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Genesenennachweis hat weiterhin eine Gültigkeitsdauer von 6 Monaten

VG Halle (Saale) – Az: 1 B 41/22 HAL – Beschluss vom 16.02.2022

Im Wege der einstweiligen Anordnung wird vorläufig festgestellt, dass die Antragstellerin – wie im Genesenennachweis der Antragsgegnerin vom 22. November 2021 bescheinigt – bis einschließlich 9. Mai 2022 als genesene Person gilt und die Dauer dieses Genesenenstatus nicht durch die neue COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung in der Fassung vom 14. Januar 2022 verkürzt worden ist.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin hat mit ihren Anträgen,

im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass der amtliche Genesenennachweis der Antragsgegnerin bis zum 9. Mai 2022 gültig ist, hilfsweise, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, der Antragstellerin einen amtlichen Nachweis über den Genesenenstatus einer Covid- 9-Erkrankung bis zum 9. Mai 2022 auszustellen, Erfolg. Bereits der Hauptantrag ist zulässig und begründet.

Das Gericht legt das Hauptbegehren der Antragstellerin gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO anhand des in der Antragsbegründung vom 11. Februar 2022 zum Ausdruck kommenden Rechtsschutzziels dahingehend aus, dass diese die Gültigkeit des von der Antragsgegnerin am 22. November 2021 ausgestellten Genesenennachweises bis zum 9. Mai 2022 auch in Ansehung zwischenzeitlich anderslautender Bestimmungen der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung (SchAusnahmV) festgestellt wissen möchte. Der Hauptantrag impliziert somit zugleich das negative Feststellungsbegehren, dass die der Antragstellerin bescheinigte Dauer ihres Genesenenstatus nicht durch die Regelungen der SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 (BAnzAT 14.01.2022V1), insbesondere nicht durch deren § 2 Nr. 5, verkürzt wird.

Der so verstandene, auf den Erlass einer Regelungsanordnung zielende Antrag ist gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 VwGO statthaft. Denn in der Hauptsache kann die Antragstellerin ihr Begehren mit einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Var. 1 VwGO verfolgen. Diese Klageart bietet unter anderem die Möglichkeit eines Rechtsschutzes gegen rechtswidrige Normen dergestalt, dass ein Kläger das Fortbestehen des Rechts geltend machen kann, auf dessen Aufhebung oder Einschränkung die nach seiner Auffassung rechtswidrige Norm gerichtet ist (Kopp / Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 43 Rn. 8a und 8c). Eine solche Interessenlage ist hier gegeben. Das feststellungsfähige Rechtsverhältnis i. S. d. § 43 Abs. 1 VwGO besteht im Fall der Antragstellerin der Sache nach in der Feststellung auf das Fortbestehen ihrer durch die Genesenenbescheinigung vom 22. November 2021 vermittelten und nunmehr durch § 2 Nr. 5 SchAusnahmV infrage gestellten begünstigenden Rechtsposition als genesene Person i. S. v. § 2 Abs. 2 Nr. 3 der 15. SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SARS-CoV-2-EindV). Hierfür ist die Stadt Halle richtige Antragsgegnerin, weil das streitige Rechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin als Normadressatin und der Stadt Halle als Normanwenderin besteht, die die SchAusnahmV in der geltenden Fassung gegenüber allen Einwohnern unbeschadet etwaiger vor dem 14. Januar 2021 ausgestellter, anderslautender Genesenennachweise vollzieht (vgl. Sodan / Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 58 ff. m. w. N.). Die Antragstellerin kann ihr Feststellungsbegehren nicht mittels einer gegenüber der allgemeinen Feststellungsklage vorrangigen Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Denn die Antragstellerin ist bereits in Besitz eines Genesenennachweises, der über den 9. Februar 2022 hinaus Gültigkeit bis zum 9. Mai 2022 hat und von der Antragsgegnerin bisher auch nicht aufgehoben worden ist (so auch: VG Hamburg, Beschluss vom 14. Februar 2022 – Az.: 14 E 414/22, abrufbar unter:https://justiz.hamburg.de/aktuellepresseerklaerungen/15878182/ pressemitteilung/). Um einem auf eine inzidente Normenkontrolle gerichteten Feststellungsbegehren – wie hier – auch im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes Rechnung zu tragen, kann das Gericht – entsprechend des ihm bei der Bestimmung des Inhalts einer einstweiligen Anordnung eröffneten freien Ermessens (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 938 Abs. 1 ZPO) – zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG auch vorläufige Feststellungen treffen (vgl. Kopp / Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 123 Rn. 9).

Die Antragstellerin hat zudem ein berechtigtes Interesse (vgl. § 43 Abs. 1 VwGO) an der Feststellung, dass die sechsmonatige Geltungsdauer ihres Genesenennachweises vom 22. November 2021 nicht nach Maßgabe von § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 verkürzt worden ist. Das berechtigte Interesse – als Ausprägung des allgemeinen Rechtsschutzinteresses – schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein. Entscheidend ist, dass die (vorläufige) gerichtliche Feststellung geeignet erscheint, die Rechtsposition der Antragstellerin in den genannten Bereichen zu verbessern (st. Rspr., vgl. nur: BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2017 – 6 B 14.17 – juris). Das ist hier der Fall.

