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Übersicht:
- ✔ Kurz und knapp
- Sachverständigenfehler begründen keine Vergleichsanfechtung
- ✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Hamm
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen: Vergleichsanfechtung bei Gerichtssachverständigenfehlern
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⬇ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Hamm
✔ Kurz und knapp
- Ein Fehler des gerichtlich bestellten Sachverständigen berechtigt nicht zur Anfechtung eines Prozessvergleichs.
- Ein Irrtum über die Richtigkeit der Angaben des Sachverständigen stellt lediglich einen unbeachtlichen Motivirrtum dar.
- Die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs wird nicht durch einen Sachverständigenfehler infrage gestellt.
- Die Parteien übernehmen beim Vergleich das Risiko für streitige oder ungewisse Umstände.
- Eine arglistige Täuschung des Sachverständigen muss für eine Anfechtung nach § 123 BGB konkret dargelegt und bewiesen werden.
- Ein bloßer Verdacht oder eine Mutmaßung reicht für die Anfechtung nicht aus.
- Die Berufung des Klägers auf die Unwirksamkeit des Vergleichs wurde zurückgewiesen.
Sachverständigenfehler begründen keine Vergleichsanfechtung
Beim Abschluss eines Prozessvergleichs spielt die Richtigkeit der Angaben eines gerichtlichen Sachverständigen eine zentrale Rolle. Häufig stützen sich die Parteien im Vergleich auf eine Sachverhaltsdarstellung, die maßgeblich von einem gerichtlich bestellten Gutachter bestimmt wird. Doch was passiert, wenn sich später herausstellt, dass die Ausführungen des Sachverständigen fehlerhaft waren?
In der Rechtspraxis ist umstritten, ob ein solcher Sachverständigenfehler einen Vergleich anfechtbar macht. Die Gerichte haben dazu klare Vorgaben entwickelt: Ein Irrtum über die Richtigkeit eines Sachverständigengutachtens begründet in der Regel keinen Anfechtungsgrund. Die Parteien tragen das Risiko für ungewisse Umstände, die im Vergleich geregelt werden.
Nur in Fällen, in denen der Sachverständige den Parteien und Gerichten arglistig falsche Informationen geliefert hat, könnte theoretisch eine Anfechtung in Betracht kommen. Doch der Nachweis einer solchen Täuschungsabsicht ist extrem schwierig zu erbringen. Insgesamt zeigt die Rechtsprechung, dass Vergleiche auch bei fehlerhaften Sachverständigengutachten in der Regel Bestand haben.
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✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Hamm
Gerichtssachverständigenfehler berechtigt nicht zur Vergleichsanfechtung
Im vorliegenden Fall begehrte der Kläger Schmerzensgeld und die Feststellung von Schadensersatzansprüchen aufgrund einer ärztlichen Behandlung. Die Behandlung fand zwischen dem 20.02.2014 und dem 06.04.2014 statt. Im Verlauf des Verfahrens schlossen die Parteien am 10.11.2023 einen Vergleich, der vorsah, dass die Beklagte zu 1) an den Kläger einen Betrag von 2.000 Euro zur Abgeltung aller Forderungen zahlt. Der Kläger stimmte diesem Vergleich sofort zu, während die Beklagten sich den Widerruf bis zum 01.12.2023 vorbehielten, der jedoch nicht erfolgte.
Am 14.11.2023 erklärte der Kläger die Anfechtung des Vergleichs gemäß §§ 119, 123 BGB, da er sich in einem Irrtum über den Sachverhalt aufgrund eines Gerichtssachverständigengutachtens befand. Der Kläger wollte den ursprünglichen Rechtsstreit fortsetzen und beantragte die Aufhebung des Versäumnisurteils vom 12.05.2023 sowie die Abänderung des Urteils dahingehend, dass die Beklagten zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes und zur weiteren Ersatzpflicht verpflichtet werden. Die Beklagten beantragten hingegen, festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 10.11.2023 erledigt sei.
Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm
Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 10.11.2023 erledigt ist. Es wies darauf hin, dass der Vergleich nicht innerhalb der Widerrufsfrist widerrufen wurde und somit wirksam sei. Die vom Kläger erklärte Anfechtung des Vergleichs greife nicht durch.
Das Gericht stellte klar, dass die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Prozessvergleich den Rechtsstreit nicht beendet hat, beim Kläger liegt. Ein Vergleich ist gemäß § 779 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn der als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht. In diesem Fall lag jedoch kein solcher Sachverhalt vor, sondern lediglich ein tatsächlicher Irrtum des Klägers über einen streitigen oder ungewissen Umstand. Die Richtigkeit der Angaben eines gerichtlichen Sachverständigen ist kein als feststehend zugrunde gelegter Sachverhalt.
Gründe für die Wirksamkeit des Vergleichs
Der Kläger befand sich nicht in einem Irrtum über den Inhalt der Erklärung. Irrtümer über Motive oder Kalkulationen sind beim Abschluss eines Prozessvergleichs unbeachtlich. Selbst ein Fehler des Sachverständigen berechtigt nicht zur Anfechtung des Vergleichs. Es handelt sich dabei um einen unbeachtlichen Motivirrtum, der die Willenserklärung des Klägers nicht anfechtbar macht.
Zudem lag keine arglistige Täuschung durch den Sachverständigen vor. Der Kläger konnte nicht darlegen oder beweisen, dass der Sachverständige bewusst falsche Angaben gemacht hat. Auch eine bewusste Täuschung durch die Beklagten war nicht ersichtlich. Damit war die Anfechtungserklärung des Klägers unwirksam.
Kostenentscheidung und Vorläufige Vollstreckbarkeit
Das Gericht entschied, dass die weiteren Kosten des Rechtsstreits vom Kläger zu tragen sind. Diese Entscheidung basiert auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision wurde nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.
Zusammengefasst: Der Gerichtssachverständigenfehler berechtigt den Kläger nicht zur Anfechtung des Vergleichs. Der Rechtsstreit ist durch den Vergleich vom 10.11.2023 erledigt, und die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Ein Irrtum über die Richtigkeit eines Gerichtssachverständigengutachtens stellt lediglich einen unbeachtlichen Motivirrtum dar und berechtigt nicht zur Anfechtung eines Prozessvergleichs. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass selbst fehlerhafte Sachverständigengutachten keinen Grund darstellen, einen wirksam geschlossenen Vergleich anzufechten. Sie unterstreicht die Bedeutung der Rechtssicherheit und der Bindungswirkung von Vergleichen, die nur unter engen Voraussetzungen anfechtbar sind, um die abschließende Beilegung von Rechtsstreitigkeiten zu gewährleisten.
✔ FAQ – Häufige Fragen: Vergleichsanfechtung bei Gerichtssachverständigenfehlern
Unter welchen Voraussetzungen kann ein Prozessvergleich angefochten werden?
Ein Prozessvergleich kann unter bestimmten Voraussetzungen angefochten werden. Ein Prozessvergleich hat eine Doppelnatur, das bedeutet, er ist sowohl eine Prozesshandlung als auch ein materiell-rechtlicher Vertrag. Die Anfechtung kann sich daher auf beide Ebenen beziehen.
Arglistige Täuschung ist ein häufiger Anfechtungsgrund. Hierbei muss der Anfechtende beweisen, dass er durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen getäuscht wurde. Die Täuschung muss sich auf objektiv nachprüfbare Tatsachen beziehen und der Täuschende muss wissen oder billigend in Kauf nehmen, dass seine Behauptung nicht der Wahrheit entspricht. Ein Beispiel hierfür ist, wenn eine Partei falsche Angaben über wesentliche Vertragsbestandteile macht, um den anderen zur Abgabe einer Willenserklärung zu bewegen.
