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Gaswheelie mit Motorrad – Eingriff in Straßenverkehr

Amtsgericht Lübeck

Az: 61 Gs 125/11

Beschluss vom 09.12.2011


In dem Ermittlungsverfahren wegen vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis wird dem Beschuldigten die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen vorläufig entzogen.

Gründe

Der Antrag der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten vorläufig die Fahrerlaubnis zu entziehen ist, ist zulässig und dringt auch in der Sache – wenngleich mit abweichender Begründung – durch.

1.

Dem Erfolg des Antrags steht insbesondere nicht schon entgegen, dass er erst knapp drei Monate nach dem Tattag gestellt wurde (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 54. A. 2011, § 111a Rdn. 3 m.w.N. zum Meinungsstand), denn nach Erstellung eines im Ermittlungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens und sodann erfolgter Abgabe durch die Polizei an die Staatsanwaltschaft ist unmittelbar danach von dieser der Antrag gestellt worden. Eine Entscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis kommt aber regelmäßig erst in Betracht, wenn der Sachverhalt genügend aufgeklärt ist (vgl. König, in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. A. 2011).

Auch die materiellen Voraussetzungen für die vorläufige Fahrerlaubnisentziehung nach § 111 a StPO sind nach dem bisherigen Ermittlungsstand gegeben.

Danach befuhr der Beschuldigte am 27.08.2011 gegen 21:17 Uhr mit dem Kraftrad Suzuki Typ GSX-R 750/WVB 3 mit einer (zulassungs-)bescheinigten Nennleistung von 25 kw (9300 Umdrehungen/min) – amtliches Kennzeichen …öffentliche Straßen, u.a. die Hauptstraße. Dabei bewirkte er durch eine gezielte Betätigung des Gashebels, dass sich das Kraftrad mit dem Vorderrad von der Straße aufrichtete (sog. Gaswheelie). Nachdem der Beschuldigte zunächst allein auf dem Hinterrad weitergefahren war, verlor er aus nach derzeitigem Sachstand unbekannten Gründen die Kontrolle über das Kraftrad und stürzte. Das Kraftrad rutsche über die Straße auf einen angrenzenden Gehweg, verfehlte dabei sich zwei dort befindliche Passanten letztlich nur dank deren schnellen Ausweichens um weniger als einen Meter und kollidierte schließlich mit zwei Verkehrsschildern, von denen eines leicht beschädigt, eines zerstört wurde. Der Beschuldigte verfügt seit dem 29.09.2010 über eine Fahrerlaubnis der Klasse A, wobei diese bis zum 29.09.2012 auf Krafträder mit einer Leistung von maximal 25 kw beschränkt ist. Nach den vorläufigen Untersuchungen des Sachverständigen wurden an dem Kraftrad technische Veränderungen vorgenommen, nämlich ein Ausbau der Leistungsreduzierung im Ansaugkanal, was zur Folge hat, dass eine Leistung von ca. 50 bis 60 kw erzielt werden kann.

2.

Dem Beschuldigten war vorläufig die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenngleich er – wie noch näher auszuführen sein wird – jedenfalls nach bisherigem Ermittlungsstand nicht der Begehung einer Katalogtat im Sinn des § 69 Abs. 2 StGB dringend verdächtig ist. Der Beschuldigte ist aber jedenfalls dringend verdächtig, mit dem Kraftrad öffentliche Straßen befahren zu haben, obwohl er – wie er wusste – nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis war (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG). Dies genügt bereits für sich, um ihm die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen.

