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„Geldwäsche“ – fristlose Kündigung

ARBEITSGERICHT FRANKFURT AM MAIN

Az.: 10 Ca 9237/01

Urteil vom 20.03.2002


In dem Rechtsstreit hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 20.03.2002 für Recht erkannt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 11. November 2001 nicht aufgelöst wurde.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 50 % und die Beklagte 50 % zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 6.902,44 festgesetzt.

Die Berufung wird – soweit sie nicht gemäß § 64 II c) ArbGG eingelegt wird – nicht separat zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten außerordentlichen und einer vorsorglichen ordentlichen Kündigung.

Die Beklagte ist ein weltweites Luftfahrtunternehmen, welches u.a. von Frankfurt aus seine Flüge antritt. Sie beschäftigte bundesweit ca. 60.000 Arbeitnehmer. Bei ihr bestand ein Betriebsrat und eine Gruppenvertreter für das fliegende Personal, deren Mitbestimmungsrechte in einem Tarifvertrag geregelt waren. Es existierte u.a. eine Betriebsvereinbarung über den Bordverkauf, wegen deren Seiten 1 und 2 auf die Anlage B 5 zum Schriftsatz der Beklagten vom 8. März 2002 (Bl. 132 f d.A.) verwiesen wird.

Die am … geborene Klägerin ist ledig. Sie wohnte in …, was 5 x pro Tag von der Beklagten angeflogen wird, und hatte ihren Dienstwohnsitz in ….

Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand seit dem 15. März 1999 und begann mit einer Schulung. Ihm lag der Arbeitsvertrag vom 22. März 1999 zugrunde, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 11 f d.A.) verwiesen wird. Die Klägerin verdiente zuletzt DM 4.500,– brutto inclusive Zulagen. Sie war als Flugbegleiterin und als sogenannte „…“ tätig. In der letzten Position, die auf Kurzstrecken zum Einsatz kommt, hatte sie besondere Anleitungsfunktionen, besprach insbesondere auch die Übernahme von Bordverkäufen. Im Rahmen ihrer Aufgaben als Flugbegleiterin und „…“ übernahm sie unter anderem den Bordverkauf, für den sie ausreichend Wechselgeld mit sich führen musste. Fand sich beim Briefing niemand für diese Tätigkeit, so übernahm sie sie selber. Sie erhielt dazu DM 200,– Wechselgeld von der Beklagten; es ist umstritten, ob dies ausreichte. Die Fluggäste konnten auch mit Kreditkarte bezahlten, was möglicherweise selten vorkam. Im Rahmen des Bordverkaufs wurde den Passagieren auch Geld gewechselt, wobei bei einem Umtausch kein Gewinn gemacht werden durfte.

Auf dem Flughafengelände existierte vor der Crew Lounge ein Automat der … oder der Beklagten, in den man Bargeld einspeisen konnte. Der Betrag wurde dem gleichfalls eingeführten Ausweis, den die Beklagte an ihre Arbeitnehmer ausgab, gutgeschrieben und im Automaten abgelegt. Der Automat fertigte ein sogenanntes Ladeprotokoll über die Kartennummern, wobei umstritten ist, ob es jenseits des Bereiches Werkschutz und Sicherheit im Betrieb bekannt war, dass konkrete Geldscheine einer Kartennummer zugeordnet werden können. Die Klägerin nutzte diese Möglichkeit des Öfteren.

Zwischen dem 20. August und dem 30. September 2001 führte die Klägerin insgesamt elf Bordverkäufe durch; auf keinem hatte sie eine Einnahme in Höhe von DM 520,–. Der letzte Umlauf und Verkauf war am 27. September. Auf einem Umlauf waren pro Tag bis zu 700 Leute zu bedienen.

Es ist umstritten, ob die Klägerin auf einem dieser Umläufe von einem Fluggast insgesamt DM 520,– in einer Stückelung von zwei DM 100,– Scheinen und im Übrigen DM 20,– Scheinen erhielt, die eine unterschiedlich intensive Rotfärbung aufwiesen. Sie hatte sie unstreitig im Oktober 2001 in ihrem Besitz. Die Klägerin zahlte die Einnahmen aus dem letzten Bordverkauf vom 27. September nicht direkt ein, sondern flog mit dem an diesem Tag letzten Flug ab 20.15 Uhr nach …, wozu sie nach ihrer Ankunft gegen 20.00 Uhr noch das Gate wechseln musste. Sie hatte dienstfrei und war vom 1. Oktober bis 16. Oktober 2001 krank geschrieben. Die Einzahlung nahm sie am 18. Oktober vor.

Am 20. Oktober 2001 trat die Klägerin einen neuen Umlauf an, der um 15.35 Uhr gebrieft werden und um 16.50 Uhr starten sollte. Sie führte ein Portemonnaie und eine Uniformhandtasche bei sich und ihren ladbaren Ausweis. Im Portemonnaie befanden sich zumindest 16 rot gefärbte DM 20,– Scheine, zwei rot gefärbte DM 100,– Scheine und ca. DM 50,– in Form von Münzen und Kleingeld. Sie führte des weiteren 35 DM 10,– Scheine in der Uniformhandtasche mit sich. Die Klägerin führte um 15.16 Uhr in den Automaten vor der Crew Lounge (…) insgesamt 11 rotgefärbte DM 20,– – Scheine ein; der letzte wurde vom Automat abgelehnt, da maximal DM 200,– aufgeladen werden können, die anderen ihrer Karte gut geschrieben, was maximal 5 Minuten erforderte. Kurze Zeit später ließ sie sich an der Kasse in der Crew Lounge DM 200,– auszahlen, wofür sie eine Quittung erhielt, die sie in ihre Handtasche steckte. Weitere kurze Zeit später zahlte sie am Automaten wiederum sechs rotgefärbte DM 20,– Scheine ein und ließ sie ihrer Karte gutschreiben.

