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Geruchsbelästigung in Mehrfamilienhaus – Mietminderung

AG Charlottenburg, Az.: 213 C 94/10, Urteil vom 12.07.2010

1. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner 454,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 05.04.2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Auf die Widerklage hin wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagten 330,- € zu zahlen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 2/3 und die Beklagten 1/3 als Gesamtschuldner.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnanlage … Berlin.

Die Beklagten sind laut Mietvertrag vom 14.04. 2008 Mieter der im 2. Obergeschoss links gelegenen Wohnung, für die ein monatlicher Mietzins in Höhe von 1.819,20 € zu zahlen ist.

Die Beklagten zahlten im Monat Januar 2010 und Februar 2010 jeweils lediglich 1.569,36 € Miete, im Monat März 2010 lediglich 1.734,28 € und im April 2010 nur 1.651,82 €.

Geruchsbelästigung in Mehrfamilienhaus – Mietminderung
Symbolfoto: nicotombo/Bigstock

In der im 1. Obergeschoss auf der den Beklagten gegenüberliegenden Seite Wohnung wohnte bis zum Jahreswechsel 2009/2010 der Mieter … Der Mieter trug Windeln und hatte einen Hund, der in das Treppenhaus urinierte. Seit Januar 2010 befand sich der Mieter im Krankenhaus. Aus seiner Wohnung drangen Gerüche in das Treppenhaus Da der Mieter, aufgrund von Alter und Krankheit, nur langsam gehen konnte, stand die Tür häufig länger offen, etwa wenn der Mieter seinen Hund nach draußen brachte. Häufig lüftete der Mieter seine Wohnung durch Öffnen der Tür, weil ihm regelmäßig das Essen anbrannte.

Am 14. November 2009 zeigten die Beklagten gegenüber der Klägerin einen inakzeptablen Geruch des Treppenhauses an und baten um die Beseitigung dieses Zustands. Die Klägerin teilte daraufhin mit, sie habe den Mieter auf die Geruchsbelästigung hingewiesen.

Am 30. Dezember 2009 riefen die Beklagten wegen des Geruchs bei der Klägerin an, woraufhin ihre Mitarbeiterinnen … zu der Wohnanlage kamen. Diese bezeichneten den Gestank aus der Wohnung unter anderem als „chemisch“. Zur Abhilfe wurde seitens der Mitarbeiterinnen der Klägerin angeboten, die Tür der Beklagten abzudichten, was jedoch in der Folgezeit wieder verworfen wurde.

In der Folgezeit holten die Beklagten ein privates Gutachten des Sachverständigen für Baubiologie und Umweltanalytik … ein. Der Gutachter stellte fest, dass vor der besagten Wohnungstür im 1. Obergeschoss links, eine geruchliche Auffälligkeit deutlich wahrnehmbar sei, welche sich um ein mehrfaches direkt an der geöffneten Briefklappe der Tür verstärke. Die Gerüche seien ebenfalls eine Etage höher vor der Wohnungstür des … wenn auch schwächer, noch wahrnehmbar. Des Weiteren wird ausgeführt, das Geruchsbild sei ähnlich sich zersetzender menschlicher Ausscheidungen, wobei auch Zersetzungen von organischem Müll oder ähnlichem möglich seien. Hinsichtlich des genauen Inhalts des Gutachtens vom 23.03.2010 wird auf die Anlage B 9, Bl. 29-31 d.A., Bezug genommen.

Mitte März setzten intensive Putz- und Aufräumarbeiten in der Wohnung ein. Gleich mehrere Personen füllten mit einer Vielzahl von Mülltüten sämtliche Mülleimer der Wohnanlage. Die Fenster der in Rede stehenden Wohnung wurden geöffnet. In der 2. Märzhälfte verbesserte sich durch die Aufräumarbeiten und durch eine vom Gesundheitsamt, welches von den Beklagten eingeschaltet wurde, durchgeführte Grundreinigung, die Situation.

Danach war der Geruch wieder vernehmbar.

Die Klägerin behauptet, es seien zu keinem Zeitpunkt Gerüche in der Wohnung der Beklagten wahrnehmbar gewesen, die diese zu einer Minderung der Miete berechtigt hätten. Insbesondere seien die Gerüche nur deutlich wahrnehmbar gewesen, wenn die Briefklappe der besagten Wohnung im 1. Obergeschoss geöffnet worden sei.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.071,98€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 05.04.2010 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Ferner erheben die Beklagten Widerklage auf Zahlung von 330,- EUR durch die Klägerin an die Beklagten.

