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Gebrauchtwagenkaufvertrag – Abgrenzung Mangel zu Verschleiß

AG Recklinghausen – Az.: 16 C 130/19 – Urteil vom 18.05.2021

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Leistung von Sicherheit in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht der Beklagte Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Gebrauchtwagenkaufvertrag – Abgrenzung Mangel zu Verschleiß
(Symbolfoto: CandyBox Images/Shutterstock.com)

Der Kläger macht Gewährleistungsrechte aus einem Gebrauchtwagenkaufvertrag geltend.

Der Beklagte ist gewerblicher Autohändler, der Kläger ist Verbraucher. Der Kläger erwarb am 12.02.2019 beim Beklagten ein Fahrzeug Skoda Octavia, mit der Fahrzeugidentifikationsnummer: und einer Laufleistung von 151.976 km, zu einem Kaufpreis von 10.000,00 EUR. Die Erstzulassung des streitgegenständlichen Fahrzeugs erfolgte im Jahr 2011. Das Geld wurde am selben Tag in bar an den Beklagten übergeben.

§ 4 des Kaufvertrages enthält folgenden Inhalt:

„Das Fahrzeug wird verkauft unter Ausschluss jeglicher Sachmängelgewährleistung. […] Die gesetzliche Händlergewährleistung wird auf 12 Monate beschränkt.“

Nach dem Kauf stellte der Kläger, der mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug jeden Tag jeweils insgesamt 140 km zur Arbeit und zurück fährt, Mängel an dem Fahrzeug fest, namentlich am Radlager und der Drosselklappe.

Der Kläger zeigte die von ihm behaupteten Mängel bei dem Beklagten an und verlangte Beseitigung. Der Beklagte verweigerte zunächst unter Berufung auf § 4 des Kaufvertrages die Gewährleistung.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.07.2019 wurde der Beklagte nochmals unter Fristsetzung bis zum 25.07.2019 zur Beseitigung der Mängel aufgefordert. Mit Schreiben vom 23.07.2019 wies der Beklagte die Ansprüche mit Blick auf den Zeitablauf und die vom Kläger zurückgelegten Kilometer zurück.

Der Kläger holte Kostenvoranschläge für die Beseitigung des defekten Radlagers und der defekten Drosselklappe bei der B. GbR aus Herne ein. Für den Austausch des Radlagers wurden Kosten in Höhe von 388,32 EUR brutto und für den der Drosselklappe wurden Kosten in Höhe von 955,21 EUR brutto veranschlagt. Der Kläger ließ in der Folgezeit das Radlager zu einem Preis von 388,32 EUR austauschen.

Der Kläger behauptet, der Wagen habe ab einem Tempo von 150 km/h angefangen zu heulen. Erstmals sei dies 1 1/2 – 2 Monate nach dem Kauf aufgefallen. Zu diesem Zeitpunkt sei er vielleicht 9.000-10.000 km mit dem Wagen gefahren gewesen. Er habe daher vermutet, dass etwas mit dem Radlager nicht in Ordnung sei, was ihm von einer Werkstatt bestätigt worden sei. Kurz nach der Übergabe sei das Fahrzeug zudem am Stauende im Stand mehrfach hintereinander ausgegangen und die Motorkontrollleuchte sei angegangen. Sowohl die lauten Geräusche als auch das Ausgehen des Motors habe er dem Beklagten in einem Treffen geschildert.

Der Kläger ist zudem der Auffassung, der schriftliche Gewährleistungsausschluss sei unwirksam.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.343,53 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 26.07.2019 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, das Fahrzeug sei vor dem Verkauf einer Sicht- und Funktionsprüfung unterzogen worden, ein Mitarbeiter, der Zeuge Z., habe das Fahrzeug ebenfalls benutzt. Mängel seien nicht feststellbar gewesen. Der Kläger habe zudem selber eine Probefahrt unternommen. Die vom Kläger angeführten Mängel seien erst nach 5-6 Monaten und einer weiteren zurückgelegten Kilometerleistung von 14.432 km aufgetreten. Soweit die Teile, wie vom Kläger angeführt, defekt seien, so sei dies daher jedenfalls nur auf einen gebrauchsbedingten Verschleiß zurückzuführen.

Der Kläger könne im Rahmen des von ihm geltend gemachten Schadensersatzes zudem keine Mehrwertsteuer verlangen, da diese noch nicht angefallen sei. Zudem seien die angesetzten Kosten der Höhe nach nicht angemessen, es gebe gleichwertige Ersatzteile zu weit aus günstigeren Preisen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Z. und durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2020 (Bl. 34-36 d.A.) sowie das schriftliche Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. D. vom 11.12.2020 (Bl. 73-107 d.A.) verwiesen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.343,53 EUR gemäß den §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und 3, 281, 434 BGB, da das Fahrzeug die geltend gemachten Sachmängel an dem Radlager und der Drosselklappe nicht aufweist.

Bei dem Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 Abs. 1 BGB, der den besonderen verbraucherschützenden Regelungen der §§ 475 ff. unterliegt. Der im Kaufvertrag geregelte Gewährleistungsausschluss ist daher gemäß § 476 Abs. 1 BGB unwirksam, sodass dem Kläger als Käufer grundsätzlich die Rechte aus den §§ 437 ff. BGB zustehen.

Unabhängig von dem Vorliegen der weiteren Voraussetzungen ist es dem Kläger jedoch bereits nicht gelungen, das Vorliegen eines Sachmangels im Zeitpunkt des Gefahrüberganges zu beweisen.

Gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Ist eine Beschaffenheit nicht vereinbart, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB), sonst, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).

