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Gegenanträge dürfen das selbständige Beweisverfahren nicht verzögern!

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden, dass Gegenanträge im selbständigen Beweisverfahren nur zulässig sind, wenn sie den Sachkomplex nicht wesentlich erweitern und keine erhebliche Verzögerung verursachen. Im vorliegenden Fall würde die beantragte Untersuchung der Bodenplatte zu einer unverhältnismäßigen Verzögerung führen und erfordert zudem die Zerstörung der vorhandenen Bausubstanz, weshalb die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen wurde. Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Abwägung der Interessen aller Beteiligten im selbständigen Beweisverfahren, um einen effizienten und zielgerichteten Verfahrensablauf zu gewährleisten.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 8 W 7/24

✔ Kurz und knapp


  • Gegenanträge im selbständigen Beweisverfahren sind nur zulässig, wenn sie rechtzeitig gestellt werden und nicht zu einer wesentlichen Verzögerung des Verfahrens führen.
  • Eine Beweisanordnung, die zu einer Zerstörung von Bausubstanz (hier: Rückbau des Bodenaufbaus) führen würde, kommt nicht in Betracht, wenn der Berechtigte dies nicht zulässt.
  • Das selbständige Beweisverfahren dient der Vorbereitung des Hauptsacheverfahrens und soll nicht durch übermäßige Beweisaufnahme verzögert werden.
  • Bei unverhältnismäßigem Aufwand (z.B. Hinzuziehung weiterer Sachverständiger) ist eine Beweisanordnung im selbständigen Verfahren abzulehnen.
  • Das Gericht hat im selbständigen Beweisverfahren einen Interessenausgleich zwischen Beweiswürdigung und zügiger Verfahrensabwicklung vorzunehmen.

Gegenanträge im selbständigen Beweisverfahren: OLG Karlsruhe klärt Grenzen

Im Zivilprozess spielt das selbständige Beweisverfahren eine wichtige Rolle. Hier können Gerichte bereits vor Beginn des eigentlichen Hauptsacheverfahrens Beweise sichern und wichtige Tatsachen klären. Dies hat den Vorteil, dass im späteren Verfahren auf diese gesicherten Erkenntnisse zurückgegriffen werden kann.

Allerdings ist es nicht immer einfach, die richtige Balance zwischen einer umfassenden Beweisaufnahme und einer zügigen Verfahrensabwicklung zu finden. Denn die Parteien haben häufig unterschiedliche Interessen: Während der Antragsteller möglichst viel Klarheit schaffen möchte, kann der Antragsgegner ein Interesse daran haben, das Verfahren durch zusätzliche Beweisanträge zu verzögern.

An dieser Stelle stellt sich die Frage, wie Gerichte mit solchen Gegenanträgen umgehen müssen, um einen fairen Interessenausgleich zu schaffen. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe gibt hierzu wichtige Orientierung…

✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe


Verzögerung des selbständigen Beweisverfahrens durch Gegenanträge

In dem vorliegenden Fall geht es um ein selbständiges Beweisverfahren, das von den Antragstellern initiiert wurde, um die Ursachen und Verantwortlichkeiten für einen Wasserschaden in ihrem neu errichteten Einfamilienhaus zu klären. Die Antragsteller hatten verschiedene Parteien mit der Planung und Ausführung des Baus beauftragt: die Antragsgegnerin zu 1 mit den Architektenleistungen, die Antragsgegnerin zu 2 mit den Rohbauarbeiten und die Antragsgegnerin zu 3 mit der Tragwerksplanung. Nachdem im Untergeschoss des Hauses ein Wasserschaden festgestellt wurde, beantragten die Antragsteller ein selbständiges Beweisverfahren zur Klärung der Schadensursachen und möglicher Planungs- und Ausführungsfehler.

