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Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts bei vertraglich vereinbartem Aufrechnungsverbot

LG Hamburg – Az.: 328 O 512/09 – Urteil vom 27.10.2011

1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Hamburg vom 28. Januar 2010 bleibt aufrechterhalten.

2. Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

4. Der Streitwert wird auf € 122.595,49 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung eines Saldobetrages aus einem Kontokorrentverhältnis sowie um mögliche Ersatzansprüche des Beklagten.

Die Parteien schlossen am 18. April 2006 einen Rahmenvertrag für Einzelkundenbeziehungen (Anlage K 1). Gegenstand der Einzelkundenbeziehung war die Eröffnung eines Kontos mit der Nummer 2 (Anlage K 5). Vertragsinhalt wurden die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin gemäß Anlage K 2. Die Klägerin führte dieses Konto bis zum 1. September 2006. An diesem Tag erklärte sie die Kündigung der Geschäftsverbindung (Anlage K 3). Der Zugang der Erklärung ist streitig. Der Beklagte sollte den Negativsaldo bis zum 13. Oktober 2006 ausgleichen. Zum 30. September 2006 erteilte die Klägerin dem Beklagten einen Rechnungsabschluss über € 123.945,49. Diesen erhielt der Beklagte spätestens mit Schreiben vom 28. November 2006. Auf den Rechnungsabschluss der Klägerin reagiert der damalige Rechtsanwalt des Beklagten mit Schreiben vom 16. Dezember 2006 (Anlage B 1) und monierte die korrekte Berechnung der Forderung in den Punkten der Rücklastschriftkosten und der Zinshöhe. Er kündigte bei Korrektur dieser Punkte ein notarielles Schuldanerkenntnis und eine Ratenzahlung von € 1.500,00 pro Monat an.

Im Oktober 2006 reichte der Beklagte bei der Klägerin ein Schriftstück zum Scheckinkasso ein, das in arabischer Schrift ausgestellt war. Der Mitarbeiter G der Klägerin erkannte dieses Schriftstück (Anlage B 3) als Scheck nicht an, lehnte das Inkasso ab und sandte es an den Beklagten. Es ist streitig, ob ein Zugang beim Beklagten erfolgte.

Die Klägerin meint, die Geschäftsverbindung sei wirksam gekündigt worden. Spätestens in der Einleitung des Mahnverfahrens liege die Kündigungserklärung. Der Kontoabschluss zum 30. September 2006 sei durch mangelnden Widerspruch des Beklagten genehmigt. Die Hauptforderung setze sich aus dem Inhalt des Rechnungsabschlusses vom 30. September 2006 über € 123.945,49 abzüglich weiteren Gutschriften und Belastungen im Wert von insgesamt € 1.350,00 zusammen. Es ergebe sich eine Hauptforderung von € 122.595,49. Für die Zeit vom 1. Oktober 2006 bis zum 13. Oktober 2006 habe die Klägerin Anspruch auf die Vertragszinsen, ab dem 14. Oktober 2006 auf die gesetzlichen Verzugszinsen. Hieraus ergebe sich für die Zeit vom 1. Oktober 2006 bis zum 6. Oktober 2009 (kurz vor Einreichen der Anspruchsbegründung) ein Zinsschaden von € 28.152,78, mithin eine Klagforderung von € 150.748,27.

Die Klägerin hat zunächst beantragt, den Beklagten zur Zahlung von € 150.748,27 nebst Zinsen zu verurteilen. Im schriftlichen Vorverfahren hat das Landgericht ein Versäumnisurteil erlassen.

Die Klägerin beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, dass die Forderung der Klägerin nicht fällig sei, da die Kündigung nicht zugegangen sei. Überdies sei der Saldo nicht nachvollziehbar. Einzelne Positionen seien zu bestreiten. Der Beklagte meint, dass die Forderung verjährt sei, da die Einzelforderungen des Kontokorrentsaldos aus dem Mahnbescheid nicht hervorgingen. Hinsichtlich des im Oktober 2006 eingereichten Schecks behauptet der Beklagte, dass es sich um einen „echten“ Scheck im Wert von umgerechnet € 130.000,00 gehandelt habe. Durch den Verlust des Schecks sei er nicht mehr in der Lage, den Aussteller erneut in Anspruch zu nehmen, so dass ihm ein Schaden in Höhe des Wertes des Schecks entstanden sei.

