BUNDESFINANZHOF
Az.: VI R 47/06
Urteil vom 22.7.2008
Leitsätze:
1. Übernimmt ein Arbeitgeber nicht aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse die Zahlung einer Geldbuße und einer Geldauflage, die gegen einen bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer wegen Verstößen gegen das Lebensmittelrecht verhängt worden sind, so handelt es sich hierbei um Arbeitslohn.
2. Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck im Vordergrund steht (Bestätigung der Rechtsprechung).
3. Geldbußen i.S. von § 17 OWiG können nicht als Werbungskosten abgezogen werden (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG).
4. Der Werbungskostenabzug von Geldauflagen i.S. des § 153a StPO scheidet nach § 12 Nr. 4 EStG aus, soweit die Auflagen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen.
Tatbestand:
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind im Streitjahr (1997) zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten. Der Kläger war im Streitjahr Gesellschafter und einer der Geschäftsführer der B GmbH (GmbH). An der GmbH waren der Kläger und ein weiterer Gesellschafter-Geschäftsführer zu jeweils 20 % sowie die Firma A Ltd., später C Ltd., (Ltd.) zu 60 % beteiligt. Angestellte Geschäftsführer der Ltd. waren drei weitere Personen.
Mit Bußgeldbescheid vom 16. Januar 1996 setzte die Kreisverwaltung B gegen den Kläger eine Geldbuße nach § 17 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) in Höhe von 10 000 DM zuzüglich Verfahrenskosten, insgesamt einen Betrag in Höhe von 17 008 DM, fest. Die Kreisverwaltung legte dem Kläger zur Last, als Verantwortlicher der GmbH unter Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen Produkte in Verkehr gebracht zu haben.
Im Zuge eines weiteren Vorgangs stellte das Amtsgericht B ein Strafverfahren gegen den Kläger nach § 153a Abs. 2 der Strafprozessordnung in ihrer im Streitjahr gültigen Fassung (StPO) mit Beschluss vom 7. Juli 1997 vorläufig ein und erteilte dem Kläger die Auflage, ab dem 1. August 1997 eine „Geldbuße“ in Höhe von 62 000 DM in näher bestimmten Raten an die Staatskasse zu zahlen. In dem Strafverfahren wurde dem Kläger zur Last gelegt, als Geschäftsführer der GmbH gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen verstoßen zu haben.
Geldbuße und -auflage in Höhe von insgesamt 79 008 DM wurden im Streitjahr von der GmbH gezahlt, ohne die Zahlungen als steuerpflichtigen Arbeitslohn des Klägers zu behandeln.
Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) aufgrund der Prüfungsmitteilung eines anderen FA hiervon Kenntnis erlangt hatte, erließ er am 25. Juni 2002 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1997, in dem er die Zahlungen der GmbH in Höhe von 79 008 DM den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit hinzurechnete. Der dagegen gerichtete Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 202 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil und den geänderten Einkommensteuerbescheid 1997 vom 25. Juni 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2003 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
II.
Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
1.
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Zahlung der Geldbuße und -auflage durch die Arbeitgeberin des Klägers bei diesem zu Arbeitslohn führt. Es ist dabei von zutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen. Seine tatsächliche Würdigung ist möglich; sie verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze.
a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal „für“ ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen.
Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen der Zuwendung zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck im Vordergrund steht. In diesem Fall des „ganz überwiegend“ eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die danach erforderliche Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber –neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers– ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur Lohnzuwendung (Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 11. April 2006 VI R 60/02, BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691, m.w.N.; vom 26. Juli 2007 VI R 64/06, BFHE 218, 370, BStBl II 2007, 892; vom 17. Januar 2008 VI R 26/06, BStBl II 2008, 378).
b) Nach diesen Maßstäben ist das angefochtene FG-Urteil revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Das FG ist –wie zwischen den Beteiligten auch nicht streitig– zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger als angestellter Geschäftsführer der GmbH im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) bezogen hat und dass er durch die Übernahme der gegen ihn verhängten Geldbuße und -auflage einen geldwerten Vorteil erlangt hat, der ihm im Streitjahr zugeflossen ist.