Das Landgericht Baden-Baden ordnete die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens an, das im Dezember 2022 vorgelegt wurde. Der Sachverständige stellte fest, dass eine mangelhafte Planung der WU-Konstruktion vorliege, die zu unkontrollierter Rissbildung führen könne. Ob der Wasserschaden damit in Zusammenhang stehe, sei jedoch unwahrscheinlich. Daraufhin wurde eine schriftliche Ergänzung des Gutachtens angeordnet, um festzustellen, ob zerstörungsfreie Methoden zur Rissdetektion in der Bodenplatte existieren. Der Sachverständige verneinte diese Frage in seinem Ergänzungsgutachten vom Mai 2023.

Die Antragsgegnerin zu 3 beantragte im Oktober 2023, die Bodenplatte auf Risse zu untersuchen, was das Landgericht zunächst genehmigte. Nachdem die Antragsteller widersprachen, änderte das Landgericht den Beschluss und lehnte die Beweisanordnung ab. Gegen diese Entscheidung legte die Antragsgegnerin zu 3 Beschwerde ein, mit der Begründung, dass die Klärung der Frage, ob Risse in der Bodenplatte vorhanden seien, zur Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit der von den Antragstellern geforderten Mängelbeseitigungsmaßnahmen notwendig sei.

Gerichtliche Bewertung und Abwägung

Das Oberlandesgericht Karlsruhe wies die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 3 zurück. Das Gericht stellte fest, dass die Klärung der Frage, ob Risse in der Bodenplatte vorhanden seien, über den bisherigen Untersuchungsgegenstand hinausgehe und daher als Gegenantrag zu qualifizieren sei. Solche Gegenanträge seien nur dann zulässig, wenn sie den Sachkomplex des Beweissicherungsantrags nicht wesentlich erweitern und keine wesentliche Verzögerung des Verfahrens verursachen.

Das Gericht führte aus, dass die von der Antragsgegnerin zu 3 beantragte Untersuchung der Bodenplatte zu einer wesentlichen Verzögerung des Verfahrens führen würde. Dies wurde durch die Ausführungen des Sachverständigen bestätigt, der erklärte, dass zur Feststellung von Rissen in der Bodenplatte der komplette Bodenaufbau des Kellers zurückgebaut werden müsse. Diese Untersuchungen seien aufwendig und würden eine erhebliche zeitliche Verzögerung mit sich bringen, die den Antragstellern nicht zumutbar sei.

Darüber hinaus wies das Gericht darauf hin, dass die Feststellung von Rissen in der Bodenplatte eine Zerstörung der vorhandenen Bausubstanz erfordere. Da die Antragsteller dem Rückbau des Bodens nicht zustimmten und das Untergeschoss vollständig als Wohnraum ausgebaut sei, könne ihnen auch nicht gemäß § 144 Abs. 1 Satz 3 ZPO aufgegeben werden, eine Bauteilöffnung zu dulden. Eine Beweisanordnung, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht durchführbar sei, könne grundsätzlich nicht verlangt werden.

Rechtliche Grundlagen und Abwägung der Interessen

Das Gericht betonte, dass im selbständigen Beweisverfahren gemäß § 485 ZPO Gegenanträge nur zulässig seien, wenn sie innerhalb des Sachkomplexes blieben und vor Beendigung des Verfahrens gestellt würden. Zudem dürfe die Erweiterung der Beweisaufnahme keine wesentliche Verzögerung verursachen. Diese Vorgaben sollen sicherstellen, dass das selbständige Beweisverfahren effizient und zielgerichtet verläuft und nicht durch zusätzliche Anträge unverhältnismäßig in die Länge gezogen wird.

Im vorliegenden Fall hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass der von der Antragsgegnerin zu 3 beantragte Rückbau des Kellers und die Untersuchung der Bodenplatte zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens führen würden. Die dadurch entstehenden Kosten und der organisatorische Aufwand stünden in keinem angemessenen Verhältnis zum Erkenntnisgewinn, zumal bereits festgestellt wurde, dass eine zerstörungsfreie Untersuchung nicht möglich sei.

