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Gemeinschaftliches Testament – Widerruf gegenüber Betreuer eines Ehegatten


Oberlandesgericht Hamm

Az.: 15 W 17/13

Beschluss vom 05.11.2013


Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Der Geschäftswert wird auf 43.750,- € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

G r ü n d e :

I.

Die Erblasserin war verheiratet mit dem am ##.##.#### vorverstorbenen X. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen.

Die Beteiligte zu 2) ist die Schwester der Erblasserin. Die Beteiligten zu 3) ist deren Nichte. Die Beteiligten zu 1) und 4) sind Cousin und Cousine 2. Grades der Erblasserin. Bei den Beteiligten zu 5) und 6) handelt es sich um ein langjährig mit der Erblasserin und deren Ehemann befreundetes Ehepaar. Die Beteiligte zu 7) ist die Tochter der Beteiligten zu 5) und 6) sowie das Patenkind der Erblasserin. Der Beteiligte zu 8) ist Ehemann der Beteiligten zu 7).

Die Erblasserin und ihr Ehemann errichteten am 1. Dezember 1970 vor dem Notar T in Olpe unter der UR-Nr. 341/1970 ein gemeinschaftliches Ehegattentestament, mit welchem sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzten. Als Schlusserben bedachten sie eventuell geborene Kinder oder eventuell angenommene Adoptivkinder und ersatzweise den Beteiligten zu 1) und die Beteiligte zu 4), und zwar mit der Maßgabe, dass der Überlebende die Schlusserbfolge auch anderweitig sollte bestimmen können.

Zur Niederschrift des Notars H in Olpe errichteten die Eheleute am 19.04.2004 unter der UR-Nr. 296/2004 ein weiteres Testament, das auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

 „§ 1 Widerruf

Alle Verfügungen von Todes wegen, die wir bisher errichtet haben, widerrufen wir hiermit.

§ 2 Erbeinsetzung

111. Wir, die Erschienenen zu eins und zwei, setzen uns gegenseitig, zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein.

2.Jeder von uns beruft, sowohl für den Fall, daß er der Längstlebende von uns ist, als auch für den Fall, daß wir gleichzeitig oder kurz hintereinander aus gleichem Anlas versterben, zu seinen Erben die nachgenannten Personen zu gleichen Teilen, somit zu jeweils 1/8 Anteil:

a)       Frau I, geb. T1, wohnhaft …

b)       Frau S, geb. I, wohnhaft …

c)       Herr X4, wohnhaft ….

d)       Frau H, geb. X4, wohnhaft …

e)       Frau X5, geb. W, wohnhaft …

f)        Herr X7, wohnhaft …

g)       Frau X6, geb. X5, wohnhaft …

h)      Herr X3, wohnhaft … .

3. Sollte einer der vorgenannten unter a) – h) genannten Erben vor dem Längstlebenden von uns versterben, so bestimmen wir als Ersatzerben für diese dessen/deren ehelichen Abkömmlinge zu gleichen Teilen. Sollte einer der unter a) – h) genannten Erben kinderlos vorversterben, so soll dessen/deren Anteil den verbleibenden Erben zu gleichen Teilen anwachsen.

§ 3 Auflagen

Gemäß unserem gemeinsamen Beschluss wollen wir jeweils nach dem Tod verbrannt und anschließend mit einer Seebestattung beigesetzt werden. Der/die Erben haben in Abstimmung mit dem unten benannten Testamentsvollstrecker dafür Sorge zu tragen, daß unser vorgenannter Wille durchgeführt wird.

§ 4 Testamentsvollstreckung

Wir ordnen Testamentsvollstreckung an und zwar nach dem Tode des Längstlebenden von uns. Zum Testamentsvollstrecker benennen wir Herrn X7, … . Sollte dieser vorversterben, das Amt nicht annehmen oder anderweitig ausfallen, so benennen wir zur Ersatztestamentsvollstreckerin dessen Ehefrau X5, … .

