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Gebrauchtwagenkaufvertrag – Rücktritt und Verjährung von Schadensersatzansprüchen

AG Delmenhorst, Az.: 41 C 1001/15 (IV), Urteil vom 25.01.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2 Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Gebrauchtwagenkaufvertrag – Rücktritt und Verjährung von Schadensersatzansprüchen
Symbolfoto: monkeybusinessimages/Bigstock

Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus eigenem und abgetretenen Recht wegen behaupteter verzögerter Rückabwicklung eines mit der Beklagten zuvor abgeschlossenen Kaufvertrags über das gebrauchte Fahrzeug V. geltend

Der Kläger erwarb von der Beklagten mit Kaufvertrag vom 04 08.2008 einen Pkw V., Fahrgestell-Nr. …, zum Kaufpreis von 19.000,00 €, das am 08.08.2008 nach vollständiger Bezahlung übergeben wurde.

In der Folge drang in dem Zeitraum ab Februar 2009 – auch nach erfolgten Nachbesserungen und Reparaturen – Wasser in das Fahrzeug, weshalb der Kläger, nachdem die Beklagte sein Rücknahmebegehren abgewiesen hatte, im August 2010 Kontakt zu dem Vorbesitzer U. des Fahrzeugs aufnahm. Dieser teilte ihm mit, dass er den Pkw bereits im Jahre 2008 wegen eines konstruktiv bedingten Mangels an die Beklagte zurückgegeben hätte. Der Vorbesitzer hatte die bestehenden Mängel durch das Sachverständigenbüro V. beurteilen lassen, das in dem Gutachten vom 24.01.2008 zu dem Ergebnis gelangte, dass an dem Fahrzeug teilweise Wasseransammlungen bzw Feuchtigkeitseintritt festzustellen seien, welche womöglich konstruktiv bedingt bei dem Fahrzeugtyp des häufigeren aufträten, jedoch nicht dem allgemeinen Stand der Technik bei vergleichbaren Fahrzeugen entsprächen. Nach Auffassung des Sachverständigenbüros V. sei nicht auszuschließen, dass durch die Wasseransammlungen bzw. Feuchtigkeitsanhaftungen und die damit verbundene Kondensationsbildung im Innenraum längerfristig Schäden bzw. vorzeitige Korrosion und Schimmelbildung am Fahrzeug eintreten könnten. Aufgrund dieser gutachterlichen Einschätzung wurde der ehemals bestehende Kaufvertrag zwischen dem Vorbesitzer U. und der Beklagten rückabgewickelt.

Der Kläger ließ den mit der Beklagten am 04.08.2008 geschlossenen Kaufvertrag mit anwaltlichem Schreiben vom 15.09.2010 unter Bezugnahme auf die vom Vorbesitzer erhaltenen Informationen und das Gutachten des Sachverständigen V. vom 24 01.2008 wegen arglistiger Täuschung anfechten und forderte die Beklagte zur Rückabwicklung auf. Diese wurde mit Schreiben vom 18 10.2010 endgültig abgelehnt, weshalb der Kläger in der Folge den Klageweg bestritt.

Durch Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 12.03.2012 (Az. 4 O 3230/10) wurde – u.a. nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing (FH) … G. vom 28.11.2011 – das Rückabwicklungsbegehren des Klägers abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers wurde die erstinstanzliche Entscheidung durch Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 19.09.2012 (Az. 4 U 41/12) teilweise geändert und dem Rückabwicklungsbegehren des Klägers – unter Abzug eines Nutzungsersatzes und Abweisung vorprozessualer Aufwendungen und Verwendungen auf das Fahrzeug – stattgegeben. Anders als das Landgericht Oldenburg sah das Oberlandesgericht es als erwiesen an, dass die Beklagte den Kläger bei Abschluss des Vertrages über den Gebrauchtwagen nicht hinreichend aufgeklärt und dabei arglistig gehandelt und einen Irrtum auf Klägerseite verursacht hatte.

