verletzers grundsätzlich nicht aus, selbst wenn ein objektiver Regelverstoß und damit eine Rechtswidrigkeit gegeben ist. Für einfache Fahrlässigkeit ist in der Regel von einem stillschweigenden Haftungsausschluss auszugehen, so dass es Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bedarf, um eine Haftung herbeizuführen, vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.04.2004, Az. 14 U 230/03, OLG Saarbrücken, Urteil vom 02.08.2010, Az. 5 U 492/09, OLG Köln, Beschluss vom 16.08.2010, Az. 11 U 96/10.

2. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze einer Haftung im Bereich des Wettkampfsports ist dem Kläger der Nachweis eines vom Beklagten begangenen schuldhaften, nämlich vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Regelverstoßes, nicht gelungen.

a) Der Sachvortrag des Klägers zur konkreten Spielsituation, der jedenfalls einen groben Regelverstoß dargestellt, nämlich Treten eines Gegners, und sogar einen Straftatbestand erfüllt hätte, hat sich im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme nicht bestätigt. Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Beklagte den Kläger mit voller Wucht ins Gesicht trat, obwohl dieser erkannt hatte, dass der Kläger den Ball bereits sicher mit seinen Armen vor der Brust umschlungen hatte. Die hierzu vernommenen Zeugen haben, wie auch die Väter der Parteien, abweichende Angaben gemacht.

Der Vater des Klägers hatte angegeben, dass der Kläger bereits seitlich am Boden gelegen und den Ball in seinen Armen an seinen Oberkörper gepresst habe. Der Beklagte habe dann einen Schritt darauf zugemacht und aus seiner Sicht voll durchgezogen.

Die klägerseits benannte Zeugin …, die sich im Vergleich zu anderen Beobachtern nur noch bruchstückhaft und eher vage an die Spielsituation erinnern konnte, gab an, dass der Kläger den Ball bereits sicher hatte. Sie wusste nicht mehr genau, ob er ihn bereits in beiden Händen in der Luft gefangen hatte oder er ihn lediglich mit einer Hand am Boden festhielt. Sie konnte auch nicht sagen, ob der Beklagte lediglich den Ball oder den Kläger direkt getroffen hatte.

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Der Vater des Beklagten bekundete, dass der Ball nach einem Torschuss am Torwart oder an einem anderen gegnerischen Spieler abgeprallt sei und dann gleichzeitig vom Kläger gegriffen und vom Beklagten gespielt worden sei. Es sei eine Zug um Zug Spielsituation gewesen.

Diese Angaben werden im Wesentlichen bestätigt von den Zeugen …. Der Zeuge … gab an, sich aufgrund der letzten Spielsituation und auch der Ausschreitungen nach dem Spiel noch recht gut an das Spiel erinnern zu können. Nach einem Torschuss habe der Kläger den Ball nicht halten können, so dass dieser abgeprallt und wieder in Richtung des Beklagten geflogen sei. Der Beklagte habe dann versucht, nochmal an den Ball zu kommen und habe dann auch den Ball noch mit der Fußspitze gespielt. Der Kläger habe zu diesem Zeitpunkt den Ball keineswegs sicher gehabt. Der Ball sei nach dem Abprallen vom Torwart noch etwa ein bis zwei Meter weggeflogen von diesem. Beide – Kläger und Beklagter – hätten dann gleichzeitig versucht, an den Ball heranzukommen. Der Zeuge … war der Meinung, dass der Zusammenstoß noch in der Luft, also bevor der Kläger auf dem Boden aufkam, geschehen sei. So genau könne er das aber jetzt auch nicht mehr sagen, da es sich um den Bruchteil einer Sekunde gehandelt habe. Der Zeuge … konnte nicht sagen, ob der Ball noch zwischen den beiden Spielern war, als es zum Zusammenstoß kam.