Wegen des weiteren Streitstoffs nimmt das Gericht Bezug auf die gewechselten Schriftsätze sowie den Inhalt der Sitzungsprotokolle.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von € 122.595,49 zuzüglich Zinsen.

1. Der Anspruch ist in dieser Höhe entstanden. Der Betrag ergibt sich aus dem Rechnungsabschluss zum 30. September 2006 (Anlage K 6 bis K 8) in Höhe von € 123.595,49, einer Gutschrift in Höhe von € 1.500,00 vom 5. Oktober 2006 (Anlage K 9) sowie einer Belastung von € 150,00 vom 5. Februar 2009 (Anlage K 4).

Gegen den erteilten Rechnungsabschluss hat der Beklagte hinsichtlich einzelner Buchungen vorprozessual keine Einwendungen vorgebracht. Der Beklagte gesteht zu, dass ihm der Rechnungsabschluss zum 30. September 2006 mit Schreiben der Klägerin vom 28. November 2006 zugegangen ist. Hierauf reagierte der damalige Rechtsanwalt des Beklagten mit Schreiben vom 16. Dezember 2006 (Anlage B 1) und monierte lediglich Rücklastschriften und die Zinshöhe. Im Übrigen kündigte er ein notarielles Schuldanerkenntnis und eine Ratenzahlung von € 1.500,00 an. In dieser anwaltlichen Erklärung liegen die Genehmigung sowie das deklaratorische Anerkenntnis hinsichtlich der Einzelbuchungen aus dem Rechnungsabschluss. Auf eine mögliche Genehmigungsfiktion gemäß Ziffer 7 der AGB (Anlage K 2) kommt es nicht an. Der Beklagte ist daran gehindert, im Prozess durch einfaches Bestreiten einzelner Buchungen die Richtigkeit des Saldos anzugreifen. Hinsichtlich der im anwaltlichen Schreiben vom 16. Dezember 2006 monierten Rücklastschriftkosten und Zinsen erfolgt im Prozess keine Auseinandersetzung mit der Abrechnung, so dass das Gericht von der Richtigkeit des Saldos auszugehen hat.

2. Die Forderung ist fällig. Es kann dahinstehen, ob dem Beklagten die Kündigungserklärung vom 1. September 2006 (Anlage K 3) tatsächlich zugegangen ist. Spätestens in der Einleitung des Mahnverfahrens liegt die Kündigung (Palandt-Weidenkaff, BGB, § 488 Rz. 32.). Der Mahnbescheid wurde dem Beklagten am 7. August 2008 zugestellt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist die Forderung fällig.

3. Daneben hat die Klägerin Anspruch auf Zahlung von Zinsen. Der in den Zahlungsantrag aufgenommene Zinsanspruch von € 28.152,78 für die Zeit bis zum 6. Oktober 2009 begegnet keinen Bedenken. Seit dem 14. Oktober 2006 macht die Klägerin auf den Saldo lediglich den gesetzlichen Verzugszins geltend. Bei nicht erfolgter Kündigung bzw. bei fehlendem Zugang der Erklärung vom 30. September 2006 (Anlage K 3) und damit fehlender Fälligkeit wäre die Klägerin zwar nicht in der Lage Verzugszinsen zu berechnen. Jedoch ergebe sich in diesem Fall ein Anspruch der Klägerin auf Verzinsung des Saldos nach dem Vertrag. Dieser sah zuletzt im Oktober 2006 einen Zinssatz bei Überziehung des Kontos von 17,25% vor. Der gesetzliche Verzugszinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz liegt deutlich darunter, so dass die Klägerin jedenfalls diesen Zinssatz beanspruchen kann. Seit Zustellung des Mahnbescheides und darin liegender Kündigung kann die Klägerin die gesetzlichen Rechtshängigkeits-/ Verzugszinsen geltend machen, §§ 288, 291 BGB.