a) Gemäß § 111 a Abs. 1 S. 1 StPO kann dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis endgültig gemäß § 69 StGB entzogen werden wird. „Dringende Gründe“ sind dabei im Sinn eines „dringenden Tatverdachts“ (§ 112 StPO) zu verstehen. Erforderlich ist mithin, dass nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis in seiner Gesamtheit eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer rechtswidrigen Tat im Sinn des § 69 StGB ist und darüber hinaus ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Gericht den Beschuldigten für ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen halten und ihm daher die Fahrerlaubnis entziehen wird (vgl. statt vieler Meyer-Goßner, a.a.O., § 111a Rdn. 2 m.w.N.), wobei bei der Prüfung im Rahmen des § 111 a StPO ein auf die Verurteilungschancen bezogenes Wahrscheinlichkeitsurteil auf Grund des vorliegenden Tatsachenmaterials zu treffen ist (vgl. LG Meiningen, Beschluss vom 20.08.2009 – 2 QS 152/09, Tz. 7, zitiert nach […]). Gemäß § 69 Abs. 1 S. 1 StGB entzieht das Gericht u.a. dann (endgültig) die Fahrerlaubnis, wenn jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt wird und sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Die Ungeeignetheit muss sich aus der sog. Anlasstat ergeben. Sie liegt vor, wenn eine Würdigung der körperlichen, geistigen oder charakterlichen Voraussetzungen des Täters und der sie wesentlich bestimmenden objektiven und subjektiven Umstände ergibt, dass seine Teilnahme am Kraftfahrzeugverkehr zu einer nicht hinnehmbaren Gefährdung der Verkehrssicherheit führen würde (vgl. etwa BGH NStZ 2003, 658, 659 [BGH 14.05.2003 – 1 StR 113/03]; eingehend BGH (GrS) NJW 2005, 1958 ff.; Fischer, StGB, 58. A. 2011, § 69 Rdn. 14 m.w.N.). Charakterliche Mängel sind erheblich, wenn sich aus ihnen eine Unzuverlässigkeit im Hinblick auf die Sicherheit des öffentlichen Kraftfahrzeugverkehrs und verkehrsspezifische Gefahren für Rechtsgüter Dritter ergibt. Anzunehmen ist dies regelmäßig bei Rücksichtslosigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber Interessen oder Rechtsgütern anderer sowie Bedenkenlosigkeit gegenüber dem durch das eigene Fehlverhalten verursachten Gefährdungen (Fischer, a.a.O., Rdn. 18 m.w.N.), insbesondere wenn dies auf verfestigten Fehleinstellungen beruht (vgl. LG Meiningen, a.a.O., m.w.N.). Lediglich wenn ein dringender Verdacht besteht, dass eine Katalogtat nach § 69 Abs. 2 StGB begangen wurde, erübrigt sich bei Fehlen wichtiger Gegengründe eine nähere Prüfung (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 111a Rdn. 2 m.w.N.).

b) Ausgehend hiervon ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis geboten, weil sich der Beschuldigte nach gegenwärtigem Sachstand jedenfalls des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG dringend verdächtig gemacht hat.

Dieser Straftatbestand ist auch dann verwirklicht, wenn ein Fahrzeug einer Klasse geführt wird, für das eine erteilte Fahrerlaubnis nicht gilt. Gilt eine Fahrerlaubnisklasse eines Kraftfahrzeugs nur bis zu einer bauartbestimmten Höchstgeschwindigkeit, so wird der Tatbestand erfüllt, wenn durch technische Veränderungen eine höhere Geschwindigkeit erzielt wird (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2006, 855; König, a.a.O., § 21 StVG Rdn. 2 m.w.N.). So liegt der Fall im Ergebnis auch hier, mit der für die rechtliche Einordnung unerheblichen Abweichung, dass dem Beschuldigten eine auf die Leistung beschränkte Fahrerlaubnis erteilt war. Nach Vornahme der von dem Sachverständigen festgestellten technischen Veränderungen, verbunden mit einer Leistungssteigerung, war das Führen des Kraftrades nicht mehr von der beschränkt erteilten Fahrerlaubnis umfasst, jedes Fahren damit ein solches ohne Fahrerlaubnis.