Noch während der I. Instanz des Vorverfahrens vor dem Landgericht Oldenburg (Az. 4 O 3230/10), und zwar nach Eingang des gerichtlich beauftragten Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing (FH) … G. vom 28.11.2011, ließ der Kläger der Beklagten bzw. deren Prozessbevollmächtigten mit anwaltlichem Schreiben vom 13.12.2011 mitteilen, dass das Fahrzeug aufgrund der winterlichen Verhältnisse nicht mehr nutzbar sei, weshalb er bis zur Rücknahme des Fahrzeugs und der Kaufpreiserstattung einen Mietwagen in Anspruch nehmen und die Klage anschließend um den entsprechenden Betrag erweitern werde. Gleichzeitig räumte er der Beklagten die Möglichkeit ein, diese Kosten durch Stellung eines vergleichbaren Ersatzwagens oder Erstattung des Kaufpreises bis zum 19.12.2011 zu vermeiden. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach.

Mit Schreiben vom 21.11.2014 ließ der Kläger die Beklagte – erfolglos – zur Zahlung eines Forderungsbetrags in Höhe von insgesamt 4.397,68 € unter Fristsetzung bis zum 05.12.2014 auffordern, der sich wie folgt zusammensetzt:

Einlagerungskosten 2.961,00 €

Abmeldekosten 5,40 €

Anmeldekosten 148,75 €

Versicherungskosten 57,08 €

Finanzierungskosten 866,35 €

Fahrtkosten 359,10 €

Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe die Rückabwicklung des Kaufvertrags vom 04.08.2016, wozu sie – was letztlich auch das Oberlandesgericht Oldenburg in seiner Entscheidung vom 19.09.2012 (Az. 4 U 41/12) festgestellt habe – verpflichtet gewesen sei, verzögert, wodurch ihm ein Schaden entstanden sei. Diesen habe die Beklagte vollumfänglich zu ersetzen.

Der Pkw V. habe, um weitergehenden Schaden, z.B. an der Bordelektronik, die bereits gelegentlich ausgefallen sei, zu vermeiden, abgemeldet und eingelagert werden müssen. Letzteres sei zunächst bei Freunden und sodann, ab dem 12.01.2012 bis zum 06.12.2012, in W. geschehen. An seinem Wohnort sei eine sichere und vor allem regensichere Unterstellung nicht möglich gewesen; dergestalt hätte er der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht nicht nachkommen können, weil beispielsweise der Diebstahlsschutz nicht gewährleistet gewesen sei. Während der Dauer der Nichtnutzbarkeit bis zur Abmeldung seien zudem Versicherungskosten entstanden, die ebenfalls zu ersetzen seien.

Anschließend sei ein Ersatzfahrzeug erworben worden, da dieses täglich benötigt worden sei. Hierdurch seien weitere Kosten entstanden, zum einen durch die Anmeldung des neu erworbenen Pkw, zum anderen aber auch im Rahmen der Finanzierung des Kaufpreises. Ersparnisse hatten nicht erneut zur Verfügung gestanden – diese seien ja für den V. verwandt worden -, so dass ein privater Darlehensvertrag über 19.000,00 € zu einem Zinssatz von 6% p.a. abgeschlossen worden sei.

Zudem seien ihm Fahrtkosten zu erstatten, die u.a. durch das Verbringen des V. nach W. zwecks Unterstellung entstanden seien, darüber hinaus aber auch im Rahmen monatlicher Überprüfungen des Fahrzeugs, eines missglückten sowie eines erfolgreichen Versuchs den V. an die Beklagte zu übergehen und aus Anlass des Kaufs des Ersatzfahrzeugs.