Die Klägerin wurde dabei beobachtet und gegen 18.15 Uhr wurde der Werkschutz der Beklagten informiert. Herr … vom Werkschutz leerte den Automaten und kontrollierte das Ladeprotokoll; er konnte anhand der Kartennummer die Banknoten dem Einzahlungsvorgang der Klägerin zuordnen und informierte die Polizei, die die Geldscheine sicherstellte. Er informierte ferner Herrn …, Mitarbeiter im Bereich „I…“. Diesem teilte das Polizeipräsidium am 22. Oktober 2001 mit, das Geld stamme aus einem Bankraub, die Klägerin solle befragt werden. Die Personaldienste bei der Beklagten wurden informiert.

Nach ihrer Rückkehr vom Umlauf, während dem die Klägerin sich am 20. und 21. jeweils für einige Stunden in Düsseldorf, Frankfurt und am 22. in München aufhielt, wurde die Klägerin am 23. Oktober 2001 auf dem Flughafengelände u.a. von Herrn … und von Herrn … vom Flugzeug abgeholt und zur Kriminalpolizei am Flughafen geleitet. Die Polizei hatte geplant, die Klägerin mit Blaulicht vom Flieger abzuholen. Die Klägerin führte zwei rotgefärbte DM 100,– Scheine bei sich, die Nummern aufwiesen, die bezüglich eines Raubes registriert waren, von ihr von sich aus angegeben und sichergestellt wurden. Das Gepäck wurde durchsucht. Sie wurde von Herrn … und … als Zeugin bezüglich des Raubüberfalls vernommen.

Die Klägerin wurde für den Flug am 24. Oktober gestrichen. Es ist umstritten, ob Herr … über sie verbreitet hatte, sie sei Komplizin eines Bankraubes und vorläufig festgenommen, oder ob sie von sich bei der Einsatzplanung über den Vorfall berichtete.

Am 25. Oktober führte die Beklagte mit der Klägerin ein erstes Gespräch. Anwesend waren Herr …, Vorgesetzter der Klägerin, Frau L… von der Personalabteilung, Herr … und Herr … von der Personalvertretung.

Die Klägerin schilderte die Vorgänge unstreitig zumindest wie folgt:

Sie habe nach der Einzahlung am Automaten gemeint, sie habe zu wenig Bargeld für den Verkauf dabei und deswegen die Auszahlung vornehmen lassen. Sie habe dann die Quittung in ihre Handtasche gesteckt und dabei die 35 DM 10,– – Scheine entdeckt, die sie bei ihrer Mutter gewähnt habe. Da inzwischen jemand anders bedient wurde und eine Schlange vor der Kasse gestanden habe, sei sie zum Automat gegangen. Sie gab an, dass Geld aus einem Bordverkauf mit einem 40-50 jährigen Mann, dunkelhaarig, erhalten zu haben. Dieser habe ihr gesagt, es sei Rotwein während eines anderen Fluges verschüttet worden. Sie habe die Echtheit der Scheine überprüft. Auf Nachfrage der Beklagtenvertreter gab sie an, es nicht für nötig befunden zu haben, andere Crew-Mitglieder zu befragen. Herr … gab Erläuterungen zur Erreichbarkeit des Kapitäns ab. Weitere Details (Sitzplatz, welcher Umlauf) konnte sie nicht angeben. Die Beklagte teilte mit, dass die Klägerin keine Bareinnahmen in Höhe von DM 520,– gehabt habe. Die Klägerin mutmaßte, das Geld aus einem Wechselvorgang haben zu können, woran sie sich konkret nicht erinnern könne, wobei Wechsel aber üblich seien. Sie habe angegeben, die Unterlagen zum Bordverkauf in … haben, nun wegen Krankheit nach … zu fliegen.

Es ist umstritten, ob sie angab, den Automaten das erste Mal benutzt zu haben, ob sie angab, aufgrund des Einsatzplanes etwas über die Anzahl der Bordverkäufe vermutet zu haben, ob sie angab, es seien nur DM 50,– in Kleingeld in ihrem Portemonnaie gewesen und ob sie angab, es hätten 20 Personen vor der Kasse angestanden.

Die Klägerin kehrte aus der sich anschließenden Arbeitsunfähigkeit am 6. November zurück. An diesem Tag fand ein zweites Gespräch statt, an dem wiederum Herr …, Frau … und ferner Frau … und Herr … teilnahmen; die beiden letztgenannten waren bevollmächtigt zur Kündigung und wollten sich ein eigenes Bild machen, um Entscheidungen zu treffen. Die Klägerin blieb bei ihren bisherigen Angaben. Sie erläuterte ihr System der Geldaufbewahrung und gab an, sich Ende September krank gefühlt zu haben, so dass sie die Einnahmen nicht direkt eingezahlt habe. Auf Nachfragen wegen anderer Handlungsmöglichkeiten gab die Klägerin keine Antwort.

Mit Schreiben vom 8. November 2001 hörte die Beklagte die Gruppenvertretung zur geplanten außerordentlichen und ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin an. Wegen der Einzelheiten der Anhörung wird auf die Anlage B 2 zur Klageerwiderung (Bl. 89 ff d.A.) verwiesen.

Mit Schreiben vom 12. November 2001, welches der Klägerin am Nachmittag, möglicherweise gegen 15.00 Uhr, durch zwei Boten überbracht wurde, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, mit Schreiben vom 16. November 2001 ordentlich zum 31. Dezember 2001. Wegen der Einzelheiten der Kündigungsschreiben wird auf die Anlage zur Klageschrift und zur verbundenen Klageschrift (ehemals 10 Ca 9511/97) (Bl. 4 ff, 29 ff d.A.) verwiesen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Kündigungen seien unwirksam.