Widerrechtliche Drohung ist ein weiterer Anfechtungsgrund. Eine Drohung liegt vor, wenn eine Partei durch die Androhung eines Übels zur Abgabe einer Willenserklärung gezwungen wird. Dies kann auch durch Dritte geschehen, beispielsweise wenn ein Gerichtsvorsitzender mit einem ungünstigen Urteil droht, um einen Vergleich zu erzwingen.
Irrtum kann ebenfalls zur Anfechtung führen. Hierbei unterscheidet man zwischen Inhaltsirrtum und Erklärungsirrtum. Ein Inhaltsirrtum liegt vor, wenn eine Partei über den Inhalt ihrer Erklärung im Irrtum war, während ein Erklärungsirrtum vorliegt, wenn eine Partei eine Erklärung abgibt, die sie so nicht abgeben wollte. Ein Beispiel ist, wenn eine Partei aufgrund eines Missverständnisses über die Höhe einer vereinbarten Zahlung einen Vergleich abschließt.
Die Beweislast für die Anfechtungsgründe liegt beim Anfechtenden. Er muss darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen für die Anfechtung vorliegen. Dies umfasst die Täuschung, Drohung oder den Irrtum sowie deren Kausalität für den Abschluss des Vergleichs.
Ein gerichtlicher Vergleich kann nur innerhalb einer bestimmten Frist angefochten werden. Die Anfechtung muss unverzüglich erfolgen, nachdem der Anfechtende den Anfechtungsgrund erkannt hat. Bei einem Irrtum beträgt die Frist in der Regel zwei Wochen, bei arglistiger Täuschung oder Drohung ein Jahr.
Ein wirksamer Vergleich setzt voraus, dass keine prozessualen oder materiell-rechtlichen Mängel vorliegen. Prozessuale Mängel können beispielsweise in einer fehlerhaften Protokollierung des Vergleichs bestehen. Materiell-rechtliche Mängel können sich aus einem Irrtum oder einer Täuschung über wesentliche Vertragsbestandteile ergeben.
Die Anfechtungserklärung muss gegenüber dem Vertragspartner, also der gegnerischen Partei, erfolgen. Eine Anfechtung gegenüber dem Gericht allein ist nicht ausreichend.
Ein unwirksamer Vergleich führt dazu, dass der ursprüngliche Rechtsstreit fortgesetzt wird. Das Gericht prüft dann die geltend gemachten Mängel und entscheidet, ob der Vergleich wirksam ist oder nicht.
Welche Auswirkungen hat ein Fehler des Gerichtssachverständigen auf die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs?
Ein Fehler des Gerichtssachverständigen hat grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs. Ein solcher Fehler stellt lediglich einen unbeachtlichen Motivirrtum dar und berechtigt nicht zur Anfechtung des Vergleichs. Ein Motivirrtum liegt vor, wenn eine Partei sich über die Beweggründe für den Abschluss des Vergleichs irrt. Dieser Irrtum ist nach § 119 Abs. 1 BGB unbeachtlich und führt nicht zur Unwirksamkeit des Vergleichs.
Die Bindungswirkung eines Prozessvergleichs bedeutet, dass die Parteien an die im Vergleich getroffenen Vereinbarungen gebunden sind. Ein Vergleich hat die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils und beendet den Rechtsstreit endgültig. Dies gilt auch dann, wenn der Vergleich auf einem fehlerhaften Gutachten basiert. Die Parteien können sich nicht nachträglich auf den Fehler des Sachverständigen berufen, um den Vergleich anzufechten.
Ein Schadensersatzanspruch gegen den Sachverständigen kann jedoch in Betracht kommen, wenn dieser durch sein fehlerhaftes Gutachten einen Schaden verursacht hat. In solchen Fällen muss der Geschädigte nachweisen, dass der Sachverständige seine Pflichten verletzt hat und dass diese Pflichtverletzung kausal für den entstandenen Schaden war. Ein solcher Anspruch richtet sich jedoch nicht gegen den Vergleich selbst, sondern gegen den Sachverständigen persönlich.