Schließlich schulde die Beklagte auch den Ersatz der vorgerichtlich aufgewandten Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der Geltendmachung all dieser Schadenspositionen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass all diese Schäden von der Beklagten zu ersetzen und keineswegs verjährt seien. Keineswegs habe er von den streitgegenständlichen Schadenspositionen bereits 2010 Kenntnis gehabt, diese seien ja erst in 2011 und 2012 entstanden. Die Verjährung habe daher am 01.01.2012 bis 01.01.2013 begonnen. Mit der Klageerhebung am 23.12.2014 sei sie sodann gehemmt worden. Er gehe im Übrigen nicht aus dem angefochtenen Kaufvertrag vor, sondern verlange Schadensersatz wegen Annahmeverzugs infolge verspäteter Rücknahme des Fahrzeugs. Im Zeitpunkt der Anfechtung habe er gar nicht wissen können, dass sich die Beklagte jahrelang der Rückabwicklung verweigern und während des Verzugs Schadenspositionen entstehen würden, weil beispielsweise der Pkw witterungsbedingt nicht mehr nutzbar wäre.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.397,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz per anno seit dem 01.12.2014 zu zahlen,

2 die Beklagte zu verurteilen, an ihn 492,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz per anno seit Zustellung der Klage zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet den Schaden, resp. die einzelnen Schadenspositionen, dem Grunde und der Höhe nach, macht geltend, dass die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten falsch berechnet und zudem nicht bezahlt seien und erhebt die Einrede der Verjährung.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe spätestens im September 2010 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen gehabt. Daher habe spätestens in 2010 die dreijährige Verjährungsfrist begonnen, so dass sämtliche Ansprüche, selbst wenn sie begründet wären, mit Ablauf des 31.12.2013 verjährt seien. Eine Hemmung sei durch das Vorverfahren, das nur die Rückabwicklung des Kaufvertrages, mithin die Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeugs, zum Gegenstand gehabt habe, nicht eingetreten bzw. erfolgt. Einen Feststellungsantrag hinsichtlich zukünftiger Schäden habe der Kläger in dem Vorverfahren, obwohl ihm dies bereits damals möglich gewesen wäre, gerade nicht gestellt.

Infolge der Anfechtung des Kaufvertrages seien vertragliche Ansprüche rückwirkend beseitig worden, bestünden demnach nicht mehr.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den beiderseitigen Parteivortrag sowie die Sitzungsprotokolle vom 04.06.2015 (Band I, Bl. 182f.) und 09.11.2015 (Band II, Bl. 1f.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, indes unbegründet.

I.

Die klageweise geltend gemachten Schadensersatzansprüche sind aufgrund des Grundsatzes der Schadenseinheit verjährt und daher nach Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte nicht mehr durchsetzbar, § 214 BGB.

Ob und inwieweit die einzelnen, mit der Klage geltend gemacht Schadensersatzansprüche bzw. Positionen insbesondere der Höhe nach aus §§ 280, 281 BGB begründet sind, kann dahinstehen, musste mithin nicht aufgeklärt werden, da sämtliche Schadenspositionen bzw. die diesen zugrundeliegenden Ansprüche infolge der seitens der Beklagten erhobenen Einrede verjährt sind.

Die hier geltend gemachten Ansprüche verjähren innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Gemäß § 199 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist unter den Voraussetzungen der Nr. 1 und 2 des Abs. 1, die kumulativ vorliegen müssen. Neben der Anspruchsentstehung muss der Anspruchsinhaber daher Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und von der Person des Ersatzpflichtigen oder grob fahrlässig hiervon keine Kenntnis haben.