Sie sei einer Geldwäsche weder dringend verdächtig, noch habe sie sie durchgeführt.

Sie weist daraufhin, dass sie von der Polizei lediglich als Zeugin vernommen worden sei. Sie hält ihr Verhalten für schlüssig und nachvollziehbar. Die Klägerin behauptet, sie habe die Scheine, die erkennungsdienstlich behandelt worden seien und nach den Mutmaßungen der Polizei aus einem Raub stammen, auf einem Umlauf von einem Fluggast bekommen, der angegeben habe, es sei Rotwein über die Scheine ausgeschüttet worden. Sie meint, es sei weder ungewöhnlich, dass sie keinen Kollegen konsultiert habe, noch, dass sie sich nicht konkret erinnern könne. Bezüglich der verspäteten Einzahlung der Einnahme vom letzten Umlauf gibt sie an, sich krank gefühlt zu haben und mit dem letztmöglichen Flug Glück gehabt zu haben. Es sei keine Zeit geblieben, das Geld abzugeben.

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Bezüglich der verschiedenen Einzahlungen und Auszahlung verweist sie auf ihre bisherigen Erklärungen, deren Ablauf nachvollziehbar sei. Sie hat die Einzahlung gerade der rotgefärbten Scheine erst damit erläutert, dass diese sich im Portemonnaie befanden und „man einem Kunden ungern rot gefärbtes Geld“ gebe. Im Kammertermin hat sie angegeben, sich nichts dabei gedacht zu haben.

Zum Verlauf des Gespräches am 25. Oktober nimmt sie wie folgt Stellung: Sie bestreitet, angegeben zu haben erstmalig die Karte benutzt zu haben. Sie behauptet, sie habe angegeben, nach der ersten Einzahlung auf ihren Einsatzplan gesehen und gemeint zu haben, sie benötige mehr Bargeld, da sie fünf Tage Bordverkauf vor sich habe. Sie habe erklärt, nunmehr seien 20 Personen in der Schlange gewesen. Sie meint, es sei plausibel, dass sie keine weiteren Angaben zur Herkunft des Geldes machen könne, und nimmt Bezug auf einen Kontakt mit ca. 8000 Menschen während der damaligen Umläufe.

Sie behauptet, bei und nach der Abholung vom Flug habe …, den sie als angeblichen ehemaligen Stasi-Mitarbeiter bezeichnet, sie „angerotzt“; die Polizeibeamten hätten ihr gegenüber ihre Verwunderung über die Behandlung durch die Beklagtenmitarbeiter kund getan. Sie behauptet, sie habe von Herrn … erfahren, dass Herr … erzähle sie sei in U-Haft. Sie rügt die Frist des § 626 II BGB.

Sie rügt die Wirksamkeit der Beteiligung der Gruppenvertretung, da die Frist nicht abgewartet worden sei und diese zur ordentlichen Kündigung nicht angehört worden sei, da diese nicht zeitgleich mit der außerordentlichen Kündigung ausgesprochen worden sei.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 12. November 2001 noch durch die ordentliche Kündigung vom 16. November 2001 aufgelöst wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, es handele sich um eine wirksame Verdachtskündigung. Die Klägerin sei zumindest dringend verdächtig, mit technischen Einrichtungen der Beklagten Geldscheine „gewaschen“ zu haben.

Die Beklagte bestreitet, dass ein Fluggast der Klägerin die gefärbten Geldscheine gegeben habe. Sie vermisst eine Erklärung für die Nichteinschaltung von Kollegen, hält den Zahlungsvorgang nicht für alltäglich. Sie stellt in Abrede, dass es der Kläger am 27. September nicht möglich gewesen sei, das Geld – was sie nur habe einzuwerfen brauchen – noch einzuzahlen. Sie verweist auf die Ein- und Auszahlungsvorgänge am 20. Oktober, das Greifen gerade zu den gefärbten Geldscheinen. Sie hält es für unplausibel, dass die Klägerin zwischendurch eine Mutmaßung über die benötigte Geldmenge angestellt habe. Sie verweist auf die Nutzung von Kreditkarten durch Fluggäste und Unkenntnis, wer den Bordverkauf übernehme. Sie ist der Ansicht, dass von ihr zur Verfügung gestellte Wechselgeld reiche aus. Sie verweist auf die Angaben der Klägerin im Gespräch am 25. Oktober und deren zum Teil begrenzte Erinnerungen. Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe angegeben, sie habe DM 200,– nicht für viel Geld gehalten, diesen Betrag – erstmals per Karte – parken wollen, um nicht zu viel Geld dabei zu haben. Sie stellt in Abrede, dass die Klägerin aufgrund eines Blicks auf den Einsatzplan sich eine Meinung zum benötigten Geld bilden konnte. Die Klägerin habe nicht von zwei Portemonnaies gesprochen. Sie habe nur angegeben, an der Kasse habe eine zu lange Schlange gestanden, von 20 Personen sei nicht die Rede gewesen. Die Beklagte meint, dies könne an einem Samstag auch nicht möglich sein. Die Beklagte bestreitet, dass sich ihre Mitarbeiter nicht korrekt verhalten hätten. Herr … sei kein Stasi-Mitarbeiter gewesen. Sie bestreitet, dass Herr … über die Klägerin verbreitet habe, sie befinde sich in U-Haft; vielmehr habe er von Frau …, erfahren, dass die Klägerin bei der Personalplanung von dem Vorgang berichtet habe.

Die Gruppenvertretung sei ordnungsgemäß beteiligt worden.

Die Frist des § 626II BGB sei gewahrt.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Klage ist nur zum Teil begründet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde zwar nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten aufgelöst (I.); aber die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung kann nicht festgestellt werden (II.).

I.

