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Geldentschädigung bei Verbreitung ehrverletzender Äußerungen im Internet

AG Hamburg-Wandsbek – Az.: 716b C 86/19 – Urteil vom 13.08.2019

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 500,00 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 2/3 und der Beklagte 1/3 zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten Geldentschädigung aufgrund der Verbreitung von ehrverletzenden Äußerungen über ihn in sozialen Netzwerken.

Der Kläger ist Jäger und Rechtsanwalt und war in einem Strafverfahren als Verteidiger mandatiert, das die Tötung eines Wolfes zum Gegenstand hatte. Im Zusammenhang mit diesem Strafverfahren veröffentlichte der Kläger, der auch als Autor in jagdlichen Magazinen tätig ist, am 30.01.2019 einen Gastbeitrag auf FOCUS Online. Dieser Beitrag war bereits zuvor in der Deutschen Jagdzeitung, Heft 1/2019 veröffentlicht worden. In dem Beitrag äußerte sich der Kläger unter anderem wie folgt:

„Als ich jünger war, schickten mir ab und an Freunde irgendwelche verwackelten Videos zu, welche mich „erregten“. Am liebsten waren mir die skandinavischen Clips – da ging es deutlich härter zur Sache. Und im Gegensatz zum ohnehin raren deutschen Filmangebot gab’s da am Ende meistens ein krachendes Finale. Mittlerweile bin ich ziemlich abgestumpft, und angesichts der Fülle des auch hierzulande verfügbaren Materials, bringt kaum noch etwas mein Blut in Wallung. Worum es geht? Wolfsvideos – was sonst?“

„„Meinetwegen soll der Grauhund zur Hölle fahren!“ Darf ich das sagen? Ja, darf ich! Mein Beruf nimmt mir nicht das Recht auf freie Meinungsäußerung, und es ist vollkommen egal, ob mir PETA oder völlig verwirrte Wolfsschmuser die Pest an den Hals wünschen.“

„Nein – immer wenn ich irgendwo lese, dass einer der Grauen auf der Autobahn zu Brei gefahren wurde, huscht ein Lächeln über mein Gesicht.“

„Insofern gilt das „Erbtantenprinzip“ – tief graben und ewig schweigen.“

Geldentschädigung bei Verbreitung ehrverletzender Äußerungen im Internet
(Symbolfoto: Von asiandelight/Shutterstock.com)

Dieser Beitrag ist auch in der öffentlichen Facebook-Gruppe „Schützt die Wölfe“ geteilt worden, in welcher der Beklagte Mitglied ist. Im Rahmen der folgenden Diskussion äußerte sich auch der Beklagte mehrfach auf Facebook, wobei dies zum Teil innerhalb der Gruppe „Schützt die Wölfe“, zum Teil auf seinem eigenen Profil geschah. Der erste Beitrag stammt vom 30.01.2019, die anderen Kommentare aus der Zeit von Ende Januar bis Anfang Februar 2019. Der Beklagte äußerte sich in diesem Zusammenhang folgendermaßen:

„Der selbstgerechte vor Eitelkeit und Überheblichkeit strotzende Rechtsanwalt des Wolfskillers von Brandenburg Herr Dr. G. aus HH hat seinen ersten sehr schweren Fehler gemacht. […]“

„Ich habe oben einen gesonderten Thread eröffnet. Bitte teilt den auch, damit jeder weiß, was für ein Schwein das ist! Danke!“

„[…] solche überflüssigen Menschen wie B. und sein RA Dr. G. .“

„[…] Ich möchte gerne die 2 Ar…lö…er selbst und laibhaftig sehen – ach 3 sind es ja mindesten, Wolfskiller, Jagdleiter und Anwalt.“

„Teilt das bitte weiträumig, damit die wissen, dass wir jeden finden!“

Die Kommentare des Beklagten sind im Folgenden zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt gelöscht worden. Die Löschung erfolgte nicht durch den Beklagten.

