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Gemäldeersteigerung auf Internet-Auktionsportal – Anfechtung wegen Erklärungsirrtums

LG Koblenz – Az.: 9 O 353/10 – Urteil vom 28.07.2011

1. Das Versäumnisurteil vom 10.05.2011 wird aufrechterhalten.

2. Klägerin trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Versäumnisurteils vom 10.05.2011 und des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin fordert vom Beklagten Schadensersatz, weil er im Rahmen der Versteigerung eines von der Klägerin eingelieferten Bildes ein Gebot online abgab.

Gemäldeersteigerung auf Internet-Auktionsportal – Anfechtung wegen Erklärungsirrtums
Symbolfoto: Von AnnaStills/Shutterstock.com

Die Klägerin lieferte ein Gemälde des Malers Max Ernst beim Auktionshaus … ein. Das Auktionshaus … nutzt das Internet-Auktionsportal unter der Internetadresse www….com. Dort können Auktionshäuser über diese Plattform auch Gebote von registrierten Benutzern der Internetseite www….com auf elektronischem Wege entgegennehmen. Den Nutzern des Portals wird bei bestimmten Auktionshäusern, die diese Möglichkeit bereitstellen, so auch das Auktionshaus …, die Teilnahme als sogenannter Live-Bieter über das Internet eröffnet. Dabei kann dann der Nutzer, ebenso wie ein im Saal anwesender Bieter, visuell und akustisch mittels eines Live-Videos aus dem Auktionssaal an der betreffenden Auktion teilnehmen und in Echtzeit während der laufenden Versteigerung mitbieten. Hierzu müssen sich die jeweiligen Benutzer zuvor bei dieser Plattform registriert haben. Zusätzlich ist es erforderlich, dass sich der jeweilige Nutzer auch für die Live-Auktion als sogenannter Live-Bieter anmeldet.

Der Beklagte ist alleiniger Inhaber eines Antiquariats. Gegenstand seiner Tätigkeit sind der Handel mit antiquarischen Büchern und Grafiken, Der Beklagte hatte sich auf der erwähnten Plattform www….com angemeldet und bereits an einer Vielzahl von Versteigerungen im Internet teilgenommen, bis zum streitgegenständlichen Ereignis jedoch nicht als Live-Bieter.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Auktionsarten besteht darin, dass beim Live-Bieten nach der vollständigen Anmeldung ein einziger Mausklick genügt, um ein rechtswirksames Gebot abzugeben, während bei den anderen Auktionen die Notwendigkeit besteht, mehrfach zu klicken. Im Rahmen einer solchen Versteigerung mit der Möglichkeit des Live-Bietens ist auf der betreffenden Seite ein Live-Video der betreffenden Auktion eingeblendet, um dem Teilnehmer am Computer die erwähnte optische und akustische Verfolgung der Auktion zu ermöglichen.

Am Nachmittag des 12.06.2010 nahm der Beklagte gegen 17.00 Uhr aufgrund seiner vorherigen Anmeldung als Live-Bieter an der öffentlichen Versteigerung des Auktionshauses … teil. Zum Aufruf kam das von der Klägerin eingelieferte Bild des Malers Max Ernst mit dem Mindestgebot von 70.000,00 EUR, Katalog-Nr. 2134.

Der Beklagte hatte sich für diese Versteigerung deshalb angemeldet, weil er beabsichtigte, an zwei an diesem Tage später stattfindenden Versteigerungen als Bieter teilzunehmen, nämlich der Versteigerung von Grafiken von 18.15 Uhr bis 18.50 Uhr und an der Versteigerung von Büchern von 18.50 Uhr bis 19.20 Uhr. Die Mindestgebote für die in diesen beiden Versteigerungen zum Verkauf stehenden Bücher und Grafiken bewegten sich zwischen 100,00 EUR und 2.500,00 EUR.

