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Gelochtes Sparbuch – Kein Anspruch auf Auszahlung des Guthabens

AG Frankfurt – Az.: 29 C 4021/19 (46) – Urteil vom 23.12.2019

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung iHv. 120% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit iHv. 120% des jeweils aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags leistet.

IV. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 876,-.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Auszahlung eines Guthabens eines Sparbuchs.

Die Klägerin eröffnete bei der Beklagten am 12.11.2002 unter Einzahlung von EUR 750,- das Sparbuch mit der Kontonummer … (im Folgenden: Sparbuch). Unter der Kontonummer … verfügte die Klägerin über ein weiteres Sparbuch (im Folgenden: zweites Sparbuch).

Am 10.12.2008 fand sich die Klägerin in einer Filiale der Beklagten ein. Ein Betrag von EUR 775,32 wurde an diesem Tag als „Gutschrift“ auf das zweite Sparbuch der Klägerin eingetragen. Das Sparbuch der Klägerin befindet sich in ihrem Besitz und ist gelocht, vergleiche Bl. 5 der Akte.

Die Klägerin behauptet, das Sparbuch selbst gelocht zu haben, um es besser abheften zu können. Die Klägerin geht von Zinsen in Höhe von einem Prozent zwischen dem 12.11.2002 und dem 23.9.2019 und somit von einem Zinsertrag in Höhe von EUR 126,49 zu ihren Gunsten in Zusammenhang mit dem Sparbuch aus.

Sie ist der Auffassung, das Sparbuch sei nicht entwertet bzw. aufgelöst. Die Beklagte sei ihrer Darlegungs- und Beweislast dahingehend nicht nachgekommen, dass es sich bei der Gutbuchung von EUR 775,32 auf das zweite Sparbuch um eine Auszahlung aus dem Sparbuch handele. Um von einer solchen auszugehen, hätte anstelle des Worts Gutschrift der Begriff Kontoauflösung oder Ähnliches aufgeführt werden müssen. Die Beklagte müsse jedenfalls den/die Mitarbeiter*n benennen, mit der die Klägerin am 10.12.2008 gesprochen habe und den Gesprächsinhalt vortragen.

Die Klägerin b e a n t r a g t, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 876,49 nebst Zinsen iHv. 5%- Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, sowie die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten EUR 147,56 nebst Zinsen iHv. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte b e a n t r a g t, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, das Guthaben der Klägerin sei bis zum 10.12.2008 durch Zinsen iHv. EUR 25,32, vgl. Zinstabelle Anlage B7, Bl. 46 ff. d.A., auf EUR 775,32 angewachsen. Das Sparbuch sei am 10.12.2008 aufgelöst worden. Aufgrund der Lochung, die in der Filiale der Beklagten am 10.12.2008 vorgenommen worden sei, sei das Sparbuch entwertet worden. Im Übrigen erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.

Auf die Eingaben der Parteien nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2019 sowie die übrigen Aktenbestandteile wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Nach dem Akteninhalt ist das Gericht der festen Überzeugung, dass das Sparbuch der Klägerin am 10.12.2008 aufgelöst und der entsprechende Auszahlungsanspruch der Klägerin bereits am selben Tag durch Übertragung des Guthabens auf das zweite Sparbuch vollständig erfüllt wurde, vergleiche § 362 BGB.

Für die richterliche Überzeugungsbildung ist keine letzte Gewissheit erforderlich, sondern eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreichend, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, beachte § 286 ZPO.

Gelochtes Sparbuch - Kein Anspruch auf Auszahlung des Guthabens
(Symbolfoto: Von Titipong Chumsung/Shutterstock.com)

Vorliegend sprechen mehrere objektivierte Anknüpfungstatsachen für sich gesehen jeweils indiziell aber im Gesamtgefüge hinreichend klar für den Umstand, dass die Klägerin das Sparbuch mittels Übertragung des Guthabens auf ihr zweites Sparbuch auflöste. Die klägerseits zitierte Rechtsprechung zu verlorenen/vergessenen Sparbüchern verfängt bei dem vorgebrachten unschlüssigen Sachverhalt gerade nicht.

