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Gebrauchtwagenkaufvertrag – Rückabwicklung bei Motormängeln

LG Düsseldorf – Az.: 23 O 236/16 – Urteil vom 07.03.2018

Der Beklagten wird verurteilt, an den Kläger 9.685,87 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 12.07.2016 Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des PKW BMW 530d-Touring, Fahrgestellnummer B zu bezahlen.

Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte seit dem 12.07.2016 im Verzug der Annahme der unter Klageantrag Ziff. 1 bezeichneten Gegenleistung befindet.

Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber den A, L-Straße, D von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 957,95 EUR freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs.

Der Beklagte betreibt unter der Firma „Autohaus M einen Fahrzeughandel. Der Kläger erwarb dort am 15.02.2016 den streitgegenständlichen ca. zwölf Jahre alten, gebrauchten PKW „BMW 530 d-Touring, Fahrgestellnummer: C zum Preis von 10.100,00 EUR. Der Kilometerstand betrug zu diesem Zeitpunkt ausweislich des schriftlichen  Kaufvertrages ca. 135.000 Km.

Der Kaufvertrag enthält u.a. folgende Regelung:

„Im Falle der Gewährleistung sorgt der Käufer dafür, dass das Fahrzeug zum Autohaus verbracht wird und übernimmt alle für den Transport anfallenden Kosten. Aufgrund diverser optischen und technischen Mängel wurde ein Preisnachlass von 390 EUR vereinbart.“

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Anlage K1 (Bl. 7 GA) Bezug genommen.

Vor dem Kauf wurde eine Probefahrt durchgeführt. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 18.02.2016 übergeben.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.06.2016 zeigte der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Defekt des Turboladers an und forderte den Beklagten auf, die Verpflichtung zur Mangelbeseitigung anzuerkennen. Der Beklagte wurde ferner aufgefordert, bis zum 09.06.2016 mitzuteilen, wann der Kläger das Fahrzeug zur Reparatur vorbeibringen solle. Eine Reaktion seitens des Beklagten erfolgt nicht.

Am 16.06.2016 brachte der Kläger das Fahrzeug in die Werkstatt des BMW-Vertragshändlers der Autohaus L3 GmbH & Co. KG, Mannheimer T2, D, wo ein Kostenvoranschlag zur Reparatur bzw. Austausch des Turboladers erstellt wurde.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.06.2016 informierte der Kläger über das Ergebnis des Kostenvoranschlags, wonach neben dem Defekt des Turboladers möglicherweise auch ein Riss des Krümmers vorliegen solle, und forderte ihn erneut zur Anerkennung der Mangelbeseitigung und Zusagen einer Kostenübernahme für den Transport nach Düsseldorf bis zum 23.06.2016 auf (Anlage K4, Bl. 12 GA).

Mit Schreiben vom 20.06.2016 teilte der Beklagte u.a. mit, dass er „aus Kulanz eine Überprüfung des Fahrzeuges“ anbiete (Anlage K5, Bl. 14 GA).

Am 03.07.2017 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag (Anlage K6, Bl. 15 GA).

Der Kläger behauptet, dass nach ca. 5.000 km Fahrt Anfang Mai 2016 ein Defekt des Turboladers eingetreten sei, der laut Kostenvoranschlag eine Reparatur in Höhe von 2.546,23 EUR erforderlich mache und ist der Ansicht, bei dem defekten Turbolader handele es sich um einen Sachmangel. Er behauptet, das KFZ sei aufgrund des Defekts nicht mehr fahrtüchtig gewesen. Darüber sei der Beklagte informiert worden. Der Kläger behauptet, dass die daraufhin am 16.06.2016 durchgeführte Untersuchung des Fahrzeuges in der BMW Vertragswerkstatt ergeben hätte, dass der Auspuffkrümmer einen Riss habe und ebenfalls defekt sei, was mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Ursache für den Turboladerdefekt darstelle. Neben dem Kaufpreis des Fahrzeuges habe er 100,00 für An- und Abmeldekosten, 386,55 EUR für die KFZ-Versicherung sowie 177,59 EUR für die KFZ-Steuer aufgewendet.