Der Kläger trägt vor, sich durch die Kommentare beleidigt und emotional aufgewühlt gefühlt zu haben. Diese hätten sich auch nachteilig auf seine Lebensgefährtin ausgewirkt. Zudem habe der Beklagte durch seine Beiträge eine Vielzahl weiterer Kommentare ausgelöst, die zu einer regelrechten „Jagd“ auf den Kläger und seinen Mandanten geführt hätten. Hierdurch sei der Kläger auch beruflich beeinträchtigt worden. Schließlich habe sich der Beklagte nach wie vor nicht von seinen Äußerungen distanziert oder für diese entschuldigt, so dass die Beleidigungen entsprechend tief säßen.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, das aber einen Betrag von 1.500 € nicht unterschreiten soll.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes. Darüber hinaus habe er sich durch die Äußerungen des Klägers im Zusammenhang mit der Wolfstötung provoziert gefühlt. Die Kommentare seien übliche Schimpfwörter ohne tiefere Bedeutung und im Internet üblich. Die Bezeichnung als „Schwein“ beziehe sich auf die Verurteilung des Mandanten des Klägers im Jahr 2005. Der Beklagte distanziere sich von jeglicher Form der Gewalt gegen Personen oder Sachen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

1. Das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek ist insbesondere örtlich zuständig. Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Begehungsort ist in diesem Zusammenhang sowohl der Handlungsort als auch der Erfolgsort, so dass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo die Verletzungshandlung begangen oder in das Rechtsgut eingegriffen worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 21.4.2016 – I ZR 43/14, GRUR 2016, 1048, beck-online, Rn. 17). Zur Begründung der Zuständigkeit reicht die schlüssige Behauptung von Tatsachen aus, auf deren Grundlage sich eine im Gerichtsbezirk begangene unerlaubte Handlung ergibt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Jedenfalls der Kanzleisitz des Klägers befindet sich im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek. An diesem ist zumindest auch in das betroffene Rechtsgut eingegriffen worden. Ein hinreichender Bezug zum Gerichtsbezirk ist damit gegeben.

2. Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

Dem Kläger steht eine Geldentschädigung in Höhe von 500,00 € aus den § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 185 StGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu. Soweit der Kläger eine höhere Geldentschädigung geltend macht, ist die Klage abzuweisen.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab. Ob ein derart schwerer Eingriff anzunehmen und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (BGH ZUM 2012, 251 Rn. 11 m. w. N.). Das Recht jedes Einzelnen auf Schutz vor herabwertenden Äußerungen ist hierbei stets abzuwägen gegen das Recht des Äußernden auf die allgemeine Meinungs- bzw. Äußerungsfreiheit. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt hierbei im Allgemeinen nicht vor abwertenden Meinungsäußerungen, sondern nur vor abwertenden unwahren Tatsachenbehauptungen (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2014, VI ZR 39/14).

Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Geldentschädigung gegen den Beklagten. Die Äußerungen des Beklagten „der selbstgerechte vor Eitelkeit und Überheblichkeit strotzende Rechtsanwalt des Wolfskillers von Brandenburg Herr Dr. G. aus HH“, „Schwein“, „überflüssiger Mensch“ und „Ar…lö…er“ sind als Schmähkritik einzuordnen. Die Kommentare des Beklagten sind auch nicht mehr von dessen Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG erfasst. Bei den Kommentaren steht nicht die sachliche, thematische Auseinandersetzung im Vordergrund, sondern eine Herabsetzung der Person des Klägers durch Beleidigungen. Es kann hier auch dahin stehen, ob etwa die erste Behauptung im Kern eine Tatsachenbehauptung enthält, da jedenfalls ihr Schwerpunkt in der Diffamierung des Klägers liegt.

Soweit der Beklagte behauptet, derartige Äußerungen seien im Internet üblich und hätten keine tiefere Bedeutung, kann dem nicht gefolgt werden. Auch wenn in sozialen Netzwerken vermehrt eine „Verrohung“ des Umgangstones festzustellen ist, rechtfertigt dies in keinster Weise eine Beleidigung der anderen Nutzer oder Dritter. Die (vermeintliche) Anonymität des Internets mag zu einer niedrigeren Hemmschwelle in Bezug auf beleidigende Äußerungen führen, an deren diffamierendem Charakter ändert dies gleichwohl nichts.

b) Die Höhe der Geldentschädigung ist mit 500,00 € zu bemessen.