Im Rahmen der geschilderten Auktion, betreffend das von der Klägerin eingelieferte Gemälde, das zum Preis von 70.000,00 EUR zum Aufruf kam und bei dem Übergebote nur in Höhe von 10.000,00 EUR zugelassen waren, betrug das Meistgebot 140.000,00 EUR, als der Beklagte das entsprechende Feld anklickte, mit dem den Benutzungsbedingungen des Portals zufolge ein unmittelbar wirksames Gebot abgegeben wird. Es kam anschließend zur Erteilung des Zuschlags an den Beklagten zum Meistgebot von 150.000,00 EUR. Kurze Zeit später meldete sich der Beklagte daraufhin telefonisch im Auktionshaus und erklärte, das Ganze rückgängig machen zu wollen.

Da seitens des Auktionshauses … kein Einverständnis in eine Rückgängigmachung gegeben wurde, setzte sich der Beklagte nunmehr mit per Einschreiben gegen Rückschein versandtem Schreiben vom 23.06.2010 nochmals mit der Auktionshaus … GmbH, der Betreiberin des Auktionshauses, in Verbindung. In diesem Schreiben erklärte er, dass er sich nicht bewusst gewesen sei, überhaupt eine Willenserklärung abgegeben zu haben, weshalb er sofort dort angerufen und den Sachverhalt unter entsprechender Erklärung einer Anfechtung aufgeklärt habe. Der Beklagte focht im besagten Schreiben seine entsprechende Willenserklärung ausdrücklich unter Nennung des § 119 BGB an. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf die in den Akten befindliche Kopie Bezug genommen (Bl. 11 der Gerichtsakte).

Die Klägerin behauptet, im betreffenden Telefonat des Beklagten mit dem Auktionshaus … habe dieser erklärt, dass der Kaufpreis der ersteigerten Ware bei weitem seine finanziellen Möglichkeiten übersteige sowie dass er für den Schaden der Klägerin einstehen werde.

Zunächst hat die Klägerin des Weiteren behauptet, sie habe dem Auktionshaus … gestattet, das Gemälde „dem Untertitel zuzuschlagen“. Sie habe das Werk „sonst an einen privaten Interessenten in Höhe von Euro 150.000 verkaufen können“. Nachdem das Gericht auf die Unsubstantiiertheit wegen der fehlenden näheren Bezeichnung dieses dritten Unbekannten und auf die fehlende Plausibilität dieser Behauptung hingewiesen hat, verlangt die Klägerin nun den Unterschiedsbetrag zwischen dem angefochtenen Gebot über 150.000,00 € und dem Untergebot über 140.000,00 €, dem letztlich dann der Zuschlag erteilt wurde.

Die Klägerin hat angekündigt zu beantragen,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 10.000,00 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13.06.2010 zu bezahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere € 775,64 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seitdem 13.06.2010 zu bezahlen.

Die Klägerin ist im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.05.2011 säumig gewesen, weshalb das Gericht die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen hat.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1. unter Aufhebung des in der mündlichen Verhandlung vom … am 10.05.2011 verkündeten Versäumnisurteils den Beklagten zu verurteilen, an sie € 10.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 13.06.2010 zu bezahlen;

2. unter Aufhebung des in der mündlichen Verhandlung vom … am 10.05.2011 verkündeten Versäumnisurteils den Beklagten zu verurteilen, an sie € 775,64 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 13.06.2010 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.

Der Beklagte wendet ein, sein Gebot angefochten zu haben. Er sei sich nicht bewusst gewesen, ein bindendes Gebot durch nur einen Mausklick abzugeben. Da die Gebotshöhe ohne Nachkommastellen angezeigt worden sei und der Mauszeiger die letzte Null verdeckt habe, sei auf seinem Bildschirm die Folge „150.00“ zu sehen gewesen, weshalb er von der Versteigerung eines Drucks, nicht aber eines echten Gemäldes ausgegangen, und infolge dessen einem Irrtum über die Echtheit unterlegen sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Akteninhalt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Aufgrund des Einspruchs der Klägerin gegen das am 10.05.2011 verkündete Versäumnisurteil ist der Prozess nach § 342 ZPO in die Lage vor deren Säumnis zurückversetzt worden. Der Einspruch ist zulässig; er ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht (§§ 338 ff. ZPO) eingelegt worden.