Er ist der Ansicht, er sei wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten, nachdem der Beklagte eine Nachbesserung abgelehnt habe. Insoweit sei jedenfalls das Schreiben des Beklagten vom 20.06.2016 Ablehnung zu werten.

Der Kläger beantragt,

1.  den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 10.617,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 12.07.2016 Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des PKW BMW 530 d-Touring, Fahrgestellnummer B zu bezahlen;

2.  festzustellen, dass sich der Beklagte seit dem 12.07.2016 im Verzug der Annahme der unter Klageantrag Ziff. 1 bezeichneten Gegenleistung befindet;

3.  den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger zu Händen A, L-Straße, D vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 957,95 EUR zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dass bei Übergabe kein Defekt – weder am Abgaskrümmer noch am Turbolader – an dem streitgegenständlichen Fahrzeug vorgelegen habe. Vielmehr entspräche das KFZ dem vereinbarten Zustand des Gebrauchtwagens und weise keinen Mangel auf. Es könne sich lediglich um altersbedingten Verschleiß handeln und ein solcher Defekt sei höchstens nachträglich eingetreten. Der Beklagte behauptet weiterhin, dass, hätte der behauptete Defekt bereits bei der Übergabe vorgelegen, dieser schon viel früher eingetreten wäre und auch eine Weiterfahrt ab dem Kaufdatum von ca. 5.000 km durch den Kläger gar nicht möglich gewesen sei. Die angeblichen Defekte seien auch nicht erheblich.

Der Beklagte ist der Ansicht, dem Kläger stünden keine Gewährleistungsrechte zu.

Weiter ist er der Ansicht, die Schreiben des Klägers vom 02.06.2016 und 17.06.2016 würden keine wirksame Aufforderung zur Nacherfüllung, um den behaupteten Defekt zu beheben enthalten, sondern lediglich eine Aufforderung zur Abgabe der Erklärung, dass die Verpflichtung zur Beseitigung des Defekts seitens der Beklagten grundsätzlich anzuerkennen sei. Die bloße Anzeige des Mangels sei noch keine Geltendmachung der Nacherfüllung.

Der Beklagte ist ferner der Ansicht, er habe zu keiner Zeit die Nacherfüllung grundsätzlich abgelehnt, noch sei eine solche gescheitert. Der Beklagte behauptet insoweit, mit dem Kläger in telefonischen Kontakt gestanden und diesem mehrmals die Prüfung des KFZ bezüglich des Defekts angeboten zu haben. Alternativ habe er angeboten, einen generalüberholten Turbolader auf seine Kosten einzubauen, was der Kläger abgelehnt hätte. Vielmehr hätte der Kläger auf die Übernahme der Kosten für die Reparatur durch eine BMW Vertragswerkstatt an seinem Wohnort bestanden und zudem das KFZ nicht zur Verfügung gestellt.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens gem. Beweisbeschluss vom 13.03.2017 (Bl. 58 GA). Insoweit wird auf die Ausführung des Sachverständigen C in dessen Gutachten vom 30.10.2017 (Bl. 85 ff. GA) Bezug genommen.

Die Parteien haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Gebrauchtwagenkaufvertrag - Rückabwicklung bei Motormängeln
(Symbolfoto:
Von Standret/Shutterstock.com)

Die Klage ist zulässig und teilweise in Höhe von 9.685,87 EUR begründet, im Übrigen unbegründet.

Das Landgericht Düsseldorf ist gem. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 12, 13 ZPO.

Die Klage ist ordnungsgemäß erhoben. Die ursprünglich unrichtige Parteibezeichnung des Beklagten steht einer gegen ihn gerichteten Klageerhebung nicht entgegen. Bei unrichtiger Parteibezeichnung ist derjenige als Partei anzusehen, der erkennbar als Partei betroffen sein soll. Dieser Fehler war durch eine Rubrumsberichtigung zu korrigieren.