Der Testamentsvollstrecker bzw. die Testamentsvollstreckerin hat die Aufgabe, für die Abwicklung des gesamten Nachlasses zu sorgen, insbesondere den Sterbefall vollständig abzuwickeln, die Wohnungsauflösung vorzunehmen, unseren Grundbesitz und unsere Wertpapiere und beweglichen Gegenstände zu veräußern, alle Nachlassverbindlichkeiten auszugleichen und den verbleibenden Überschuss gemäß der angeordneten Erbfolge an die Erben auszuzahlen. Dazu ist der Testamentsvollstrecker bzw. die Testamentsvollstreckerin berechtigt, alle notwendigen Grundbucherklärungen vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen und für den entsprechenden Verkauf Sorge zu tragen. Der/die Testamentsvollstrecker/in soll somit die gesamte Erbabwicklung übernehmen und entsprechend bis zur Auszahlung des Überschusses vollständig abwickeln. Der/die Testamentsvollstreckerin erhält für die Durchführung der übertragenen Aufgaben eine einmalige Vergütung in Höhe von 4% des zum Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Gesamtvermögens. Außerdem erhält der/die Testamentsvollstrecker/in eine Fahrtkostenerstattung in Höhe von 0,30 € pro km für jeden im Rahmen der Abwicklung mit dem Pkw gefahrenen km.

§ 5 Bindung

Die in diesem Testament von uns getroffenen Verfügungen sollen jeweils sowohl für den ersten als auch für den zweiten Todesfall wechselbezüglich und daher bindend sein. Sie können somit insgesamt nur gemeinschaftlich oder durch Widerruf geändert werden. Über die Möglichkeiten des Widerrufs wurden wir von dem beurkundenden Notar belehrt.“

Durch Beschluss des Amtsgerichts Olpe vom 14.08.2007 wurde die Beteiligte zu 4) zur Betreuerin für die Erblasserin bestellt, u.a. mit den Aufgabenkreisen Behördenangelegenheiten, Haus- und Grundstücks- und Vermögensangelegenheiten sowie Renten-, Post- und Versicherungsangelegenheiten.

Am 19. Oktober 2007 widerrief der Ehemann der Erblasserin vor dem Notar X9 in C unter der UR-Nr. 1535/2007 das vorgenannte Testament wie folgt:

 „Vor mir,

Notar in C,

erschienen:

als Testator:

Herr X, …

als Betreuerin für die Ehefrau des Testators:

Frau H, geb. X4, … hier handelnd nicht im eigenen Namen sondern als Betreuerin für Frau X2, geb. Schwarz, …,

dem Notar ausgewiesen durch die amtlichen Ausweispapiere.

Der erschienene Herr X erklärte:

Ich bin deutscher Staatsangehöriger. Zeugen sollen zu dieser Verhandlung nicht hinzugezogen werden.

Der Notar überzeugte sich durch die Verhandlung von der erforderlichen Geschäfts- und Testierfähigkeit des Erblassers.

Der Beteiligte ist sehr schwerhörig, kann aber schreiben und lesen. Der Notar belehrte ihn darüber, daß die Zuziehung eines Zeugen oder eines zweiten Notars erforderlich ist, wenn er nicht darauf verzichtet. Der Beteiligte verzichtet daraufhin auf die Zuziehung eines Zeugen oder eines zweiten Notars.

Einseitiger Widerruf eines gemeinsamen notariellen Testaments

Ich habe am 14.4.2004 unter der URNR. 0296/2004 des Notars H in Olpe mit meiner Ehefrau X2, geborene T, geb. ##.##.#### ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Meine darin enthaltenen Verfügungen widerrufe ich.

Der gemeinsame Nachlaßwert beträgt EUR 200.000,–

Entgegennahme des Widerrufs

Frau H, handelnd wie angegeben, nimmt den Widerruf für die Betreute zur Kenntnis. Ihr wird eine Ausfertigung der Urkunde sofort ausgehändigt.

Diese Niederschrift wurde vom Notar vorgelesen, dem Beteiligten zur Durchsicht vorgelegt, genehmigt und von diesen und dem Notar eigenhändig wie folgt, unterschrieben: (es folgen die Unterschriften der Erschienenen und des Notars).“

In gesonderter Urkunde (UR-Nr. 1536/2007 Notar X9) hat der Erblasser anderweitig über den Nachlass verfügt, indem der die Beteiligten zu 1) bis 4) zu seinen Erben eingesetzt hat.