Die erst am 15. Februar 2022 erfolgte Änderung der Vorgaben des Robert Koch-Instituts (RKI) für COVID-19-Genesenennachweise, welcher zufolge die Verkürzung des Genesenenstatus von sechs auf drei Monate „ausschließlich vor und nach der durchgemachten Infektion nicht geimpfte Personen“ betrifft und somit im Umkehrschluss der Genesenenstatus für trotz einer Impfung an COVID-19 erkrankte Personen weiterhin sechs Monate beträgt (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Genesenennachweis.hml), lässt das Feststellungsinteresse nicht entfallen. Die Antragstellerin gehört nicht zu dem durch die Änderung begünstigten Personenkreis, da sie ausweislich der schriftlichen Mitteilung ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15. Februar 2022 nicht gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 geimpft ist. Entgegen der von der Antragsgegnerin vertretenen Auffassung lässt der Umstand, dass sie den der Antragstellerin ausgestellten Genesenennachweis vom 22. November 2021 bisher nicht widerrufen hat, das Feststellungsinteresse nicht entfallen. Denn von dieser Bescheinigung kann die Antragstellerin im täglichen Rechtsverkehr nicht effektiv Gebrauch machen, solange eine grundsätzlich auch auf sie anwendbare Rechtsverordnung des Bundes für ungeimpfte Personen eine kürzere Gültigkeitsdauer des Genesenenstatus regelt. Nach derzeit geltender Rechtslage können nur Personen, die als geimpft oder genesen i. S. v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 3 SARS-CoV-2-EindV i. V. m. § 2 Nr. 2 und 4 SchAusnahmV gelten, Ausnahmen von den in zahlreichen Bereichen des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens geltenden Beschränkungen durch die 15. SARS-CoV-2-EindV in Anspruch nehmen, so etwa für den Besuch von Restaurants, Veranstaltungen und Sportstätten (vgl. im Einzelnen die zahlenmäßige Zugangsbeschränkung in § 2 Abs. 3, das verpflichtende 2- G-Zugangsmodell in § 2a und die Kontaktbeschränkungen in § 3 der SARS-CoV-2-EindV; so zum Feststellungsinteresse auch: VG Hamburg, a. a. O.). Verstöße hiergegen werden gemäß § 17 SARS-CoV-2-EindV als Ordnungswidrigkeiten geahndet. Die Antragsgegnerin hatte der Antragstellerin im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens mit E-Mail vom 8. Februar 2022 ausdrücklich mitgeteilt, dass sie geltendes Bundesrecht und somit auch § 2 der SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 anwendet. Auf ihrer Internetseite informiert sie zudem ausdrücklich darüber, dass die im Genesenennachweis angegebenen Daten nicht die Gültigkeit des jeweiligen Nachweises ausweise, sondern den Genesenen lediglich als Hilfestellung dienen würden. Die Gültigkeit des Nachweises ergebe sich „allein aus der jeweils gültigen Rechtslage“ (https://www.halle.de/de/Verwaltung/Presseportal/Nachrichten/?NewsId=45334). Damit hat die Antragsgegnerin offiziell zum Ausdruck gebracht, dass sie selbst den in ihren Genesenennachweisen ausgewiesenen Gültigkeitszeiträumen faktisch keine Wirkung (mehr) beimisst.

Der Antrag ist begründet.

Genesenennachweis hat weiterhin eine Gültigkeitsdauer von 6 Monaten
(Symbolfoto: FrankHH/Shutterstock.com)

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der Antragsteller den geltend gemachten Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besondere Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) darlegt und glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. den §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Wird mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen und dadurch in aller Regel ein faktisch endgültiger Zustand geschaffen, kann eine Regelung nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen werden müsste. Überwiegende Aussichten in der Hauptsache bestehen nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. Dezember 2021 – 1 M 90/21 – juris).

In Anwendung dieses Maßstabs liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden Regelungsanordnung vor. Die Antragstellerin hat das Bestehen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht.

Die besondere Eilbedürftigkeit folgt aus dem Umstand, dass eine Entscheidung in einer noch zu erhebenden Klage voraussichtlich nicht vor dem 9. Mai 2022, dem Tag des Ablaufs des durch die Genesenenbescheinigung vom 22. November 2021 zuerkannten Genesenenstatus, ergehen wird. Die 15. SARS-CoV-2-EindV, die für genesene Personen Begünstigungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben regelt und von denen die nicht geimpfte Antragstellerin, die wegen der länger als drei Monate zurückliegenden Infektion mit dem SARS-Cov-2-Virus nicht über einen Genesenenstatus i. S. v. § 2 Abs. 2 Nr. 3 SARS-CoV-2-EindV i. V. m. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfügt, keinen Gebrauch machen dürfte, ist zudem nur noch bis einschließlich 28. Februar 2022 gültig (§ 22 Abs. 2 SARS- CoV-2-EindV). Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass der Ausschluss von der Teilnahme am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben für den Einzelnen wie aktuell für die Antragstellerin eine fortwährende, bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht hinnehmbare Beeinträchtigung ihrer Grundrechte, insbesondere der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und der körperlichen Unversehrtheit des Art. 2 Abs. 2 GG unter dem Gesichtspunkt der psychischen Gesundheit, zur Folge hat (vgl. VG Osnabrück, Beschluss vom 4. Februar 2022 – 3 B 4/22 – juris; VG Hamburg, a. a. O.).