1.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2 Fall 1, 323 Abs. 1 Fall 2, 434, 433 BGB auf Zahlung von 9.660,87 EUR Zug um Zug gegen Rückübereignung des PKW BMW 530d-Touring, Fahrgestellnummer C.

Der Kläger hat gem. § 349 BGB, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, am 03.07.2016 den Rücktritt gegenüber dem Beklagten erklärt.

 

Der Kläger war gemäß §§ 437 Nr. 2 1. Alt., 323 Abs. 1 BGB zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt.

a.

Die Parteien haben ausweislich der Anlage K1 am 15.02.2016 einen schriftlichen Kaufvertrag über ein gebrauchtes KFZ zum Preis von 10.100,00 EUR geschlossen.

b.

Das KFZ weist einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB auf.

Danach liegt ein Sachmangel vor, wenn sich die Sache nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und demnach nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Vorliegend sind Teile des Motors, nämlich der Abgaskrümmer sowie der Turbolader, beschädigt. Dies steht auf Grund des Sachverständigengutachtens zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Sachverständige B hat in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass der Abgaskrümmer eine deutlich sichtbare Rissbildung von ca. 2 cm und einen weiteren minimalen Riss aufweist. Des Weiteren hat der Sachverständige in seinem Gutachten festgestellt, dass der Turbolader einen Defekt aufweist. Die Ladergehäuse zeigen massive Ölansammlungen auf. Das Turbinenrad zeigt zudem markante Ablagerungen in Form von verkoktem Motoröl auf der Turbinenseite. Die Turbinenseite weist spürbares Lagerspiel in radialer Richtung auf.

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Wenngleich seitens des Sachverständigens ein kausaler Zusammenhang zwischen beiden Defekten feststellt werden konnte, sind sowohl der Abgaskrümmer als auch der Turbolader, wie vorstehend dargestellt, defekt.

Insoweit handelt es sich auch unter Berücksichtigung von Alter und Laufleistung des Fahrzeugs nicht um eine Beschaffenheit, die insoweit erwartet werden kann. Auch der Käufer eines älteren Fahrzeugs kann mangels abweichender Angaben bzw. Vereinbarungen erwarten, dass das Fahrzeug uneingeschränkt fahrbereit ist. Durch den vom Sachverständigen festgestellten Mangel am Turbolader kommt es jedoch, wie im Gutachten ausgeführt worden ist, zu einem Leistungsverlust am Motor sowie möglicherweise zu unkontrollierten Überdrehzahlen. Der Riss im Abgaskrümmer führt zum Austreten von Abgasen und damit zu übermäßig starkem Abgasgeruch im Motorraum.

Hinsichtlich der konkreten Schäden wurde zwischen den Parteien auch nichts Abweichendes vereinbart. Im Kaufvertrag wurde lediglich festgehalten, dass das Fahrzeug „diverse Gebrauchsspuren entsprechend dem Alter des Fahrzeuges“ aufweist. Aufgezählt werden „diverse optische Mängel“ wie „Beulen, Kratzer, Dellen und Rost“. Hinsichtlich des vorgenannten Defektes an Abgaskrümmer und Turbolader enthält der Kaufvertrag jedoch keine Regelung.

b.

Beide Mängel lagen bereits bei Gefahrübergang vor.

Für den Umstand, dass ein Mangel bereits bei Gefahrübergang, d.h. bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger am 18.02.2016, vorgelegen hat, ist der Beklagte beweisbelastet. Insoweit ergibt sich aus § 477 BGB eine Umkehr der Beweislast, wonach vermutet wird, dass ein Sachmangel schon zur Zeit des Gefahrübergangs bestand, wenn dieser sich innerhalb von sechs Monaten zeigt. Die gesetzliche Vermutung geht dahin, dass der Mangel, der sich als Folgemangel zeigt, auch schon zum maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs als Grundmangel vorgelegen hat (BGH NJW 2006, 434, 436). Die Vorschrift gilt auch für gebrauchte Sachen, insbesondere für KFZ (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl. 2018, § 477, Rn. 3).

Die Parteien haben einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 BGB geschlossen. Der Kläger handelte bei Abschluss des Kaufvertrages als Verbraucher nach § 13 BGB, der Beklagte handelte in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als Unternehmer nach § 14 BGB.