Zwar gilt die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB nicht für ein Fahren ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 StVG. Hingegen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei sog. verkehrs-spezifischen Anlasstaten, also bei solchen die ihrer Natur nach oder wegen ihrer Begehung gerade als Kraftfahrzeugführer die Sicherheit des Straßenverkehrs sowie von Rechtsgütern von Verkehrsteilnehmern betreffen, die Annahme von Ungeeignetheit im Sinn des § 69 Abs. 1 StGB nahe liegt, wenn nicht erhebliche Umstände dagegen sprechen (vgl. Fischer, a.a.O., Rdn. 38). Eine solche verkehrs-spezifische Anlasstat ist auch das Fahren ohne Fahrerlaubnis (BGH NStZ-RR 2007, 40; 2007, 89). Umstände, die einen nahe liegenden Eignungsmangel des Beschuldigten widerlegen oder jedenfalls in Zweifel ziehen könnten, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil liegen hinreichende Umstände vor, welche bei einer selbst umfassenden Prüfung und Gesamtwürdigung die Annahme begründen, dass bei Teilnahme des Beschuldigten am Straßenverkehr als Führer eines Kraftfahrzeuges auch künftig Verletzungen seiner Pflichten und damit verbunden Gefahren für die Allgemeinheit zu befürchten sind. Der Beschuldigte musste schon angesichts der tatsächlich möglichen Leistung um die Manipulation seines Kraftrades wissen, wenn er diese nicht schon selbst vorgenommen hat. Die Manipulation diente zudem einzig dem Zweck der Leistungssteigerung mit dem nahe liegenden Ziel, den gesteigerten Leistungsumfang auch tatsächlich auszuschöpfen. Dies muss bei lebensnaher Betrachtung nach dem derzeitigen Sachstand unterstellt werden. Der Fall liegt schon insoweit anders als etwa das bloße Führen eines Pkw ohne entsprechende Fahrerlaubnis, um diesen als Fortbewegungsmittel, im Übrigen aber ordnungsgemäß, d.h. entsprechend den sonstigen Vorgaben des Straßenverkehrsrechts, zu nutzen. Hier aber hat der Beschuldigte die Leistungsreduzierung, welche selbst noch eine (zulassungs-)bescheinigte Höchstgeschwindigkeit von immerhin 145 km/h ermöglicht hätte, bewusst technisch ausgeschaltet – oder ausschalten lassen -, um eigene Ziele über die eigentliche Fortbewegung hinaus zu verwirklichen. Wer aber bereit ist, derlei technische Eingriffe vorzunehmen, der offenbart verfestigte Fehleinstellungen, welche die Sicherheitsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer ignorieren, und damit schwerwiegende charakterliche Mängel.

In diesem Zusammenhang kann schließlich auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beschuldigte bereits am 12.06.2011 mit einem einschlägigen Fahrverhalten und anschließendem Unfall mit einem Pkw aufgefallen ist, unbeschadet ob das Kraftrad schon seinerzeit ohne Fahrerlaubnis geführt wurde (es wurde nach jenem Vorfall offensichtlich nicht auf eine technische Veränderung untersucht). Auch wenn dabei auf die gefährliche Fahrweise und nicht auf den Vorwurf der Anlasstat abgestellt wird, kann dies nach Ansicht des Gerichts jedenfalls bei einer Gesamtwürdigkeit nicht außer Betracht bleiben, offenbart dies doch, dass kein einmaliges situationsbedingtes Fehlverhalten in Rede steht (vgl. dazu Fischer, a.a.O., Rdn. 37), sondern offensichtlich eine Unbelehrbarkeit des Beschuldigen. Für die Bewertung der charakterlichen Voraussetzungen ist dies relevant und zu beachten. Auch erhärtet dies den nach derzeitigem Stand der Ermittlungen dringenden Verdacht, dass dem Beschuldigte, dem es offenbar um mehr als eine nur sportliche Fahrweise zu gehen scheint und der dabei offensichtlich die technischen Möglichkeiten seines Kraftrades austestet und ausschöpft, dessen tatsächliche Leistungsfähigkeit über die verbriefte hinaus jedenfalls bekannt war. Auch das Nachtatverhalten des Beschuldigten, namentlich zunächst ein umgehendes Verlassen der Unfallörtlichkeit (dazu sogleich), die Aufforderung an die Zeugen, keine Polizei zu rufen, sowie schließlich die Versuche das verunfallte Kraftrad wegzuschaffen bzw. wegschaffen zu lassen, sprechen für diese Annahme.