Der Zeuge …, der das Spiel als Schiedsrichter geleitet hatte, gab ebenfalls an, sich noch gut an das Spiel erinnern zu können. Er schilderte die Situation ähnlich wie der Zeuge …, nämlich dass der Ball nach einem Torschuss etwa zwei bis drei Meter vor dem Tor an einem Spieler hängengeblieben und abgeprallt sei. Der Kläger habe versucht, den Ball zu erlangen, indem er sich nach vorn auf diesen geworfen habe. Etwa zeitgleich habe auch der Beklagte versucht den Ball zu spielen. Beide seien in unmittelbarer Ballnähe gewesen, die Spielsituation sei für beide offen gewesen. Wer nun zuerst am Ball war, habe er als Schiedsrichter nicht gesehen. Es handele sich hierbei um den Bruchteil einer Sekunde. Er war sich jedenfalls sicher, dass der Kläger den Ball noch nicht sicher hatte, als es zum Zusammenstoß kam. Da es sich aus seiner Sicht um kein ahndungswürdiges Verhalten des Beklagten gehandelt hatte, habe er auch keine Ahndung ausgesprochen. Auch er konnte nicht angeben, ob der Beklagte lediglich den Ball oder den Kläger direkt im Gesicht getroffen hatte. Er war jedoch der Meinung, im Nachgang im Gesicht des Klägers einen runden Abdruck auf der linken Gesichtshälfte gesehen zu haben, so dass es seiner Meinung nach auch sein könne, dass der Kläger lediglich den Ball ins Gesicht bekommen habe.

Der Kläger konnte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht nachweisen, von dem Beklagten getreten worden zu sein. Keiner der vernommenen Zeugen konnte angeben, dass der Kläger direkt vom Beklagten im Gesicht getroffen wurde. Jeder der Zeugen ließ offen, ob der Beklagte nur den Ball oder den Kläger direkt getroffen hatte.

Damit scheidet der Nachweis des Regelverstoßes „Treten eines Gegners“ aus.

Auch steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme keineswegs fest, dass der Kläger den Ball bereits sicher festhielt und dann vom Beklagten getreten wurde. Diese Version des Geschehens schildern lediglich der Vater des Klägers sowie die Zeugin … . Völlig anders schildern die Situation der Vater des Beklagten sowie die Zeugen … und …, deren Aussagen jedenfalls nicht weniger glaubhaft als die des Vaters des Klägers und der Zeugin … sind. Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich die Spielsituation so zugetragen hat, wie von den Zeugen … und … geschildert, die sich beide noch gut an die Spielsituation erinnern konnten und auch noch im Gedächtnis hatten, wie es im Vorab zu dieser Spielsituation gekommen war, den Verlauf des Balles also konkret schildern konnten. Beide gaben auch an, eine freie Sicht auf die Spielsituation gehabt zu haben. Wenn sie etwas nicht genau gesehen hatten, räumten sie auch ein, zu konkreten Fragen keine Angaben machen zu können. Hinzu kommt dass der Schiedsrichter, der Zeuge … nur kurze Zeit nach dem Spiel, nämlich am 15.07.2012 eine schriftliche Zeugenaussage für ein Verfahren vor dem Sportgericht verfasst hat, die ihm auch als Gedächtnisstütze dienen konnte. Bereits in dieser Zeugenaussage, Anlage B 1, hat er die Spielsituation so geschildert wie auch im Rahmen seiner Vernehmung.

Den Aussagen der Väter der beiden Parteien kommt hingegen ein vergleichsweise geringer Beweiswert zu, da beide ersichtlich im Lager der jeweiligen Partei stehen und ein starkes Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens haben. Sie waren lediglich als Parteien informatorisch anzuhören. Die Aussage der einzigen Zeugin, die den klägerischen Sachvortrag im Wesentlichen bestätigt hat, der Zeugin … ist zur Überzeugung des Gerichts weniger glaubhaft als die Angaben der Zeugen … und …. Die Zeugin …, die nicht mehr sagen konnte, wie der Ball in die Spielsituation gelangt war, gab mehrfach an, dass sie zum Zeitpunkt der konkreten Spielsituation bereits gedacht habe, dass das Spiel jetzt gleich aus sein müsste. Sie schilderte als einzigste Zeugin, dass der Kläger den Ball bereits hatte, als der Beklagte zutrat. Ihre Schilderung, dass der Kläger schon relativ weit am Boden gewesen sei, als er den Ball gefangen hatte, und ihn entweder schon mit beiden Händen in der Luft oder mit einer Hand am Boden hatte, lässt sich mit sämtlichen anderen Schilderungen nicht in Einklang bringen, auch nicht mit der Schilderung des Vaters des Klägers. Alle anderen Beobachter, auch der Vater des Klägers, haben nämlich geschildert, dass der Ball von einem Spieler oder dem Kläger abgeprallt wieder nach vorne gefallen und etwa ein bis zwei Meter vor dem Kläger zum Liegen gekommen ist. Dann hätten sich beide Parteien in Richtung des Balles begeben, der Kläger sei gesprungen, um sich auf ihn zu werfen, der Beklagte sei gerannt, um den Ball zu spielen. Nach diesen Schilderungen der übrigen Beobachter erscheint die von der Zeugin … geschilderte Variante, dass der Kläger den Ball mit beiden Händen in der Luft gefangen hat, denknotwendig ausgeschlossen. Zudem waren ihre Angaben geprägt von Unsicherheiten. Sie konnte nicht konkret sagen, wie der Kläger den Ball gefangen hatte und wie er zum Zeitpunkt des Schusses des Beklagten zum Ball lag. Ihre Aussage, der Kläger habe die Hand am Ball gehabt, ist unpräzise und lässt mehrere Deutungen zu. Sie wusste auch nicht mehr, ob der Kläger den Ball am Boden mit ausgestrecktem Arm gehalten hat. Gegen Ende ihrer Vernehmung gab sie wiederholt an, dass für sie das Spiel ja eigentlich schon beendet gewesen sei, nachdem sie gesehen habe, dass der Torwart den Ball hatte. Dies verstärkt den Eindruck, dass die Zeugin … sichere Angaben zur letzten Spielsituation gerade nicht machen konnte.