§ 199 Abs. 1 Nr. 1 knüpft an die Entstehung des Anspruchs an. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt danach nicht, bevor der Anspruch entstanden ist. Entstanden ist ein Anspruch in dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte den Anspruch erstmals geltend machen und notfalls Klage erheben kann, um die Hemmung der Verjährung zu erreichen (BGHZ 53, 222 [225]; 55, 340 [341]; 73, 363 [365]; 79, 176 [177f.]; 100, 228 [231]; 113, 188 [191]; BGH MDR 2000, 383 [384]; BGH MDR 2010, 1425 [1426]; Palandt-Ellenberger, BGB, 75. Auflage 2016, Rz. 3). Hierfür genügt gewöhnlich die Möglichkeit, Feststellungsklage zu erheben, die Höhe des Anspruchs braucht nicht festzustehen (st. Rspr., vgl. nur BGHZ 79, 176 [178]; BGH BauR 1979, 62; BGH NJW 1987, 1887ff. m.w.N.). Es genügt aber nicht, wenn lediglich die Grundlagen für den Anspruch gelegt sind, er aber erst später durchgesetzt werden kann. Erforderlich ist vielmehr die Fälligkeit (s. Palandt-Ellenberger, a.a.O., m.w.N.). Entstanden ist ein Anspruch also nur, aber auch schon, wenn alle Voraussetzungen eingetreten sind, von denen er abhängt. Dieser Zeitpunkt ist zwar grundsätzlich gleichzusetzen mit dem der Fälligkeit (BGH BeckRS 2014, 18230; MDR 2010, 319 f), jedoch handelt es sich nicht um einen völligen Gleichlauf zwischen Entstehung des Anspruchs i.S.d § 199 BGB und der Fälligkeit. Im Hintergrund steht dabei die Überlegung, dass in den Fällen der sog. Schadenseinheit schwerlich angenommen werden kann, der Ersatzanspruch wird mit Auftreten des ersten Schadens auch insoweit bereits fällig, als es zwar vorhersehbare, in ihrer konkreten Ausprägung aber noch nicht feststehende Spätfolgen anbelangt.

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Nach wie vor ist ein Anspruch für die Zwecke des Verjährungsbeginns also regelmäßig erst im Zeitpunkt seiner Fälligkeit als entstanden anzusehen, gänzlich synonym sind die Begriffe jedoch nicht. Insbesondere genügt die Möglichkeit, vor Fälligkeit eine verjährungsunterbrechende Feststellungsklage zu erheben (s.o.), namentlich in Schadensersatzfällen, so dass unter den weiteren Voraussetzungen des § 199 BGB eine einheitliche Verjährungsfrist zu laufen beginnen kann, die den gesamten Schaden abdeckt. Umgekehrt folgt aber aus der Möglichkeit, eine Feststellungsklage zu erheben, nicht ausnahmslos, dass der Anspruch als entstanden angesehen werden muss, so z.B. wenn noch offen ist, ob ein pflichtwidriges mit einem Risiko behaftetes Verhalten zu einem Schaden führen wird (BGHZ 100, 228, 233 = NJW 1987, 1887).

Gemäß dem Grundsatz der Schadenseinheit erfasst die eingetretene Verjährung auch den erst später entstandenen Schaden und führt bei Schadensersatzansprüchen zur Anspruchsentstehung.