Nach dem Tod der Erblasserin beantragte der Beteiligte zu 1) zur Niederschrift des Rechtspflegers des Nachlassgerichts am 18.06.2012 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der ihn und die weiteren im Testament vom 19.04.2004 als Schlusserben genannten Personen zu je 1/8 Anteil als Erben ausweisen soll. Er vertritt dazu die Auffassung, der Widerruf des vorverstorbenen Ehemannes lasse die Wirksamkeit der eigenen letztwilligen Verfügung der Erblasserin in dem gemeinschaftlichen Testament aus dem Jahr 2004 unberührt. Die Erblasserin habe sich dem Widerruf nicht angeschlossen, da sie weiterhin acht Erben habe einsetzen wollen für den Fall ihres Versterbens. Durch dieses Verhalten habe die Erblasserin deutlich gemacht, dass es an einer Wechselbezüglichkeit der Verfügungen fehle.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben gegen eine Erbenstellung der Beteiligten zu 5) bis 8) eingewendet, der Ehemann der Erblasserin habe den Widerruf erklärt, da das Testament ebenso wie die Erteilung einer Vorsorgevollmacht an den Beteiligten zu 6) auf einer Überrumpelung durch diesen beruhe.

Die Beteiligte zu 4) hat ebenso wie die Beteiligte zu 3) Bedenken gegen die Testierfähigkeit der Erblasserin im Jahr 2004 erhoben sowie angeregt, die ärztlichen Gutachten der Betroffenen einzuholen. Mit dem Widerruf des Testamentes habe der Ehemann der Erblasserin auch in deren Sinne gehandelt.

Das Amtsgericht hat am 30.10.2012 den Notar H als Zeugen vernommen und durch Beschluss vom 14.11.2012 den Antrag auf Erteilung des gemeinschaftlichen Erbscheins zurückgewiesen.

Gegen diesen ihm am 21.11.2012 zugestellten Beschluss hat der Beteiligten zu 6) über seinen Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 11.12.2012, bei Gericht eingegangen am 14.12.2012 Beschwerde eingelegt. Es fehle an einer Wechselbezüglichkeit der hier relevanten Erklärungen im gemeinschaftlichen Ehegattentestament. Da § 5 des Testamentes die Wechselbezüglichkeit einzelner Erklärungen nicht klar herausarbeite, sei die notarielle Regelung auslegungsbedürftig. Selbst aber, ginge man von einer Nichtigkeit sämtlicher Verfügungen der Erblasserin aufgrund des Widerrufs aus, so sei eine Umdeutung gem. § 140 BGB möglich.

Auch der Beteiligte zu 1) hat gegen den seiner Verfahrensbevollmächtigten am 17.11.2012 zugestellten Beschluss über selbige mit Schriftsatz vom 17.12.2012, bei Gericht eingegangen am selben Tage, Beschwerde eingelegt. Ein Widerruf des gemeinschaftlichen Testamentes sei nicht beabsichtigt gewesen. Der Ehemann der Erblasserin habe lediglich die Anzahl der Erben reduzieren wollen, ohne die wechselseitige Verfügung in ihrem Bestand zu erschüttern. Zu den insoweit erteilten Belehrungen habe der den Widerruf beurkundenden Notar X9 gehört werden müssen.

Das Amtsgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen und selbige dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerden sind gem. § 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beteiligten zu 1) und 6) sind beschwerdeberechtigt gem. § 59 FamFG, da sie im Sinne dieser Norm durch die angefochtene Entscheidung in ihren Rechten unmittelbar beeinträchtigt sind. Denn die ihrerseits behauptete erbrechtliche Stellung wird durch die Ablehnung der Erteilung des beantragten Erbscheins nicht ausgewiesen. Dass der Beteiligte zu 6) keinen eigenen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins entsprechend dem Wortlaut des § 59 Abs. 2 FamFG gestellt hat, ist unschädlich, da er einen gleichgelagerten Erbscheinsantrag beim Nachlassgericht hätte stellen können, also antragsberechtigt gewesen wäre. Dies reicht für eine Beschwerdeberechtigung im Sinne des § 59 Abs. 1 und 2 FamFG aus, da der Beteiligte ansonsten gezwungen wäre, ein gleichartiges Antragsverfahren zu durchlaufen, dessen negativer Ausgang bereits zu Beginn feststünde (insgesamt: Keidel/Zimmermann, FamFG, 17. Aufl., § 352, Rn. 142; vgl. auch: BGH MDR 1993, 1241).  Schließlich sind die Beschwerden jeweils form- und fristgerecht eingelegt, §§ 63, 64 FamFG.

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In der Sache haben die Beschwerden keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Erteilung des Erbscheins zu Recht zurückgewiesen.

Die Verfügungen der Erblasserin in dem gemeinschaftlichen  Testament vom 19.04.2004 sind aufgrund Widerrufs durch den Ehemann der Erblasserin unwirksam geworden, § 2270 Abs. 1 BGB.

Bei den Verfügungen der Ehegatten in dem genannten Testament handelt es sich insgesamt um wechselseitige Verfügungen im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB.