Den weitergehenden Widerklageantrag auf Festsetzung eines angemessenen Minderungsbetrages hinsichtlich der Miete für die Zeit ab 15.11.2009 haben die Beklagten vor Eintritt in die mündliche Verhandlung zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten meinen, sie seien in den Monaten November und Dezember 2009 zu einer Minderung von 20 %, in den Monaten Januar, Februar und März 2010 zu einer Minderung von 10 % und im Monat April 2010 zu einer Minderung von 5 % der Bruttomiete berechtigt gewesen. Sie behaupten unter Bezugnahme auf das von ihnen in Auftrag gegebene Gutachten, die Gerüche aus der Wohnung des Mieters … seien kaum auszuhalten. Es röche nach Zersetzungsprozessen menschlicher Ausscheidungen sowie organischem Hausmüll. Die Gerüche würden sich auf den wenigen Metern Abstand durch den Luftaustausch vor ihre Tür bewegen und bei hinreichender Intensität in ihre Diele ziehen. Über Wochen und Monate hätten die Beklagten und ihre Kinder in der Regel nur mit einem vor Mund und Nase gehaltenen Tuch das Treppenhaus passieren können. Weiterhin meinen sie, die Einholung eines Privatgutachtens sei für ihre Rechtsverteidigung notwendig gewesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Entrichtung rückständigen Mietzinses für den Zeitraum Januar bis April 2010 gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gem. §§ 535 II, 421 BGB in Höhe von 454,74 €.

Den Beklagten stand in den Monaten Januar bis April 2010 ein Minderungsrecht aus § 536 I BGB zu, und zwar in Höhe von 10 % der Gesamtmiete für die Monate Januar und Februar 2010, von 7,5 % für den Monat März 2010 und von 5 % der Gesamtmiete für April 2010. Demnach war die vertraglich vereinbarte Gesamtmiete in Höhe von 1.819,20 € in den Monaten Januar und Februar jeweils um einen Betrag von je 189,92 € gemindert, im März 2010 um 142,44 € und im April um 94,96 €.

Die von den Beklagten gemietete Wohnung war in dem genannten Zeitraum mit einem Mangel behaftet, der die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung in einem nicht nur unerheblichem Ausmaß beeinträchtigt hat. Dieser Mangel zeigte sich in Gestalt eines aus der im 1. Obergeschoss links dringenden erheblichen Geruches ähnlich sich zersetzender menschlicher Ausscheidungen oder Zersetzungen von organischem Müll oder ähnlichem. Die Beklagten haben derartige Geruchsbeeinträchtigungen sowohl bei Benutzung des Treppenhauses wie auch noch vor ihrer Wohnung bis in die Diele ihrer Wohnung hinein schlüssig vorgetragen, indem sie das Gutachten des Sachverständigen für Baubiologie und Umweltanalytik … vom 23.03.2010 vorgelegt haben. Soweit der Gutachter ausführt, die Gerüche seien eine Etage höher vor der Wohnungstür des … wenn auch schwächer, noch wahrnehmbar, steht dies dem Vortrag der Beklagten, dass der Geruch bis zu ihrer Wohnungstür und in ihre Diele ziehe, nicht entgegen. Denn die Ausführungen des Gutachtens besagen gerade nicht, dass der Geruch vor der Wohnungstür nicht mehr wahrnehmbar war, sondern eben nur schwächer als unmittelbar vor der Wohnung im 1. Obergeschoss links. Zudem spricht auch der schlüssige Vortrag der Beklagten, sie und ihre Kinder hätten wochenlang nur mit einem Tuch vor dem Mund das Treppenhaus durchqueren können, für eine außerordentliche Belastung. Selbst wenn diese je nach Intensität der Lüftung und Temperatur variierte, so stellt dies einen Umstand dar, der für die Beklagten eine nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache vom vertraglich Vereinbarten darstellt.

Die Beklagten zeigten den Mangel gem. § 536c I S.1 BGB am 30. Dezember 2009 auch telefonisch bei der Klägerin an.

Die Quoten ergeben sich daraus, dass die Geruchsbelästigung in den Monaten Januar 2010, Februar 2010 und in der ersten Hälfte des Monats März 2010, obwohl sich der Mieter der streitgegenständlichen Wohnung im Krankenhaus befand, aufgrund der noch nicht ausgeführten Reinigung, stärker und somit beeinträchtigender gewesen ist, als in der zweiten Märzhälfte und im April, nachdem eine Grundreinigung der Wohnung stattgefunden hatte. Eine Minderung für die Zeit nach der Reinigung rechtfertigt sich damit, dass der unangenehme Geruch – wenn auch abgeschwächt – weiterhin fortdauerte.