Danach ist der aus einem bestimmten Verhalten erwachsende Schaden in der Regel als ein Ganzes aufzufassen ist. Es gilt daher eine einheitliche Verjährungsfrist, wenn schon beim Auftreten des ersten Schadens bei verständiger Würdigung mit der nicht entfernt liegenden Möglichkeit des Auftretens weiterer, bisher noch nicht erkennbarer und zu berücksichtigender Schäden bzw. Folgen des schädigenden Verhaltens, mithin mit wirtschaftlichen Nachteilen gerechnet werden muss (BGH, NJW 2015, 2190ff.). Demzufolge gilt der gesamte Schaden, der auf einem bestimmten einheitlichen Verhalten beruht, bereits mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten, ohne das es auf die Kenntnis jedes einzelnen Schadenspostens ankommt. Die objektive Voraussetzung für den Verjährungsbeginn tritt also nach dem Grundsatz der Schadenseinheit auch für nachträglich auftretenden, zunächst nur drohende, aber nicht unvorhersehbare Folgen ein, sobald irgendein (Teil-)Schaden entstanden ist. Der Zeitpunkt der einzelnen Schadensfolgen spielt so lange keine Rolle, als diese eine bloße Weiterentwicklung darstellen und mit ihnen bereits beim Auftreten des ersten Schadens gerechnet werden konnte (MK-Grothe, BGB, § 199 Rn. 9). Der Verjährungsbeginn erstreckt sich indes nur dann auf später eintretende Schadensfolgen, wenn sie sich nach den Anschauungen des Verkehrs voraussehen und erwarten lassen. Soweit keine Schadenseinheit besteht, weil die Folgen unvorhersehbar gewesen sind, beginnt eine neue Verjährungsfrist, sobald sie vorhersehbar geworden ist, der Anspruch auf Ersatz des zu erwartenden Schadens nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB also tatsächlich eingetreten ist (BGH WM 1991, 1737, 1738). Hat das zum Schadensersatz verpflichtende Verhaften zunächst nur zu einem Schadensrisiko geführt, so tritt der Schaden erst bei der Verwirklichung des Risikos ein; erst dann entsteht der Anspruch (BGH 100, 228, 233; MDR 2000, 793; 2009, 1167, 1169).

Hängt die Entstehung des Anspruchs von einer Kündigung oder Anfechtung ab, beginnt auch die Verjährung erst mit wirksamer Kündigung bzw. Anfechtung zu laufen (Palandt-Ellenberger, BGB, 75. Auflage 2016, Rz. 4).

Da der Kläger in dem rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren vor dem Landgericht bzw. Oberlandesgericht Oldenburg (4 O 3230/10 bzw. 4 U 41/12) hinsichtlich der Anfechtung bereits eine Schadensposition geltend gemacht hat, kommt es nach den oben dargestellten Grundsätzen insbesondere auf die Vorhersehbarkeit der hier geltend gemachten Schadenspositionen an, da die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2010 (Anfechtungserklärung 15.09.2010) begonnen hat, Verjährung demnach also mit Ende des Jahres 2013 eingetreten ist.

Daneben, und hierauf stützt der Kläger seine Ansprüche ausdrücklich, hat die Beklagte die Rückabwicklung abgelehnt und hierdurch verzögert, worin eine weitere schädigende Handlung der Beklagten zu ersehen ist, die losgelöst von der arglistigen Täuschung und die hierdurch verursachten Schäden zu bewerten ist. Indes ist auch diese Anspruchsentstehung im Jahre 2010 anzusiedeln, als nämlich die Beklagte – und dies hat der Kläger zumindest in dem Vorverfahren auch stets so ausgeführt – mit anwaltlichem Schreiben vom 18.10.2010 die Rückabwicklung endgültig abgelehnt hat. Auch die Verjährungsfrist der hieraus resultierenden Ansprüche begann damit mit Ablauf des Jahres 2010 und endete am 31.12.2013.

Der Maßstab der Vorhersehbarkeit ist ein objektiver, es kommt demnach nicht auf die subjektive Voraussicht oder das Vorstellungsvermögen des konkret Geschädigten an. Dabei gibt nicht der Horizont eines Fachmannes auf dem jeweiligen Gebiet den Ausschlag, sondern der eines durchschnittlichen Betrachters, was sich regelmäßig mit dem Maßstab der allgemeinen Lebenserfahrung decken dürfte (MK-Grothe BGB § 199 Rn. 11-12).

Insoweit ist das Gericht der Ansicht, dass sämtliche klageweise geltend gemachten Positionen vorhersehbar waren, da diese im Falle einer Rückabwicklung, und diese wurde seitens des Klägers spätestens mit der Anfechtungserklärung ohne Zweifel angestrebt, in jedem Fall angefallen wären. Insoweit wäre ein Feststellungsantrag bzw. eine bezifferte Klageerweiterung, welcher die Verjährung verhindert hätte, nicht fern liegend gewesen, sondern war vielmehr geboten. Diese Notwendigkeit hatte der Kläger nach Eingang des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing (FH) G. vom 28.11.2011 in der I. Instanz des Vorverfahrens auch durchaus erkannt. So hatte er in seinem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 13.12.2011, mit welchem er die „Stilllegung“ des V. und die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs angekündigt hatte, genau dies angekündigt.