Die Klage bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

A.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Er ergibt sich insbesondere weder aus Vertrag noch aus § 281 BGB noch aus § 122 Abs. 1 BGB noch aus einem vermeintlichen Anerkenntnis.

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Ansprüche aufgrund Vertrags oder nach § 281 BGB scheitern daran, dass der Beklagte seine entsprechende Willenserklärung entsprechend §119 BGB wirksam angefochten hat, so dass sie nach § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist. Ein Schadensersatzanspruch nach § 122 Abs. 1 BGB, der dem Grunde nach in Betracht kommt, ist zu verneinen, weil die Klägerin trotz vielfacher gerichtlicher Hinweise keinen Vertrauensschaden dargelegt hat. Das behauptete Anerkenntnis ist jedenfalls formnichtig.

I.

Mangels Vertragsschlusses besteht kein Schadensersatzanspruch, insbesondere kein solcher statt der Leistung gemäß § 281 BGB.

Der Beklagte hat durch den Klick auf das entsprechende Feld im Rahmen des sogenannten Live-Bietens eine wirksame Willenserklärung abgegeben, ist bei der Abgabe dieser Willenserklärung jedoch einem Irrtum unterlegen, der ihn zur Anfechtung berechtigt hat. Die entsprechende Anfechtungserklärung gegenüber der Auktionshaus … GmbH ais Anfechtungsgegnerin hat er auch abgegeben. Demzufolge besteht kein Vertragsverhältnis, wobei letztlich offenbleiben kann, ob der Vertragsschluss mit der Auktionshaus … GmbH oder Klägerin ursprünglich zustande gekommen ist.

1.

Der Beklagte hat zunächst eine wirksame Willenserklärung abgegeben.

Eine Willenserklärung setzt zwar grundsätzlich auch das sogenannte Erklärungsbewusstsein voraus, das ist die Erkenntnis des Äußernden, eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben. Jedoch genügt, verkürzt gesagt, dass aufgrund objektiver Kriterien der Empfänger dieser Willensäußerung davon ausgeht und ausgehen darf, der Erklärende habe den entsprechenden Willen, sich rechtlich zu binden: Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins liegt demnach eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden darf, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGHZ 91, 324 ff.; 109, 171 ff.; MünchKomm-BGB/Kramer, 5. Aufl., § 119 Rn. 96).

Allerdings ist der Erklärende in einem solchen Fall berechtigt, entsprechend § 119 Abs. 1 BGB diese Willenserklärung anzufechten (BGH u. Kramer a. a. O.).

Nach Maßgabe des Gesagtem hat der Beklagte eine wirksame Willenserklärung abgegeben.

Aufgrund entsprechender Hinweise und Belehrungen konnte der Mausklick des Beklagten auf das entsprechende Feld, unabhängig davon, ob der Beklagte die entsprechenden Hinweise in den Nutzungsbedingungen dazu, dass dadurch ein Gebot abgegeben werde, auch tatsächlich wahrgenommen hat, seitens des Auktionshauses … GmbH nur so verstanden werden, als dass der Beklagte ein entsprechendes Übergebot auf das bis dahin gültige Meistgebot von 140.000,00 EUR abgegeben hat,

Aufgrund der nach Maßgabe der Versteigerungsbedingungen geltenden 10.000,00 EUR-Schritte hat damit der Beklagte mithin auf das entsprechende Bild 150.000,00 EUR geboten.

2.

Jedoch ist eine Anfechtung entsprechend § 119 Abs. 1 BGB durch den Beklagten wirksam erfolgt.

a.

Zum Nachweis eines zur Anfechtung berechtigenden Irrtums ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass anhand von Indizien auf das Vorliegen des Irrtums geschlossen werden kann; dazu müssen konkrete Tatsachen vorgetragen werden (Staudinger/Singer, BGB, Neubearbeitung 2004, § 119 Rn. 113 m. N.). Nur dann, wenn es sich um ungewöhnliche, bei durchschnittlicher Sorgfalt vermeidbare Irrtümer handelt, sind strenge Anforderungen zu stellen.

