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Fahrzeugführung ohne geeignetes Schuhwerk – Bussgeld

Oberlandesgericht Celle

Az: 322 Ss 46/07 (Owiz)

Beschluss vom 13.03.2007


In der Bußgeldsache wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts L. vom 28.11.2006 am 13.03.2007 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts L. zurückverwiesen.

Gründe:

I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen sonstige Pflichten des Fahrzeugführers (§ 23 Abs. 1 StVO) zu einer Geldbuße von 57,50 Euro verurteilt. Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 10.07.2006 gegen 08:45 Uhr am Steuer eines Lkw mit Anhänger die BAB 27. Während der Fahrt trug er Schuhe der Birkenstock-Art, die vorn geschlossen, aber hinten offen waren und keinen Fersenriemen hatten. Der Betroffene hat diesen Umstand eingeräumt, ist jedoch der Auffassung, dass sein Schuhwerk ordnungsgemäß gewesen sei. Das Amtsgericht hat unter Hinweis auf die Unfallverhütungsvorschrift Fahrzeuge BGVD 29, dort § 44 Abs. 2, in der vorgeschrieben wird, dass beim Führen eines Lkws Schuhwerk getragen werden muss, das den Fuß umschließt, ausgeführt, dass die Besetzung des Fahrzeuges (Fahrer) i. S. von § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO nicht vorschriftsmäßig gewesen sei. Hiergegen wendet der Betroffene sich mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde unter Hinweis darauf, dass der zugrunde liegende Sachverhalt bisher weder in der StVO noch in der Rechtsprechung behandelt worden sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Zulassungsantrag als unbegründet zu verwerfen, da die aufgeworfene Rechtsfrage durch den Beschluss des OLG Bamberg vom 15.11.2006, 2 Ss (Owi) 577/06, bereits zutreffend dahingehend entschieden worden sei, dass eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 OWiG in diesem Fall nicht gegeben sei, und allein eine „Untermauerung“ jener Rechtsprechung die Zulassung unter dem Gesichtspunkt der Fortbildung des Rechts nicht rechtfertige.

Die Einzelrichterin hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zugelassen unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Festigung eines Leitsatzes.

II.
Die zugelassene Rechtsbeschwerde hat in der Sache – vorläufig – Erfolg. Das bloße Fahren ohne geeignetes Schuhwerk ist – jedenfalls bei einer nicht dem Anwendungsbereich des § 209 SGB VII unterfallenden Fahrt und ohne zusätzliche Herbeiführung eines von der Rechtsordnung missbilligten Erfolges – weder nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO noch nach anderweitigen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts mit Bußgeld sanktioniert (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 15.11.2006, NStZ-RR 2007, 90).

Dem Amtsgericht ist beizupflichten, dass es mit den Pflichten eines sorgfältigen Kraftfahrzeugführers unabhängig von der Frage der Bußgeldbewehrung unvereinbar ist, ein Kraftfahrzeug ohne oder mit hierfür ungeeignetem Schuhwerk zu führen. Das Fahren ohne geeignetes Schuhwerk kann infolge einer dadurch bedingten Fehlbedienung der Pedale oder eines Abrutschens von den Pedalen mit erheblichen Risiken verbunden sein. Wird dadurch ein von der Rechtsordnung missbilligter Erfolg herbeigeführt, insbesondere ein Dritter geschädigt, gefährdet oder auch nur belästigt i. S. von § 1 Abs. 2 StVO, kann der Fahrzeugführer auch strafrechtlich oder bußgeldrechtlich für einen dadurch verursachten Schaden verantwortlich sein. Ein solcher Erfolg ist nach den getroffenen Feststellungen jedoch nicht eingetreten.

§ 23 Abs. 1 Satz 2 StVO verbietet das Fahren ohne geeignetes Schuhwerk nicht. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO muss der Führer des Fahrzeuges dafür sorgen, dass die Besetzung vorschriftsmäßig ist und dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Besetzung nicht leidet. Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass der Fahrer zur Besetzung des Fahrzeugs zählt. Dies ist indessen nicht der Fall. Mit der Besetzung des Fahrzeugs sind nur die Personen gemeint, die sich neben dem Fahrer noch im Fahrzeug befinden (vgl. OLG Bamberg, a. a. O.; BayObLG DAR 1979, 45; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 23 StVO Rdnr. 22). Dies ergibt sich zum einen aus dem allgemeinen Sprachgebrauch (vgl. dazu BayObLG, a.a.O), zum anderen aus § 31 Abs. 2 StVZO, der für den Fahrzeughalter zwischen seiner Verantwortung für die Eignung des Fahrzeugführers einerseits und die Besetzung andererseits differenziert.

Zwar wird bei Hentschel, a. a. O., Rdnr. 10, unter Hinweis auf BGH VM 57, 32, betont, dass unsorgfältig fährt, wer mit ungeeignetem Schuhwerk fährt. Diese BGH-Entscheidung ist jedoch zu § 7 Abs. 3 Satz 1 StVO a. F. ergangen. Dieser verpflichtete den Führer eines Fahrzeuges „zur gehörigen Vorsicht in der Leitung und Bedienung“. Diese Formulierung ist in § 23 StVO n.F. nicht übernommen worden. Diese BGH-Entscheidung kann also nicht zur Begründung der Auffassung herangezogen werden, dass mit „Besetzung“ auch der Fahrer des Fahrzeugs gemeint sein soll.

Auch eine ausdehnende Auslegung des § 23 StVO im Hinblick auf die Einbeziehung des Fahrers in die „Besetzung“ des Fahrzeugs kommt nicht in Betracht. Zwar ist § 23 StVO ein Auffangtatbestand für anderweitig nicht normierte Pflichten eines Fahrzeugführers. Angesichts der Differenzierung im Wortlaut von § 31 Abs. 2 StVZO widerspricht eine solche Auslegung aber der eindeutigen Systematik der Verordnungen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass es über § 209 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1 SGB VII i. V. m. §§ 44 Abs. 2, 58 und 32 der Unfallverhütungsvorschriften „Fahrzeuge“ eine bußgeldbewehrte Pflicht gibt, beim Führen bestimmter Fahrzeuge ordnungsgemäße Kleidung zu tragen. Insoweit kann es auch auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers beruhen, im Straßenverkehrsrecht anders als im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung keine Anordnungen hinsichtlich des von einem Fahrzeugführer zu tragenden Schuhwerkes zu treffen.

III.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben. Die Sache ist zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, da im angefochtenen Urteil keine abschließenden Feststellungen dahingehend enthalten sind, ob die Fahrt des Betroffenen im Rahmen seiner Berufsausübung erfolgt ist. Dies liegt zwar nahe, lässt sich jedoch aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen.

Vor dem Hintergrund, dass eine – allein noch in Rede stehende – Ordnungswidrigkeit gemäß § 209 SGB VII nach § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG nicht ins Verkehrszentralregister einzutragen sein dürfte, könnte sich möglicherweise für das weitere Verfahren eine Entscheidung im Beschlusswege gemäß § 72 OWiG anbieten.

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