An einer Vorhersehbarkeit fehlt es nach Ansicht des Gerichts weder hinsichtlich der Schadenspositionen „An- und Abmeldekosten“, „Versicherungskosten“ sowie hinsichtlich zumindest eines Teils der „Fahrtkosten“, die nämlich im Zusammenhang mit der Anschaffung eines neuen Fahrzeugs, aber auch der Übergabe an die Beklagte angefallen wären, noch in Hinblick auf die anderen Positionen. Zum Zeitpunkt der Anfechtung war nicht erkennbar, ob und wann die begehrte Rückabwicklung erfolgen würde, spätestens nach ihrer endgültigen Ablehnung durch die Beklagte im Oktober 2010 wurde indes deutlich, dass sich diese womöglich nicht unerheblich verzögern würden. Angesichts des bis dahin zu Tage getretenen Verhaltens der Beklagten sowohl gegenüber dem Kläger als auch gegenüber dem Vorbesitzer des Pkw V., der sein Rückabwicklungsbegehren ebenfalls gerichtlich hatte durchsetzen müssen, musste es sich dem Kläger bereits damals geradezu aufdrängen, dass eine Rückabwicklung des Vertrags geraume Zeit in Anspruch nehmen würde.

Schon damals war aufgrund der bekannten Schäden am Fahrzeug zudem vorherzusehen, dass, wollte der Kläger nicht Gefahr laufen, sich dem Vorwurf der Schadensminderung auszusetzen, die Nutzung des Pkw sinnvollerweise nicht mehr erfolgen sollte, das Fahrzeug vielmehr trocken und sicher untergebracht werden müsste – mit der weiteren Konsequenz, dass, sofern zwei Fahrzeuge in der Familie benötigt würden, ein Ersatzwagen angeschafft werden müsste, wofür weitere Kosten, ggf. auch Finanzierungsaufwendungen, anfallen könnten.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass dem Kläger das bereits im Jahre 2008 erstellte Gutachten des Ingenieurbüros V., dass zu dem Ergebnis gelangt ist, dass an dem Fahrzeug teilweise Wasseransammlungen bzw. Feuchtigkeitseintritt festzustellen seien, welche womöglich konstruktiv bedingt bei dem Fahrzeugtyp des häufigeren aufträten, jedoch nicht dem allgemeinen Stand der Technik bei vergleichbaren Fahrzeugen entsprächen und nicht auszuschließen sei, dass durch die Wasseransammlungen bzw. Feuchtigkeitsanhaftungen und die damit verbundene Kondensationsbildung im Innenraum längerfristig Schäden bzw. vorzeitige Korrosion und Schimmelbildung am Fahrzeug eintreten könnten, bereits im Jahre 2010 bekannt gewesen ist. Bereits die Anfechtung vom 15.09.2010 wurde unter Benennung der von dem Sachverständigen V. festgestellten Mängel und sogar ausdrücklicher Bezugnahme auf dessen Gutachten erklärt. Und auch in dem außergerichtlichen Schreiben vom 12.10.2010 wurde auf eben diese Erkenntnisse Bezug genommen und ausdrücklich von dem „vorliegenden Gutachten des Sachverständigen H. V.“ gesprochen. Dass dies geschehen sein soll, ohne dass das Gutachten tatsächlich vorgelegen hätte, ist schlechterdings nicht vorstellbar, zumal auch in der Klageschrift vom 11.11.2010 in dem vorangegangenen Verfahren vor dem Landgericht Oldenburg (4 O 3230/10) auf eben diese Feststellungen Bezug genommen wurde und wörtliche Zitate Eingang in den Schriftsatz gefunden haben.

