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Fussgänger (betrunken) – angefahren – Mitverschulden?

OLG Nürnberg

Az.: 6 U 1150/02

Urteil vom 11.10.2002


In Sachen hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2002 für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Weiden vom 21. Februar 2002 abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

1. Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner 5.196,85 EUR nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz hieraus seit 13.07.2001 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, daß die Beklagten zu 1) und 2 als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 1/6 seiner materiellen Zukunftsschäden aus dem Unfall vom 24.03.2001 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 3/4, die Beklagten 1/4 zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.590,54 EUR (20.590,54 EUR – 2.000,00 EUR Feststellung) festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz, weil er vom Pkw des Beklagten zu 1) am 24.03.2001 als Fußgänger erfaßt und schwer verletzt worden ist.

Das Landgericht hat auf eine Haftung der Beklagten zu einem Drittel erkannt, da der Beklagte zu 1) zwar nicht auf Sicht gefahren, der Kläger selbst aber den Unfall überwiegend dadurch verschuldet habe, daß er, trotz vorhandenen Fußwegs, betrunken in dunkler Kleidung nachts auf der Fahrbahn einer Landstraße gelaufen sei. Unter Berücksichtigung dieses Mitverschuldens hat es die Beklagten zur Zahlung von 393,69 EUR Sachschaden, von 20.169,65 EUR Schmerzensgeld verurteilt und deren Haftung für künftige materielle Schäden in Höhe von 1/3 festgestellt.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die der Auffassung sind, den Beklagten treffe kein Vorwurf und es sei angesichts des erheblichen Verschuldens des Klägers für eine Mithaftung kein Raum. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen, die Protokolle, das Ersturteil und die Akten 3 Js 6508/01, die Gegenstand der Verhandlung waren, Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist nur zum Teil begründet, denn die Beklagten sind nicht von Haftung frei. Der Senat ist aber der Auffassung, daß bei dem vom Erstgericht zutreffend festgestellten Sachverhalt eine Haftung der Beklagten nur in Höhe von 1/6 und ein Schmerzensgeld des Klägers nur in Höhe von 5.000,00 EUR begründet ist.

1. Die Haftung des Beklagten zu 1) ist gemäß § 823 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 StVO, § 7 StVG gegeben. Die Haftung der Beklagten zu 2) ergibt sich aus § 3 Nr. 1 PflVG.

Mit dem Landgericht geht der Senat davon aus, daß der Beklagte den Unfall verschuldet hat, weil er das Gebot des Fahrens auf Sicht nicht ausreichend beachtet hat (§ 3 Abs. 1 Satz 3 StVO). Auf Ziffer 1 der Entscheidungsgründe des Ersturteils wird Bezug genommen.

Zum Berufungsvorbringen ist ergänzend auszuführen:

Es kann dahinstehen, ob die Geschwindigkeit des Beklagten den Sichtverhältnissen angepaßt war, denn die Tatsache des Unfalls zeigt, daß er entweder zu schnell gefahren ist oder unaufmerksam war (vgl. BGH NJW-RR 87, 1235). Auch die Tatsache, daß der Kläger nicht generell damit rechnen mußte, daß sich nachts um 3.00 Uhr auf der Landstraße ein betrunkener Fußgänger auf seiner Fahrbahn befinde, entlastet den Beklagten nicht vom Vorwurf eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Satz 3 StVO. Das Sichtfahrgebot hat vielmehr seine Rechtfertigung gerade darin, daß der Kraftfahrer bei Dunkelheit seine Geschwindigkeit so einrichten muß, daß er sein Fahrzeug auch noch vor einem überraschenden unbeleuchteten Hindernis rechtzeitig anhalten kann (vgl. OLG Hamm, NJW-VHR 1996, 10).

2. Der Senat bewertet allerdings das Mitverschulden des Klägers an dem Unfall so hoch, daß lediglich eine Haftung der Beklagten von 1/6 in Betracht kommt. Denn der Beklagte hat den Unfall ganz überwiegend selbst verschuldet:

Er ist betrunken in dunkler Kleidung bei Regen nachts um 3.00 Uhr auf einer Landstraße auf der Fahrbahn gelaufen, obwohl ein separater Fußweg vorhanden war. Dies war grob fahrlässig.

Zum einen hat er nicht den vorhandenen Gehweg benutzt und damit gegen § 25 Abs. 1 Satz 1 StVO verstoßen. Dann ist er entgegen seiner Verpflichtung gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 StVO nicht am Fahrbahnrand gegangen, wie die frontale Beschädigung rechts von der Mitte des beklagten Fahrzeugs zeige. Schließlich war er als Verkehrsteilnehmer vorwerfbar unaufmerksam (§ 1 Abs. 2 StVO) sonst hätte er, da er die linke Straßenseite benutzte, das Scheinwerferlicht des entgegenkommenden Beklagtenfahrzeugs sehen müssen und hätte die Fahrbahn verlassen können.

Daß er betrunken war, kann ihn nicht entlasten, im Gegenteil. Denn Trunkenheit eines Fußgängers ist zwar nicht strafbar, aber als grob fahrlässige Selbstgefährdung vorwerfbar (vgl. zum alkoholisierten Kraftfahrer BGH NJW 89, 612). Denn der Beklagte wußte, bevor er Alkohol zu sich nahm, daß er noch nach Hause laufen mußte, und damit als Verkehrsteilnehmer unterwegs sein werde. Nur unter Berücksichtigung der Tatsache, daß dem Beklagten auch die Betriebsgefahr gemäß § 7 StVG zuzurechnen ist, ist für den materiellen Schadensersatz eine Mithaftungsquote von 1/6 angebracht.

3. Schadenshöhe:

a) Sachschaden:

Zu erstatten sind 136,85 Euro (1/6 des unstreitigen Sachschadens).

b) Schmerzensgeld:

Hier muß die Betriebsgefahr außer Betracht bleiben, da entsprechend der anzuwendenden zum Unfallzeitpunkt gültigen Bestimmung des § 847 BGB ein Schmerzensgeld nur bei Verschulden in Betracht kommt.

Die Verletzungen des Klägers waren schwerwiegend, er erlitt eine Fraktur des rechten Unterschenkels und eine offene Fraktur des linken Unterschenkels, verschiedene kleinere Brüche, Schädelverletzungen und Absprengungen mehrerer Zähne. Er mußte nach Notaufnahme in der Zeit vom 24.03. bis 16.05.2001 im Klinikum W stationär behandelt werden und in der Zeit vom 16.05. bis 20.06.2001 zur Rehabilitation in der Klinik H in B. Erst seit Juli 2001 konnte er sich wieder auf Krücken fortbewegen. Nach wie vor ist er beeinträchtigt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Feststellungen des Landgerichts unter Ziffer 2 der Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Bei Berücksichtigung dieser schwerwiegenden Verletzungen einerseits und des ganz überwiegenden Mitverschuldens des Klägers andererseits hält der Senat ein Schmerzensgeld von 5.000,00 EUR für angemessen.

c) Feststellungsantrag:

Der Feststellungsantrag ist gemäß § 256 ZPO zulässig und in Höhe von 1/6 begründet.

d) Nebenentscheidungen:

Zinsen: §§ 284, 286, 288 BGB.

Kosten: § 92 ZPO.

Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 10 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO n.F.) sind nicht gegeben.

e) Die Beschwer beider Parteien liegt unter 20.000,00 EUR.

 

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