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn sie hat aller Voraussicht nach in der Hauptsache einen Anspruch auf die Feststellung, dass sie nach Maßgabe des Genesenennachweises vom 22. November 2021 noch bis einschließlich 9. Mai 2022 als genesene Person gilt und dieser Genesenenstatus nicht durch die Regelungen der SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 verkürzt worden ist.

Der Genesenennachweis ist, so wie er im hier zu entscheidenden Fall konkret ausgestaltet ist, ein begünstigender Verwaltungsakt i. S. v. § 35 Satz 1 VwVfG, wovon die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung auch selbst ausdrücklich ausgeht. Der Nachweis beinhaltet eine konkret-individuelle Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 35 Satz 1 VwVfG). Die Kammer hat insbesondere keinerlei Zweifel, dass der Bescheinigung Regelungscharakter innewohnt. Neben der verbindlichen Festlegung von Rechten und Pflichten für den Adressaten kann eine Regelung auch in der Feststellung eines Rechtsstatus bestehen, an den wiederum Rechtsnormen Rechte oder Pflichten knüpfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 1990 – 9 C 12.89 – juris; Kopp / Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 35 Rn. 88). So liegt es hier. Der Inhalt des der Antragstellerin ausgestellten Genesenennachweises vom 22. November 2021 geht seinem objektiven Sinngehalt nach über die bloße Mitteilung, dass die Antragstellerin am 10. November 2021 positiv auf eine Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 getestet worden war, hinaus. Er hat statusbegründende Funktion mit beträchtlicher Grundrechtsrelevanz, indem die Antragsgegnerin in der Bescheinigung mit verbindlicher Wirkung festgestellt hat, dass die Antragstellerin im Zeitraum vom 8. Dezember 2021 bis zum 9. Mai 2022 als genesene Person i. S. d. SchAusnahmV gilt. Der konkret-individuell festgelegte Genesenenstatus löst unmittelbar eine Begünstigung dergestalt aus, dass die Antragstellerin im genannten Zeitraum die an den Status einer genesenen Person anknüpfenden Rechte nach der SARS- CoV-2-EindV, etwa den Besuch von 2-G-pflichtigen Veranstaltungen (vgl. § 2a SARS-CoV- 2-EindV), in Anspruch nehmen darf. Spiegelbildlich bedeutet dies zugleich, dass sie für die Gültigkeitsdauer des Genesenennachweises nicht von den Grundrechtseinschränkungen, die die 15. SARS-CoV-2-EindV für ungeimpfte und nicht genesene Personen vorsieht, betroffen ist (zum Charakter eines Genesenennachweises als begünstigender Verwaltungsakt siehe auch VG Osnabrück, Beschluss vom 4. Februar 2022 – 3 B 4/22 – juris).

Der Genesenennachweis vom 22. November 2021 ist weiterhin wirksam, da ihn die Antragsgegnerin nicht durch einen actus contrarius aufgehoben hat und er sich auch nicht durch Zeitablauf oder in sonstiger Weise erledigt hat (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG). Insoweit hat die Antragsgegnerin ausdrücklich mitgeteilt, dass sie den Nachweis nicht widerrufen und für die Antragstellerin auch keinen neuen Genesenennachweis i. S. v. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 ausgestellt hat.

Die somit nach wie vor bestehende Wirksamkeit des der Antragstellerin ausgestellten Genesenennachweises vom 22. November 2021 ist auch nicht durch § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 entfallen. Selbst wenn durch die geänderte Verordnung der Genesenennachweis inhaltlich rechtswidrig geworden sein sollte, bleibt dieser gleichwohl wirksam. Denn auch rechtswidrige Verwaltungsakte sind rechtswirksam, solange sie nicht nichtig sind, § 43 Abs. 3 VwVfG (Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 178). Für letzteres bestehen vorliegend keinerlei Anhaltspunkte. Zudem ist zu konstatieren, dass auf einer Rechtsverordnung basierende Verwaltungsakte selbst dann nicht rechtswidrig werden (und damit erst recht nicht nichtig), wenn die zu deren Erlass ermächtigende Verordnung im Nachhinein außer Kraft getreten ist oder aufgehoben wird (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Mai 2006 – OVG 5 N 17.05 – juris; Kopp / Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 43 Rn. 42b).

Überdies ist § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022, der zur Bestimmung der Gültigkeitsdauer eines Genesenennachweises auf die Vorgaben des RKI im Internet unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis verweist, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich verfassungswidrig. Die Kammer teilt die bereits von den Verwaltungsgerichten Osnabrück, Ansbach und Hamburg gegen die Verfassungsmäßigkeit der Norm erhobenen Einwände.

