Bayerische Verwaltungsgerichtshof
Az: 20 ZB 99.1359
Beschluss des 20. Senats vom 11.06.1999
Vorinstanz: VG München – Az.: 20 C 99.1360
M 11 K 98.4313
Leitsätze:
Die aus der Nutzung einer grenzständigen Doppelduplexgarage auf ein Nachbargrundstück bei Tag und bei Nacht einwirkenden Lärmimmissionen sind im Regelfall vom Nachbarn als sozialadäquat hinzunehmen.
In der Verwaltungsstreitsache wegen Baugenehmigung betr. Fl.Nr. 1124 Gemarkung G; Nachbarklage; hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 28. Januar 1999 und Streitwertbeschwerde der Klägerbevollmächtigten, erläßt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 20. Senat, ohne mündliche Verhandlung am 11. Juni 1999 folgenden Beschluß:
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.000,– DM festgesetzt. Die Streitwertbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
Der auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg; er vermag ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts nicht aufzuzeigen.
Die Tekturgenehmigung vom 16. September 1997 verletzt hinsichtlich der Errichtung der Doppelduplexgarage – was allein Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist – keine nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungsrechts. Das Bauvorhaben verstößt weder gegen das aus § 15 Abs. 1 BauNVO für den Einzelfall herzuleitende Gebot der Rücksichtnahme noch werden nachbarliche Rechte bei Gewährung der Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB – wegen des die Baugrenzen überschreitenden Ausmaßes der Doppelduplexgarage – unangemessen hintangestellt.
Der Zulassungsantrag rügt zu Unrecht, daß die Immissionsrichtwerte der TA Lärm durch den Betrieb der Doppelduplexgarage nicht eingehalten würden und gutachtliche Auskünfte zum Emissionsverhalten dieser Anlage nicht eingeholt worden seien. Die Bestimmungen der TA Lärm (1968) sind vorliegend – da eine genehmigungspflichtige Anlage nach dem zweiten Abschnitt des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nicht zur Prüfung steht – nämlich nicht anwendbar; somit besteht auch kein Anspruch auf Einhaltung entsprechender Immissionsrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet. Zwar mögen die Immissionsrichtwerte der TA Lärm oder der VDI-Richtlinie 2058 grobe Anhaltspunkte dafür abgeben, bei welcher Belastung mit Lärmimmissionen durch benachbarte bauliche Anlagen die Zumutbarkeitsgrenze erreicht oder überschritten wird und es gegebenenfalls dann zu einer Verletzung nachbarschützender Bestimmungen kommt. Welche Anforderungen hierfür letztendlich begründet sein müssen, hängt aber von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Das heißt, es ist an Hand der konkreten Umstände – hier hinsichtlich der Garagensituierung – zu prüfen, ob die mit dem Bauvorhaben verbundenen Nachteile das Maß dessen überschreiten, was der Klägerin als benachbarter Grundstückseigentümerin billigerweise noch zugemutet werden kann.
Eine die Zumutbarkeitsgrenze überschreitende Beeinträchtigung der Klägerin ist vorliegend nicht erkennbar. Dies insbesondere aufgrund des Umstandes, daß der Gesetz- und Verordnungsgeber – wegen des durch die ständig zunehmende Motorisierung wachsenden Unterbringungsbedarfs für Pkw´s – es den Anwohnern auch in einem allgemeinen Wohngebiet zumutet, das mit einer zulässigen Grundstücksnutzung verbundene Abstellen und Einparken von Kraftfahrzeugen und das damit einhergehende Lärmaufkommen hinzunehmen. § 12 Abs. 2 BauNVO (der nach § 1 Abs. 3 BauNVO auch für das vorliegende Bebauungsplangebiet Geltung hat) begründet bezüglich der Lärmimmissionen aus der Nutzung von Garagen und Stellplätzen auch hinsichtlich des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO für den Regelfall eine unwiderlegliche Vermutung (Fickert-Fieseler, BauNVO, 9. Aufl., Anm. 8 zu § 12) im Sinne einer nachbarverträglichen Nutzung, wenn die geschaffenen Garagen und Stellplätze notwendig sind in Bezug auf den zulässigerweise geschaffenen Wohnraum. § 12 Abs. 2 BauNVO beinhaltet insoweit eine normative Duldungspflicht. Das Verwaltungsgericht hat unwidersprochen ausgeführt, daß nach der Stellplatzsatzung der Stadt Germering für ein Doppelhaus vier Stellplätze vorzusehen sind. Mehr Stellplätze werden durch die streitige Doppelduplexgarage nicht geschaffen.
Auch bauordnungsrechtliche Bestimmungen führen zu keinem abweichenden Ergebnis. Die – wiederum dem Schutz der Nachbarn zu dienen bestimmte und als Ausprägung des Gebots der Rücksichtnahme zu verstehende – Vorschrift des Art. 52 Abs. 6 Satz 1 BayBO 98/Art. 58 Abs. 6 Satz 1 BayBO 94 soll das Ruhebedürfnis von Anliegern gegenüber erheblichen Störungen aus der Nutzung von Kraftfahrzeug-Stellplätzen sicherstellen. Doch gilt auch hierfür das oben Gesagte: Die TA Lärm oder die VDI-Richtlinie 2058 finden keine Anwendung, somit auch nicht dort enthaltene Spitzenpegelkriterien (vgl. diesbezüglich VGH-BW v. 20.7.1995, BRS 57, 167). Kurzfristige Überschreitungen der dortigen Immissionsrichtwerte für die Nacht sind hinzunehmen (BayVGH v. 12.10.1992, Az. 15 CS 92.2532). Nach ständiger Rechtsprechung zu bauordnungsrechtlichen Bestimmungen, die den Schutz von Lärmimmissionen aus Garagenanlagen zum Gegenstand haben, müssen Nachbarn die sich aus der Nutzung von Garagen ergebenden üblichen Störungen bei Tag und bei Nacht hinnehmen, wenn die Garagenanlage in ihrem Ausmaß das Bedürfnis nicht überschreitet, das sich aus dem auf dem Grundstück zulässigerweise verwirklichten Wohnungsbestand ergibt (vgl. etwa VGH-BW v. 23.10.1990, NVwZ-RR 1991, 287). In diesem Ausmaß auf ein Nachbargrundstück einwirkender (Verkehrs) Lärm gehört zu einem Wohngebiet, ist eine Begleiterscheinung der Kraftfahrzeugnutzung als üblichem Zubehör des täglichen Lebens und damit allseits sozialadäquat zumutbar. Daß es durch die Errichtung der Doppelduplexgarage zu den beschriebenen Rahmen übersteigenden, unzumutbaren Belästigungen auf dem Grundstück der Klägerin kommen könnte, kann der Zulassungsantrag schlüssigerweise nicht dartun, zumal es sich in der streitigen Umgebung um ein von topografischen Gegebenheiten her völlig normal gestaltetes, auf gleicher Höhenlage liegendes Baugebiet handelt und das Zufahrtstor zur Doppelduplexgarage sich zudem an der vom Wohnhaus der Klägerin abgelegenen Garagenseite befindet. Eine unzumutbare, gravierende, das übliche Maß übersteigende Störung der Wohnsituation auf dem Grundstück der Klägerin ist somit nicht zu befürchten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 Satz 1 Abs. 3 GKG. Nachdem es sich lediglich um eine einzelne Garage handelt, hält der Senat die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für zutreffend und die dagegen gerichtete Beschwerde für unbegründet.