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Keine fristlose Kündigung bei ausbleibender Gehaltserhöhung!

Arbeitsgericht Frankfurt

Az.: 6 Ca 1611/02

Urteil vom 17.07.2002


Leitsatz (vom Verfasser – nicht amtlich):

Differenzen wegen der Gehaltshöhe bzw. wegen einer Gehaltserhöhung berechtigen einen Arbeitnehmer nicht zur fristlosen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses und zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen.


Sachverhalt:

Der Kläger war seit einem Jahr bei einer Bank beschäftigt und wurde mit zusätzlichen Arbeiten beauftragt. Nach seiner Ansicht rechtfertigten diese Arbeiten ein höheres Gehalt, als das im Arbeitsvertrag vereinbarte. Als die Bank die Gehaltserhöhung ablehnte, kündigte er das Arbeitsverhältnis fristlos und verlangte Schadensersatz für den Verlust seines Arbeitsplatzes.

Entscheidungsgründe:

Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Frankfurt ist es Arbeitnehmern zumutbar, trotz  Differenzen über die Gehaltshöhe, bis zum Ende der vertraglichen Kündigungsfrist zu arbeiten. Vertraglich nicht vereinbarte Tätigkeiten darf man mit Hinweis auf den Arbeitsvertrag verweigern. Führt man trotzdem vertraglich nicht vereinbarte Tätigkeiten aus, so besteht kein automatischer Anspruch auf ein höheres Gehalt.


In dem Rechtsstreit hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main Kammer 6 auf die mündliche Verhandlung vom 17.07.2002 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 25.839,62 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Zusammenhang mit behaupteten Überstunden um Auskunfts- und Vergütungsansprüche sowie im Zusammenhang mit seiner außerordentlichen fristlosen Kündigung um Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte.

Die Beklagte ist eine deutsche Großbank.

Der Kläger wurde ab dem 01.01.2001 auf Grund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 19.12.2000, hinsichtlich dessen näherer Einzelheiten auf Bl. 7-10 d. A. Bezug genommen wird, bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Kraft einzelvertraglicher Regelung finden die Tarifverträge für das private Bankgewerbe bei Tarifbindung Anwendung. Nach dem Manteltarifvertrag betrug die wöchentliche Arbeitszeit zuletzt 39 Stunden.

Bei der Beklagten findet Anwendung die Betriebsvereinbarung -Rahmenvereinbarung – über gleitende Arbeitszeit vom 30.10.1989 nebst Anmerkungen zur Rahmenbetriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit ebenfalls vom 30.10.1989, hinsichtlich deren näherer Einzelheiten auf Bl. 29 – 33 d. A. Bezug genommen wird.

Gemäß Schreiben der Beklagten vom 26.07.2001 (Bl. 6 d. A.) erhielt der Kläger zuletzt ab dem 0108.2001 Vergütung nach TG 8 /11 Berufsjahr in Höhe von € 3.289,65 brutto im Monat.

Am 28.12.2001 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten schriftlich die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses.

Mit seiner am 14.02.2002 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main erhobenen und mit Schriftsatz vom 21.05.2002 erweiterten Klage hat der Kläger zuletzt noch Auskunft über die von ihm in der Zeit vom 01.01.2001 bis zum 28.12.2001 geleisteten Überstunden sowie Abrechnung und Vergütung der sich aus der Auskunft ergebenden Überstunden von der Beklagten verlangt. Weiter hat der Kläger im Zusammenhang mit seiner außerordentlichen Kündigung vom 28.12.2001 von der Beklagten Schadensersatz in einer vom Gericht zu bestimmenden Höhe, nicht jedoch unter € 20.000,-, begehrt.