Zunächst bestehen erhebliche Bedenken dahingehend, dass die Verordnungsermächtigung in § 28c IfSG und damit die auf deren Grundlage erlassene SchAusnahmV, insbesondere der streitgegenständliche § 2 Nr. 5, insoweit gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz des Art. 20 Abs. 3 GG verstoßen, als hier im Verordnungswege Sachverhalte geregelt werden, die zumindest mittelbar erheblich in die Grundrechte der Betroffenen eingreifen, weil ein Genesenennachweis im Rahmen der sogenannten 2G- Regelung für die Teilhabe am öffentlichen Leben neben einer Impfung essenziell ist und diese Regelungen aufgrund des Verweises auf die entsprechenden Vorgaben des RKI nicht durch den Verordnungsgeber selbst, sondern durch die Exekutive getroffen werden. § 2 Nr. 5 selbst gibt keine Kriterien dazu vor, wann eine Immunisierung vorliegt, durch wen diese festgestellt wird, wie lange sie gilt und welche Ausnahmen möglich sind. Ob insoweit sogar – weitergehend – ein Parlamentsvorbehalt besteht, lässt die Kammer ausdrücklich offen (vgl. VG Osnabrück, Beschluss vom 4. Februar 2022 – 3 B 4/22 – juris).

Die in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV angewandte Regelungstechnik der dynamischen Verweisung, mittels derer der Verordnungsgeber im Wege der Subdelegation dem RKI die Konkretisierung der an einen Impf- und Genesenennachweis zu stellenden Anforderungen überlässt, ist außerdem nicht mit dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip vereinbar, verstößt gegen das für Rechtsverordnungen geltende Verkündigungsgebot des Art. 82 Abs. 1 Satz 2 GG und überschreitet unter Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG die Grenzen der dem Verordnungsgeber der SchAusnahmV – der Bundesregierung – eingeräumten gesetzgeberischen Ermächtigung aus § 28c IfSG. Ferner verstößt der in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV enthaltene Verweis auf die Internetseite des RKI, deren Inhalt sich jederzeit ohne großen Aufwand ändern lässt, mangels hinreichender Bestimmtheit gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot der Normenklarheit.

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Insoweit hat das Verwaltungsgericht Hamburg in seinem Beschluss vom 14. Februar 2022 zum einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit dem Az.: 14 E 414/22, das eine mit dem hiesigen Feststellungsbegehren vergleichbare Fallkonstellation betraf, im Einzelnen ausgeführt:

„[…] Die in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 geregelte dynamische Verweisung auf die Internetseite des Robert Koch-Instituts begegnet in diesem konkreten Einzelfall aufgrund der erheblichen Grundrechtsrelevanz der Gültigkeitsdauer des Genesenennachweises bereits grundsätzlichen Bedenken.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der die Kammer aus eigener Überzeugung folgt, sind Verweise eines Normgebers auf Rechtsvorschriften eines anderen Normgebers zwar nicht in jedem Fall verfassungsrechtlich problematisch. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Normgeber sich den Inhalt von Rechtsvorschriften in einer Fassung zu eigen macht, die bei Erlass seines Gesetzgebungsbeschlusses schon galt und die bereits feststand (BVerfG, Beschl. v. 11.3.2020, 2 BvL 5/17, juris Rn. 79 m.w.N.). Verweist der Normgeber jedoch auf andere Vorschriften in ihrer jeweils geltenden Fassung (dynamische Verweisung), kann dies dazu führen, dass er den Inhalt seiner Vorschriften nicht mehr in eigener Verantwortung bestimmt und damit der Entscheidung Dritter überlässt (BVerfG, Beschl. v. 11.3.2020, a.a.O. Rn. 79). Damit sind dynamische Verweisungen zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber nur in dem Rahmen zulässig, den die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Bundesstaatlichkeit ziehen; grundrechtliche Gesetzesvorbehalten können diesen Rahmen zusätzlich einengen (BVerfG, Beschl. v. 11.3.2020, a.a.O. Rn. 79; BVerfG, Beschl. v. 25.2.1988, a.a.O., juris Rn. 16 m.w.N.).

Das Bundesverwaltungsgericht führt darauf basierend in ständiger Rechtsprechung aus (BVerwG, Urt. v. 26.3.2015, 5 C 8/14, juris Rn. 25):

„Ein Normgeber [darf] nicht nur auf eigene, sondern auch auf Regelungen anderer Normgeber verweisen […]. Auch die Verweisung auf Regelwerke, die von nichtstaatlichen Normungsgremien geschaffen wurden, ist nicht generell ausgeschlossen, solange für den Rechtsunterworfenen klar erkennbar ist, welche Vorschriften für ihn im Einzelnen gelten sollen (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 – 3 C 21.12 – BVerwGE 147, 100 Rn. 39). Dies darf hingegen nicht in einer Weise geschehen, die dazu führt, dass der Bürger schrankenlos einer Normsetzungsgewalt ausgeliefert ist, die ihm gegenüber weder staatlich noch mitgliedschaftlich legitimiert ist. Das widerspräche sowohl dem Rechtsstaatsprinzip, wonach Einschränkungen der Freiheit des Bürgers, soweit sie überhaupt zulässig sind, nur durch oder aufgrund staatlicher Gesetze erfolgen dürfen, als auch dem Demokratieprinzip, wonach die Ordnung eines nach dem Grundgesetz staatlicher Regelung offenstehenden Lebensbereichs auf eine Willensentschließung der vom Volke bestellten Gesetzgebungsorgane zurückgeführt werden muss. Nur soweit der Inhalt der von einem Privaten erlassenen Regelungen, auf die staatliche Rechtsnormen verweisen, im Wesentlichen feststeht, genügt die verweisende Norm den Anforderungen, die sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip ergeben. Für die Beantwortung der Frage, ob diese einer dynamischen Verweisung von Verfassung wegen gezogenen rechtlichen Grenzen eingehalten wurden, kommt es neben dem Sachbereich und der damit verbundenen Grundrechtsrelevanz wesentlich auf den Umfang der Verweisung an (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 – 3 C 21.12 – BVerwGE 147, 100 Rn. 42 f. unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1988 – 2 BvL 26/84 – BverfGE 78, 32 und Urteil vom 14. Juni 1983 – 2 BvR 488/80 – BVerfGE 64, 208). Dynamische Verweisungen sind daher grundsätzlich zulässig, wenn der Verweisungsumfang „eng bemessen“ ist. Bei einer engen Bandbreite der zur Überprüfung stehenden Verweisung kann davon ausgegangen werden, dass der verweisende Verordnungsgeber die in Bezug genommenen Regelungen im Blick behält, so dass er auf den vorgegebenen Rahmen sprengende oder von ihm nicht gewünschte Änderungen umgehend reagieren kann (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 – 3 C 21.12 – BVerwGE 147, 100 Rn. 44).“