Ein gerichtlicher Vergleich kann nur innerhalb einer bestimmten Frist angefochten werden. Die Anfechtung muss unverzüglich erfolgen, nachdem der Anfechtende den Anfechtungsgrund erkannt hat. Bei einem Irrtum beträgt die Frist in der Regel zwei Wochen, bei arglistiger Täuschung oder Drohung ein Jahr.
Ein wirksamer Vergleich setzt voraus, dass keine prozessualen oder materiell-rechtlichen Mängel vorliegen. Prozessuale Mängel können beispielsweise in einer fehlerhaften Protokollierung des Vergleichs bestehen. Materiell-rechtliche Mängel können sich aus einem Irrtum oder einer Täuschung über wesentliche Vertragsbestandteile ergeben.
Die Anfechtungserklärung muss gegenüber dem Vertragspartner, also der gegnerischen Partei, erfolgen. Eine Anfechtung gegenüber dem Gericht allein ist nicht ausreichend.
Ein unwirksamer Vergleich führt dazu, dass der ursprüngliche Rechtsstreit fortgesetzt wird. Das Gericht prüft dann die geltend gemachten Mängel und entscheidet, ob der Vergleich wirksam ist oder nicht.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 779 BGB: Regelt die Unwirksamkeit eines Vergleichs bei beiderseitigem Irrtum über einen außerhalb des Streits der Parteien liegenden Umstand. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob der Sachverständigenfehler einen solchen Irrtum begründet.
- § 119 BGB: Bezieht sich auf die Anfechtung wegen Irrtums. Der Kläger argumentiert, dass er sich über wesentliche Umstände geirrt habe, was zur Anfechtung des Vergleichs führen sollte.
- § 123 BGB: Betrifft die Anfechtung wegen Täuschung. Der Kläger behauptet, der Sachverständige habe bewusst falsche Angaben gemacht und dies rechtfertige die Anfechtung des Vergleichs.
- § 97 Abs. 1 ZPO: Regelt die Kostenverteilung bei erfolgloser Berufung. Hier trägt der Kläger die weiteren Kosten des Rechtsstreits, da seine Anfechtung des Vergleichs nicht erfolgreich war.
- §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO: Bestimmt die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils. Das Urteil ist trotz der Anfechtung sofort vollstreckbar.
- § 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 544 ZPO: Beschränken die Darstellung des Tatbestandes in bestimmten Urteilen. Diese Paragraphen sorgen dafür, dass in bestimmten Fällen die Entscheidungsgründe verkürzt dargestellt werden dürfen, was im vorliegenden Fall angewendet wurde.
- BGH, Beschl. vom 18.09.1996 – VIII ZB 28/96: Betont, dass die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs durch Fortsetzung des alten Verfahrens zu klären ist. Im vorliegenden Fall hat das Gericht diesen Grundsatz angewendet, um die Gültigkeit des Vergleichs zu bestätigen.
- OLG Hamm, Urteil vom 21.02.2005 – 13 U 25/04: Stellt klar, dass die Richtigkeit eines Sachverständigengutachtens kein als feststehend zugrunde gelegter Sachverhalt ist. Diesem Urteil folgt das OLG Hamm im vorliegenden Fall, um die Unwirksamkeit der Anfechtung zu begründen.
⬇ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Hamm
OLG Hamm – Az.: 26 U 2/23 – Urteil vom 12.04.2024
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch Vergleich vom 10.11.2023 erledigt ist.
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger hat ursprünglich Schmerzensgeld und die Feststellung von Schadensersatzansprüchen infolge ärztlicher Behandlungen begehrt.