Wechselbezüglichkeit ist anzunehmen, wenn die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen stehen oder fallen soll, wobei der Wille der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung maßgeblich ist (Senat FamRZ 2004, 662 f.). Die Wechselbezüglichkeit ist jeweils im Hinblick auf die einzelne letztwillige Verfügung zu prüfen, die die Ehegatten in dem gemeinschaftlichen Testament getroffen haben (BGH NJW-RR 1987, 1410) und ist vorrangig im Wege der individuellen Auslegung ihres gemeinschaftlichen Testaments festzustellen. Die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB greift demgegenüber erst ein, wenn trotz Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Testamentsauslegung ein übereinstimmender Wille der Ehegatten nicht festgestellt werden kann (Senat a.a.O.). Hier kommt es also darauf an, ob die Verfügung, die die Erblasserin für die Schlusserbfolge getroffenen hat, in diesem Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zu einer Verfügung ihres erstverstorbenen Ehemannes steht. Insoweit kommen in Betracht sowohl die Erbeinsetzung der Erblasserin durch ihren Ehemann als auch dessen (gleichlautende) Verfügung für die Schlusserbfolge.

Die Erblasserin und ihr Ehemann haben unter § 5 der Urkunde ausdrücklich eine umfassende Wechselbezüglichkeit der getroffenen Verfügungen bestimmt. Es liegt eine klare und dem Wortlaut nach eindeutige Formulierung vor. Differenziert wird zwischen den beiden denkbaren Todesfällen unter ausdrücklicher Bestimmung der jeweiligen Wechselbezüglichkeit, deren Bindungswirkung noch gesondert hervorgehoben wird. Entgegen der Beschwerde des Beteiligten zu 6) bedurfte es keiner Differenzierung zwischen den einzelnen Verfügungen und zwischen denkbarer einseitiger und beidseitiger Wechselbezüglichkeit. Denn die Bestimmung ist durch die Verwendung des Wortes „jeweils“ und bezogen auf die „in diesem Testament von uns getroffenen Verfügungen“ ausdrücklich ohne Einschränkung umfassend und mit beidseitiger Wirkung getroffen worden. Auch aus der Anordnung der Testamentsvollstreckung gem. § 2197 BGB, welche nach § 2270 Abs. 3 BGB nicht mit wechselbezüglicher Wirkung getroffen werden kann, folgt entgegen der Beschwerde des Beteiligten zu 6) keine Unklarheit der getroffenen Bestimmung. Denn die umfassend formulierte Bestimmung der Wechselbezüglichkeit ist insoweit lediglich in der Rechtsfolge durch § 2270 Abs. 3 BGB begrenzt (vgl. hierzu auch: Palandt/ Weidlich, BGB, 72. Aufl., § 2270, Rn. 2), ohne dass hieraus geschlossen werden könnte, die Ehegatten hätten hinsichtlich der weiteren Verfügungen entgegen dem Wortlaut keine vollständige und beidseitige Wechselbezüglichkeit gewollt (vgl.: Senat FamRZ 2001, 1176 ff.).

Anhaltspunkte für einen von der ausdrücklichen Bestimmung der Wechselbezüglichkeit abweichenden Erblasserwillen finden sich nicht. Es ist ausgeschlossen, dass die Testierenden sich nicht darüber im Klaren waren, welche Folgen die Bestimmung der umfassenden Wechselbezüglichkeit nach sich zöge. Denn der als Zeuge vernommene Notar H hat glaubhaft ausgesagt, den Begriff der Wechselbezüglichkeit bei jeder Beurkundung eingehend zu erklären, insbesondere hinsichtlich der Bindungswirkung. Weiter belehre er über die Möglichkeit und die Formbedürftigkeit des Widerrufs und darüber, dass mit einem Widerruf die Verfügung auch des anderen Ehegatten unwirksam ist. Mit Sicherheit habe er auch in dem vorliegenden Fall entsprechend belehrt.

Die Erklärung des Ehemannes in der notarieller Urkunde vom 19.10.2007 (UR-Nr. 1535/2007) stellt entgegen der Beschwerde des Beteiligten zu 1) einen Widerruf im Sinne des § 2271 BGB dar. Es handelt sich ausdrücklich um ein Testament das sich auf den Widerruf früherer letztwilligen Verfügungen beschränkt (§ 2254 BGB). Über seine anderweitige Erbfolge hat der Erblasser – wie eingangs dargestellt – erst in dem weiteren Testament zu UR-Nr. 1536/2007 verfügt, im Übrigen auch in diesem Testament seiner früheren letztwilligen Verfügungen nochmals ausdrücklich widerrufen. Es kann also keine Rede davon sein, dass der Erblasser lediglich eine Reduzierung der Schlusserbenzahl vorgenommen habe, zumal er mit der Art und Weise der von ihm bestimmten Erbfolge auch noch seine Ehefrau enterbt hat.