Der Betrag von EUR 775,32 ist durch die Beklagte hinreichend substantiiert dahingehend erläutert, dass es sich lediglich um den Einzahlungsbetrag auf dem Sparkonto (EUR 750,-) addiert um die Zinserträge der Klägerin aus dem Zeitraum zwischen der Eröffnung und der Auflösung des Sparkontos (12.11.2002 – 10.12.2008 iHv. EUR 25,32, vgl. Anlage B 7, Bl. 46 ff. d.A.) handelt. Der Klägerin ist das pauschale Bestreiten des Zinsertrags bis zum 10.12.2008 aufgrund der nachvollziehbaren Zinstabelle der Beklagten verwehrt. Die Beklagte hat substantiiert Daten aktenkundig gemacht, die gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelten. Es hätte eines substantiierten Bestreitens der Klägerin durch Mitteilung positiver Anknüpfungspunkte bedurft. Warum die von der Beklagten dargelegten Daten nicht zutreffend sein und welche anstelle ihrer Anwendung finden sollten oder müssten, hat die Klägerin nicht den Rechtsstreit eingebracht.

Eben dieser krumme Betrag von EUR 775,32 wurde am 10.12.2008, mithin an dem Tag, an dem sich die Klägerin in einer Filiale der Beklagten einfand, auf dem zweiten Sparbuch der Klägerin gutgeschrieben. Es handelte sich auch unstreitig gerade nicht um eine (Bar-) Einzahlung.

In einer solchen Situation spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins für eine Übertragung des vollständigen Sparbetrags der Klägerin von ihrem Sparbuch auf das zweite Sparbuch, so dass von einer vollständigen Erfüllungswirkung gemäß § 362 BGB zu Gunsten der Beklagten auszugehen ist. Diesen Anscheinsbeweis hat die Klägerin in keiner Weise erschüttern können. Die Klägerin behauptet nicht einmal, dass es sich bei der Gutschrift von EUR 775,32 vom 10.12.2008 um eine Einzahlung ihrerseits oder irgendetwas Konkretes anderes gehandelt habe. Anhaltspunkte, dass das Gericht in dieser Konstellation von einer zufälligen Fehlbuchung an genau diesem Tag von gerade EUR 775,32 ausgehen sollte, sind nicht aktenkundig.

Der Umstand, dass die entsprechende Buchung der EUR 775,32 als Gutschrift und nicht als Bareinzahlung oder anderes festgehalten wurde, unterstreicht die lebensnahe Sachverhaltsdarstellung der Beklagten. Der klägerische Ansatz, das Wort Gutschrift sei nicht plausibel genug, es hätte als Verwendungszweck Kontoauflösung oder Ähnliches aufgeführt werden müssen, verfängt nicht. Dies wäre eindeutiger gewesen, doch ist keine alternative Erklärung als die der Übertragung des Guthabens vom Sparbuch auf das zweite Sparbuch plausibel.

Soweit die Klägerin von der Beklagten fordert, den konkreten damaligen Mitarbeiter zu benennen, überzieht die Klägerin die prozessualen Anforderungen an das Vortragsverhalten der Beklagten und übersieht ihre eigenen prozessualen Pflichten. So war die Klägerin selbst Subjekt sämtlicher Vorgänge vom 10.12.2008. Sie hat sich gemäß § 138 Abs. 1, 4 ZPO vollständig und der Wahrheit gemäß entsprechend ihrer eigenen Wahrnehmung vor Gericht zu erklären. Da es sich insofern allerdings um allein ihre beiden Konten handelte und sie in der Filiale Bankgeschäfte erledigte, muss sie eigenes Wissen hierzu haben und hätte dieses auch offenlegen müssen. Woher und mit welchem Motiv gerade diese Gutschrift in unüblicher Höhe kommen könnte und nichts mit einer Kontoauflösung des Sparbuchs zu tun haben sollte, erschließt sich dem Gericht nicht. Lebensnah und realistisch ist in diesem Zusammenhang für das Gericht alleine, dass das Sparbuch aufgelöst wurde und das Guthaben, Stand 10.12.2008, auf das zweite Sparbuch der Klägerin übertragen wurde.