Im Senatstermin vom 10.11.2023 haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, nachdem die Beklagte zu 1) an den Kläger zur Abgeltung aller Forderungen im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen stationären Behandlung vom 20.02.2014 bis zum 06.04.2014 einen Betrag von 2.000 € zahlt. Der Kläger hat diesem Vergleich sofort vorbehaltlos zugestimmt, die Beklagten behielten sich den Widerruf des Vergleichs bis zum 01.12.2023 vor. Ein Widerruf ist nicht erfolgt.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 14.11.2023 gegenüber den Beklagtenvertretern die Anfechtung des Vergleichs bzw. seiner Willenserklärung zum Abschluss des Vergleichs gem. §§ 119, 123 BGB erklärt.
Der Kläger beantragt nunmehr unter Stellung seiner Anträge auf Aufhebung des Versäumnisurteils vom 12.05.2023 und Abänderung des Urteils dahingehen, dass die Beklagten zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes verpflichtet sind und die weitere Ersatzpflicht festgestellt wird -, den ursprünglichen Rechtsstreit fortzusetzen.
Die Beklagten beantragen festzustellen, dass der Rechtsstreit durch Vergleich vom 10.11.2023 erledigt ist.
Wegen des genauen Wortlauts der gestellten Anträge wird auf das Protokoll des Senatstermins vom 12.04.2024 Bezug genommen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die angefochtene Entscheidung und die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Im Übrigen wird von der weiteren Darstellung des Tatbestandes gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 544 ZPO abgesehen.
II.
Der Rechtsstreit der Parteien war nach Abschluss des Vergleichs vom 10.11.2023 nicht vor dem Senat fortzusetzen. Der Vergleich ist nicht durch die Beklagten innerhalb der – nur den Beklagten zustehenden – Widerrufsfrist widerrufen worden. Auch im Übrigen ist von einer Wirksamkeit des Vergleiches auszugehen, insbesondere greift die vom Kläger erklärte Anfechtung des Vergleichs nicht durch. Demgemäß war auszusprechen, dass der Rechtsstreit erledigt ist.
1) Der Streit über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs ist aus verfahrensrechtlichen Gründen durch Fortsetzung des alten Verfahrens auszutragen, indem die Partei, die den Vergleich für unwirksam hält, Terminsantrag mit dieser Begründung stellt. Das gleiche gilt für den Streit über die anfängliche materielle Unwirksamkeit des Vergleichs z.B. wegen Nichtigkeit oder Anfechtung. Bringt die Fortsetzung des alten Verfahrens das Ergebnis, dass der Vergleich wirksam ist, so ist durch Endurteil (vgl. BGH, Beschl. vom 18.09.1996 – VIII ZB 28/96, NJW 1996, 3345) auszusprechen, dass der Rechtsstreit durch Vergleich erledigt ist (vgl. Grüneberg/Sprau, BGB, 83. Aufl., § 779 Rn. 31).
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Prozessvergleich den Rechtsstreit nicht beendet hat, trägt derjenige, der dies geltend macht (BeckOK BGB/Rudolf Fischer, 68. Ed. 01.05.2023, BGB § 779 Rn. 119), hier der Kläger.
2) Der Kläger kann sich zunächst nicht darauf berufen, dass der Vergleich unwirksam ist.
Ein Vergleich ist nach § 779 Abs. 1 BGB, der auch auf Prozessvergleiche anwendbar ist, dann unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Geregelt wird hier der Fall eines beiderseitigen Irrtums über einen Umstand, der außerhalb des Streits der Parteien lag (Grüneberg/Sprau, BGB, 83. Aufl., § 779 Rn. 1, 29).