Es kann in diesem Zusammenhang offenbleiben, ob sich bereits Anfang Mai 2016 sich Motorenprobleme zeigten, welche sich später als Mängel an Abgaskrümmer und Turbolader bestätigten. Eine entsprechende Mängelanzeige des Klägers erfolgte mit Schreiben vom 02.06.2016 und damit jedenfalls innerhalb der sechsmonatigen Frist gem. § 477 BGB.

Die Vermutung ist auch gerade nicht mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar. In diesem Zusammenhang berücksichtigt die Kammer auch, dass ein Fahrzeug, welches bereits bei Kauf eine nicht unerhebliche Laufleistung aufwies, naturgemäß einem gewissen Verschleiß unterliegt. Dies schließt jedoch nicht aus, dass ein verschleißbedingter Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag oder es sich um einen Mangel handelt, der auch unter Berücksichtigung von Alter, Laufleistung und Verschleiß ungewöhnlich ist. Vor diesem Hintergrund bleibt der Beklagte nach § 477 BGB beweisbelastet für den Umstand, dass der Grundmangel bei Gefahrübergang noch nicht vorlag.

Dies konnte im Rahmen der Beweiserhebung nicht festgestellt werden.

Das u.a. auch zu der entsprechenden Behauptung des Beklagten eingeholte Sachverständigengutachten des Sachverständigen B vermag die Beweisfrage, ob die Mängel bei Übergabe nicht vorgelegen und es sich vielmehr um verschleißbedingte Mängel handelt, nicht mit Sicherheit zu beantworten.

Der Sachverständige kommt hinsichtlich des defekten Abgaskrümmers zu dem Ergebnis, dass aus technischer Sicht keine aussagekräftige Entstehungsphase des Mangels am Abgaskrümmer also vor oder nach Übergabe am 18.02.2016 festgestellt werden kann.

Zudem führt der Sachverständige hinsichtlich des defekten Turboladers aus, dass dieser Schaden auf einen schleichenden Verschleißprozess hindeute und einer Entstehungsphase vor der Übergabe kausal zugeordnet werden könne (vgl. Bl. 99 GA). Dabei stützt sich der Sachverständige auf das im Gutachten dargestellte Schadensbild und führt weiter aus, dass diese Auswirkungen aus technischer Sicht auf eine mögliche Ursache von unzureichenden Wartungsintervallen, insbesondere in Bezug auf den Austausch des Motoröls und des Ölfilters hindeuten. Insoweit sind die Ausführungen des Sachverständigen nachvollziehbar, wonach Schmutzpartikel durch zu altes und unzureichend gefiltertes Öl in den Motorkreislauf gelangen und dort Schäden an einzelnen Teilen des Turboladers verursachen können.

Soweit der Beklagte sich in seiner Stellungnahme zum Gutachten gegen die Feststellungen des Sachverständigen wendet, es läge ein Wartungsstau vor, ist zu berücksichtigen, dass der Sachverständige diese Feststellungen nicht nur auf die Serviceunterlagen, Wartungsnachweise und den im Motorraum vorgefundenen Öl-Zettel stützt, sondern auch auf den in Augenschein genommenen Zustand von Motoröl und Bauteilen. Auch wenn der Sachverständige zum Zustand des Öls ausführt, dass dieses auch aufgrund der langen Standzeit dunkel gefärbt sei, hat er in verschiedenen Bauteilen massive Ölablagerungen festgestellt, die sich im Turbinenrad des Turboladers in Form von verkokten Motoröl gezeigt hätten (Bl. 95 GA).

Demgegenüber ergeben sich auch aus den Ausführungen des Sachverständigen keine Anhaltspunkte, dass der von ihm beschriebene und festgestellte Wartungsstau erst nach Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger eingetreten ist. Auch wenn seitens des Klägers weder ein Ölwechsel noch eine sonstige Wartung vorgenommen wurde, ist eine Nutzung über einen Zeitraum von wenigen Monaten bei einer Fahrtstrecke von 5.000 km nicht so intensiv, dass hieraus abgeleitet werden kann, erst der Kläger habe Wartungsintervalle überschritten und dadurch die Beschädigung des Turboladers verursacht.