b) Selbst wenn man das Verhalten des Beklagten, so wie es sich nach der durchgeführten Beweisaufnahme darstellt, als gefährliches Spiel im Sinne der Regel 12 der Regeln des Deutschen Fußballbundes ansehen wollte, so hat der Kläger nicht nachweisen können, dass dem Beklagten insoweit grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz zur Last fällt. Ob es sich bei dem Verhalten des Beklagten tatsächlich um ein gefährliches Spiel handelte, muss nicht abschließend entschieden werden, da es jedenfalls am Verschulden fehlt. Wie bereits oben dargelegt, handelt es sich bei einem Verstoß gegen die Regel 12/2 Nr. 1 (gefährliches Spiel) um einen objektiv geringfügigen Regelverstoß. Dies ist bei der Frage des Verschuldens ebenso zu berücksichtigen, wie der Grundsatz, dass eine Vermeidbarkeit nur unter besonderen Umständen vorliegen kann. Gerade diese letzte Spielsituation, als der Ball abprallte und nur wenige Meter vom Beklagten entfernt unmittelbar vorm Tor liegen blieb und auch der Kläger als Torwart versuchte, an den Ball zu kommen, um ihn festzuhalten, ist geprägt von den spezifischen Eigenarten eines Fußballspiels, nämlich Schnelligkeit, Hektik, Geschicklichkeit und körperlichem Einsatz. Der Beklagte musste im Bruchteil einer Sekunde Chancen und Risiken abwägen und sich entscheiden, ob er noch versucht den Ball zu spielen, um ein Tor zu erlangen, oder dies wegen einer möglichen Gefährdung des Klägers unterlässt. Er hat sich zur Überzeugung des Gerichts etwa im selben Moment dazu entschlossen, den Ball zu spielen, in dem auch der Kläger sich entschlossen hatte, sich auf den Ball zu werfen. Dass es ihm in diesem Moment möglich gewesen wäre, diese Situation und die innewohnenden Risiken rechtzeitig zu erkennen, gegenüber einer letzten möglichen Torchance in der letzten Spielsituation abzuwägen und dann zu dem Schluss zu kommen, aufgrund des Gefährdungspotentials lieber von einem Schuss Abstand zu nehmen, hat der Kläger nicht dargetan und nachgewiesen. Hierbei ist weiter zu berücksichtigen, dass nach dem oben Gesagten eine einfache Fahrlässigkeit jedenfalls nicht ausreichend ist. Anhaltspunkte für einen groben Fahrlässigkeitsverstoß oder gar Vorsatz sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

II.

Aufgrund der vorgenannten Erwägungen besteht zu Gunsten des Klägers auch kein Anspruch auf Feststellung einer Haftung des Beklagten für zukünftige Schäden und auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708Nr. 11, 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Bei der Streitwertfestsetzung hat das Gericht den Antrag zu 1) mit 6.000,– €, den Antrag zu 2) mit 2.000,– € und den Antrag zu 3) mit 1.642,– € bewertet.

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