Es begegnet erheblichen Bedenken, ob die dynamische Verweisung in § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO i.V.m. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 diesen Anforderungen genügt bzw. ob eine bindende Außenwirkung des dynamisch in Bezug genommenen Regelwerks des Robert Koch- Instituts hier noch eine hinreichende Grundlage im Gesetz findet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.2.2022, 1 BvR 2649/21, Rn. 14, abrufbar unter: https://www.bundesverfassungsgericht.de/ SharedDocs/Entscheidungen/DE/2022/02/rs20220210_1bvr264921.html). Wie auch das Bundesverfassungsgericht hat die Kammer erhebliche Zweifel daran, ob ein tragfähiger Sachgrund dafür vorliegt, dass nicht dem Verordnungsgeber selbst die Konkretisierung des vorzulegenden Impf- und Genesenennachweises und damit auch der geimpften und genesenen Person im Sinne des Gesetzes übertragen ist, sondern dies den Bundesinstituten, dem Paul-Ehrlich-Institut und dem Robert Koch- Institut, überlassen wird (BVerfG, Beschl. v. 10.2.2022, 1 BvR 2649/21, a.a.O. Rn. 14). Zwar handelt es sich bei dem Robert Koch-Institut nicht um eine nichtstaatliche Stelle. Nach § 4 Abs. 1 IfSG ist das Robert Koch-Institut die nationale Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen. Anders als ein Parlament oder eine Regierung ist das Robert Koch-Institut jedoch personell nicht unmittelbar demokratisch vom Volk bzw. vom seinerseits unmittelbar demokratisch legitimierten Parlament legitimiert. Vor diesem Hintergrund begegnet es verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Robert Koch-Institut nach § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 nunmehr – anders als in der zuvor geltenden Fassung der Norm – ermächtigt wird, eigenständig und unmittelbar gerade die Gültigkeitsdauer des Genesenennachweises (und nicht nur Nebenfragen etwa der für die Ausstellung benötigten Testnachweise oder ähnliches) zu bestimmen. Nach derzeitig geltender Rechtslage ist der Genesenennachweis als einziges Surrogat zum Impfnachweis Voraussetzung für die Teilnahme des Einzelnen am gesellschaftlichen und sozialen Leben in vielen Bereichen, so etwa für den Besuch von Restaurants, Veranstaltungen oder Sportstätten (vgl. VG Osnabrück, Beschl. v. 4.2.2022, 3 B 4/22, juris Rn. 11). Die Regelung über die Gültigkeit des Genesenennachweises hat mithin eine hohe Grundrechtsrelevanz, weshalb der Verweisungsumfang nach den dargelegten Maßstäben „eng“ zu bemessen wäre. Indem der Verordnungsgeber das Robert Koch- Institut jedoch pauschal zu einer Entscheidung lediglich „unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft“ ermächtigt, dürfte er dieser Grundrechtsrelevanz nicht hinreichend gerecht geworden sein. Insoweit mangelt es insbesondere schon an Vorgaben zu genauen Abwägungs- und Entscheidungskriterien, die die Entscheidung über die Gültigkeitsdauer des Genesenennachweises leiten sollen.

Da der Verweis auf § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 damit eine zentrale, eigenen gesetzgeberischen Wertungen obliegende Bestimmung betrifft, ist der streitgegenständliche Sachverhalt deshalb nach der Überzeugung der Kammer anders zu beurteilen als die vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandete Regelung in § 28b Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG in der Fassung des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 (vgl. Beschl. v. 19.11.2021, 1 BvR 728/21 u.a., juris), durch die zur Bestimmung der Erreichung der vom Gesetzgeber selbst festgelegten Schwellenwerte der jeweiligen sog. „Sieben-Tage-Inzidenz“ auf die vom Robert Koch- Institut im Internet unter https://www.rki.de/inzidenzen veröffentlichte Anzahl der Neuinfektionen Bezug genommen wurde. Denn dort betraf der Verweis lediglich isoliert die Frage des Vorliegens der tatsächlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten von Beschränkungen, wobei zuvor durch den Gesetzgeber selbst die wesentlichen Grundentscheidungen getroffen worden waren, namentlich welche Inzidenzwerte für welche Lebensbereiche welche konkreten Einschränkungen zur Folge haben sollten und zudem nach § 28 Abs. 1 Satz 3 die nach Landesrecht zuständigen Behörden verpflichtet waren, in geeigneter Weise die Tage bekannt zu machen, ab denen die jeweiligen Maßnahmen nach § 28b Abs. Satz 1 IfSG a.F. in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt gelten würden.