Auch soweit der Beklagte im Schriftsatz vom 27.12.2017 einwendet, die Begutachtung durch den Sachverständigen sei erst mehr als ein Jahr nach Gefahrübergang erfolgt, gibt dies keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Weder aus dem Umstand, dass das Fahrzeug über eine Strecke von 5.000 km genutzt wurde noch aus der anschließenden Abstellung in einer Tiefgarage ergeben sich Anhaltspunkte für eine dem Kläger vorwerfbare Beweisvereitelung o.ä.

c.

Der Kläger hat dem Beklagten gemäß § 323 Abs. 1 BGB erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt.

Die Fristsetzung muss eine bestimmte und eindeutige Aufforderung zur Leistung, hier zur Nacherfüllung, enthalten (BGH NJW 2011, 224). Die Aufforderung muss mehr sein als bloß ein höfliches Drängen auf Vertragserfüllung. Die Aufforderung an den Schuldner sich über seine Leistungsbereitschaft zu erklären genügt nicht (Palandt/Grüneberg, § 323, Rn 13).

Eine bestimmte und eindeutige Aufforderung, die über eine bloße Erklärung der Leistungsbereitschaft hinausgeht, liegt vor. Der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, hat den Beklagten mit Schreiben vom 02.06.2016 (vgl. Anlage K2, Bl. 8 GA) zunächst aufgefordert bis zum 09.06.2016 die Verpflichtung den Mangel auf seine Kosten zu beseitigen, anzuerkennen. Gleichzeitig enthält die Aufforderung aber den Zusatz „und zwar bis zum 16.06.2016“ sowie die Bitte bis zum 09.06.2016 mitzuteilen, wann der Kläger das Fahrzeug vorbeibringen soll, damit die Arbeiten durchgeführt werden. Es enthält damit die Aufforderung bis zum 09.06.2016 anzuerkennen sowie den Mangel bis zum 16.06.2016 zu beseitigen.

Der Beklagte hat schließlich mit Schreiben vom 20.06.2016 (Bl.14 GA) dem Kläger mitgeteilt, dass er dem Kläger einen neuen Turbolader, mit 50 % Selbstbeteiligung an den Kosten, sowie aus Kulanz die Überprüfung des Fahrzeuges anbietet. Diese Reaktion ist nach Auffassung der Kammer als Ablehnung des Nacherfüllungsverlangens des Klägers zu werten. Zwar ist dem Beklagten grundsätzlich eine eigene Prüfungsmöglichkeit zuzubilligen. Im vorgenannten Schreiben, wie offenbar auch in der vorangegangenen Kommunikation, hat sich der Beklagte stets nur hinsichtlich einer hälftigen Kostenübernahme und insoweit auch nur zur Zahlung in Höhe von 750,00 EUR bereit erklärt. Aus dem Umstand, dass gleichzeitig „aus Kulanz“ die Überprüfung des Fahrzeuges angeboten wird, lässt sich nach verständiger Würdigung jedoch nicht ableiten, dass gegebenenfalls auch ein höherer Anteil bzw. sämtliche Reparaturkosten getragen würden. Hiergegen spricht der Hinweis des Beklagten im Schreiben vom 20.06.2016, dass es sich um „ein knapp 12-jähriges Fahrzeug mit einer Kilometerleistung von über 130 tkm für einen Bruchteil des Neuwagen-Preises“ handeln würde, da hierin bereits der Einwand zu sehen ist, dass der eingetretene Defekt verschleißbedingt ist und über die bloße Kulanz des Beklagten hinaus keine gewährleistungsrechtlichen Ansprüche des Klägers bestehen.

Soweit der Beklagte vorgetragen hat, er habe in unmittelbarem Kontakt zum Kläger gestanden, ist nicht ersichtlich, insoweit sich hieraus – in Abweichung zum Inhalt des Schreibens vom 20.06.2016 – eine Bereitschaft des Beklagten zur Nacherfüllung ergeben soll.