c) Der Beschuldigte ist zudem zwar dringend verdächtig, sich nach der Kollision seines Kraftrades mit einem Verkehrsschild in Kenntnis dieser Umstände unerlaubt von der Unfallstelle entfernt zu haben, ohne die erforderlichen Feststellungen abzuwarten oder zu ermöglichen (§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Dass er sich seiner Einlassung entsprechend zum Aufsuchen eines Krankenhauses zwecks Behandlung seiner Verletzungen, und deshalb etwaig berechtigt (§ 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB, dazu Fischer, a.a.O., § 142 Rdn. 45 m.w.N.), entfernt hat, erscheint angesichts der dokumentierten vergleichsweise geringfügigen (Schürf-)Verletzungen bereits abwegig und ist überdies durch die Ermittlungen der Polizei im örtlichen Krankenhaus widerlegt. Der dringende Tatverdacht entfällt auch nicht deshalb, weil der Beschuldigte etwa eine halbe Stunde nach dem Unfall zur Unfallstelle zurückgekehrt ist und sich gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten als Beteiligter zu erkennen gegeben hat. Dieses Verhalten hat auf die Tatbestandsvollendung keinen Einfluss, da der Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB vollendet ist, sobald der Unfallbeteiligte unter den dort genannten Voraussetzungen den Unfallort verlassen hat. Es stellt sich mangels der weiteren Voraussetzungen des § 142 Abs. 4 StGB – Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs – auch nicht als tätige Reue dar. Ob dies im Rahmen der nach § 111 a StPO vorzunehmenden vorläufigen Würdigung überhaupt beachtlich wäre, kann deshalb offen bleiben.

Für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (auch) wegen des dringenden Verdachts des unerlaubten Entfernens vom Unfallort fehlt es nach derzeitigem Ermittlungsstand aber an einem von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB weiterhin vorausgesetzten bedeutenden Fremdschaden. Die Wertgrenze liegt – nach der im Einzelnen uneinheitlichen Rechtsprechung – jedenfalls oberhalb von 1.000 EUR (vgl. zum Meinungsstand Fischer, a.a.O., Rdn. 29 m.w.N.; i. E. auch BGH NStZ 2011, 215, 216, dort zur Wertgrenze des § 315 b Abs. 1 StGB (750 EUR) und gegen eine Angleichung an die Wertgrenze des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB). Nach den bisherigen Ermittlungen beträgt der Schaden an dem beschädigten Verkehrsschild nur (bisher wohl lediglich geschätzte) 400 EUR, so dass die relevante Wertgrenze deutlich nicht erreicht ist. Auf Schäden an dem vom Beschuldigten geführten Kraftrad kommt es von vornherein nicht an (vgl. Fischer, a.a.O., Rdn. 26).

d) Ebenso scheidet jedenfalls nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ein dringender Verdacht eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315 b StGB) aus.