Kostenentscheidung und abschließende Bewertung

Die Kostenentscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe basiert auf § 97 Abs. 1 ZPO. Da die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 3 unbegründet war, hat sie die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Insgesamt verdeutlicht das Urteil die Bedeutung einer sorgfältigen Abwägung der Interessen aller Beteiligten im selbständigen Beweisverfahren. Die rechtzeitige und sachgerechte Stellung von Beweisanträgen ist entscheidend, um Verzögerungen und unnötige Kosten zu vermeiden. Das Gericht hat in diesem Fall klargestellt, dass Gegenanträge nur dann zulässig sind, wenn sie den Verfahrensablauf nicht wesentlich beeinträchtigen und die Rechte der anderen Parteien angemessen berücksichtigt werden.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil verdeutlicht, dass Gegenanträge im selbständigen Beweisverfahren nur zulässig sind, wenn sie den Sachkomplex nicht wesentlich erweitern und keine erhebliche Verzögerung verursachen. Eine sorgfältige Abwägung der Interessen aller Beteiligten ist entscheidend, um einen effizienten und zielgerichteten Verfahrensablauf zu gewährleisten. Beweisanordnungen, die unverhältnismäßige Verzögerungen oder die Zerstörung von Bausubstanz erfordern, können nicht verlangt werden, insbesondere wenn der Erkenntnisgewinn in keinem angemessenen Verhältnis zu den entstehenden Kosten und dem organisatorischen Aufwand steht.

✔ FAQ – Häufige Fragen: Gegenanträge im selbständigen Beweisverfahren


Was sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Gegenanträgen im selbständigen Beweisverfahren? (Relevanz: 10)

Die Zulässigkeit von Gegenanträgen im selbständigen Beweisverfahren ist an mehrere Voraussetzungen geknüpft, die sicherstellen sollen, dass das Verfahren nicht unnötig verzögert wird und die Beweissicherung effektiv bleibt. Die wesentlichen Kriterien sind:

1. Rechtzeitigkeit der Antragstellung

Gegenanträge müssen rechtzeitig gestellt werden. Dies bedeutet, dass sie so früh wie möglich im Verfahren eingebracht werden sollten, um eine wesentliche Verzögerung des Verfahrens zu vermeiden. Eine verspätete Antragstellung kann zur Unzulässigkeit des Gegenantrags führen.

2. Keine wesentliche Verzögerung des Verfahrens

Ein zentraler Punkt ist, dass Gegenanträge nicht zu einer wesentlichen Verzögerung des selbständigen Beweisverfahrens führen dürfen. Dies ist entscheidend, um den Zweck des Verfahrens, nämlich die schnelle und effektive Beweissicherung, nicht zu gefährden.

3. Sachzusammenhang

Gegenanträge müssen einen Sachzusammenhang zu dem vom Antragsteller bezweckten Beweisthema aufweisen. Das bedeutet, dass die Gegenanträge inhaltlich mit den ursprünglichen Beweisanträgen verbunden sein müssen und sich auf dieselben oder verwandte Tatsachen beziehen sollten.

4. Einhaltung der Anforderungen des § 485 ZPO

Die Anforderungen des § 485 ZPO müssen gewahrt bleiben. Dies umfasst insbesondere das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Beweissicherung und die Darlegung dieses Interesses im Antrag.

5. Keine abgeschlossene Beweiserhebung

Gegenanträge sind nur zulässig, solange die Beweiserhebung noch nicht abgeschlossen ist. Ist die Beweiserhebung bereits beendet, können keine neuen Gegenanträge mehr gestellt werden.

6. Zustimmung bei Bauteilöffnungen

Eine Beweisanordnung, die eine Bauteilöffnung in einer Wohnung erfordert, ist nur zulässig, wenn der Berechtigte dieser Öffnung zustimmt. Ohne diese Zustimmung kann eine solche Beweisanordnung nicht ergehen.

Diese Voraussetzungen gewährleisten, dass Gegenanträge im selbständigen Beweisverfahren nur dann zugelassen werden, wenn sie den Verfahrensablauf nicht unnötig behindern und inhaltlich relevant sind.