Aufgrund der Ablehnung der Nacherfüllung durch den Beklagten ist schließlich auch unerheblich, ob der Kläger seinerseits durch die Vereinbarung im Kaufvertrag wirksam verpflichtet gewesen wäre, das Fahrzeug auf seine Kosten zu der Werkstatt des Beklagten nach Düsseldorf zu verbringen.

d.

Ein Rücktritt des Klägers vom Kaufvertrag ist auch nicht gemäß § 323 Abs. 5 BGB ausgeschlossen. Danach kann der Gläubiger, wenn der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt hat, vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

Die Erheblichkeitsprüfung erfordert eine umfassende Interessenabwägung. Zu berücksichtigen ist bei behebbaren Mängeln vor allem der für die Mängelbeseitigung erforderliche Aufwand (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. 2018, § 323 Rn. 32). Die Erheblichkeit des Mangels ist in der Regel zu bejahen, wenn die Kosten der Beseitigung mindestens 5% der vereinbarten Gegenleistung ausmachen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 94/13 [unter II 2 c cc]).

In diesem Zusammenhang sind die Ausführungen des Sachverständigen Krieg zu berücksichtigen, welche für die Mängelbeseitigung einen Betrag von 7.897,20 EUR netto bzw. 9.397,67 EUR brutto ausweisen. Diese Beträge sind vom Sachverständigen nachvollziehbar und überzeugend nach dem System Audatex anhand des festgestellten Schadensbildes errechnet worden. Soweit der Beklagte hierzu einwendet, es handele sich um Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt, auf deren Reparatur der Kläger aufgrund des Fahrzeugalters keinen Anspruch habe, führt dies nicht dazu, dass die Mängel als unerheblich im Sinne von § 323 Abs. 5 BGB anzusehen sind. Vielmehr läge auch bei deutlich reduzierten Stundensätzen der Kostenaufwand für die Behebung zweifellos deutlich höher als 5% des Kaufpreises, mithin 505,00 EUR.

e.

Gemäß der Rechtsfolge des § 346 Abs. 1 BGB hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs (§ 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

Von dem Kaufpreis in Höhe von 10.100,00 EUR ist eine Nutzungsentschädigung für 5.000 km in Abzug zu bringen. Diese errechnet sich hier wie folgt: 10.100,00 EUR x 5.000 km / 65.000 km = 776,92 EUR.

Die Kammer geht hierbei gemäß § 287 ZPO von einer mutmaßlichen Gesamtlaufleistung von 250.000 km, 135.000km bei Übergabe und tatsächlich gefahrenen 5.000 km aus.

Es genügt dem Schätzungsermessen und entspricht allgemeiner Rechtsprechungspraxis, sich an der typspezifischen Gesamtfahrleistung zu orientieren. PKW der mittleren und gehobenen Klasse erreichen auf Grund des hohen Qualitätsstandards heutzutage Gesamtfahrleistungen von 200.000 bis 300.000 km (KG, Urteil vom 23.5.2013, Az. 8 U 58/12 m.w.N.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. 1. 2008, Az. 1 U 152/07; so beispielsweise auch LG Heilbronn, Urteil vom 15.08.2017, Az. 9 O 111/16, LG Regensburg, Endurteil vom 15.12.2016, Az. 1 O 638/16). Für den streitgegenständlichen PKW BMW 530d ist nach Auffassung der Kammer nach den vorstehenden Erwägungen eine Gesamtfahrleistung von 250.000 km als realistisch anzunehmen.

Nach der gängigen Berechnungsformel (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. August 2008 – 1 U 238/07 -, Rn. 52, juris) ergibt sich somit ein Gebrauchsvorteil in Höhe von 10.100,00 EUR x 5.000 km : 115.000 km (250.000 km – 135.000 km) = 439,13 EUR.

2.

Dem Kläger steht über die Rückzahlung des Kaufpreises hinaus ein weitergehender Zahlungsanspruch lediglich in Höhe einer Kostenpauschale von 25,00 EUR gegen den Kläger zu.

a.