Da diese sachverständigen Feststellungen und Erkenntnisse dem Kläger bereits 2010 vorlagen, mithin bekannt waren, war für ihn auch erkennbar, welche Gefahren dem seinerzeit streitgegenständlichen Pkw drohten. Bereits zum Zeitpunkt der Anfechtung im September 2010, demzufolge auch bei endgültiger Ablehnung der Rückabwicklung rund einen Monat später war für den Kläger erkennbar, dass die Gefahr bestand, dass das Fahrzeug infolge der vorhandenen massiven Mängel vorzeitig rosten und sich Schimmel im Fahrzeuginnenraum bilden könnte. Durch das unkontrollierte Eindringen von Wasser konnte sogar schon damals ein weitergehender Schaden beispielsweise in der Elektronik nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund seiner Kenntnis von den vorhandenen Mängeln, bei denen es sich keineswegs um Kleinigkeiten handelte, war auch für den Kläger als Nichtfachmann die Notwendigkeit, Maßnahmen zur Vermeidung einer weitergehenden Schädigung des Fahrzeugs, dass er an die Beklagte als Verkäuferin zurückgeben wollte, zu ergreifen, erkennbar. Das auch aus rechtlicher Sicht bestehende Erfordernis, hier insoweit tätig zu werden und auch werden zu müssen, war für ihn, da anwaltlich beraten, ebenfalls zu erkennen. Dass derartige Maßnahmen mit ggf. sogar erheblichen Kosten verbunden sein könnten, stand zu befürchten, so dass nichts näher gelegen hätte, als umgehend, wenn nicht mit Klageerhebung, so doch im weiteren Verlauf des Rechtsstreits, wie späterhin angekündigt, weitergehende Ansprüche anzumelden und ggf. im Wege einer Feststellungsklage rechtshängig zu machen und so die laufende Verjährung zu hemmen.

Entgegen der Auffassung des Klägers haben auch nicht erst die später durch das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing (FH) … G. vom 28 11.2011 festgestellten Mängel eine Einlagerung des Fahrzeugs zwingend notwendig gemacht. Denn diese sind, anders als der Kläger nunmehr – im Gegensatz zu seiner Darstellung und Argumentation im Vorverfahren – vorträgt identisch mit denen, die zuvor schon der Sachverständige V. in seinem Gutachten aus dem Jahre 2008 festgestellt hatte. Dies hat auch das Oberlandesgericht Oldenburg in seiner Entscheidung vom 19.09.2012 so gesehen und aufgrund dessen die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durchgreifen lassen. Würde man dies jetzt tatsächlich anders sehen wollen, würde man sich hierzu in Widerspruch setzen und damit sogar die Wirksamkeit der Anfechtung, die der Kläger ja für sich in Anspruch nimmt, in Frage stellen. Maßgeblich ist, dass das unkontrollierte Eindringen von Wasser in des Fahrzeuginnenraum bekannt war – nicht zuletzt auch durch eigenes Erleben – und spätestens im Oktober 2010 deutlich wurde, dass die begehrte Rückabwicklung auf sich würde warten lassen. Wollte man eine Verschlechterung des seinerzeit streitgegenständlichen Gegenstandes und alle daraus erwachsenden (rechtlichen) Konsequenzen nicht sehenden Auges entstehen lassen, lag es auf der Hand, hier tätig zu werden bzw. werden zu müssen. Dies ist dann ja auch tatsächlich geschehen, die ebenfalls zutreffend erkannte, grundsätzlich bestehende Schadensersatzpflicht der Beklagten ist indes – anders als angekündigt – nicht zeitnah verfolgt worden. Mit der Erhebung der Klage, die diesem Rechtsstreit zugrunde liegt, ist dies vielmehr erst nach Ablauf der Verjährung geschehen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 2. Alt. i.V.m. § 711 S. 1 und 2 ZPO.

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