Gemessen an diesen Erfordernissen, ist davon auszugehen, dass der Beklagte seine wirksame Willenserklärung durch eine entsprechenden Anfechtungserklärung vernichtet hat.

Wie bereits ausgeführt, ist der Mausklick des Beklagten auf das entsprechende Feld als Abgabe eines Gebots anzusehen. Bei Ausführung dieses Mausklicks ist sich der Beklagte jedoch dessen nicht bewusst gewesen.

Die hierzu abgegebene Erklärung, dass er an weiteren Auktionen über die Plattform www….com bereits teilgenommen hatte, bei denen aber stets mehrfache Mausklicks notwendig gewesen waren, ist schlüssig und in sich nachvollziehbar. Nachvollziehbar ist ferner der Grund, den er angegeben hat, warum er sich bereits angemeldet hatte, während eine ihn doch gar nicht interessierende Auktion stattfand: Hierzu hat er nämlich angegeben, dies sei geschehen, um sich ein wenig für eine später stattfindende Auktion einzuüben. Mithin steht somit fest, dass der Beklagte sich bei Abgabe der Willenserklärung durch den entsprechenden Mausklick in einem zur Anfechtung entsprechend § 119 Abs. 1 BGB berechtigenden Irrtum befunden hat.

Dies hat schließlich die Klägerin letztlich in ihrer Einspruchsschrift auch unstreitig gestellt (dort S. 4, Bl. 130/143 GA).

Da die Frage eines Irrtum hinsichtlich des Rechtsbindungswillens vorgreiflich (und zu bejahen) ist, können mögliche weitere Irrtumsgründe dahinstehen.

b.

Die entsprechende Anfechtungserklärung hat der Beklagte wirksam im unstreitig mit dem Auktionshaus durchgeführten Telefongespräch unverzüglich abgegeben.

Dabei ist unerheblich, welche Gründe er im Einzelnen dafür genannt hat, dass seine Willenserklärung keine Geltung mehr haben soll. Denn entscheidend für eine Anfechtungserklärung ist allein, dass der Anfechtungsberechtigte zum Ausdruck, bringt, dass er an seiner Willenserklärung nicht mehr festhalten will (statt vieler: MünchKomm-BGB/Busche, § 143 Rn. 2).

Diese Erklärung erfolgte auch unzweifelhaft unverzüglich, da sie noch am selben Tage abgegeben worden ist, sogar das Schreiben des Beklagten vom 23.06.2010 ist insofern noch als unverzüglich im Sinne des § 121 Abs. 1 BGB anzusehen, da es binnen weniger als zwei Wochen abgesandt worden ist (vgl. etwa MünchKomm-BGB/Krämer, § 121 Rn. 6 f.).

c.

Die Auktionshaus … GmbH war zudem auch richtiger Anfechtungsgegner im Sinne des § 143 Abs. 2 BGB.

aa.

Die Anfechtung erfolgt gemäß § 143 Abs. 1 BGB durch Abgabe der Anfechtungserklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner. Nach § 143 Abs. 2 BGB ist bei einem Vertrag Anfechtungsgegner „der andere Teil“. Das ist der Vertragspartner (MünchKomm-BGB/Busche, § 143 Rn. 12). Hat für diesen ein Vertreter gehandelt, ist nicht der Vertreter, sondern der Vertretene Anfechtungsgegner (MünchKomm-BGB/Busche, § 143 Rn. 13).

Mit wem der Ersteher bei einer Versteigerung den Kaufvertrag schließt, hängt von den Umständen des Falls ab; der Auktionator kann sowohl im eigenen als auch im Namen des Einlieferers handeln (MünchKomm-BGB/W. P. Westermann, 5. Aufl., vor § 433 Rn. 42). Bei Kunstauktionen handelt der Versteigerer meist im eigenen Namen für fremde Rechnung, also als Kommissionär (v. Hoyningen-Huene, NJW 1973, 1473, 1475; H. P. Westermann, ebd.). Entscheidend ist, was er vorher erklärt (Palandt/Weidenkaff, BGB, 70. Aufl., Eint v. § 433 Rn. 12).

bb.