(2) Der Verweis in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 auf die Homepage des Robert Koch-Instituts dürfte zudem gegen das rechtsstaatliche Publizitätserfordernis, das vorliegend auch aus Art. 82 Abs. 1 Satz 2 GG folgt, verstoßen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer aus eigener Überzeugung folgt, ergeben sich die folgenden Anforderungen an die Bekanntgabe einer Rechtsnorm (BVerwG, Urt. v. 27.6.2013, 3 C 21/12, juris Rn. 20):

„Damit das Gebot der Rechtssicherheit gewahrt ist, muss für den Rechtsunterworfenen klar erkennbar sein, welche Vorschriften im Einzelnen für ihn gelten sollen. Danach muss die Verlautbarung solcher in Bezug genommener Regelungselemente für den Betroffenen zugänglich und ihrer Art nach für amtliche Anordnungen geeignet sein (BVerwG, Urteil vom 29. August 1961 – BVerwG 1 C 14.61 – Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 9 = DVBl 1962, 137 <138>). Der Betroffene muss sich verlässlich und ohne erhebliche Schwierigkeiten Kenntnis vom Inhalt der Regelungen verschaffen können, auf die Bezug genommen wird; die Möglichkeit der Kenntnisnahme darf also nicht in unzumutbarer Weise erschwert sein. Konkrete weitere Gebote für die Ausgestaltung des Verkündungsvorgangs im Einzelnen ergeben sich aus dem Rechtsstaatsprinzip unmittelbar nicht (stRspr; vgl. statt vieler BVerfG, Urteil vom 22. November 1983 -2 BvL 25/81 – a.a.O. S. 291 m.w.N; darauf Bezug nehmend: BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2010 – BVerwG 4 BN 21.10 – Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 46 Rn. 9). Es richtet sich vielmehr nach dem jeweils einschlägigen Recht, welche Anforderungen an die Verkündung zu stellen sind. Ob die Möglichkeit, sich vom Norminhalt zuverlässig Kenntnis zu verschaffen, durch die Art und Weise der Veröffentlichung unmittelbar erschwert wird, hängt von den jeweiligen Umständen ab, die sich einer Verallgemeinerung über den konkreten Fall hinaus entziehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Oktober 2006 – BVerwG 9 B 6.06 – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 66 Rn. 4 m.w.N. zur Bekanntmachung von kommunalen Satzungen in einer Zeitung).“

Diesen Anforderungen wird § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 nicht gerecht, weil die Verordnung einen dynamischen Verweis lediglich auf die Homepage des Robert Koch-Instituts enthält. Zwar dürfte davon auszugehen sein, dass es dem Rechtsunterworfenen grundsätzlich möglich ist, sich in zumutbarer Weise über die geltenden Vorgaben auf der Homepage des Robert Koch-Instituts zu informieren. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 verweist auf einen genauen Link, der ohne erkennbare Hürden aufrufbar ist, sodass eine Möglichkeit zur Einsichtnahme grundsätzlich besteht. Soweit ein Internetzugang kostenpflichtig ist, führt dies nicht zwingend zu einem unzumutbaren Erschwernis des Zugangs (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.2013, 3 C 21/12, juris Rn. 25). Die Kammer sieht eine Möglichkeit der Kenntnisnahme jedoch deshalb als unzumutbar erschwert an, weil eine Verweisung auf eine Internetseite die Folge hat, dass sie sich nahezu sekündlich ändern kann (vgl. VG Osnabrück, Beschl. v. 4.2.22, 3 B 4/22, juris Rn. 18). Der Rechtsunterworfene ist infolgedessen mit dem Problem konfrontiert, dass er ständig überprüfen muss, ob die Internetseite noch denselben Inhalt hat (vgl, Wissenschaftliche Dienste/Deutscher Bundestag, S. 11). Vor dem Hintergrund dieser aufgezeigten schnellen Änderungsmöglichkeit der Internetseite dürfte nach summarischer Prüfung die Möglichkeit der Kenntnisnahme auch deshalb unzumutbar erschwert sein, weil die fachlichen Vorgaben des Robert Koch-Instituts von seiner Homepage nicht erkennbar von einer amtlichen Stelle archivmäßig gesichert werden, so dass nicht gewährleistet ist, dass die jeweils zu einem bestimmten Zeitpunkt geltende Rechtslage mit Gewissheit nachvollziehbar ist; dies dürfte auch wegen der Bedeutung für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten problematisch sein (Wissenschaftliche Dienste/Deutscher Bundestag, a.a.O. S. 11; s. hierzu auch BVerwG, Urt. v. 27.6.2013, a.a.O. Rn. 22).

(3) Der Verweis in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 auf die Homepage des Robert Koch-Instituts verstößt auch gegen das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip, weil die in der dynamischen Verweisung enthaltene Subdelegation an das Robert Koch-Institut die gesetzgeberische Ermächtigung aus § 28c IfSG überschreitet.