Das in Rede stehende, die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigende und die Gesundheit anderer nach den konkreten Umständen unzweifelhaft konkret gefährdende Verhalten stellt sich nach den bisherigen Ermittlungen (noch) nicht als Eingriff in den Straßenverkehr dar. In Betracht kommt allein ein Eingriff im Sinn des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB. Die Vorschrift erfasst Eingriffe, die den in den Nr. 1 und 2 erfassten Tathandlungen ähnlich und ebenso gefährlich sind. Gemeint sind damit in allen Tatbestandsvarianten nur verkehrsfremde Eingriffe in den Straßenverkehr, d.h. Eingriffe von außen. Störungen des fließenden Verkehrs auf öffentlichen Straßen durch Verkehrsteilnehmer, die mithin Teil von Verkehrsvorgängen sind, werden hingegen grundsätzlich durch die abschließende Regelung des § 315 c StGB erfasst (vgl. etwa BGHSt 48, 233, 236 f.; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, 325, 326; Fischer, a.a.O., § 315 Rdn. 2, 7, 9 ff.; Sternberg-Lieben/Hecker, in Schönke/Schröder, StGB, 28. A. 2010, § 315 b Rdn. 7). Dieses insbesondere am sprachlichen Ausdruck „Eingriff“ in § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB festgemachte Verständnis findet indes nach ständiger Rechtsprechung bei Handlungen im Straßenverkehr eine Ausnahme, wenn diese sich als verkehrsfremde – nicht nur verkehrswidrige – Eingriffe darstellen, und der Täter als Verkehrsteilnehmer gleichsam einen Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr pervertiert (vgl. Fischer, a.a.O., Rdn. 9 m.w.N.). Dies setzt objektiv eine grobe Einwirkung von einigem Gewicht, letztlich eine besondere Gefährlichkeit voraus. Auch dann sind Eingriffe im Sinn des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB aber nur angenommen worden, wenn sie in subjektiver Hinsicht unter bewusster Zweckentfremdung des Fahrzeugs absichtlich als Mittel der Verkehrsbehinderung begangen werden, bei dem es dem Täter also darauf ankommt, durch sein Verhalten in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., m.w.N.). Diese schon weithin anerkannte Ausnahme ist durch die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nochmals weiter gehend dadurch eingeschränkt worden, als dass der bewusst zweckwidrige Einsatz eines Fahrzeugs mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz – etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug – erfolgen muss (grundlegend BGH NJW 2003, 1613, 1614 [BGH 20.02.2003 – 4 StR 228/02].; Fischer, a.a.O., Rdn. 9 a; abl. etwa Sternberg-Lieben/Hecker, a.a.O., Rdn. 10, jeweils m.w.N.). Danach sind als tatbestandsmäßig angesehen worden etwa ein absichtliches Auffahren auf ein vorausfahrendes oder ein im öffentlichen Verkehrsraum abgestelltes Fahrzeug, ein Zufahren jedenfalls mit hoher Geschwindigkeit auf eine auf der Fahrbahn gestürzte Person oder ein Abgeben von Schüssen aus einem Fahrzeug.

Dem lässt sich das vorliegende (Fahr-)Verhalten des Beschuldigten bei einem wertenden Vergleich nicht gleichstellen. Zwar kann – mit der Auffassung der Staatsanwaltschaft – im Ausgangspunkt zweifelsfrei festgestellt werden, dass der Beschuldigte die Fahrt auf dem Hinterrad ohne Rücksicht auf die Sicherheit des Straßenverkehrs in hohem Maße verkehrswidrig unternommen und den Straßenverkehr gleichsam zu seinem Ausleben pervertiert hat. Damit rückt der Sachverhalt aber wertungsmäßig in die Nähe etwa des sog. Auto-Surfens, bei welchem das Oberlandesgericht Düsseldorf die Verwendung eines Pkw zur Mitnahme von auf dem Dach liegenden Personen als zwar zweckentfremdetes Mittel der Unterhaltung angesehen, den Vorgang aber nicht als Eingriff in den Straßenverkehr bewertet hat (NStZ-RR 1997, 325 ff.; zustimmend etwa Sternberg-Lieben/Hecker, a.a.O., Rdn. 12; a. A. Saal, NZV 1998, 49, 50 ff.). Soweit es bei der Beurteilung im dortigen Streitfall auch darauf abgestellt hat, dass von den Beteiligten bewusst verkehrsfreie Feldwege zur Nachtzeit ausgewählt wurden, hier der Beschuldigte aber Hauptstraßen zur Abendzeit befahren hat, ändert dies an der Bewertung nichts. Denn ein absichtlich auf die Störung des Straßenverkehrs (zweck-)gerichtetes verkehrsfeindliches oder gar mit mindestens bedingtem Schädigungsvorsatz vorgenommenes Fahrverhalten, in dem das Kraftrad als Waffe oder Schadenswerkzeug missbraucht wird, lässt sich derzeit nicht annehmen, auch wenn der Beschuldigte eine Gefährdung anderer nicht schon durch die Wahl einer wenig befahrenen Wegstrecke von vornherein ausgeschlossen hat. Die gegenständliche Fahrt diente primär fahrerischen Unterhaltungszwecken, damit aber jedenfalls auch einem eigenen Fortkommen im Verkehr. Eine andere Beurteilung hätte letztlich zur Folge, dass eine Vielzahl bewusst risikoreicher, teilweise geradezu grotesk-absurder Fahrmanöver im täglichen Straßenverkehr der vergleichsweise hohen Strafdrohung und -erwartung des § 315 b StGB unterfielen. Dies mag aus generalpräventiven Gesichtspunkten zur mäßigenden Einwirkung auf das Verhalten im Straßenverkehr zwar geboten erscheinen. Eine solche Betrachtung verschließt sich aber, da nach dem Willen des Gesetzgebers abstrakt besonders gefährliche Verkehrsverstöße enumerativ von § 315 c Abs. 1 Nr. 2 StGB erfasst sind.