Eine höhere Minderungsquote, wie von den Beklagten geltend gemacht, erscheint nicht angemessen, da sowohl die allgemeine wie auch die nachbarliche Rücksichtnahme auf die Schwächen und Gebrechen eines alternden Mitmenschen eine erhöhte Toleranz gebietet.

Auch ist die von den Beklagten geltend gemachte rückwirkende Minderung für die Monate November und Dezember 2009 gemäß § 814 BGB ausgeschlossen. Soweit die Beklagten bei Zahlung der Mieten für die Monate Januar bis April 2010 Minderungsbeträge für die Monate November und Dezember 2010 in Abzug gebracht haben, stellt dies eine Aufrechnung mit einem Bereicherungsanspruch wegen zuviel, weil geminderter Miete für die Monate November und Dezember 2009 gemäß § 812 Abs.1 Satz 1 1. Alt. BGB dar. Den Beklagten steht ein derartiger Bereicherungsanspruch für die Zeit vor Januar 2010 indes gemäß § 814 BGB nicht zu, weil sie die vollständige Miete in den Monaten November und Dezember 2010 in Kenntnis des Mangels an die Klägerin gezahlt haben, ohne einen entsprechenden Zahlungsvorbehalt zu erklären.

Der Zinsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 I BGB.

II.

Die Widerklage ist zulässig und begründet.

Die Beklagten haben einen Anspruch gegen die Klägerin auf Erstattung der Kosten für die Einholung eines privaten Gutachtens in Höhe von 330,- € aus § 536 a II Nr. 1 BGB.

Ein Sachmangel liegt in Form des belästigenden Geruches vor.

Die Klägerin befand sich mit der Beseitigung des Mangels in Verzug. Trotz mehrmaliger Aufforderung der Beklagten, etwas gegen die Gerüche zu unternehmen, unter anderem vom 14. November 2009, sowie vom 30. Dezember 2009, blieb es bei dem schlechten Zustand der Mietsache.

Diesen Umstand hat die Klägerin insoweit zu vertreten, als dass sie die Möglichkeiten gehabt hätte, auf den verursachenden Mieter einzuwirken. Es wäre von ihr dahingehend verstärkt auf den Mieter einzuwirken gewesen, als unter Umständen die zuständigen Pflegestellen hätten eingeschaltet werden müssen. Ferner hätte eine Wohnungsbesichtigung mit nachfolgender Veranlassung einer Reinigung stattfinden können.

Die Einschaltung eines Sachverständigen und demnach die Entstehung der Kosten für diesen erscheinen als erforderliche Aufwendungen. Erforderlich sind Aufwendungen dann, wenn der Mieter sie nach verständiger und sorgfältiger Prüfung für geeignet und notwendig erachtet, die Sache in vertragsgemäßen Zustand zu versetzen. Nachdem die Beklagten der Klägerin mehrmals vergeblich die Zustände in ihrer Wohnung angezeigt hatten und die Situation weiter fortdauerte, gingen sie nachvollziehbar davon aus, dass das Urteil eines Gutachters dazu führen könnte, die Klägerin zum Handeln zu bewegen. Sie durften die gutachterliche Feststellung eines tatsächlich vorliegenden Mangels als realistische Chance ansehen, den Ernst ihrer Lage zu verdeutlichen und eine Verbesserung des Zustand herzustellen.

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Die Einholung des Gutachtens war auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung der Rechte der Beklagten erforderlich. Im Falle eines streitigen Verfahrens hätte eine Inaugenscheinnahme durch das Gericht vermutlich nicht den notwendigen Beweis für ihre vorhandene Berechtigung zur Mietminderung in den streitigen Monaten erbringen können. Gegebenenfalls wäre nämlich im Zuge einer Klage die Mangelbeseitigung seitens der Klägerin vorgenommen worden und somit hätte ein Nachweis bei einem Ortstermin durch das erkennende Gericht nicht erbracht werden können. Dies resultiert schon aus der Art des Mangels. Ein Geruch ist ausschließlich über die Nase sinnlich wahrnehmbar. Eine nachträgliche Feststellung wird nach Behebung des Problems nie möglich sein, da der Geruch nicht mehr vorhanden ist. Eine anderweitige Sicherung beispielsweise mittels eines Fotos ist unmöglich.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 I S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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