Den Kostenaufwand des Klägers, der in Zusammenhang mit der Kommunikation mit dem Beklagten, der Einholung eines Kostenvoranschlages etc. verbunden ist und vom Beklagten im Wege des Schadensersatzes gem. § 280 Abs. 1 BGB zu erstatten ist, schätzt die Kammer gem. § 287 ZPO auf 25,00 EUR.

b.

Hinsichtlich des geleisteten Kaufpreises steht dem Kläger weder ein Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen gem. § 346 Abs. 1 BGB noch auf Wertersatz gem. § 347 Abs. 1 BGB, zu. Soweit der Kläger hinsichtlich der Höhe tatsächlicher oder jedenfalls möglicher Zinserträge auf den gesetzlichen Zinssatz gem. § 246 BGB Bezug nimmt, entspricht dieser nicht den Zinsen, die als Nutzungen im Sinne von §§ 346, 347 BGB zu erstatten sind. Maßgeblich sind insoweit die tatsächlich auf dem Markt erzielbaren Erträge. Zu deren Höhe ist weder vorgetragen noch ist aus den Umständen ersichtlich, dass diese aufgrund des allgemeinen niedrigen Zinsniveaus im streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt im positiven Bereich gelegen haben.

c.

Hinsichtlich der Kosten für An- und Abmeldung, KFZ-Versicherung und -Steuer ergibt sich ein Anspruch weder aus §§ 280 ff. BGB noch aus § 347 Abs. 2 BGB. Hinsichtlich der Höhe der insoweit geltend gemachten Kosten ist der Kläger beweisfällig geblieben. Der Beklagte hat diese Positionen in der Klageerwiderung sowohl dem Grund als auch der Höhe nach bestritten. Ein Beweisantritt seitens des Klägers erfolgte nicht.

Soweit der Kläger im Termin am 13.03.2017 klargestellt hat, dass diese Kosten für den Zeitraum zwischen Kauf und Rücktritt geltend gemacht werden solle, ist zudem zu berücksichtigen, dass nach dem klägerischen Vortrag der Mangel erst Anfang Mai 2016 aufgetreten sein soll und das Fahrzeug damit knapp drei Monate nutzbar war und auch tatsächlich genutzt wurde.

3.

Der Klageantrag zu 2.) ist zulässig. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Annahmeverzugs. Denn dies erleichtert die Vollstreckung des Leistungsurteils (BGH Urt. v. 28.10.1987 – VIII ZR 206/86).

Der Antrag ist auch begründet. Aufgrund des wörtlichen Angebots des Klägers (vgl. § 295 BGB) im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 03.07.2016, das Fahrzeug zurückzugeben, befindet sich der Beklagte seit dem 12.07.2016 im Annahmeverzug. In dem vorgenannten Schreiben wird der Beklagten aufgefordert, mitzuteilen, wann die Übergabe des Fahrzeuges erfolgen kann.

4.

Der Klageantrag zu 3.), mit dem Zahlung „an den Kläger zu Händen der A beantragt wird, ist als Freistellungsantrag hinsichtlich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 957,95 EUR auszulegen.

Soweit der Beklagte in der Klageerwiderung die Zahlung entsprechender Kosten durch den Kläger mit Nichtwissen bestritten hat, kommt dieser Frage aufgrund der begehrten Freistellung keine Bedeutung zu. Umstände für eine Zahlung durch eine Rechtsschutzversicherung und ein damit verbundener Forderungsübergang sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Ein entsprechender Freistellungsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB. Der Beklagte befand sich mit den vom Kläger geltend gemachten Nacherfüllungsansprüche in Verzug.

Hinsichtlich der Höhe vorgerichtlicher Kosten berechnet sich der Betrag nach einer 1,3fachen Geschäftsgebühr sowie der Auslagenpauschalen von 20,00 und 19% Umsatzsteuer nach einem Gegenstandswert von 10.100,00 EUR.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und § 709 S.1 und S. 2 ZPO.

III.

Streitwert: 10.956,00 EUR

 

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