Bei der Bemessung der Geldentschädigung stellen der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers, der Präventionsgedanke und die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung Bemessungsfaktoren dar, die sich je nach Lage des Falles unterschiedlich auswirken können (BGH ZUM 2005, 157 Ls. 2). Hier erfordern der beleidigende Charakter der Äußerungen, deren nachteilige Auswirkungen auf den Kläger sowie die öffentliche Abrufbarkeit im Internet eine Geldentschädigung in der zugesprochenen Höhe. Es konnte zwar nicht mehr festgestellt werden, über welchen Zeitraum die streitgegenständlichen Kommentare auf Facebook abrufbar waren. Während dieser Zeit waren die Kommentare aber öffentlich für jedermann einsehbar. Nach dem insoweit unwidersprochenen Klägervortrag ist der Beitrag vom 30.01.2019 über 3.000 Mal geteilt und knapp 900 Mal kommentiert worden. Insofern ist von einer nicht nur unerheblichen Verbreitung des Beitrages auszugehen, die bei der Bemessung der Geldentschädigung zu berücksichtigen ist.

Auch war zu berücksichtigen, dass der Beklagte sich von diesen Äußerungen nicht distanziert hat und diese auch nicht selbst wieder gelöscht hat. Zudem haben die Beiträge des Beklagten die folgende, zum Teil von Gewaltandrohungen durchzogene Diskussion (“So ein elender Typ gehört selbst erschossen inkl. Anwalt!“ (Bl. 10 d. A.), „Jagd diesen HURENSOHN, sucht ihn und Schlitz ihn und seine ganze Sippschaft von Kopf bis zur Sohle auf. Drecks Bastarde“ (Bl. 11 d. A.)) auf Facebook jedenfalls mit gefördert. Auch wenn die Beiträge anderer Nutzer dem Beklagten nicht unmittelbar zuzurechnen sind, darf die Dynamik, die sich in sozialen Netzwerken wie Facebook entwickelt, für die festzustellenden Auswirkungen des Eingriffs nicht außer Betracht bleiben.

c) Ein höherer Betrag erscheint dem Gericht als nicht angemessen. Hierbei waren insbesondere die vom Kläger unmittelbar zuvor getätigten Äußerungen in seinem Gastbeitrag auf FOCUS Online bzw. in der Deutschen Jagdzeitung zu berücksichtigen. Wenngleich der Beitrag des Klägers sich ausschließlich im dem von seiner Meinungsfreiheit geschützten Bereich bewegt, ist dieser doch im Rahmen von Anlass und Beweggrund des Beklagten in die Bemessung der Geldentschädigung einzubeziehen. Der Beklagte hat insofern nachvollziehbar dargelegt, sich von dem klägerischen Beitrag „provoziert“ gefühlt zu haben und aus diesem Grund entsprechend emotional reagiert zu haben. Dies wird durch den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Veröffentlichung des Gastbeitrages des Klägers und der Kommentare des Beklagten noch zusätzlich unterstrichen. Doch auch wenn die Verärgerung des Beklagten über die Äußerungen des Klägers aus seiner Sicht nachvollziehbar sein mag, lässt dies den beleidigenden Charakter der Facebook-Kommentare keineswegs entfallen.

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II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1, 2. Var. ZPO. Dem Beklagten waren die Kosten insbesondere nicht vollständig nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO aufzuerlegen. Zwar ist die Höhe der Geldentschädigung in das Ermessen des Gerichtes gestellt worden, im Klagantrag ist jedoch ein bestimmter Betrag genannt worden, der hier deutlich zu unterschreiten war (vgl. Zöller/Herget, 31. Auflage, § 92 Rn. 12).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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