Der Widerruf erfolgte zu Lebzeiten der Erblasserin und hielt die Formvorschrift des § 2271 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 2296 BGB ein, da er durch notarielle Beurkundung vor dem Notar X9 in Bergneustadt (UR-Nr. 1536/2007) gegenüber dem anderen Teil erklärt wurde. Die Erklärung wurde in Gegenwart der damaligen Betreuerin der Erblasserin abgegeben, welche sodann eine Ausfertigung der Urkunde erhielt. Die Betreuerin mit dem Aufgabenkreis u.a. der Vermögensangelegenheiten war als gesetzliche Vertreterin der Erblasserin empfangsberechtigt. Dadurch, dass der Widerruf in Anwesenheit der Betreuerin erklärt und dieser darüber hinaus direkt eine Ausfertigung der Urkunde überreicht wurde, ist das Zugangserfordernis in zweifacher Weise gewahrt (§ 130 BGB).

Die Entgegennahme des Widerrufs hat keinen höchstpersönlichen Charakter. Dies zeigt bereits der Wortlaut des § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB, nach welchem das Recht zum Widerruf erst mit dem Tode des anderen Ehegatten erlischt. Wäre eine Entgegennahme durch einen gesetzlichen Vertreter nicht möglich, führte dies faktisch zu einer über die Bestimmung des § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB hinausreichenden weiteren Beschränkung der Widerrufsmöglichkeit auf die Fällen der Geschäftsunfähigkeit des anderen Teils (vgl.: Keim ZEV 2010, 358 (359); so auch: OLG Nürnberg, NJW 2013, 2909 ff.). Ein höchstpersönlicher Charakter wird im Erbrecht dann angenommen, wenn eigene Verfügungen getroffen werden. Hieraus folgt im Umkehrschluss nicht zwingend, dass auch die Entgegennahme einer solchen Erklärung höchstpersönlichen Charakter haben muss. Denn die Folgewirkungen der Entgegennahme treten gem. § 2270 Abs. 1 BGB von Gesetzes wegen ein und sind lediglich Ausfluss der damals durch den nunmehr Geschäftsunfähigen selbst wirksam getroffenen letztwilligen Verfügung (vgl. insgesamt: Keim a.a.O.; Helms DNotZ 2003, 104 ff.).

Dass dem empfangenden Ehegatten aufgrund Testierunfähigkeit eine eigene neue letztwillige Verfügung unmöglich ist, steht dem nicht entgegen. Denn auch dies ist lediglich eine Folgewirkung der eigenen bewusst getroffenen Bindungsentscheidung bei Abfassung des gemeinschaftlichen Testaments.

Der Aufgabenkreis der Vermögensangelegenheiten umfasst die Berechtigung zum Entgegennahme des Widerrufs als gesetzlicher Vertreter der Erblasserin. Denn der genannte Aufgabenkreis erfasst alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, welche das Vermögen der Betreuten erhalten, verwalten und mehren sollen und somit auch die Entgegennahme einer Erklärung, die den Vermögensübergang nach dem Tode betrifft (Helms a.a.O.; so auch: OLG Nürnberg, a.a.O.).

Entgegen der Beschwerde des Beteiligten zu 6) kommt auch eine Aufrechterhaltung der letztwilligen Verfügungen der Erblasserin als einseitige Verfügung nicht in Betracht. Die seitens der Beschwerde aufgegriffenen und in der Rechtsprechung diskutierten Fälle befassen sich nicht mit der Situation der Unwirksamkeit vormals rechtswirksamer wechselbezüglicher Verfügungen aufgrund Widerrufs zu Lebzeiten. So wird eine Umdeutbarkeit angenommen bei Vorliegen allein eines Entwurfs eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments, welches lediglich von einer Person unterschrieben ist (BayObLG FamRZ 2004, 224 ff.; BayObLG, Beschluss vom 29.10.1991, Az.: BReg 1 Z 2/91, zitiert nach juris), bei Vorliegen eines nur von einer Person unterschriebenen formwidrig geplanten gemeinschaftlichen Testamentes von nicht verheirateten Personen (BGH NJW-RR 1987, 1410 f.) und für ein nicht formwirksames gemeinschaftliches Testament von Ehegatten (KG Berlin NJW 1972, 2133 ff.).