Auch die Tatsache, dass das Sparbuch gelocht ist, spricht indiziell gegen die Klägerin. Es ist – bei Menschen des Alters, die ein Sparbuch noch als reguläres Mittel ihres Zahlungs- und Sparverhaltens kannten, wozu die Klägerin zu zählen ist – allgemein bekannt, dass ein gelochtes Sparbuch keine Gültigkeit hat und man tunlichst Abstand von jedweder Beschädigung eines Sparbuchs zu nehmen hat. Eine Internetabfrage, die auch 2008 schon möglich gewesen wäre, hätte leichter Hand ergeben, dass durch die Lochung eines Sparbuchs selbiges entwertet wird. Auch die überwiegende Rechtsprechung geht neben dem Allgemeinwissen der Bevölkerung davon aus, dass ein gelochtes Sparbuch grundsätzlich als entwertet anzusehen ist, vergleiche BGH, Urteil vom 4.6.2002, Az. XI ZR 361/01, Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 26.6.2007, Az. 11 U 157/06. Insofern ist auch die Kommentierung der alten Fassung von § 21 KWG eindeutig; ebenso wie die Feststellung von Fest in MünchKomm, 4. Aufl. 2019, Band 6 Teil 2 N Rdn. 311, dass es sich bei einer Lochung um eine verbreitete Methode für die Entwertung eines Sparbuchs nach der Auflösung desselben handelt. Entsprechend wurden und werden Mitarbeiter von Banken und Sparkassen dahingehend geschult, dass Sparbücher bei voller Rückzahlung der Einlage grundsätzlich zurückzufordern sind, aber auch nach Entwertung, z.B. durch Lochen oder Einschneiden, beim bisherigen Sparer belassen werden dürfen, vergleiche Erich Hüttner, Hans Klink, Die Bankgesellenprüfung, S. 40.

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In der Gesamtschau des Sach- und Streitstands spricht einiges dafür, dass der Vortrag der Beklagten, das Sparbuch sei durch Lochung in der Filiale am 10.12.2008 entwertet worden, zutreffend sein mag. Nach Ablauf von mehr als zehn Jahren und damit nach Beendigung der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen, die die Beklagte einzuhalten hat, ist ihr auch nicht abzuverlangen, den konkreten Sachbearbeiter zu benennen, der sich nach nunmehr elf Jahren an einen einzelnen Vorgang in einer Postfiliale mit offenkundig hohem Geschäftsverkehr erinnern sollte. Vielmehr hätte die Klägerin sich dahingehend erklären können, wann sie das streitgegenständliche, in ihrem Besitz befindliche Sparbuch wohl nach dem 10.12.2008 selbstständig gelocht haben mag. Ein solcher Vortrag samt Beweisangebot war ihr unter Beachtung von § 138 Abs. 1, 4 ZPO auch abzuverlangen. In Anbetracht der allgemein bekannten Entwertungsart eines Sparbuchs durch Lochung wäre das Abheften desselben in einer Klarsichthülle oder Ähnlichem, alternativ das Befestigen eines Lochstreifens am Sparbuch möglich und offensichtlich vorzugswürdig gewesen.

Die begehrten Nebenforderungen teilen das Schicksal der akzessorischen Hauptforderung.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und folgt dem Unterliegen der Klägerin.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 48 GKG i.V.m. §§ 2, 4 ZPO.

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