Die außerordentliche Kündigung ist sowohl gemäß § 901 Satz 3, II Satz 2 des Tarifvertrages Personalvertretung (TVPV) als auch gemäß § 626II Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam.

1.

Sie ist gemäß dem TVPV unwirksam, da die Beklagte die dreitägige Frist zur Stellungnahme der Gruppenvertretung nicht abgewartet hat.

Gemäß § 901 Satz 3 des TVPV ist eine ohne Anhörung der Gruppen Vertretung ausgesprochene Kündigung unwirksam. Dabei bewirkt nicht nur eine gänzlich fehlende, sondern auch eine nicht ordnungsgemäße Anhörung die Unwirksamkeit. Diese, dem § 102 I Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) wortgleiche, Vorschrift ist entsprechend den Grundsätzen zum Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht auszulegen. Gemäß § 90 II Satz 3 TVPV hat die Gruppenvertretung zu einer außerordentlichen Kündigung spätestens binnen drei Tagen Stellung zu nehmen. Die Fristberechnung ist mangels anderweitiger Regelung einerseits und im Hinblick auf die gleichmäßige Beschaffenheit der Stellungnahmefristen des § 90 II des Tarifvertrages im Vergleich zu § 102 II BetrVG entsprechend der dazu bestehenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung [Etzel in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsrechtlichen Vorschriften (zitiert: KR-Sachbearbeiter), von Gerhard Etzel, Ernst Fischermeier u.a., 6. A. Neuwied 2002, § 102 BetrVG Rz 90, 86; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, Betriebsverfassungsgesetz, Handkommentar (zitiert: F/K/H/E), 20. A. München 2000, § 102 Rz 32; Feichtinger, Die Betriebsratsanhörung bei Kündigung, Freiburg 1994, Rz 157 bei FN 245] gemäß den Vorschriften des BGB vorzunehmen. Danach endet eine Frist, deren letzter Tag auf einen Sonntag fällt, erst mit Ablauf des nachfolgenden Werktages (§ 193 BGB). Somit endete die Drei-Tages-Frist, die gemäß § 187 I BGB am Freitag den 9. November 2001 begann, nicht am Sonntag, den 11. November 2001, sondern erst am Montag, den 12. November 2001. Den Ablauf dieses Tages, insbesondere den Schluss der Arbeitszeit der Personalverwaltung, [Dessen Maßgeblichkeit ablehnend: KR-Etzel, § 102 BetrVG Rz 86] hat die Beklagte aber unstreitig nicht abgewartet. Sie hat vielmehr die Kündigung durch zwei Boten am Nachmittag des 12. November der Klägerin übergeben lassen als bei ihr noch gearbeitet wurde, sich ihrer damit vor Fristablauf entäußert.

2.

Die außerordentliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis ferner deswegen nicht beendet, da sie nicht binnen zwei Wochen nach Kenntnis von den Umständen, aus denen sich die Beklagte zur Kündigung berechtigt ansieht, erklärt. Die Beklagte ist mit den angeführten Kündigungsgründen gemäß § 626 II BGB ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung hat eine außerordentliche Kündigung binnen zwei Wochen nach Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen zu erfolgen. Die Frist des § 626 II BGB beginnt erst mit der möglichst vollständigen Kenntnis vom Kündigungsgrund; [Statt vieler: KR-Fischermeier, § 626 BGB Rz 319] ferner ist es regelmäßig statthaft, eine Stellungnahme des Arbeitnehmers einzuholen. [Ebenda, Rz 330]

Allerdings sind die Aufklärungen, Ermittlungen und Anhörungen mit der gebotenen Eile voranzutreiben. Insbesondere ist eine Stellungnahme des Arbeitnehmers kurzfristig, das heißt in der Regel binnen einer Woche, einzuholen. [Ebenda, Rz 331]

Diese Anforderungen ergeben sich daraus, dass es widersprüchlich wäre, beliebige Zeit für Ermittlungen einzuräumen, und dann von einer Unzumutbarkeit für das Abwarten der Frist auszugehen. Insbesondere ist zwischen Ermittlungen – unabhängig von deren Ergebnis – und der Prüfung der Bedeutung der Vorwürfe zu unterscheiden. Allein die Prüfung der Bedeutung begründet keine Hemmung der Frist. [Ebenda]

Die Beklagte hat keine Tatsachen dazu vorgetragen, welche weiteren Ermittlungen sie nach dem 25. Oktober 2001 anstellte und vornahm. Zu diesem Zeitpunkt bzw. kurze Zeit später war ihren Kündigungsbevollmächtigten die Tragweite der Vorwürfe bekannt. So wurde der Personaldienst der Beklagten am 22. Oktober über die Ein-/Auszahlungen und die Herkunft des Geldes informiert und veranlasste die Anhörung, die am 25. Oktober erfolgte. Er entschied eine weitere Anhörung vorzunehmen, ohne dass erkennbar ist, welcher Ermittlungszweck damit verfolgt wurde. Vielmehr hat die Beklagte lediglich vorgetragen, die Verantwortlichen hätten sich „ein eigenes Bild vom Ablauf des Geschehens machen“ wollen. Die Kammer vermag nicht auszuschließen, dass mit diesem Vorgehen möglicherweise weitere Erkenntnisse erzielt werden sollten – vorgetragen hat die Beklagte zu dieser Frage aber nichts, so dass dies nicht berücksichtigt werden kann. Damit verbleibt es beim Vortrag, man habe sich ein eigenes Bild machen wollen, wobei alle zum Kündigungsgrund gehörenden Tatsachen bereits bekannt waren. Dieses Vorgehen stellt eine Prüfung und keine Ermittlung dar. Somit war die Frist des § 626 II BGB nicht bis zum 6. November 2001 gehemmt, sondern allenfalls bis zum 25. Oktober 2001. Zur weiteren Fristbestimmung (Kenntnis der Kündigungsberechtigten vom Gesprächsverlauf) hat die insoweit darlegungsbelastete Beklagte nichts vorgetragen. Insbesondere sind keine Tatsachen dargelegt, die eine Kenntnis erst nach dem 29. Oktober 2001 begründen. Die Beklagte hat somit die Wahrung der 14-Tages-Frist durch die Kündigung, die am 12. November zuging, nicht dargelegt.

