Landgericht Freiburg
Az: 3 S 77/11
Urteil vom 10.11.2011
Im Rechtsstreit … wegen Forderung hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg auf die mündliche Verhandlung vom 06. Oktober 2011 für Recht erkannt:
1.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Ettenheim vom 25. Januar 2011 – 1 C 238/10 – wird zurückgewiesen.
2.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Urteil des Amtsgerichts Ettenheim vom 25. Januar 2011 – 1 C 238/10 – ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4.
Die Revision wird zugelassen.
5.
Beschluss: Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers aus einer Garantievereinbarung.
Am 23. Oktober 2009 kaufte der Kläger bei der Firma B. GmbH in X einen Pkw Rover, Typ LT mit einem Kilometerstand von 116.433 km. Die Firma B. GmbH ist kein Rover-Vertragshändler.
Zugleich mit dem Kaufvertrag schloss der Kläger mit der Firma B. GmbH eine Garantievereinbarung ab, deren technische Abwicklung ausweislich der schriftlichen Garantievereinbarung die Beklagte übernahm. Für die Übernahme dieser Garantie entrichtete der Kläger keine gesonderte, über den Kaufpreis von 5.000,00 EUR hinausgehende Vergütung an die Verkäuferin. In den Garantiebedingungen ist u.a. bestimmt:
„§ 1 Inhalt der Garantie
Der Verkäufer/Garantiegeber gibt dem Käufer/Garantienehmer eine Garantie, die die Funktionsfähigkeit der in § 2 Ziffer 1 genannten Bauteile ab Garantiebeginn für die vereinbarte Dauer umfasst. Ein Garantiefall tritt ein, wenn eines der garantierten Teile innerhalb der vereinbarten Garantielaufzeit unmittelbar und nicht infolge eines Fehlers anderer Teile seine Funktionsfähigkeit verliert und dadurch eine Reparatur erforderlich wird. Sie gilt im Inland, bei vorübergehenden Fahrten, etwa Urlaubs – oder Geschäftsfahrten, auch im europäischen Ausland. Eine vorübergehende Fahrt liegt dann nicht vor, wenn sich das Fahrzeug für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen vorwiegend im Ausland befindet. Die Garantie begründet keine Ansprüche auf Rücktritt vom Kaufvertrag oder Minderung (Herabsetzung des Kaufpreises). Schlägt die Reparatur zweimal fehlen, so kann der Käufer/Garantiegeber verlangen, dass eine andere Fachwerkstatt mit der Durchführung der Reparatur beauftragt wird. Eventuelle Ansprüche des Käufers aus der gesetzlichen Gewährleistung werden durch die Garantie nicht ausgeschlossen. Weitere Voraussetzung für Garantieansprüche ist die Beachtung der Vorgaben aus § 4.
Die …. Garantie AG, xxx übernimmt die technische Abwicklung der Garantie.
(…)
§ 4 Pflichten des Käufers/Garantienehmers
Voraussetzung für jegliche Garantieansprüche ist, dass der Käufer/Garantienehmer:
1. vor dem Schadenfall
a) die an seinem Fahrzeug vom Hersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs- oder Pflegearbeiten beim Verkäufer/Garantiegeber oder bei einer vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen lässt; (…)“
Im Mai 2010 fiel an dem vom Kläger gekauften Kraftfahrzeug das Ölpumpenrad wegen einer defekten Schraube ab. Infolgedessen kam es zu einem Motorschaden. Am 28. Mai 2010 wurde das Fahrzeug zu der Verkäuferin (der Firma B. GmbH) geschleppt; am gleichen Tag zeigte der Kläger gegenüber der Beklagten den Motorschaden an. Am 09. Juni 2010 ließ der Kläger bei der Firma Autohaus Y in X einen Austauschmotor einbauen. Von der Reparaturrechnung in Höhe von 4.623,17 EUR verlangt der Kläger einen Betrag von 1.500,00 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten von der Beklagten.