Eine Rechtsverordnung genügt den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG nur, wenn sie sich in den Grenzen der wirksamen (gesetzlichen) Ermächtigung hält; anderenfalls würde Art. 80 Abs. 1 GG unterlaufen (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018, 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15, juris Rn. 209 m.w.N.). Nach Art. 80 Abs. 1 GG können durch Gesetz die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, wobei Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen. Mit dieser Vorschrift verwehrt das Grundgesetz dem Parlament sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft zu entäußern und setzt voraus, dass das Parlament im Falle einer Ermächtigung zum Verordnungserlass die Grenzen der Kompetenzen bedenkt sowie diese nach Tendenz und Programm so genau umreißt, dass schon aus der Ermächtigung selbst erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018, a.a.O. Rn. 199 m.w.N.). Folglich darf sich das Parlament nicht mit einer Blankoermächtigung an die Exekutive seiner Verantwortung für die Gesetzgebung entledigen und damit selbst entmachten, sondern muss stets Herr der Gesetzgebung bleiben (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018, a.a.O. Rn. 199 m.w.N.). Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG bedarf es sodann zur weiteren Übertragung der Ermächtigung selbst einer Rechtsverordnung. Eine Subdelegation in diesem Sinne liegt jedoch nur dann vor, wenn auch die Befugnis zum Erlass einer Rechtsverordnung übertragen wird, was nicht der Fall ist, wenn der Verordnungsgeber lediglich ein Tätigwerden Dritter, zum Beispiel auch Privater, ermöglicht oder deren konsultative Einbindung in ein behördliches Verfahren vorsieht (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018, a.a.O. Rn. 208).

Diesen Maßstäben wird § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 nicht gerecht. Der Verordnungsgeber der COVID-19-Schutzmaßnahmen- Ausnahmeverordnung, die Bundesregierung, überschreitet die Grenzen seiner Ermächtigung durch den Bundesgesetzgeber, indem er seine Normsetzungsbefugnis durch eine partielle Blankoermächtigung auf das Robert Koch-Institut überträgt. Nach § 28c IfSG wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist, Erleichterungen oder Ausnahmen von Geboten und Verboten nach dem fünften Abschnitt dieses Gesetzes oder aufgrund von Vorschriften im fünften Abschnitt dieses Gesetzes erlassenen Geboten und Verboten zu regeln. Wenn die Bundesregierung von dieser Ermächtigung Gebrauch macht, kann sie zugleich die Landesregierungen ermächtigen, ganz oder teilweise in Bezug auf von den Ländern nach dem fünften Abschnitt dieses Gesetzes erlassene Gebote und Verbote für die in Satz 1 genannten Personen Erleichterungen und Ausnahmen zu regeln. Die Landesregierungen wiederum können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung an andere Stellen übertragen.

Die Regelung in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 überschreitet diese Ermächtigungsbefugnis aus § 28c IfSG. Nach § 2 Nr. 5 SchAusnahmV ist ein Genesenennachweis ein Nachweis in verkörperter und digitaler Form, wenn er den vom Robert Koch-Institut im Internet unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich der Art der Testung und der Zeit, die nach der Testung zum Nachweis der Infektion vergangen sein muss und der Zeit, die die Testung zum Nachweis der vorherigen Impfung höchstens zurückliegen darf, entspricht. Die in dieser Regelung enthaltene Subdelegation an das Robert Koch-Institut überschreitet die zitierte Ermächtigungsbefugnis aus § 28c IfSG. Anders als die Landesregierung ist die Bundesregierung, die die Schutzmaßnahmenausnahmeverordnung erlassen hat, schon nach § 28c IfSG nicht ermächtigt, ihrerseits andere Stellen zu ermächtigen. Dem ausdrücklichen Wortlaut von § 28c IfSG zufolge darf die Bundesregierung ausschließlich die Landesregierungen ermächtigen, weitere Ge- und Verbote zu erlassen. Eine Ermächtigung des Robert Koch-Instituts überschreitet bereits aus diesem Grund die Ermächtigung der Bundesregierung zur Subdelegation (vgl. hierzu auch VG Osnabrück, Beschl. v. 4.2.2022, 3 B 4/22, juris Rn. 19). Denn das Robert Koch-Institut kann nach dieser Vorschrift die entscheidenden Kriterien insbesondere in Bezug auf die Geltungsdauer des Genesenennachweises eigenständig und lediglich unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft bestimmen. Zudem dienen die auf dieser Grundlage veröffentlichten Vorgaben des Robert Koch-Instituts auch ausschließlich dazu, den Regelungen des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV nachzukommen. Dafür spricht der Wortlaut der Veröffentlichung auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts: „Gemäß Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung vom 14. Januar 2022 weist das RKI aus, welche fachlichen Vorgaben ein Genesenennachweis erfüllen muss“ (vgl. hierzu Wissenschaftliche Dienste/Deutscher Bundestag, S. 10). Dadurch verfügt das Robert Koch-Institut über eine selbständige Entscheidungsmacht über die Anforderungen an einen Genesennachweis gerade bezüglich der grundrechtsrelevanten Frage der Geltungsdauer. Eine lediglich konsultative Einbindung des Robert Koch-Instituts in ein behördliches Verfahren ist vor diesem Hintergrund nicht anzunehmen, da das Institut nicht beratend in einen Entscheidungsprozess eingebunden ist, sondern eine eigene, verbindliche Entscheidung – veröffentlicht auf seine Homepage – trifft.