II.

Die ordentliche Kündigung ist wirksam. Sie verstößt weder gegen § 901 TVPV noch gegen § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Andere Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich.

1.

Entgegen der Auffassung der Klägerin erfolgte die ordentliche Kündigung nicht ohne Anhörung der Gruppenvertretung. Denn die Beklagte hat die Gruppenvertretung wie sich aus der Überschrift und dem Schlussabsatz des Anhörungsschreibens vom 8. November 2001 ergibt, auch zur ordentlichen Kündigung angehört. Diese Anhörung war durch den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung nicht verbraucht. Eine Anhörung ist dann verbraucht, wenn der Arbeitgeber die angekündigte Maßnahme bewirkt. [BAG, Urteil vom 31. Januar 1996-2 AZR 273/95 – in: DB 1996, 1042; Feichtinger, Rz 57 m.w.N.; s.a. KR-Etzel, § 102 BetrVG Rz 30]

Die Beklagte hat nicht zeitgleich mit der außerordentlichen Kündigung eine ordentliche Kündigung ausgesprochen, sondern diese vielmehr erstmals mit Schreiben vom 16. November erklärt. Etwas andere hatte sie – ohne dass es darauf ankäme – auch nicht angekündigt.

Die Anhörung ist auch nicht im Hinblick auf Fehlerhaftigkeit unwirksam. Selbst wenn es falsch sein sollte, dass die Klägerin im Gespräch am 25. Oktober 2001 angegeben hat, das erste Mal die Karte zum Aufladen benutzt zu haben, so führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Anhörung.

Zwar ist der Arbeitgeber grundsätzlich gehalten, den Betriebsrat/Gruppenvertretung wahrheitsgemäß zu informieren. [Feichtinger Rz 104]

Tut er dies nicht, so bewirkt dies nur dann die Fehlerhaftigkeit der Anhörung, wenn er nicht sorgfältig genug recherchiert hat, oder wenn es sich um eine bewusste Falschinformation handelt. [Ebenda Rz 104, 105; KR-Etzel, § 102 BetrVG Rz 107 a.E.]

Allein der Umstand, dass sich eine Mitteilung als unzutreffend herausstellt oder nicht bewiesen werden kann, beseitigt nicht die Ordnungsgemäßheit der Anhörung. [KR-Etzel, § 102 BetrVG Rz 66 m.w.N.]

Für eine bewusste Falschinformation oder unsorgfältige Recherche bestehen keinerlei Anhaltspunkte. So geht die Beklagte nach wie vor davon aus, dass diese Äußerung gefallen ist und hat dafür Zeugenbeweis angetreten.

Ferner gibt die Kammer zu bedenken, dass im Hinblick auf die Frage der subjektiven Determination eine Falschinformation über ein Detail, welches für die damalige Meinungsbildung des Arbeitgebers erkennbar keine Rolle spielte, keine Unwirksamkeit begründen kann. So ist z.B. anerkannt, dass selbst eine unterbliebene Information über relevante Daten, dann irrelevant ist, wenn es dem Arbeitgeber erkennbar nicht auf diese ankam. [Z.B. genaue Sozialdaten bei schwerwiegenden Vorwürfen: BAG, Urteil vom 15. 11. 1995 – 2 AZR 974/94 – in: AP Nr. 73 zu § 102 BetrVG 1972]

Die Beklagte hat die Information über die Angabe im Gespräch vom 25. Oktober im Rahmen der Anhörung nicht weiter ausgewertet. Sie hat daraus insbesondere nicht abgeleitet, dass diese Einlassung der Klägerin nicht glaubhaft sei und als Verdachtsmoment bezeichnet. Diese Auffassung hat sie erst prozessual vertreten. Nach dem Text des Anhörungsschreibens spielte dieser Umstand keine Rolle, war also damals nicht relevant.

Schließlich ist zu beachten, dass es ferner dann nicht auf die übermittelte Information ankommt, wenn das Gremium anderweitige Kenntnisse hat. Wie die Beklagte der Vertretung mitgeteilt hat, war bei dem Gespräch das Gruppenvertretungsmitglied anwesend, der auch das Anhörungsschreiben entgegen nahm. Zumindest dieser hatte somit eigene Kenntnisse über den Gesprächsverlauf.

2.

Die ordentliche Kündigung verstößt nicht gegen § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG).

Gemäß § 1 I KSchG ist eine sozial ungerechtfertigte Kündigung unwirksam. Dazu bestimmt § 1 II Satz 1 KSchG, dass diejenige Kündigung ungerechtfertigt ist, für die kein personen-, verhaltens- oder betriebsbedingter Grund besteht.

Für die Kündigung der Beklagten besteht ein verhaltensbedingter Grund. Denn die Klägerin ist zumindest dringend verdächtig, einen schwerwiegenden Verstoß gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten begangen zu haben, indem sie sich unter Ausnutzung von ihr im Rahmen des Vertragsverhältnis zur Verfügung gestellter besonderer Möglichkeiten von Geldscheinen entledigt hat, über deren Verwertbarkeit sie sich zumindest erheblich im Unklaren befand. Sie ist verdächtig, die Realisierung des Wertes der Geldscheine, zumindest das insoweit bestehende Risiko, auf die Beklagte verlagert zu haben, sich selbst den Vermögenswert letztlich auf Kosten der Beklagten gesichert zu haben. Es besteht lediglich deswegen nur ein Verdacht, da zu dem Pflichtverstoß auch die subjektive Ebene, insbesondere die einschlägigen Vorstellungen bei der Klägerin gehören, die nur über äußere Umstände ableitbar, nicht absolut gesichert sind.