Es ist zwischen den Parteien nicht streitig, dass die Beklagte unmittelbar passivlegitimiert ist, auch wenn sie nicht Garantiegeberin ist, sondern nach den vertraglichen Vereinbarungen lediglich die technische Abwicklung der Garantie übernommen hat.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Inhalts der Garantiebedingungen wird auf das Urteil des Amtsgerichts Ettenheim vom 25. Januar 2011 – 1 C 238/10 – Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Mit dem erwähnten Urteil hat das Amtsgericht Ettenheim die Klage abgewiesen. § 4 Ziffer 1 a der Garantiebedingungen sei nicht erfüllt. Der Kläger habe die vorgeschriebenen Wartungs- und Pflegearbeiten weder beim Händler noch bei einer von Hersteller (Firma Rover) anerkannten Vertragswerkstatt durchführen lassen. Soweit er am 07. April 2010 bei der Firma D eine Inspektion durchgeführt habe, habe es sich nicht um eine vom Hersteller anerkannte Vertragswerkstatt gehandelt. Bei § 4 Ziffer 1 a der Garantiebedingungen der Beklagten handle es sich um eine negative Anspruchsvoraussetzung, die der Inhaltskontrolle nach den AGB-Bestimmungen des BGB gemäß § 307 Abs. 3 BGB nicht unterliege.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, § 4 Ziffer a der Garantiebedingungen der Beklagten stelle keine negative Anspruchsvoraussetzung dar und unterfallen einer AGB-Inhaltskontrolle; dieser halt er nicht Stand.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Amtsgerichts Ettenheim vom 25.01.2011, Aktenzeichen: 1 C 238/10 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins seit dem 01.09.2010 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen an den Kläger weitere 186,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins seit dem 01.09.2010, als Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung zu zahlen; hilfsweise den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 186,24 EUR freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die hier gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend hat das Amtsgericht entschieden, dass es sich bei der Klausel des § 4 Ziffer 1 a der streitgegenständlichen Garantiebedingungen um eine negative Anspruchsvoraussetzung handelt, die der Inhaltskontrolle nicht unterliegt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der folglich wirksamen Klausel hat der Kläger – unstreitig – nicht erfüllt.
1.
Bei § 4 Ziffer 1 a der Garantiebedingungen der Beklagten handelt es sich um eine Abrede, die Art und Umfang der zwischen dem Kläger und der Verkäuferin vereinbarten vertraglichen Garantie-Hauptleistung und den dafür zu zahlenden Preis unmittelbar regelt; sie unterliegt daher gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle.
a)
Die Freistellung nach der Vorschrift des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur für den unmittelbaren Leistungsgegenstand. Dagegen werden Regelungen, die die Leistungspflicht des Verwenders einschränken, von der Freistellung nicht erfasst, so dass Allgemeine Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle unterworfen sind, wenn sie anordnen, dass der Verwender unter bestimmten Voraussetzungen die versprochene Leistung nur modifiziert oder überhaupt nicht zu erbringen hat. Für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung bleibt deshalb nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 06. Juli 2011 – VIII ZR 293/10 – […], Rn 10, 16 m.w.N.). Von diesen zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung gehörenden und deshalb nicht der Inhaltskontrolle unterliegenden Abreden sind die kontrollfähigen Nebenabreden zu unterscheiden, also Abreden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann. Anders als die unmittelbaren Leistungsabreden bestimmen sie nicht das Ob und den Umfang der zu erbringenden Leistungen, sondern treten als ergänzende Regelungen, die lediglich die Art und Weise der Leistungserbringung und/oder etwaige Leistungsmodifikationen zum Inhalt haben, „neben“ eine bereits bestehenden Leistungshauptabrede (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 16 m.w.N.).
Die Frage, ob eine als negative Anspruchsvoraussetzung formulierte Garantieklausel, die Leistungen aus einer Garantie nicht durch die Aufstellung bestimmter Obliegenheiten einschränkt, sondern nach der gewählten Formulierung von vornherein nur unter der Voraussetzung durchgeführter Wartungsarbeiten verspricht, als eine der Inhaltskontrolle entzogene Leistungsbeschreibung zu qualifizieren ist, hat der Bundesgerichtshof dahingehend beantwortet, dass es entscheidend darauf ankommt, ob die Erfüllung der betreffenden Wartungsverpflichtung bei wirtschaftlicher Betrachtung aus Kundensicht die „Gegenleistung“ für die Garantiegewährung darstellt. Ist die Frage zu bejahen, so findet eine Inhaltskontrolle nicht statt, weil der Kernbereich des wesentlichen Vertragsinhalts betroffen ist. Entrichtet hingegen der Kunde für die Gewährung der Garantie ein gesondertes Entgelt, so stellt dieses die Gegenleistung für das Hauptleistungsversprechen (die Garantie) des Garantiegebers dar, mit der Folge, dass eine Inhaltskontrolle der fraglichen Klausel stattzufinden hat (vgl. BGH a.a.O Rn. 19).
b)
Nach diesen Grundsätzen ist die streitbefangene Klausel als kontrollfreie negative Anspruchsvoraussetzung einzuordnen.
Zunächst ist sie eindeutig in diesem Sinne formuliert, wenn es heißt, dass es „Voraussetzung für jegliche Garantieansprüche“ sei, dass der Käufer/Garantienehmer vor dem Schadenfall die an seinem Fahrzeug vom Hersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- oder Pflegearbeiten beim Verkäufer/Garantiegeber oder in einer vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen lasse.