Welche Folgen kann eine wesentliche Verzögerung des Verfahrens durch Gegenanträge haben? (Relevanz: 9)

Eine wesentliche Verzögerung des Verfahrens durch Gegenanträge kann erhebliche Folgen für die Antragsteller haben. Solche Verzögerungen können zu zusätzlichen Kosten führen, da längere Verfahren oft höhere Anwalts- und Gerichtskosten verursachen. Zudem kann die zeitliche Belastung für die Beteiligten erheblich sein, da sie über einen längeren Zeitraum hinweg in das Verfahren eingebunden bleiben und möglicherweise wichtige persönliche oder berufliche Verpflichtungen vernachlässigen müssen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Beeinträchtigung der Rechte der Antragsteller. Eine überlange Verfahrensdauer kann das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Verzögerung zu einer Beeinträchtigung der Beweislage führt oder die Möglichkeit der Durchsetzung von Ansprüchen erschwert wird. In solchen Fällen kann ein Anspruch auf Entschädigung bestehen, wie es in § 198 GVG geregelt ist. Diese Entschädigung kann sowohl immaterielle als auch materielle Nachteile abdecken, die durch die Verzögerung entstanden sind.

Ein Beispiel für die rechtlichen Konsequenzen einer Verfahrensverzögerung findet sich in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wo eine mehr als achtzehnmonatige Untätigkeit des Gerichts als unangemessene Verfahrensverzögerung anerkannt wurde. Dies führte zu einer Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer und einer entsprechenden Entschädigung für die Betroffenen.

Zusammengefasst können wesentliche Verfahrensverzögerungen durch Gegenanträge zu erheblichen finanziellen und zeitlichen Belastungen sowie zur Beeinträchtigung der Rechte der Antragsteller führen. In solchen Fällen besteht die Möglichkeit, Entschädigungsansprüche geltend zu machen, um die erlittenen Nachteile auszugleichen.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 485 ZPO: Regelung des selbständigen Beweisverfahrens. Relevanz: Definiert den Rahmen und Zweck des Verfahrens zur Sicherung von Beweisen vor einem Hauptsacheverfahren.
  • § 412 ZPO: Ergänzungsgutachten. Relevanz: Erlaubt die Anordnung eines Ergänzungsgutachtens, wenn das ursprüngliche Gutachten Fragen offen lässt oder unklar ist.
  • § 144 Abs. 1 ZPO: Duldungspflichten. Relevanz: Bestimmt, dass Parteien unter bestimmten Umständen Maßnahmen zur Beweissicherung dulden müssen. In diesem Fall relevant, da es um die Duldung der Bauteilöffnung ging.
  • § 275 Abs. 2 BGB: Unverhältnismäßiger Aufwand. Relevanz: Bezieht sich auf Leistungsverweigerungsrechte, wenn der Aufwand zur Leistungserbringung unverhältnismäßig ist. Dies war ein Argument der Antragsgegnerin.
  • § 635 Abs. 3 BGB: Unverhältnismäßige Mängelbeseitigungskosten. Relevanz: Definiert, wann Mängelbeseitigungskosten unverhältnismäßig sind, ein weiterer Punkt der Antragsgegnerin.
  • § 97 Abs. 1 ZPO: Kostenentscheidung. Relevanz: Regelung zur Kostentragung nach Zurückweisung der Beschwerde. Hier angewendet zur Bestimmung, dass die Antragsgegnerin die Kosten trägt.
  • OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.04.2024 – 8 W 7/24: Aktuelles Urteil. Relevanz: Gibt rechtliche Orientierung zur Zulässigkeit und den Voraussetzungen von Gegenanträgen im selbständigen Beweisverfahren.
  • BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 – VII ZB 61/12: Präzedenzfall. Relevanz: Bezugnahme auf eine Entscheidung zur Duldungspflicht, hier zur Frage, ob eine Bauteilöffnung verlangt werden kann.