bb) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist aber auch die Würdigung der Vorinstanz, dass der dem Kläger zugeflossene Vorteil i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG „für die Beschäftigung“ bei der GmbH gewährt worden ist. Die Gesamtwürdigung des FG, die revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar ist (z.B. BFH-Urteil vom 12. April 2007 VI R 77/04, BFH/NV 2007, 1643; BFH-Urteil in BStBl II 2008, 378; jeweils m.w.N.), folgt den genannten Grundsätzen; sie ist möglich und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Zwar hat das FG (auch) darauf abgestellt, dass der Kläger die ihm zur Last gelegten Taten in Ausübung seiner Geschäftsführertätigkeit für die GmbH begangen habe. Allein dies begründet noch nicht den Schluss, dass die Übernahme der hierfür verhängten Geldbuße bzw. -auflage nur im eigenen Interesse des Klägers gestanden hat. Vielmehr vermag der Umstand, dass ein Arbeitnehmer die ihm zur Last gelegten Taten im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit für den Arbeitgeber begangen hat, grundsätzlich auch ein eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Übernahme einer gegen den Arbeitnehmer verhängten Geldbuße bzw. -auflage zu begründen. Die Kläger weisen insoweit zu Recht darauf hin, dass betriebliche Gesichtspunkte für eine finanzielle Entlastung des Geschäftsführers sprechen können. Das FG ist jedoch zutreffend auch davon ausgegangen, dass eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung bzw. Entlastung des Arbeitnehmers besteht. Je höher aus der Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist, desto geringer zählt das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse (BFH-Urteil in BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691). Das FG hat insoweit den Verdienst des Klägers mit der Höhe der Geldbuße und -auflage abgewogen und hieraus auf ein erhebliches wirtschaftliches Interesse des Klägers an der Übernahme der Geldbeträge geschlossen; diese Würdigung ist nicht nur möglich, sondern auch nachvollziehbar. Demgegenüber hat das FG ein –von ihm schließlich zugunsten der Kläger unterstelltes– eigenbetriebliches Interesse der GmbH als nachrangig angesehen. Auch diese Würdigung ist möglich und entspricht den genannten Grundsätzen.
Im Übrigen vermag der sinngemäße Einwand der Kläger im Revisionsverfahren, die Übernahme der Geldbuße und -auflage habe den Kläger als Geschäftsführer der GmbH aus Gründen der Gewinnmaximierung auch weiterhin zu einer großzügigen Handhabung lebensmittelrechtlicher Vorschriften veranlassen sollen, jedenfalls im Streitfall kein überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Arbeitgeberin des Klägers zu begründen. Vielmehr durfte das FG bei seinen Erwägungen auch davon ausgehen, dass es im Interesse der Arbeitgeberin des Klägers sein würde, bei der Führung der Geschäfte die Bestimmungen des Lebensmittelrechts zu beachten und einzuhalten.
2.
Auch der Umstand, dass das FG keinen Werbungskostenabzug geprüft hat, verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Zwar kann die als Arbeitslohn zu erfassende Übernahme der Geldbuße und -auflage im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers nur dann zu einer Steuererhöhung führen, wenn und soweit die Begleichung der dem Arbeitnehmer auferlegten Geldbuße bzw. -auflage nicht zum Werbungskostenabzug berechtigt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 24. Mai 2007 VI R 73/05, BFHE 218, 180, BStBl II 2007, 766, unter II.2). Ein derartiger „fiktiver“ Werbungskostenabzug (vgl. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 31/2007, Anm. 3, unter C) kommt im Streitfall jedoch nicht in Betracht. Selbst wenn Geldbuße und -auflage die Folge schuldhafter Handlungen sind, die im Rahmen der beruflichen Aufgabenerfüllung des Klägers als Geschäftsführer liegen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04, BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223, unter B.II.1), und damit als durch den Beruf des Klägers veranlasst (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) anzusehen sind, bleibt den Klägern der Werbungskostenabzug versagt.
a) Der Abzug der von der Kreisverwaltung festgesetzten Geldbuße ist ausgeschlossen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG, der gemäß § 9 Abs. 5 EStG auf Werbungskosten sinngemäße Anwendung findet. Danach sind u.a. die von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland festgesetzten Geldbußen nicht als Werbungskosten abziehbar. Zu den Geldbußen gehören alle Sanktionen, die nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland so bezeichnet sind (vgl. Crezelius in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 4 Rz 204). Die von der Kreisverwaltung verhängten Sanktionen werden in § 17 OWiG ausdrücklich als „Geldbuße“ benannt.
b) Dem Abzug der vom Amtsgericht festgesetzten Geldauflage steht im Streitfall die Vorschrift des § 12 Nr. 4 EStG entgegen. Danach dürfen u.a. auch Leistungen zur Erfüllung von Auflagen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, soweit die Auflagen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen. Auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen kann der erkennende Senat selbst entscheiden, dass es sich bei den Zahlungen, die aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts an die Staatskasse geleistet worden sind, um eine Geldauflage i.S. des § 153a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO und nicht um Zahlungen zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens (§ 153a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO; § 12 Nr. 4 EStG) gehandelt hat. Denn für die Entscheidung, welchen Charakter die Zahlungen gehabt haben, kommt es auf den Inhalt des Gerichtsbeschlusses des Amtsgerichts und die objektiven Gegebenheiten an (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Januar 2005 VIII B 117/03, BFH/NV 2005, 1110). Nach den Feststellungen des FG hat das Amtsgericht seine Auflage ausdrücklich als „Geldbuße“ bezeichnet. Schon hieraus folgt, dass die Beziehung zur Person des Klägers als Täter für die Auflage bestimmend war und nicht lediglich die Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens. Außerdem hat sich das Amtsgericht nach den Feststellungen der Vorinstanz bei der Bemessung der Auflage am Verdienst des Klägers orientiert. Die Auflage nach § 153a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO wird ebenso wie die Geldstrafe nach dem Nettoeinkommen des Täters bemessen (näher dazu BFH-Urteil vom 22. Juli 1986 VIII R 93/85, BFHE 147, 346, BStBl II 1986, 845).