Der Kläger hat auch kein gesondertes Entgelt für die Gewährung dieser Garantie entrichtet, welches als Gegenleistung für das Garantieversprechen der Verkäuferin in Frage käme. Es liegt vielmehr eine – durchaus typische – Konstellation vor, in welcher die Verkäuferin die Gewährung einer (begrenzten) Garantie lediglich als absatzfördernde Werbemaßnahme eingesetzt hat. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger vor die Wahl gestellt worden wäre, das Fahrzeug ohne Garantie oder aber – zu einem höheren Preis – mit Garantie zu erwerben oder dass er durch Modifikation des Kaufpreises Einfluss auf den Umfang der Garantie hätte nehmen können. Dementsprechend bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass ein zahlmäßig bestimmbarer Teil des Kaufpreises auf die Gewährung der Garantie entfallen wäre. Vor diesem Hintergrund kann von einer zahlenmäßig bestimmbaren Entgeltleistung als Gegenleistung für das Garantieversprechen im Sinne der referierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gesprochen werden. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass – wie der Kläger sicherlich zu Recht geltend macht – davon ausgegangen werden muss, dass die Beklagte als Kooperationspartnerin der Verkäuferin durchaus von Letzterer ein Entgelt für die „technische Abwicklung“ der Garantie erhalten hat.
Nach alledem ist dem Kunden, der einen Gebrauchtwagen mit einer Garantie nach der hier vorliegenden Art erwirbt, nach Auffassung der Kammer klar, dass die Durchführung der in § 4 Ziffer 1 a vorgeschriebenen Wartungs- und Pflegarbeiten einen Teil dessen darstellt, was von ihm verlangt wird, um in den Genuss der Garantie zu kommen (Gegenleistung). Die Klausel zielt nach ihrer Formulierung ersichtlich darauf ab, dass der Kunde diese Arbeiten in erster Linie beim Verkäufer durchführen lässt, was für diesen von unmittelbarem wirtschaftlichen Vorteil ist. Die Kammer ist auch nicht der Auffassung, dass dieser Charakter der Klausel entscheidend in Frage gestellt wird durch die ebenfalls vorgesehene Möglichkeit, die betreffenden Arbeiten bei einer vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen zu lassen. Auch dies ist noch im (mittelbaren) wirtschaftlichen Interesse des Verkäufers, wenn dieser selbst eine vom Hersteller anerkannte Vertragswerkstatt betreibt. Ist Letzteres – wie hier – nicht der Fall, so begrenzt dieser Teil der Klausel zumindest die „Ausweichmöglichkeiten“ des Kunden, ohne dessen Rechte gleichzeitig so stark einzuschränken, dass die Sinnhaftigkeit der Garantie für ihn fraglich würde – wie es etwa der Fall wäre, wenn eine strikte, ausschließliche Bindung an den verkaufenden Autohändler stattfände.
2.
Nur der Vollständigkeit halber ist danach noch darauf hinzuweisen, dass die Kammer auch beim Eingreifen einer Inhaltskontrolle die betreffende Klausel entsprechend ihrer bisherigen ständigen Rechtsprechung für wirksam erachten würde, weil sie den Kunden nicht unangemessen benachteiligt. Angesichts des legitimen Interesses des Gebrauchtwagenverkäufers an einer gewissen Kundenbindung und der Tatsache, dass die Gewährung der Garantie nicht von der Zahlung einer über den reinen Kaufpreis hinausgehenden Vergütung abhängig ist, widerspricht die Klausel nach Auffassung der Kammer nicht dem Schutzzweck der Vorschriften über die AGB-Kontrolle und den berechtigten Erwartungen des Kunden. Die Kammer nimmt insofern Bezug auf ihren Hinweisbeschluss vom 15. August 2011 (AS. II 61 ff) und das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 11. April 2006 – 13 U 111/05 – , NJW-RR 2006, Seite 1464.
3.
Nachdem die Voraussetzungen der hier diskutierten Klausel im Streitfall unstreitig nicht eingehalten worden sind, weil die für 120.000 Kilometer vorgeschriebene Inspektion nicht bei einer anerkannten Vertragswerkstatt stattgefunden hat, kann der Kläger von der Beklagten eine Zahlung aus der Garantievereinbarung nicht verlangen. Entsprechend hat er auch nicht unter Verzugsgesichtspunkten Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten. Das amtsgerichtliche Urteil erweist sich mithin in jeder Hinsicht als richtig.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Kammer lässt die Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zu, da aus Sicht der Kammer hinsichtlich der Einordnung der hier diskutierten Klausel als negative Anspruchsvoraussetzung noch Raum für weitere revisionsgerichtliche Klärung besteht.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf 63 Abs. 2 GKG.