⬇ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe

OLG Karlsruhe – Az.: 8 W 7/24 – Beschluss vom 16.04.2024

ZPO § 144 Abs. 1, § 412 Abs. 1, § 485 Abs. 2, 3

1. Gegenanträge sind im selbständigen Beweisverfahren nur zulässig, wenn sie rechtzeitig gestellt werden und nicht zu einer wesentlichen Verzögerung des Verfahrens führen (Anschluss OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.09.2002 – 13 W 2914/02, IBRRS 2003, 1704 = IMRRS 2003, 0677).*)

2. Eine Beweisanordnung kommt – auch im selbständigen Beweisverfahren – nicht in Betracht, wenn sie eine Bauteilöffnung in einer Wohnung erfordert, der der Berechtigte nicht zustimmt.*)

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.04.2024 – 8 W 7/24

vorhergehend:

LG Baden-Baden, 21.02.2024 – 3 OH 6/21

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 3 gegen den Beschluss des Landgerichts Baden-Baden vom 21.02.2024 – 3 OH 6/21 – wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin zu 3 hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragsteller ließen auf ihrem Grundstück ein freistehendes Einfamilienhaus errichten. Hierzu beauftragten sie die Antragsgegnerin zu 1 mit den Architektenleistungen, die Antragsgegnerin zu 2 mit den Rohbauarbeiten und die Antragsgegnerin zu 3 mit der Tragwerksplanung. Die Baumaßnahme wurde im Jahr 2020 begonnen. Im April 2021 bezogen die Antragsteller das Objekt. Noch vor Bezug des Wohnhauses kam es im Untergeschoss zu einem Wasserschaden, bei dem der Fußbodenaufbau stark durchfeuchtet wurde. Zur Klärung der Ursachen und der Verantwortlichkeit für den Wasserschaden sowie der Existenz von Planungs- und Ausführungsfehlern betreiben die Antragsteller das vorliegende selbständige Beweisverfahren.

Mit Beschluss vom 26.11.2021 ordnete das Landgericht die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens an. Der beauftragte Sachverständige ### erstattete das Gutachten am 20.12.2022. In dem Gutachten führte der Sachverständige aus, dass eine mangelhafte Planung der WU-Konstruktion vorliege. Dadurch könne sich eine Sollrissstelle ausbilden, die zu einer unkontrollierten Rissbildung führen könne. Ob der Wasserschaden mit den Mängeln der WU-Konstruktion zusammenhänge, sei eher unwahrscheinlich, lasse sich aber nicht ausschließen. Mit Beschluss vom 02.03.2023 ordnete das Landgericht eine schriftliche Ergänzung des Sachverständigengutachtens unter anderem zu der Frage der Antragsgegnerin zu 3 an, ob es zerstörungsfreie Methoden gebe, um festzustellen, ob in der Bodenplatte Risse aufgetreten seien, durch die Feuchtigkeit in das Innere trete. Der Sachverständige verneinte diese Frage in seinem Ergänzungsgutachten vom 17.05.2023. Mit Schriftsatz vom 12.10.2023 beantragte die Antragsgegnerin zu 3 sodann, dem Sachverständigen aufzugeben, die Bodenplatte auf Risse zu untersuchen. Das Landgericht gab dem Antrag mit Beschluss vom 23.10.2023 zunächst statt. Nachdem die Antragsteller mit Schriftsatz vom 22.11.2023 der Beweisanordnung entgegengetreten waren, änderte das Landgericht seinen Beschluss vom 23.10.2023 dahin ab, dass von der angeordneten Beweisaufnahme abgesehen werden soll. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin zu 3 mit ihrer sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

Die Antragsgegnerin zu 3 ist der Auffassung, dass es sich bei der Klärung der Frage, ob in der Bodenplatte Risse aufgetreten seien, um eine zulässige Ergänzungsfrage und nicht um einen Gegenantrag handle. Aber selbst wenn es sich um einen Gegenantrag handelte, wäre dieser im selbständigen Beweisverfahren zulässig. Im späteren Klageverfahren sei nämlich zu klären, ob die von den Antragstellern beanspruchten Mängelbeseitigungsmaßnahmen unverhältnismäßig im Sinne des § 635 S. 3 BGB seien. Davon sei auszugehen, wenn in der Bodenplatte keine Risse vorhanden seien.

