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Geldentschädigungsanspruch bei Beleidigungen im Internet

LG Hamburg – Az.: 324 S 3/19 – Urteil vom 17.04.2020

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 13.08.2019, Geschäftsnummer 716b C 86/19, abgeändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger € 3.000,– zu zahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits (erste und zweite Instanz).

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Zuerkennung einer Geldentschädigung in Höhe von € 3.000,–.

Eines Tatbestandes bedarf das Urteil gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO nicht, da ein Rechtsmittel nicht zulässig ist. Hierzu gehören nämlich Berufungsurteile des Landgerichts, bei denen die Revision nicht zugelassen wurde und die die erforderliche Rechtsmittelbeschwer nicht überschreiten (vgl. Zöller, Kommentar zur ZPO, 33. Auflage, § 313 a, Rn 3).

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Geldentschädigung gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 und 2 GG zu.

Ein Geldentschädigungsanspruch setzt voraus, dass eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung und schuldhaftes Handeln vorliegen sowie das andere Ausgleichsmöglichkeiten fehlen und ein unabwendbares Bedürfnis für eine Geldentschädigung besteht (vgl. Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Auflage, 14. Kapitel, Rn 99ff). Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner vom Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (vgl. BGH, NJW 1996, 985).

Dies ist hier zu bejahen. Zwar haben die fraglichen Äußerungen einen Hintergrund, nämlich zum einen der vom Kläger sowohl Ende Dezember 2018 in der D. J. 1/2019 als auch am 30.01.2019 in F. O. veröffentlichte Artikel, in dem er in drastischen Worten seine Abneigung gegen Wölfe und insbesondere deren Schutz Ausdruck verleiht, Wolfsschützer bezeichnet er in dem Beitrag als „Völlig verwirrte Wolfsschmuser“ (vgl. Anlage A1). Zum anderen ist prozessual davon auszugehen, dass den Beklagten das Posting des Klägers vom 20.01.2019, indem dieser unter Bezugnahme auf einen erschossenen Wolf schrieb „Die Info ist noch so frisch wie die Leiche“ (vgl. Anlage A2), zu den inkriminierten Äußerungen motivierte.

Es ist weiterhin zu berücksichtigen, dass im Meinungskampf auch pointierte und überspitze Meinungen hinzunehmen sind. Da der Kläger sich öffentlich äußerte, muss er auch mehr hinnehmen als eine Person, die nicht freiwillig in das Licht der Öffentlichkeit trat. Die aus der Anlage K10 ersichtliche Äußerung begründet daher noch keine Geldentschädigung.

Die anderen Äußerungen indes überschreiten die Schwelle zur Geldentschädigung.

Der Beklagte hat den Kläger als „Schwein“ bezeichnet. Dies dient der Herabwürdigung des Klägers, da seine Person einem Tier gleichgesetzt wird. Dieses Tier („Schwein“) wird auch üblicherweise gebraucht, um deutlich zu machen, dass jemand verabscheuungswürdig ist. Der Beklagte greift mit dieser Äußerung auch die Person des Klägers und nicht nur etwa dessen Handlungen an, um diese beispielsweise als „Schweinerei“ darzustellen. Mit der Bezeichnung als „Schwein“ ist auch – eventuell neben seinen Mandanten – für den Rezipienten der Kläger gemeint. Denn nachfolgend schreibt ironisch ein Nutzer, wie entwürdigend der Beklagte über Schweine rede, worauf dieser antwortet, Schweine habe er nicht gemeint, aber solch überflüssigen Menschen wie u.a. den Kläger.

Auch das Posting, dass der Kläger ein überflüssiger Mensch sei (vgl. Anlage K3), begründet eine Geldentschädigung. Dem Kläger wird damit letztlich die Berechtigung, zu leben, abgesprochen.

Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass die Bezeichnung des Klägers in dem aus der Anlage K2 ersichtlichen Posting als Arschloch zu einer Geldentschädigung führt, auch wenn das Wort nicht ausgeschrieben wurde. Dies hätte indes lediglich eine noch höhere Geldentschädigung zufolge. Fernliegend ist der Einwand des Beklagten, er habe das Wort explizit nicht ausgeschrieben, da er keine Straftat habe begehen wollen, dass der Kläger sich kein anderes Wort als „Arschloch“ vorstellen könne, sei nicht zwingend. Es bedarf keinerlei Kreativität und Phantasie, die fehlenden Buchstaben zu dem Wort „Arschloch“ zu ergänzen.

Zu Lasten des Beklagten wirkt sich weiterhin aus, dass der Kläger seinen Unterlassungsanspruch gerichtlich erstreiten musste. Auf die Abmahnung des Klägers hin, löschte der Beklage lediglich, zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung vermochte er sich jedoch nicht verstehen. Der Kläger musste daher eine einstweilige Verfügung erwirken. Nachfolgend gab der Beklagte auch keine Abschlusserklärung ab, so dass er den Kläger wieder in die Hauptsache zwang. Insoweit spricht lediglich für den Beklagten, dass er ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen ließ, der Kläger seinen offensichtlich bestehenden Unterlassungsanspruch daher nicht streitig durchsetzen musste.

Geldentschädigungsanspruch bei Beleidigungen im Internet
(Symbolfoto: Alliance Images/Shutterstock.com)

Es ist weiterhin zu Lasten des Beklagten in Anrechnung zu stellen, dass er die Kanzleiadresse des Klägers publik machte (vgl. Anlage K8). Dies geschah in einer bereits u.a. vom Beklagten angeheizten Situation, so dass dem Beklagten hätte bewusst sein müssen, dass hierdurch eine für den Kläger besonders unangenehme Situation geschaffen wird, da er nicht sicher ausschließen konnte, dass möglicherweise gewaltbereite Dritte ihn oder seine Kollegen bzw. seine Mitarbeiter in der Kanzlei aufsuchen werden.

Nicht unberücksichtigt bleibt weiterhin der nicht unerhebliche Verbreitungsumfang. Die fraglichen Beiträge wurden über 3.000 Mal geteilt.

Im Übrigen ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass der Beklagte den in der D. J. veröffentlichten Artikel des Klägers nach seiner Klagerwiderung bereits jedenfalls vor dem 18.01.2019 gelesen hatte, dem Tag, als ein Mandant des Klägers einen Wolf erschoss und der Kläger zwei Tage später am 20.01.2019 seinen F1-Eintrag hierzu veröffentlichte (vgl. Anlage A 2). Der früheste Beitrag des Beklagten stammt allerdings vom 30.01.2019, also mehr als eine Woche später. Die Beiträge sind daher nicht als spontane, unmittelbare Reaktion in einem Zustand einzuordnen, was zu Gunsten des Beklagten hätte gewertet werden können, wenn auch zu seinen Gunsten davon ausgegangen wird, dass die erneute Veröffentlichung des Artikels in F. o. am 30.01.2019 ihn mit zu seinen Postings motivierte.

Nach alledem hat der Beklagte die aus dem Tenor ersichtliche Geldentschädigung zu zahlen. Die Verurteilung fällt nicht noch höher aus, weil angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten die Summe für ihn erheblich ist, zum anderen er in der mündlichen Verhandlung vom 14.02.2020 jedenfalls sagte, es tue ihm leid.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Berichtigungsbeschluss vom 22. April 2020

1. Das Urteil vom 17.04.2020 wird wegen offensichtlicher Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass es in Ziffer 1. des Tenors nicht heißt „Auf die Berufung des Beklagten“, sondern „Auf die Berufung des Klägers“.

2. Der Streitwert wird auf € 3.000,– festgesetzt.

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