Der Kläger behauptet zunächst, er habe in der Zeit vom 01.01.2001 bis zum 28.12.2001 rund 300 Überstunden geleistet, die auf Grund des Arbeitsaufwandes erforderlich und der Vorgesetzten auch bekannt gewesen seien. In diesem Zusammenhang habe er das Zeiterfassungssystem bei der Beklagten bedient, aber für sich die geleisteten Überstunden nicht näher aufgezeichnet. Dies sei deshalb geschehen, da er auf die Zusage einer Sonderzahlung am Jahresende in Höhe von DM 16.000,- vertraut habe. Für die Beklagte hingegen sei es ein leichtes, die Überstunden für jeden Tag festzustellen, da sie über das vom Kläger bediente elektronische Zeiterfassungssystem verfüge. Zum Schadensersatzanspruch behauptet der Kläger, er sei hinsichtlich einer Neuregelung seines Gehaltes von der Beklagten monatelang vertröstet worden und diesbezügliche Versprechungen seien seitens der Beklagten nicht eingehalten worden. Er sei von der Beklagten schlicht ausgebeutet worden und habe sich getäuscht gesehen. Der Kläger ist deshalb der Ansicht, er habe aus diesem Grunde berechtigt außerordentlich fristlos kündigen dürfen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen, über die von diesem in der Zeit vom 01.01.2001 bis zum 28.12.2001 geleisteten Überstunden;

2. dem Kläger die aus der Auskunft sich ergebenden Überstunden abzurechnen und zu vergüten;

3 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger

Schadensersatz in einer vom Gericht zu bestimmenden Höhe, nicht jedoch unter € 20.000,–, zu leisten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte behauptet zunächst, zu der begehrten Auskunft im Klageantrag 1) sei sie nicht mehr in der Lage, da die diesbezüglichen Daten aus ihrem Zeiterfassungssystem nicht mehr verfügbar seien. Dies entspreche auch den Regelungen in der Betriebsvereinbarungen vom 30.10.1989. Im Übrigen, so die Ansicht der Beklagten, obliege es dem Kläger, Überstunden zu dokumentieren. Zum Schadenersatzbegehren des Klägers behauptet die Beklagte, es habe nie Zusagen über Gehaltserhöhungen seitens der Beklagten gegenüber dem Kläger gegeben.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 29.04.2002 (Bl. 18 d. A.) und 17.07.2002 (Bl. 34 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist insgesamt unbegründet.

Der Kläger kann von der Beklagten weder betreffend die von ihm behaupteten Überstunden in der Zeit vom 01.01.2001 bis zum 28.12.2001 Auskunft, Abrechnung und Zahlung verlangen, noch kann er von der Beklagten im Zusammenhang mit seiner außerordentlichen Kündigung vom 28.12.2001 Schadensersatz begehren. Die Stufenklage betreffend die behaupteten Überstunden bleibt bereits deshalb ohne Erfolg, da die Beklagte wegen Nichtverfügbarkeit der Daten diese Auskunft überhaupt nicht mehr erteilen kann. Für die Schadensersatzklage fehlt es an dem zunächst erforderlichen wichtigen Grund im Sinne von §626 Abs. 1 BGB. Dieses Entscheidungsergebnis beruht im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen (§ 313 Abs. 3 ZPO):

1.

Im Arbeitsverhältnis besteht nach § 242 BGB ein Auskunftsanspruch, soweit der Gläubiger ohne Verschulden über Grund und Umfang seines Anspruchs im Ungewissen ist, während der Schuldner unschwer Auskunft erteilen kann (vgl. z. B. BAG AP Nr. 25 zu § 242 BGB Stichwort Auskunftspflicht). Ob diese Voraussetzungen im Streitfalle für die begehrte Auskunft über die vom Kläger geleisteten Überstunden in der Zeit vom 01.01.2001 bis zum 28.12.2001 vorliegen, kann hier dahinstehen. Einem dahingehenden Anspruch des Klägers steht bereits entgegen, dass die Beklagte behauptet hat, bei dem von ihr betriebenen Gleitzeitsystem bestehe technisch nur die Möglichkeit, auf Daten des laufenden Monats sowie Daten des Vormonats zurückzugreifen; alle anderen Daten sind nach diesem Zeitraum nicht mehr verfügbar. Diesem Sachvortrag der Beklagten ist der Kläger nicht entgegengetreten, so dass dieser prozessual als zugestanden gilt (§ 138 Abs. 3 ZPO). Da der Kläger Auskunft bezüglich der von ihm behaupteten Oberstunden in der Zeit vom 01.01.2001 bis zum 28.12.2001 begehrt, ist der Beklagten daher die Erbringung dieser Leistung objektiv unmöglich. Steht aber fest, dass die Leistung dem Schuldner objektiv oder subjektiv unmöglich ist, ist die auf Verurteilung zur Leistung gerichtete Klage abzuweisen (vgl. z. B. BGH, NJW 1972, S. 152; NJW 1974, S. 943 und S. 2317).