Die Antragsteller sind der Auffassung, dass die sofortige Beschwerde bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Die Klärung der Frage, ob in der Bodenplatte bereits Risse aufgetreten sind, geht über den bisherigen Untersuchungsgegenstand, der auf die Klärung der Ursachen und der Verantwortlichkeit für den Wasserschaden sowie des Vorhandenseins von Planungs- und Ausführungsfehlern gerichtet ist, hinaus und ist folglich mit dem bisherigen Untersuchungsgegenstand nicht identisch. Die von der Antragsgegnerin zu 3 beantragte Untersuchung stellt somit keine neue Begutachtung im Sinne des § 485 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 412 Abs. 1 ZPO dar, gegen deren Ablehnung kein Rechtsmittel gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 – VI ZB 59/09 -).

2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.

a. Das Landgericht hat die von der Antragsgegnerin zu 3 beantragte Beweisanordnung zur Klärung der Frage, ob in der Bodenplatte Risse vorhanden sind, zutreffend als Gegenantrag und nicht als bloße Ergänzungsfrage qualifiziert. Wie bereits ausgeführt, ist der Untersuchungsgegenstand des selbständigen Beweisverfahrens gemäß den Beweisanträgen der Antragsteller auf die Klärung der Ursachen und der Verantwortlichkeit für den Wasserschaden sowie des Vorhandenseins von Planungs- und Ausführungsfehlern gerichtet. An der Feststellung, ob in der Bodenplatte bereits Risse vorhanden sind, haben die Antragsteller kein Interesse, weil es nach ihrer (zutreffenden) Auffassung für die Bejahung eines Planungs-, Ausführungs- oder Überwachungsfehlers nicht darauf ankommt, ob die von dem Sachverständigen festgestellte mangelhafte Planung der WU-Konstruktion bereits zu Rissen geführt hat (Schriftsatz vom 22.11.2023, S. 2 f.). Die von der Antragsgegnerin zu 3 beantragte Beweisanordnung zielt daher auf eine Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes, mit der es der Antragsgegnerin zu 3 im Wesentlichen um die Aufklärung von Tatsachen geht, mit denen sie im Hauptsacheverfahren die Leistungsverweigerungsrechte des § 275 Abs. 2 BGB (unverhältnismäßiger Aufwand) und des § 635 Abs. 3 BGB (unverhältnismäßige Mängelbeseitigungskosten) begründen will.

Solche Gegenanträge sind im selbständigen Beweisverfahren jedenfalls dann zulässig, wenn sie sich im Rahmen des Sachkomplexes halten, der dem Beweissicherungsantrag des Antragstellers zugrunde liegt, und wenn sie vor Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens gestellt werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Juni 1996 – 21 W 20/96 -, BauR 1996, 896; OLG Nürnberg, Beschluss vom 30. September 2002 – 13 W 2914/02 -; OLG Hamm, Beschluss vom 29.10.2002 – 21 W 25/02 -, BeckRS 2010, 6119; Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., § 486 Rn. 41; Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl., § 485 Rn. 3; Hk-ZPO/Kießling, 10. Aufl., § 490 Rn. 3). Da das selbständige Beweisverfahren in der Variante des § 485 Abs. 2 ZPO von dem Antragsteller zumeist zur Vorbereitung des Hauptsacheverfahrens betrieben wird, ist darüber hinaus zu verlangen, dass durch die von dem Antragsgegner verlangte Erweiterung der Beweisaufnahme keine wesentliche Verzögerung des Verfahrens eintritt (OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 22; OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.10.2018 – 13 W 40/18 -, IBR 2019, 1105 [nur online]; Stein/Jonas/Berger, a.a.O.; Frechen, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 18. Aufl., Kapitel 1 Rn. 89).