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte die Anfechtung gegenüber der Auktionshaus … GmbH erklären können, wobei letztlich offenbleiben kann, wer die Vertragsparteien des (angefochtenen) Kaufvertrags gewesen sind.

aaa) Geht man von einem Handeln der Versteigerin im eigenen Namen aus, was der geschilderten Verkehrsübung entspricht, so ist die Auktionshaus … GmbH „der andere Teil“. Die Anfechtungserklärung des Beklagten ist somit gegenüber dem Vertragspartner abgegeben worden.

bbb) Geht man von einem Handeln der Auktionshaus … GmbH im Namen der Klägerin aus, also von einer ihr seitens der Klägerin erteilten Vollmacht, so ist die der Auktionshaus … GmbH gegenüber abgegebene Erklärung deshalb wirksam, weil sich deren Vertretungsmacht im vorliegenden Fall auch auf die Entgegennahme der Anfechtungserklärung erstreckt.

Die einem Versteiger erteilte Vollmacht (vgl. RGSt 57, 247, 248; HansOLG Hamburg, MDR 1967, 124, 125; v. Hoyningen-Huene, NJW 1973,1473,1477) muss sich zwingend darauf erstrecken, die zum Kaufvertragsschluss notwendigen Erklärungen nicht nur abzugeben, sondern auch die Erklärungen Dritter entgegenzunehmen. Üblicherweise ist aber darüber hinaus auch davon auszugehen, dass der Auktionator weitere Erklärungen in näherem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Versteigerung entgegennehmen kann, dass die Vertretungsmacht sich hierauf erstreckt. Anderenfalls wäre dem Meistbietenden die Abgabe solcher Erklärungen zumindest nicht zeitnah möglich, da ihm die genauen Daten des Einlieferers – typischerweise wird dessen Name vom Versteigerer gerade nicht offenbart (vgl. HansOLG Hamburg, MDR 1967,124,125) – regelmäßig nicht bekannt sind, die er zur Herstellung des Kontakts benötigt.

So liegt die Sache auch in diesem Fall.

Dem Beklagten ist es zum Zeitpunkt des Telefongesprächs ebenso wenig wie einem beliebigen anderen potentiellen Meistbietenden möglich gewesen, mit der Klägerin Kontakt aufzunehmen.

Gleiches gilt für die spätere Versendung des Schreibens vom 22.06.2010. All dies ist auch der Auktionshaus … GmbH und der Klägerin im Rahmen der Einlieferung und Vollmachtserteilung bekannt gewesen.

Die Auktionshaus … GmbH hat demnach Vollmacht gehabt, die Anfechtungserklärung des Beklagten entgegenzunehmen, wenn man vom Handeln der Auktionshaus … GmbH im Namen der Klägerin ausgeht.

3.

Ist somit die vom Beklagten durch den betreffenden Mausklick abgegebene Willenserklärung infolge ihrer wirksamen Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen, so fehlt es an einem Vertragsschluss zwischen ihm und der Klägerin bzw. der Auktionshaus … GmbH.

Demzufolge kommt mangels Vertragsschlusses auch kein Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 281 BGB in Frage.

II.

Nach Maßgabe des Vortrags der Klägerin ist auch ein Schadensersatzanspruch nach § 122 Abs. 1 BGB zu verneinen.

Zwar ist der Beklagte aufgrund vorgenannter Norm grundsätzlich verpflichtet, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, den sie dadurch erlitten hat, dass sie auf Gültigkeit der Erklärung des Beklagten vertraute, aber die Klägerin hat keinerlei Umstände vorgetragen, die für einen derartigen Schaden sprechen.

1.