Da damit die Klage in der ersten Stufe gerichtet auf Auskunft ohne Erfolg bleibt, konnte die Stufenklage insgesamt, insbesondere im Hinblick auf die unstreitige objektive Unmöglichkeit der Auskunftserteilung, insgesamt als unbegründet abgewiesen werden (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl. § 254 RdNr. 5 ff.).

2.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte im Zusammenhang mit seiner außerordentlichen Kündigung vom 28.12.2001 auch keinerlei Anspruch auf Schadensersatz zu.

Nach § 628 Abs. 2 BGB kann der Kündigende von seinem Vertragspartner Ersatz des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entsprechenden Schaden verlangen, wenn seine Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des Vertragspartners veranlasst wurde. Dabei setzt § 628 Abs. 2 BGB den Tatbestand des § 626 Abs. 1 BGB voraus. Nach dieser Vorschrift bedarf es nicht nur eines wichtigen Grundes zur fristlosen Kündigung, es muss dem Kündigenden darüber hinaus auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und Abwägung der beiderseitigen Interessen unzumutbar sein, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen (vgl. BAG U. v. 08.06.1995-2 AZR 1037/94 – in Juris dokumentiert; BAG U. v. 22.06.1982 – 8 AZR 164/88 – EzA § 628 BGB Nr. 17). Im Streitfalle fehlt es bereits am erforderlichen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Hierzu hat der Kläger die Ansicht vertreten, er sei nach monatelangen Vertröstungen und den nicht eingehaltenen Versprechungen zur Neuregelung seines Gehaltes berechtigt gewesen, außerordentlich fristlos zu kündigen. In diesem Punkt irrt der Kläger. Vergütungserwartungen eines Arbeitnehmers, die sich nicht realisieren, stellen nach Auffassung des Gerichts keinen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar. Der Kläger hat sich mit Abschluss des Arbeitsvertrages der Parteien vom 19.12.2000 zur Erbringung der darin beschriebenen Arbeitsleistung zu dem dort vereinbarten und ab sogar 01.08.2001 verbesserten Gehalt verpflichtet. Damit sind Leistung und Gegenleistung für beide Seiten -bindend – festgelegt. Will sich eine Partei hiervon lösen, steht ihr grundsätzlich das Recht zur ordentlichen Kündigung, für den Arbeitnehmer sogar ohne Grund, unter Einhaltung der Frist zur Verfügung. So muss auch ein Arbeitnehmer, wie im Streitfall der Kläger, vorgehen, wenn er sich für seine Arbeit nicht (mehr) angemessen vergütet fühlt und eine höhere Vergütung im Verhandlungswege nicht erzielt werden kann. Soweit der Kläger weiter behauptet hat, er sei schlicht ausgebeutet worden und er habe sich getäuscht gesehen, gilt nichts anderes. Der Kläger ist als Arbeitnehmer ausschließlich zu der im Arbeitsvertrag festgelegten Leistung verpflichtet, und zwar zu dem dort festgelegten Gehalt. Unabhängig davon vermag die Kammer dahingehende Anhaltspunkte auch nicht zu erkennen. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass es auch an der stets zuvor erforderlichen Abmahnung fehlen dürfte und dem Kläger darüber hinaus auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar gewesen sein dürfte.

Andere Anspruchsgrundlagen für das klägerische Schadensersatzbegehren sind für das Gericht nicht ersichtlich und im Übrigen sind hierfür auch vom Kläger selbst keine konkreten Tatsachen dargetan.

Die Kosten des Rechtsstreites hat gemäß §§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG der Kläger als unterlegene Partei zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß §§ 3 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG unter Berücksichtigung der einzelnen Werte der Streitgegenstände festzusetzen.

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