Die Klägerin wurde zu den Vorwürfen ordnungsgemäß angehört.

Die Klägerin ist eines schwerwiegenden Vertragsverstoßes verdächtig. Der Verdacht richtet sich darauf, dass sie sich bewusst mittels technischer Einrichtungen ihres Arbeitgebers und auf dessen Kosten, den Vermögenswert von nicht ohne weiteres verwertbarem Geld zugeführt hat. Eine solche Handlungsweise stellt einen schwerwiegenden Verstoß dar. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Vermögensschaden anderweitig abwenden kann, indem er z.B. einen Ersatz für die Geldscheine bekommt. Denn ein Arbeitnehmer, der so handelt und diese Erfolge bezweckt, verwickelt seinen Arbeitgeber zum einen in Geschehnisse, die zumindest am Rande zum strafrechtlichen Verhalten stehen. So wird gemäß § 261 II, V Strafgesetzbuch bereits derjenige bestraft, der einen Gegenstand, der aus einem Verbrechen herrührt, verwahrt oder verwendet, wenn er die Herkunft des Gegenstandes zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat, auch wenn er lediglich nur leichtfertig nicht erkennt, dass der Gegenstand aus einer solchen Tat rührt. Und zum anderen nutzt er die ihm eröffneten besonderen Handlungsmöglichkeiten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses. Er verwendet die ihm anvertraute Karte und seine besonderen Zugangsberechtigungen. Damit ist die Verbindung zum Arbeitsverhältnis hergestellt und wurden die dadurch ermöglichten Handlungsweisen ausgenutzt.

Es bestehen dringende Verdachtsmomente:

Die Klägerin hat alle erforderlichen Handlungen vorgenommen, um die genannte Vermögensverschiebung herbeizuführen. Sie hat Geldscheine, die aus einem Raub stammen, durch einen Automaten auf ihre Geldkarte aufladen lassen und sich den Vermögenswert zum Teil direkt wieder auszahlen lassen. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob der von ihr bediente Automat der Beklagten selber oder der … gehört. Denn sie hat das Geld auf ihre von der Beklagten zur Verfügung gestellte Geldkarte geladen, abgehoben und geladen, was zu einschlägigen Buchungsvorgängen führt. Die Gutschrift zu ihren Gunsten erfolgt über die Karte, die die Beklagte ausgibt und abzurechnen hat.

Es besteht der dringende Verdacht, dass die Klägerin diese Handlungen vornahm, um sich des Problems mit den gefärbten Geldscheinen zu entledigen. Insoweit kommt es darauf an, ob davon auszugehen ist, dass sie subjektiv solche Pläne hegte und Absichten verfolgte. Diese Absichten können nur aus objektiven Gegebenheiten geschlussfolgert werden. Die Zusammenschau der Handlungsweisen, Erklärungen und Einlassungen der Klägerin ergibt, dass zumindest dringende Verdachtsmomente dafür bestehen, dass sie sich der Verwertungsprobleme der Geldscheine bewusst war. Dies ergibt sich für die Kammer aus ihrem Verhalten beim Aufladen, vor allem bei der zweiten Aufladeaktion und aus der gewählten Anonymität des Einzahlungsvorgangs. Dieser Verdacht ist nicht entkräftet; vielmehr bestehen weitere Unklarheiten und Gegebenheiten, die ihn nähren.

Die Klägerin zahlte DM 200,– Kleingeld ein, obwohl sie – wie sie bekundet hat – immer viel Kleingeld mit sich führen möchte, danach nach ihrem behaupteten Wissen nur noch DM 50,– bei sich hatte, und wusste, dass ein mehrtätiger Umlauf folgt. Obwohl sie nach ihren Bekundungen im Kammertermin grundsätzlich damit rechnet, dass sie einen Bordverkauf übernehmen muss, tat sie dies. Sie wählte insbesondere auch das ihr wichtigere Kleingeld, anstelle der zwei großen Scheine. Letzteres hätte sie dann, wenn sie nicht so viel Geld mit sich führen wollte, machen können. Bei dem von ihr gewähltem Vorgehen musste sie auch erheblich mehr Zeit in Kauf nehmen. Dies Verhalten ist nicht auf jeden Fall nachvollziehbar – wie die Klägerin meint -, sondern im Hinblick auf den bestehenden Zeitdruck unplausibel und nicht widerspruchsfrei.

Die Klägerin hat bei dem zweiten Aufladevorgang lediglich rot gefärbte Scheine eingezahlt. Dieses Verhalten ist letztlich nur dadurch erklärbar, dass sie diese Scheine loswerden wollte, was wiederum darauf rückschließen lässt, dass für sie deren Verwertbarkeit nicht gesichert war. Denn obwohl ihr aufgrund der zwischenzeitlichen Auszahlung von DM 200,– in Kleingeld unbekannter Stückelung und den DM 10,– und den DM 100,– Scheinen verschiedene Zahlungsmittel zur Verfügung standen, griff sie trotz Zeitdrucks gerade nur zu den restlichen rot gefärbten DM 20,– Scheinen. Selbst wenn es ihr darauf ankam, kleinere Scheine einzuzahlen oder eben gerade nicht die DM 10,– Scheine einzuzahlen, erklärt dies nicht, warum sie gerade zu den rot gefärbten Scheinen griff. Es kann sich nicht um einen Zufall gehandelt haben. Vielmehr ist im Zusammenhang mit dem ersten Aufladevorgang von einem gezielten Vorgehen auszugehen.