Aus dem Wortlaut des § 122 Abs. 1 BGB ergibt sich unmissverständlich, dass nur der sogenannte Vertrauensschaden zu ersetzen ist. Der Anfechtungsgegner soll wirtschaftlich so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut hätte (statt vieler MünchKomm-BGB/Kramer, § 122 Rn. 8). D. h., der Empfänger der angefochtenen Willenserklärung ist so zu stellen, wie er stünde, wäre die betreffende Willenserklärung niemals abgegeben worden. Entgegen der nicht ausgeführten Ansicht des OLG Koblenz (Beschluss vom 24.06.2011 – 2 U 37/11) ist diese Beschreibung des Vertrauensschaden nicht missverständlich, sondern eine übliche Definition desselben (vgl. Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 122 Rn. 4 m. N.), die keine Fragen offen lässt.

Das Gericht hat die Klägerin mehrfach darauf hingewiesen, dass der Vortrag zur Schadenshöhe unschlüssig ist.

2.

Der von der Klägerin begehrte Schadensersatz ist kein Vertrauensschaden.

Vielmehr verlangt die Klägerin, so gestellt zu werden, wie sie ohne die erfolgte Anfechtung stünde. Abgesehen davon, dass durch diese Sichtweise jegliche Anfechtung ad absurdum geführt würde, will die Klägerin also das Erfüllungsinteresse ersetzt wissen. Dies entspricht nicht der gesetzlichen Regelung, die dem Anfechtungsgegner nur das negative Interesse zubilligt. Das Erfüllungsinteresse spielt hier nur eine Rolle für die betragsmäßige Begrenzung des Vertrauensschadens.

Ein Vertrauensschaden wäre im Hinblick auf ein etwa entgangenes Geschäft zu bejahen. Den entsprechenden Vortrag zum angeblich möglichen Vertragsschluss mit dem unbekannten „privaten Interessenten“ aus dem Schriftsatz vom 28.02.2011, für den als Beweis anstelle der naheliegenden Vernehmung des angeblichen Interessenten lediglich die eigene Einvernahme angeboten worden ist, hat die Klägerin aber nach dem Hinweis des Gerichts auf die fehlende Substantiierung und Plausibilität nicht mehr aufrechterhalten.

III.

Unterstellt, der Beklagte habe, wie klägerseits behauptet, in dem mit dem Auktionshaus durchgeführten Telefongespräch gesagt, er werde für den Schaden der Klägerin aufkommen, so kann die Klägerin hieraus nichts für sich herleiten. Der diesbzgl. angebotene Beweis ist folglich nicht zu erheben.

Zum einen unterliegt ein derartiges Schuldversprechen oder -anerkenntnis nach den §§ 780, 781 BGB einem Schriftformerfordernis. Die behauptete mündliche Willenserklärung stellt sich demzufolge als formnichtig dar, § 125 Satz 1 BGB. Darüber hinaus steht in Frage, ob die Auktionshaus … GmbH insofern überhaupt richtiger Adressat des zugunsten der Klägerin abgegebenen Anerkenntnisses ist.

Des Weiteren muss in diesem Fall die schriftliche Erklärung des Beklagten vom 22.06.2010 dahingehend erweiternd ausgelegt werden, dass sie sich auch auf das vermeintliche Anerkenntnis erstreckt (sofern man die Empfangszuständigkeit für die anzufechtende Willenserklärung annimmt, muss man aufgrund entsprechender Erwägungen, wie sie unter I 2 c bb bbb erläutert werden, dies auch für die Anfechtungserklärung bejahen). Die Willenserklärung ist somit auch nach § 142 Abs. 1 BGB als nichtig anzusehen.

IV.

Die Klage ist nach alledem in jeder Hinsicht unbegründet und unterliegt der Abweisung.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11 Alt. 2, 711, 709 Satz 2 ZPO. Im Hinblick auf das aufrechterhaltene Versäumnisurteil ist § 709 Satz 3 ZPO nicht anzuwenden, weil sich für dieses Urteil eine Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung ebenfalls aus § 708 Nr. 11 Alt. 2 ZPO ergibt (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 709 Rn. 8).

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