Das Landgericht hat zurecht angenommen, dass die von der Antragsgegnerin zu 3 beantragte Beweisanordnung zu einer wesentlichen Verzögerung des Verfahrens führen würde. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ### im Ergänzungsgutachten vom 17.05.2023 gibt es keine sichere Methode, um vertikale Risse in der Bodenplatte zerstörungsfrei zu detektieren. Mit der Ultraschallecho-Messung könnten nur Risse parallel zur Oberfläche detektiert werden, die maßgeblichen Trennrisse würden damit nicht erfasst. Um festzustellen, ob in der Bodenplatte Risse sind, müsste deshalb der komplette Bodenaufbau des Kellers bis zur Bodenplatte zurückgebaut werden (Schreiben des Sachverständigen vom 01.12.2023, S. 2). Die weitere Feststellung, ob vorhandene Risse wasserführend sind, würde darüber hinaus eine Messung des Grundwasserpegels (Schreiben des Sachverständigen ### vom 01.12.2023, S. 3) und in diesem Zusammenhang – gegebenenfalls unter Hinzuziehung weiterer Sachverständiger – die Überprüfung der von dem Sachverständigen ### bislang nur unterstellten, von der Antragsgegnerin zu 3 infrage gestellten, Richtigkeit der Annahmen des von den Antragstellern eingeholten Bodengutachtens vom 28.03.2019 erfordern (Gutachten des Sachverständigen ### vom 20.12.2022, S. 45 und S. 60; Schriftsatz der Antragsgegnerin zu 3 vom 26.01.2024, S. 1 f.).

Da die genannten Untersuchungen mit einem erheblichen Aufwand verbunden sind, der die Hinzuziehung Dritter erfordert, würde die von der Antragsgegnerin zu 3 beantragte Beweisanordnung auch nach der freien Überzeugung des Senats zu einer wesentlichen Verzögerung des selbständigen Beweisverfahrens führen, die den Antragstellern nicht zumutbar ist. Zwar ist das selbständige Beweisverfahren noch nicht beendet, da das Landgericht mit Beschluss vom 23.10.2023 und mit Beschluss vom 21.02.2024 die Einholung eines weiteren Ergänzungsgutachtens zu den Einwendungen und Ergänzungsfragen der Antragsteller und der Antragsgegnerin zu 3 angeordnet hat. Die Erstellung dieses Ergänzungsgutachtens erfordert aber einen weitaus geringeren organisatorischen und technischen Aufwand als die Feststellung von Rissen in der Bodenplatte und wird deshalb voraussichtlich in wesentlich kürzerer Zeit erfolgen können.

b. Die von der Antragsgegnerin zu 3 beantragte Beweisanordnung kommt darüber hinaus auch deshalb nicht in Betracht, weil sie unter den gegebenen Umständen nicht durchführbar wäre.

Die Feststellung, ob in der Bodenplatte Risse vorhanden sind, erfordert nach den Ausführungen des Sachverständigen ### den Rückbau des kompletten Bodenaufbaus des Kellers bis zur Bodenplatte und würde somit zu einer Zerstörung der vorhandenen Bausubstanz führen. Die Antragsteller sind im Schriftsatz vom 22.11.2023 dieser Beweisanordnung entgegengetreten und haben damit zum Ausdruck gebracht, dass sie als Grundstückseigentümer dem Eingriff in die Bausubstanz – jedenfalls im selbständigen Beweisverfahren – nicht zustimmen. Sie haben außerdem vorgetragen, dass das Untergeschoss des Gebäudes komplett als Wohnraum ausgebaut sei. Damit kann ihnen auch nicht gemäß § 144 Abs. 1 S. 3 ZPO aufgegeben werden, eine Bauteilöffnung zu dulden (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 – VII ZB 61/12 -). Eine Beweisanordnung, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht durchführbar wäre, kann grundsätzlich nicht verlangt werden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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