4. Die Forderung ist durchsetzbar. Der Beklagte erhebt unberechtigt die Einrede der Verjährung. Nach seinem eigenen Vorbringen kann die Verjährung nicht eingetreten sein. Der fehlende Zugang der Kündigungserklärung hätte die mangelnde Fälligkeit zur Folge. Diese ist jedoch Voraussetzung für den Verjährungsbeginn noch im Jahr 2006. Überdies wäre durch die Einleitung des Mahnverfahrens der Ablauf der Frist rechtzeitig und wirksam gehemmt worden. Der Beklagte geht fehl in der Annahme, dass die Klägerin zur Konkretisierung und Bestimmbarkeit der Forderung verpflichtet gewesen wäre, die „Einzelforderungen“ im Mahnbescheidsantrag mit aufzunehmen. Die entsprechende Rechtsprechung findet auf den Saldo eines gekündigten Kontokorrentverhältnisses keine Anwendung, da es in diesem Verhältnis keine Einzelforderungen der Klägerin gibt. Der Saldo stellt die einzige Forderung der Klägerin dar.

II.

Mögliche Ersatzansprüche des Beklagten wegen des nach seiner Darstellung verlorengegangenen Schecks im Wert von € 130.000,00 führen nicht zu einer möglichen Erfüllung durch Aufrechnung oder einer zulässigen Zurückbehaltung gemäß § 273 BGB.

1. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte inzwischen schlüssig einen entsprechenden Ersatzanspruch gegen die Klägerin dargelegt hat und ob der neuerliche Vortrag mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2011 verspätet ist, § 296 ZPO, was wohl anzunehmen gewesen wäre. Denn der Beklagte ist bereits mit dem Aufrechnungseinwand und dem Einwand des Zurückbehaltungsrechts ausgeschlossen. Der Ausschluss ergibt sich aus einem vertraglichen Aufrechnungsverbot gemäß Ziffer 4 der hier maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Anlage K 2), auf die sich die Klägerin im Termin am 13. Oktober 2011 erstmals bezogen hat.

2. Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit des Aufrechnungsverbots bestehen nicht. Die Einschränkungen des § 309 Nr. 2 BGB werden durch die Klausel erfüllt. Da es sich vorliegend um eine bestrittene Forderung handelt, greift das Verbot ein. Der Aufrechnungseinwand ist unzulässig.

3. Auch der weiter hilfsweise erhobene Einwand des Zurückbehaltungsrechts wegen des möglichen Ersatzanspruchs ist durch die Vereinbarung des Aufrechnungsverbots unzulässig. Vertraglich vereinbarte Aufrechnungsverbote erfassen insoweit geltend gemachte Zurückbehaltungsrechte, wenn die Zurückbehaltung einer Aufrechnung in der Wirkung gleichsteht (Palandt-Grüneberg, BGB, § 273 Rz. 13; BGH, 13.4.1983, VIII ZR 320/80, juris). Das ist der Fall, wenn es sich um gleichartige (Geld-)Forderungen handelt, bei denen die Zurückbehaltung nichts anderes als eine Aufrechnung ist (RG, 21.4.1931, II 241/30, juris). Vorliegend stehen sich der Zahlungsanspruch aus dem Kontokorrent und der mögliche Schadensersatzanspruch als gleichartige und fällige Forderungen gegenüber. Die Möglichkeit der Aufrechnung ist gegeben und in Anspruch genommen worden. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts hat daneben keine eigenständige Bedeutung, weil es auf die vergleichbare Rechtsfolge (Zahlung Zug um Zug gegen Zahlung) gerichtet ist.

4. Soweit sich der Beklagte auf ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf die Herausgabe des Schecks im Verlaufe des Prozesses berufen hat, führt auch das nicht zum Erfolg. Der Beklagte hätte darzulegen und zu beweisen gehabt, dass die Klägerin noch im Besitz des Schriftstückes ist. Dem ist der Beklagte auch nach richterlichem Hinweis mit Beschluss vom 9. Mai 2011 nicht nachgekommen.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO. Der Streitwert bemisst sich nach der Hauptforderung ohne Zinsanteil (Nebenforderung). Die hilfsweise erklärte Aufrechnung führt vorliegend nicht zu einer Addition gemäß § 45 Abs. 3 GKG, da aufgrund des Aufrechnungsverbots keine rechtskraftfähige Entscheidung über die Schadensersatzforderung ergeht, § 322 Abs. 2 ZPO.

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