Diese Gesichtspunkte mögen die Möglichkeit eines Aufrechterhaltungswillens des von einem Widerruf der Verfügungen seines Ehegatten betroffenen anderen Ehegatten nicht völlig ausschließen können; ein solcher Aufrechterhaltungswille wäre dann im Rahmen der Testamentsauslegung zu beachten. Der BGH hat eine solche Möglichkeit im gedanklichen Ausgangspunkt in einem Fall bejaht, in dem der überlebende Ehegatte durch Ausschlagung des ihm in dem gemeinschaftlichen Testament Zugewendeten seine Testierfreiheit wiedererlangt (§ 2271 Abs. 2 BGB) und sodann anderweitig testiert hatte (BGH NJW 2011, 1353). Für den Fall des Widerrufs der letztwilligen Verfügung bereits zu Lebzeiten beider Ehegatten kann im Ausgangspunkt nichts anderes gelten. Die festgestellte Wechselbezüglichkeit der beiderseitigen Verfügungen der Ehegatten steht jedoch regelmäßig der Annahme eines solchen Aufrechterhaltungswillens entgegen. Denn die Wechselbezüglichkeit ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass die Ehegatten ihrer Verfügungen in einer gewollten gegenseitigen Abhängigkeit voneinander getroffen haben, diese also in bildhaftem Sinne miteinander stehen oder fallen sollen. Damit wäre aber kaum in Einklang zu bringen, dass eine Ehegatte an seiner eigenen letztwilligen Verfügung unverändert festhalten will, obwohl der andere Ehegatte sich durch einseitigen Widerruf aus der gewollten gegenseitigen Abhängigkeit der Verfügungen verabschiedet hat. Für den vorliegenden Fall sprechen die Gesamtumstände mit Deutlichkeit gegen die Annahme eines solchen Aufrechterhaltungswillens:

Bezieht man die Verfügung der Erblasserin für die Schlusserbfolge in einem wechselbezüglichen Verhältnis zu ihrer eigenen Erbeinsetzung durch ihren Ehemann, spricht nichts dafür, dass die Erblasserin ihre Verfügung hat aufrechterhalten wollen, obwohl ihr Ehemann den Widerruf seiner eigenen Verfügung zum Anlass genommen hat, die Erblasserin von der Erbfolge auszuschließen, ihr die Möglichkeit der Verwertung und Nutzung des im Alleineigentum ihres Ehemannes stehenden Hausgrundstücks zu entziehen und sie stattdessen auf die Geltendmachung von Zugewinnausgleichs- und Pflichtteilsansprüchen gegen die anderweitig von ihrem Ehemann eingesetzten Erben zu verweisen.

Bezieht man die Verfügung der Erblasserin für die Schlusserbfolge in einem wechselbezüglichen Verhältnis zu der inhaltsgleichen Verfügung ihres Ehemannes, spricht nichts dafür, dass die Erblasserin ihre Verfügung zugunsten der im Testament vom 19.04.2004 genannten insgesamt 8 Erben unverändert hat aufrechterhalten wollen, obwohl ihr Ehemann den Widerruf seiner eigenen Verfügungen zum Anlass genommen hat, diese Erbfolge gezielt anderweitig durch Beschränkung auf 4 der genannten Personen zu regeln.

Hinreichende Anhaltspunkte für einen solchen hypothetischen Aufrechterhaltungswillen der Erblasserin sind danach nicht feststellbar. Da es in diesem Zusammenhang auf den Willen der Erblasserin bei der Errichtung des Testaments vom 19.04.2004 ankommt, ist für die hier zu treffende Entscheidung unerheblich, welche Belehrung der Notar Walter dem Ehemann der Erblasserin bei der Beurkundung des Widerrufstestaments vom 19.10.2007 im Hinblick auf die möglichen Auswirkungen auf das gemeinschaftliche Testament vom 19.04.2004 erteilt hat. Dem entsprechenden Beweisantrag des Beteiligten zu 1) ist deshalb nicht nachzugehen.

Für die Erbfolge nach der Erblasserin dürfte deshalb das Testament vom 01.12.1970 maßgeblich sein, in dem die Schlusserbfolge in nicht wechselbezüglicher Weise geregelt ist.

Eine Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beschwerdeverfahrens ist aus tatsächlichen Gründen nicht veranlasst.

Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 4, 30 KostO.

Die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.

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