Für ein Bewusstsein über ein Verwertungsproblem spricht auch, dass die Klägerin einen anonymen Rahmen wählte. So hat sie die gefärbten Scheine nicht im Rahmen der Einzahlungen von den Umläufen – zuletzt am 18. Oktober möglich – benutzt, wo sie ihrer Person sicher hätten zugeordnet werden können. Sondern sie hat einen Automaten gewählt, über dessen Funktionsweise sie – entgegen ihrer Auffassung – nicht einschlägig informiert war. Diese fehlende Information ergibt sich zum einen daraus, dass sie bei der ersten Einzahlung elf Scheine nahm, obwohl das Aufladelimit überschritten war. Auch kann mangels substantiiertem Tatsachenvorbringen ihrerseits nicht davon ausgegangen werden, dass es außerhalb des Werkschutzes und der Abteilung Sicherheit bei der Beklagten allgemein bekannt war, dass das Ladeprotokoll des Automaten es ermöglicht, bestimmte Geldscheine einem Ladevorgang zuzuordnen. Die Beklagte hat die gegenteilige pauschale Behauptung der Klägerin bestritten; die Klägerin hat ihre Behauptung nicht substantiiert. Sie hat im Kammertermin im Rahmen der Stellungnahme zum letzten Schriftsatz der Beklagten diesen Aspekt nicht – wie sie es ansonsten tat – als unzutreffend thematisiert, so dass sich bereits die Frage stellt, ob sie an ihrem Vorbringen dazu überhaupt festhalten will. Woraus sie die von ihr behauptete Bekanntheit nimmt (Äußerungen von wem, wann, wo) ist nicht nachvollziehbar. Schließlich ist eine solche Vermutung zur Registrierung auch nicht nahe liegend. Sicherlich ist zu erwarten, dass der Automat registriert, welche Karte wie beladen wurde, auch kann noch möglich sein, dass erwartet wird, dass der Automat die eingezahlte Stückelung registriert, aber es ist schwierig sich vorzustellen, ob Automatenbenutzer sich darüber Gedanken machen, ob die bezüglich einer Karte eingereichten Geldscheine dieser – vielleicht aufgrund von Ablagereihenfolgen – zugeordnet werden können. Schließlich ergab sich die erste Zuordnung der rot gefärbten Scheine zur Geldkarte der Klägerin gerade dadurch, dass sie beobachtet wurde, und somit die Zeit und Art ihres Aufladevorganges dem Werkschutz mitgeteilt war. Auch ist zu beachten, dass selbst dann, wenn grundsätzlich eine solche Zuordnung möglich wäre, es eine andere Frage ist, ob diese vorgenommen wird. So ist grundsätzlich vorstellbar, dass der Automat schlicht und einfach geleert wird und ohne besondere Veranlassung keine weiteren Kontrollen erfolgen. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sie bei ihrer Einzahlung sicher davon ausging, dass diese Scheine ihr zugeordnet würden. Die Klägerin konnte den Verdacht bezüglich ihrer subjektiven Vorstellungen nicht entkräften. Soweit sie schriftsätzlich vorgetragen hat, dass sie Kunden ungern rot gefärbtes Geld gebe, würde diese Einlassung gerade dazu führen, anzunehmen, dass ihr die Geldscheine eben nicht geheuer vorkamen. Soweit sie im Kammertermin nunmehr geltend macht, sie habe sich gar nichts bei ihrem Vorgehen gedacht, so ist dies im Hinblick auf die geschilderte Häufung von „Zufälligkeiten“, das Greifen gerade zu den DM 20,– Scheinen, nicht plausibel.

Hinzu kommt, dass weitere Unklarheiten bestehen, die die ganzen Ereignisse nicht in ein für die Klägerin günstiges Licht rücken. So bestehen erhebliche Bedenken gegen die Schilderung der Klägerin über die Herkunft des Geldes. Es ist erstaunlich, dass die Klägerin einerseits Details der Geldannahme erinnert (Aussehen des Gastes, ihr Verhalten, seine Erklärung), aber andererseits weder zeitliche noch räumliche Einordnungen vornehmen kann. Diese selektive Erinnerung wird auch nicht durch den Hinweis auf die vielen Passagiere nachvollziehbar. Schließlich ist auch schwer vorstellbar, dass jemand versucht, Geldscheine aus einem Raub gerade in einem Flugzeug los zu werden. Nach den Schilderungen der Klägerin hat der Fluggast eine falsche Angabe über die Herkunft der Verfärbung gemacht; es ist daher zu vermuten, dass er wusste, woher das Geld stammt. Auch ihre Bekundungen über den Grund der Einnahme sind widersprüchlich. So gab sie erst an, es habe sich um einen Bordverkauf gehandelt und hat sich dann auf einen Wechselvorgang bezogen. Soweit es sich um einen Wechsel in der gleichen Währung handelt, erschließt sich daraus nicht die „Stückelung“, die über DM 500,– bleibenden DM 20,–. Auch hier liegt eine äußerst selektive Erinnerung vor. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass sich für die Klägerin – unterstellt ihr war die Problematik der Geldscheine bewusst – ein Handlungsdruck daraus ergab, dass die Währungsumstellung absehbar und eine anonyme Verwertung nur begrenzt möglich war. Und abschießend ist zu berücksichtigen, dass es im Hinblick auf Berichterstattungen und sonstige Publikationen durchaus bekannt sein kann, dass eine Verfärbung von Geld etwas damit zu tun haben kann, wie man in seinen Besitz gelangte. Bei dieser Sachlage konnte auch der positive persönliche Eindruck, den die Klägerin bei der Kammer erweckte, nicht dazu führen, von einer Entkräftung der Verdachtsmomente auszugehen. Denn es verbleiben zu viele „Zufälligkeiten“ „missverständliche Verhaltensweisen“ und „Auffälligkeiten“, die keiner harmlosen oder zufriedenstellenden Klärung zugeführt werden konnten.