Ein Sachmangel des streitgegenständlichen Fahrzeugs ergibt sich vorliegend insbesondere nicht daraus, dass es sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) oder für die gewöhnliche Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB) geeignet hätte. Nach beiden Alternativen kommt es insoweit darauf an, ob der von dem Kläger erworbene (ältere) Gebrauchtwagen zur Verwendung als Fahrzeug im Straßenverkehr nicht oder nur eingeschränkt geeignet war.

Zu berücksichtigen ist diesbezüglich, dass Verschleißteile eines Kraftfahrzeugs in Abhängigkeit von Alter, Laufleistung, Anzahl der Vorbesitzer, Art der Vorbenutzung sowie Qualität des Fahrzeugs einer kontinuierlichen Abnutzung unterliegen. Soweit die Verkehrssicherheit nicht betroffen ist, ist ein „normaler“, das heißt ein insbesondere nach Alter, Laufleistung und Qualitätsstufe nicht ungewöhnlicher oder atypischer Verschleiß daher nicht als Sachmangel einzustufen. Dies gilt auch dann, wenn sich daraus in absehbarer Zeit – insbesondere bei der durch Gebrauch und Zeitablauf zu erwartenden weiteren Abnutzung – ein Erneuerungsbedarf ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 09. September 2020 – VIII ZR 150/18 -, juris).

Die technische Begutachtung des Fahrzeuges hat die vom Kläger angeführten Mängel nicht bestätigt. Der Sachverständige Dipl.-Ing. D. hat nachvollziehbar ausgeführt, dass sich Mängel an dem Fahrzeug nicht feststellen und sich insbesondere am Radlager nur Verschleißerscheinungen finden ließen.

Der Sachverständige Dipl.-Ing. D. hat im Rahmen seiner Begutachtung den Diagnosespeicher von einem Vertragshändler des Fahrzeugherstellers auslesen lassen und umfangreiche Probefahrten unter Beteiligung des Klägers im innerstädtischen Bereich und auf Autobahnen durchgeführt. Er hat die vom Kläger bereits ausgebaute Radnabeneinheit ebenfalls einer Begutachtung unterzogen.

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Bei der Untersuchung sei auf der Lauffläche des Kugellagers betriebsbedingter Verschleiß zu erkennen gewesen. Defekte seien dagegen nicht gefunden worden. Auch auf den inneren und äußeren Lagerflächen könne nur ein normaler Verschleiß und entsprechende Laufspuren festgestellt werden. Die Lagerkäfige der Kugellager sowie die zugehörigen Kugeln seien dagegen unauffällig gewesen.

Auch einen Defekt an der Drosselklappe habe der Sachverständige nicht feststellen können. Im Diagnosespeicher seien keine Ereignisse hinterlegt gewesen, die darauf schließen ließen, dass eine Fehlfunktion an der Drosselklappe bestanden habe.

Dass das Fahrzeug wie vom Kläger angeführt, eine Geräuschentwicklung bei hohen Geschwindigkeiten aufweist, wurde von Beklagtenseite grundsätzlich nicht explizit bestritten, es wurde aber bestritten, dass dies einen Mangel darstellt, der zu Gewährleistungsansprüchen des Klägers berechtigt.

Der Zeuge Z. hat diesbezüglich aber auch bekundet, er habe den streitgegenständlichen Wagen mehrmals gefahren, um Standschäden zu vermeiden. Dabei sei er vielleicht viermal mit dem Wagen gefahren, in einem Abstand von zwei bis drei Wochen. Das letzte Mal habe er den Wagen circa zwei Wochen vor dem Verkauf bewegt. Bei den Fahrten sei er auch auf der Autobahn gefahren, durchaus auch mit einer Geschwindigkeit von 170-180 km/h. Schäden oder Mängel seien ihm nicht aufgefallen. Das Fahrzeug sei nicht von selbst ausgegangen, auch bei den höheren Geschwindigkeiten seien ihm keine ungewöhnlichen Geräusche, wie ein Jaulen, aufgefallen.

Selbst bei Zugrundelegung der vom Kläger angeführten Geräuschentwicklung ergibt sich jedoch rechtlich keine anderweitige Beurteilung, da dem Kläger selbst dann auch nicht die Beweiserleichterung des § 477 BGB vorliegend zugutekommen kann.

Im Streitfall ist ein mangelhafter Zustand (Mangelerscheinung), an den die Vermutung des § 477 BGB dann anknüpfen könnte, innerhalb der Sechsmonatsfrist nicht aufgetreten. Die von dem Kläger innerhalb der ersten sechs Monate nach der Übergabe des Fahrzeugs beanstandete starke Geräuschentwicklung beim Fahren mit hohen Geschwindigkeiten mag zwar darauf schließen lassen, dass an dem Radlager möglicherweise etwas nicht in Ordnung war. Dies dürfte nach den sachverständigen Ausführungen jedoch wenn überhaupt auf den normalen Verschleiß zurückzuführen gewesen sein.

Bei dem hier in Rede stehenden Fahrzeug – einem acht Jahre alten gebrauchten Wagen mit einer Laufleistung von über 150.000 km im Übergabezeitpunkt und innerhalb der ersten weiteren 8 Monate zusätzlich gefahrenen Kilometern von knapp 20.000 km – sind Verschleißerscheinungen, welche jedenfalls wie hier keine sicherheitsrelevanten Auswirkungen haben, nämlich nicht atypisch oder ungewöhnlich, sondern halten sich im Rahmen der zu erwartenden normalen Abnutzung, was für sich genommen aber nach den obigen Ausführungen gerade keinen Sachmangel darstellt.

Der geltend gemachte Zinsanspruch besteht mangels eines Anspruchs in der Hauptsache ebenfalls nicht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.343,53 EUR festgesetzt.

 

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