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Gebäudewand vollständig auf Nachbargrundstück errichtet – Grenzeinrichtung i.S.v. § 921 BGB?

LG Bonn, Az.: 1 O 351/15, Urteil vom 29.04.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin des Hauses S-Straße ### in B. Das Wohnhaus der Klägerin ist Teil einer alten Bebauung etwa aus dem 17. Jahrhundert, die früher als Scheune genutzt wurde. Etwa 1928 wurde dieses landwirtschaftliche Gebäude in ein Wohnhaus umgewandelt, wobei der Umfang der in diesem Zeitraum erfolgten baulichen Maßnahmen im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist.

Der Beklagte erwarb im Jahre 2014 das Nachbargrundstück S -Straße ###, auf dem sich bei Erwerb ein an das Haus der Klägerin angrenzendes Gebäude befand (Lichtbild Anlage ddkb1 = Bl.## d.A.). Nach Erhalt der entsprechenden Genehmigung ließ der Beklagte den auf seinem Grundstück befindlichen (größeren) Gebäudeteil (vgl. Auszug aus dem Liegenschaftskataster, Anlage ddkb2 = Bl.## d.A.) abreißen, um darauf ein Drei-Familienhaus zu errichten. Die Lage des Neubaus ergibt sich aus dem rot markierten Bereich des mit der Klageschrift eingereichten Lageplanes (Bl.# d.A.).

Gebäudewand vollständig auf Nachbargrundstück errichtet - Grenzeinrichtung i.S.v. § 921 BGB?
Symbolfoto: N-sky/Bigstock

Im Zuge der Bauarbeiten des Beklagten wurde die Wand des zuvor an das abgerissene Gebäude auf dem Beklagtengrundstück angrenzenden Wohnhauses der Klägerin im Dachgeschoß und teilweise im Obergeschoß freigelegt und mit einer Plane abgedeckt (Lichtbild als Anlage zum Protokoll vom 19.02.2016 = Bl.## d.A.). Im ersten Obergeschoß des Wohnhauses der Klägerin liegt eine Überbauung mit einer Tiefe von circa 60 cm auf das Beklagtengrundstück vor (vgl. Lichtbilder 1 und 2 der Anlage ddkb4 = Bl.## d.A.).

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 14.04.2015 (Bl.# – ## d.A.) forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung dazu auf, für eine ordnungsgemäße Außenisolierung entsprechend den heutigen Bauvorschriften zu sorgen.

Die Klägerin behauptet, infolge der Freilegung der Grenzwand sei es in ihrer Wohnung kalt geworden und es drohe auch, feucht zu werden. Geeignete Isolierungsmaßnahmen würden einen Kostenaufwand von 10.000,00 EUR erfordern.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die zum Haus S-Straße ### der Klägerin auf seinem Grundstück S -Straße ### durch Abbruch eines alten dort stehenden Gebäudes freigelegte Grenzwand auf seine Kosten zu isolieren und wetterfest abzudichten.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die Plane sei sach- und fachgerecht aufgebracht. Beeinträchtigungen seien derzeit nicht zu befürchten. Er trägt unwidersprochen vor, die komplette Giebelwand sei in dem streitgegenständlichen Bereich mit fest verdübelten USB-Platten versehen und die Plane zweifach aufgebracht. Er vertritt die Rechtsansicht, dass die Klägerin zum Rückbau des Überbaus – unstreitig bestehend aus einem Stahlträger und einer Kalksandstein-Mauer – verpflichtet sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen und Lichtbilder Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Vornahme der von ihr begehrten Isolierungs- und Abdichtungsmaßnahmen.

Der Klageanspruch kann weder aus § 922 Satz 3 BGB noch aus den §§ 1004 Abs.1 Satz 1, 903 Satz 1 BGB oder gar als Schadenersatzanspruch aus den §§ 823 Abs.1, 249f. BGB abgeleitet werden.

Unabhängig von der fraglichen Anspruchsqualität dieser Norm ist § 922 Satz 3 BGB im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da der von dem Beklagten abgerissene Gebäudeteil auf dem von ihm erworbenen Grundstück S keine Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB, insbesondere die zuvor das Wohnhaus der Klägerin abdeckende Wand keine Nachbarwand (auch halbscheidige Giebelmauer beziehungsweise Kommunmauer genannt; vgl. OLG Frankfurt, Hinweisbeschluss vom 29.03.2010 – 4 U 29/10 = NJOZ 2010, 2651, 2652) war. Denn die zum Klägergrundstück weisende abgerissene Wand stand als Grenzwand im Alleineigentum des Beklagten und fällt damit nicht unter § 921 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 16.04.2010 – V ZR 171/09 = NJW 2010, 1808f.; OLG Frankfurt, aaO.; Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl. 2016, § 921 Rd.1 und Rd.5ff.; K.Schmidt JuS 2010, 730, 731 jeweils m.w.N.), an dessen Voraussetzungen § 922 BGB ausdrücklich anknüpft.

Darüber hinaus fehlt es auch an einem Anbau der Klägerin an diese Grenzwand, der geeignet wäre Unterlassungs- und Schutzansprüche der Klägerin zu begründen. Denn beide Gebäude verfügen ausweislich der zu den Akten gereichten Lichtbilder der Parteien unabhängig voneinander über die erforderliche Standsicherheit. Das bloße Nebeneinander standsicherer Gebäude reicht indes nicht aus, um einen unter Umständen schützenswerten Anbau an eine Grenzwand zu begründen (vgl. OLG Frankfurt, aaO.; Palandt/Bassenge, aaO., § 921 Rd.8 m.w.N.). Vielmehr war der Beklagte gemäß § 903 Satz 1 BGB dazu berechtigt, mit dem auf seinem Grundstück befindlichen Gebäude nach Belieben zu verfahren und die erforderlichen Baumaßnahmen für eine ihm angemessen erscheinende bauliche Nutzung seines Eigentums durchzuführen (vgl. auch BGH, aaO.; K.Schmidt, aaO.).

Hieraus folgt zugleich, dass etwaige faktische Beeinträchtigungen des Wohnhauses der Klägerin durch die Freilegung der streitgegenständlichen Giebelwand nicht auf eine rechtswidrige Störung des Eigentums der Klägerin durch den Beklagten im Sinne der §§ 1004, 823 Abs.1 BGB zurückzuführen sind. Die Klägerin hat deshalb wegen der nunmehr nach ihrem streitigen Sachvortrag bestehenden Notwendigkeit, die Giebelwand ihres Hauses durch weitergehende bauliche Maßnahmen vor Witterungseinflüssen zu schützen, gegen den Beklagten weder einen Anspruch auf Vornahme dieser Arbeit noch auf dessen Beteiligung an den dafür entstehenden Kosten (vgl. BGH, aaO.; OLG Frankfurt, aaO.).

Der Umstand, dass hinsichtlich des streitgegenständlichen Gebäudeteils der Klägerin ein Überbau auf das Beklagtengrundstück vorliegt, unterstreicht diese Würdigung. Auch die Grundsätze des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses (§ 242 BGB; vgl. dazu Palandt/Bassenge, aaO., § 921 Rd.15; K.Schmidt, aaO. jeweils m.w.N.) führen deshalb zu keinem abweichenden Ergebnis.

Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Beklagte aus § 912 Abs.1 BGB oder den Grundsätzen des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses zur Duldung dieses Überbaus verpflichtet ist, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Beantwortung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Streitwert: 10.000,00 EUR

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