Die Richtigkeit der Angaben eines gerichtlichen Sachverständigen ist kein von den Parteien als feststehend zu Grunde gelegter Sachverhalt (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21.02.2005 – 13 U 25/04, NJW-RR 2006, 65.). Hier befand sich der Kläger – nach eigenem Vortrag – allenfalls in einem tatsächlichen Irrtum über einen Umstand, der vor dem Vergleich als streitig oder ungewiss angesehen wurde, nämlich die Möglichkeit und Verfügbarkeit alternativer Behandlungsmethoden. Auch zu diesem Streitgegenstand ist durch die Beauftragung des Sachverständigen Beweis erhoben und dessen Ergebnisse sind bei der Streitbeilegung zu Grunde gelegt worden. Die Parteien sind vorliegend demnach gerade nicht übereinstimmend von dem Bestehen einer bestimmten Behandlungsalternative ausgegangen; vielmehr wurde durch die Beweisaufnahme diese durch das Gutachten erst ermittelt und erörtert. Für streitige oder ungewisse Umstände, deren Bedeutung und Folgen die Parteien zur Streitbeilegung im Vergleich regeln, die in Wahrheit aber von den angenommenen Größen abweichen, übernehmen die Parteien selbst das Risiko. Der Fall des § 779 Abs. 1 BGB betrifft einen beiderseitigen Irrtum über einen Umstand, der außerhalb des Streits der Parteien lag (vgl. OLG Hamm, a.a.O.).
3) Der Vergleich ist auch nicht auf Grund der erklärten Anfechtung des Klägers vom 14.11.2023 unwirksam.
a) Der Tatbestand des § 119 Abs. 1 BGB ist nicht erfüllt. Der Kläger befand sich bei seiner Erklärung nicht über deren Inhalt im Irrtum; er wollte auch eine Erklärung dieses Inhalts abgeben.
Irrtümer über Motive oder im Rahmen der Kalkulation sind beim Abschluss eines Prozessvergleiches unbeachtlich (Jahnke/Burmann Hdb Personenschaden, 8. Kap. Abwicklung Rn. 112, beck-online). Insbesondere berechtigt auch ein Fehler des Sachverständigen nicht zur Anfechtung des Vergleichs, selbst wenn dessen unrichtige Ausführungen maßgeblich für die Höhe des Vergleichs waren (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21.02.2005 – 13 U 25/04, NJW-RR 2006, 65).
Insofern kann vorliegend dahinstehen, ob die Ausführungen des Sachverständigen ### zur Durchführung der Laserenukleation Jahr 2014 inhaltlich zutreffend waren. Selbst wenn hier durch die Aussage des Sachverständigen bei dem Kläger eine Fehlvorstellung entstanden sein sollte, handelte es sich lediglich um einen unbeachtlichen Motivirrtum, der nicht zur Anfechtung der Willenserklärung berechtigt.
Zudem handelt es sich bei einer Behandlungsmethode nicht um eine verkehrswesentliche Eigenschaft eines Vergleichs im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB.
b) Auch die Voraussetzungen des § 123 Abs. 2 BGB liegen nicht vor.
Es ist – was der Kläger darzulegen und zu beweisen hätte – bereits weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich, dass überhaupt eine arglistige Täuschung des Sachverständigen oder auch nur eine bewusst falsche Angabe des Sachverständigen vorgelegen hat. Die Behauptung des Klägers, der Sachverständige habe gewusst, dass seine Angaben nicht stimmen, erfolgt ersichtlich ins Blaue hinein. Hierfür sind keinerlei Anknüpfungstatsachen vorgetragen oder sonst ersichtlich. Der Kläger trägt selbst vor, es könne insoweit „nur gemutmaßt werden“.
Jedenfalls ist – was nach § 123 Abs. 2 S. 1 BGB zudem erforderlich wäre -, auch nicht ersichtlich, dass die Beklagten diese mutmaßliche arglistige Täuschung des Sachverständigen kannten oder hätten kennen müssen. Auch der Kläger mutmaßt insofern lediglich, dass dies „unterstellt werden müsse“.
c) Auf die von den Beklagten aufgeworfene Frage, ob die Anfechtungserklärung überhaupt unverzüglich erfolgt ist, kommt es danach nicht mehr an.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.