(4) Die in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 enthaltene dynamische Verweisung auf die Internetseite des Robert Koch-Instituts ist auch nicht hinreichend bestimmt und verstößt auch aus diesem Grund gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).

Das Rechtsstaatsprinzip sowie das daraus abzuleitende Gebot der Normenklarheit setzen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der die Kammer aus eigener Überzeugung folgt, voraus, dass die von einer Regelung Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einzurichten vermögen (BVerfG, Beschl. v. 22.6.1977, 1 BvR 799/76, juris Rn. 81 m.w.N.). Die Anforderungen an die Bestimmtheit erhöhen sich dabei mit der Intensität, mit der auf der Grundlage der betreffenden Regelung in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen werden kann (BVerfG, Beschl. v. 27.11.1990, 1 BvR 402/87, juris Rn. 45). Im Falle einer in einer Rechtsnorm enthaltenen dynamischen Verweisung, wie sie hier streitgegenständlich ist, wird das Bestimmtheitsgebot dann hinreichend berücksichtigt, wenn die verweisende Rechtsnorm klar erkennen lässt, worauf sie sich bezieht und welche Regelungen zu ihrer Ausfüllung in Betracht kommen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.9.2016, 2 BvL 1/15, juris Rn. 44).

Diesen Anforderungen wird § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 unter Berücksichtigung der bereits ausgeführten hohen Grundrechtsrelevanz der Regelung nicht gerecht. Zwar enthält § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 einen genauen Link auf Homepage des Robert Koch-Instituts, sodass die Regelung ohne unzumutbare Hindernisse für den Rechtsanwender grundsätzlich zugänglich ist. Vor dem Hintergrund der dargelegten Anforderungen des Gebots der Normenklarheit ist jedoch problematisch, dass sich der Inhalt der Internetseite des Robert Koch-Instituts ohne großen Aufwand und viel schneller, als ein Rechtsetzungsverfahren möglich ist, verändern lässt. Dies führt dazu, dass der Rechtsanwender ständig überprüfen muss, ob die Internetseite weiterhin denselben Inhalt hat, um über die Rechtslage informiert zu bleiben (VG Ansbach, Beschl. v. 11.2.2022, AN 18 S 22.00234; VG Osnabrück, Beschl. v. 4.2.2022, 3 B 4/22, juris Rn. 20; Wissenschaftliche Dienste/Deutscher Bundestag, S. 11). Ihm ist es somit nicht jederzeit möglich, die Rechtslage konkret zu erkennen und sein Verhalten danach auszurichten, weil stets die Ungewissheit besteht, ob sich die Rechtslage durch eine kurzfristige Änderung der Bestimmungen auf der Internetseite des Robert Koch- Instituts verändert hat. Ein Regelungsdruck, der ein solches Vorhaben rechtfertigen und den die Kammer insoweit berücksichtigen könnte, ist nicht ersichtlich. Von einer besonderen Eilbedürftigkeit scheint auch der Gesetzgeber nicht auszugehen, wenn er die Bundesregierung in § 28c Satz 3 IfSG nur unter dem Vorbehalt der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zum Erlass und zur Änderung der Ausnahmeverordnung ermächtigt (VG Osnabrück, Beschl. v. 4.2.2022, a.a.O. Rn. 20; Wissenschaftliche Dienste/Deutscher Bundestag, S. 12). […]“ [VG Hamburg, Beschluss vom 14. Februar 2022 – Az.: 14 E 414/22, im Volltext abrufbar unter: https://justiz.hamburg.de/aktuellepresseerklaerungen/15878182/pressemitteilung/; im Ergebnis auch: VG Ansbach, Beschluss vom 11. Februar 2022 – Az.: AN 18 S 22.00234, als Pressemitteilung abrufbar unter:https://www.vgh.bayern.de/vgansbach/oeffentl/pm/; VG Osnabrück, Beschluss vom 4. Februar 2022 – Az.: 3 B 4/22 – juris]

Den vorstehend zitierten Ausführungen des Verwaltungsgerichts Hamburg schließt sich die Kammer an und macht sich diese ausdrücklich vollumfänglich zu eigen.

Die Verfassungswidrigkeit hat die Nichtigkeit des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 zur Folge, sodass die Norm keine Bindungswirkung zwischen den Beteiligten entfaltet. Die aus einer Anwendung der Regelung resultierenden Grundrechtseingriffe sind daher im Ergebnis nicht gerechtfertigt. Aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ist somit im Tenor auszusprechen, dass die der Antragstellerin durch den Genesenennachweis vom 22. November 2021 bescheinigte Dauer ihres Genesenenstatus nicht durch die Regelungen der SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 verkürzt worden ist.

Zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten weist das Gericht daraufhin, dass sämtliche von der Antragsgegnerin vor dem 15. Januar 2022 erteilten Genesenennachweise mit den darin festgelegten Zeiträumen von 6 Monaten ab dem Tag der positiven Testung nach wie vor Gültigkeit besitzen.

Da die Antragstellerin bereits mit ihrem Hauptantrag Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung mehr über ihren Hilfsantrag.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Eine Halbierung des Auffangwertes war hier wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache nicht angezeigt (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Der gestellte Hilfsantrag wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus, weil keine Entscheidung über diesen ergangen ist (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG).

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