e) Schließlich lässt sich nach dem gegenwärtigen Sachstand auch ein dringender Verdacht einer Straßenverkehrsgefährdung (§ 315 c Abs. 1 Nr. 2 StGB) nicht feststellen.

Zwar dürften nach den vorstehenden Erwägungen hier die Tatbestandsmerkmale sowohl des grob verkehrswidrigen als auch des rücksichtlosen Verhaltens als erfüllt anzusehen sein, weil das Verhalten des Beschuldigten erheblich von einem pflichtgemäßen Verhalten abweicht und in ihm nahe liegend eigensüchtige Motive zum Ausdruck kommen. Das bisherige Ermittlungsergebnis lässt hingegen nicht einen der enumerativ aufgeführten Verstöße feststellen, wobei von vornherein nur § 315 c Abs. 1 N. 2 lit. d) StGB in Betracht kommt. Auch insoweit besteht nach den vorliegenden Zeugenaussagen durchaus der Verdacht, dass der Beschuldigte mit deutlich überhöhter – vermeintlich der doppelt zulässigen – Geschwindigkeit gefahren ist. Hierfür sprechen auch der von der Polizei ermittelte Rutschweg von immerhin 65 Metern sowie die Endstellung des abgerissenen Drehzahlmessers bei 12.000 Umdrehungen/m. Ferner liegt die Fahrtstrecke ausweislich der in der Akte befindlichen Unfallskizzen und Lichtbilder im Bereich von Straßenkreuzungen/-einmündungen. Für ein tatbestandsrelevantes Verhalten müsste aber hinzukommen, dass die durch zu schnelles Fahren herbeigeführte Gefahr in einem inneren Zusammenhang mit den Risiken des Kreuzungs-/Einmündungsbereichs steht, indem etwa die Kontrolle über ein Fahrzeug wegen nahenden Querverkehrs verloren wird. Dies kann derzeit nicht festgestellt werden. Nicht ausreichend ist, dass sich der allein durch zu schnelles Fahren verursachte Unfall in örtlicher Nähe zu Straßenkreuzungen/-einmündungen ereignet (vgl. BGH NStZ 2007, 222; Fischer, a.a.O., § 315 c Rdn. 8).

3.

Nach alledem ist nach § 111 a Abs. 1 StPO die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis geboten, weil der Beschuldigte eines Vergehens gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG dringend verdächtig und mit einer Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB durch späteres Straferkenntnis zu rechnen ist.

Dieser Beschluss ist sofort wirksam. Er wirkt zugleich als Anordnung bzw. Bestätigung der Beschlagnahme des Führerscheines (§ 111 a Abs. 3 StP0). Der Führerschein sollte – sofern noch nicht geschehen – sofort dem zuständigen Polizeirevier unter Vorlage dieses Beschlusses übergeben werden. Jedes weitere Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr ist strafbar und kann zur Einziehung des Kfz führen (§ 21 StVG), auch wenn der Führerschein noch nicht herausgegeben ist oder wenn ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss eingelegt wird.

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