Die Klägerin wurde am 25. Oktober 2001 zu den Verdachtsmomenten ordnungsgemäß angehört.

Eine Abmahnung war nicht erforderlich.

Eine Abmahnung ist im Bereich steuerbaren Verhaltens grundsätzlich vor Ausspruch einer Kündigung erforderlich.

[z.B. BAG, Beschluss vom 10. Februar 1999-2 ABR 31/98 – in: AP Nr. 42 zu § 15 KSchG 1969 (unter II. 5., Bl. 805); Urteil vom 1. Juli 1999-2 AZR 676/98 – in: AP Nr. 11 zu § 15 BBiG (unter II. 2. e), Bl. 242)]

Lediglich bei schwerwiegenden oder offensichtlichen Pflichtverstößen, insbesondere dann, wenn nicht damit gerechnet werden kann, dass der Arbeitgeber einen solchen hinnimmt – was vorrangig für Verstöße im Vertrauensbereich einschlägig werden kann – geht das Bundesarbeitsgericht von einer Verzichtbarkeit aus.

[z.B. BAG, Beschluss vom 10. Februar 1999, a.a.O., auch in: NZA 1999, 708 (710) m.w.N.; KR-Fischermeier, § 626 BGB Rz 260]

Ein solcher Fall liegt hier wegen der Beschaffenheit des Verdachts vor.

Die Interessensabwägung begründet kein Überwiegen der Fortbestandsinteressen der Klägerin. So kann diese weder eine besonders lange Betriebszugehörigkeit für sich ins Feld führen, noch ist sie in einem problematischen Lebensalter. Allein aktuelle Schwierigkeiten auf dem Flugsektor eine neue Arbeitsstelle zu finden, begründet ebenfalls kein Überwiegen ihrer Interessen. Denn es ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin eines erheblichen Pflichtverstoßes verdächtig ist. Sie hat ihre eigenen Interessen denjenigen der Beklagten möglicherweise in einer besonderen Form übergeordnet, denn sie ist verdächtig, ein für sie bestehendes Problem auch auf deren Kosten gelöst zu haben. Dieser Verdacht ist im Bereich der Vermögensinteressen der Beklagten anzusiedeln. Die Beklagte sieht sich somit einer Mitarbeiterin gegenüber, die in diesem sensiblen Bereich eines Pflichtverstoßes dringend verdächtig ist, sich äußerst missverständlich verhalten hat. Hinzu kommt, dass es unter anderem Aufgabe der Klägerin war, für die Beklagte Geld einzunehmen und zu verwalten. Es fehlt an der nötigen Vertrauensbasis zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Diese wird insbesondere nicht dadurch wieder hergestellt, dass die Klägerin einem anderen Vorgesetzten oder einer anderen Abteilung zugewiesen wird. Denn ihr Pflichtverstoß hat mit diesen Zusammenhängen gerade nichts zu tun. Die Notwendigkeit eines solchen Wechsels würde sich erst durch die nachfolgenden Ereignisse ergeben und löst nicht das Vertrauensproblem der Beklagten.

Die Klägerin hat ferner durch ihr Handeln Aufklärungs- und Ermittlungsbedarf geschaffen und zumindest insoweit einen Vermögensschaden angerichtet. Aufgrund dieser Interessenslage und unter Berücksichtigung des Interesses an Generalprävention ist es der Beklagten nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

B.

Die Kostenentscheidung ist gemäß § 92 I Zivilprozessordnung (ZPO), welcher gemäß § 46 II Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) anzuwenden ist, zu treffen. Im Hinblick auf das anteilige Unterliegen der Klägerin sind ihr die Kosten im Umfang von 50 % aufzuerlegen. Insoweit hat die Kammer die außerordentliche und ordentliche Kündigung für gleichmäßig relevant und werthaltig angesehen.

Der Wert des Streitgegenstandes beläuft sich für den Kündigungsschutzantrag bezüglich der ersten außerordentlichen Kündigung gemäß § 12 VII ArbGG höchstens auf den Gegenwert des vierteljährlichen Verdienstes. Dieser beträgt bei einem Monatsbruttogehalt in Höhe von DM 4.500,– DM 13.500,–, in Euro 6.902,44 umgerechnet. Von diesem Höchstwert ist auszugehen, da in der genannten Höchstgrenze nach zutreffender Ansicht ein Regelwert zu sehen ist [Germelmann/Matthes/Prütting, Axbeitsgerichtsgesetz, Kommentar, 3. A., München 1999, § 12 Rz 93-96 mit weiteren Nachweisen] von dem abzugehen im Hinblick auf den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung und den Gegenwert des wirtschaftlichen Interesses am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über weitere drei Monate hinaus keine Veranlassung besteht.

Die hilfsweise ordentliche Kündigung erhöht den Wert nicht. Denn nach der Rechtsprechung des Hessischen Landesarbeitsgerichtes ist eine in unmittelbarer zeitlicher Nähe ausgesprochene ordentliche Kündigung, die auf dem gleichen Grund wie die außerordentliche Kündigung beruht, nicht werterhöhend anzusetzen. So liegt hier der Fall.

C.

Gemäß § 64 II b) ArbGG kann Berufung im Hinblick auf die Art der Streitgegenstände eingelegt werden. Für eine Zulassung der Berufung darüber hinaus gemäß § 64 III ArbGG besteht keine Veranlassung. Dies ist gemäß § 64 III a ArbGG nunmehr im Urteilstenor auszusprechen, da sowohl über die Zulassung, wie auch über die Nichtzulassung der Berufung etwas ausgesagt werden muss. Die Einzelheiten der Rechtsmittelbelehrung erfolgen auf der nächsten Seite.

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