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Gesamtschuldnerausgleich bei der Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft

Oberlandesgericht in Bremen, Az.: 4 W 5/15, Beschluss vom 15.01.2016

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts vom 24.6.2015 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Gesamtschuldnerausgleich.

In den Jahren 2006 bis 2010 führten der Kläger und die Beklagte eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Im Jahre 2007 erwarb die Beklagte eine Eigentumswohnung für 360.000 €. Die Immobilie wurde durch zwei jeweils gemeinsam von den Parteien bei der Sparkasse […] aufgenommene Darlehen finanziert. Der Kläger leistete während der bestehenden Lebensgemeinschaft die Kreditraten. Nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Frühjahr 2010 stellte er die Ratenzahlungen ein, woraufhin die Bank am 29.10.2010 die Darlehen kündigte und zur sofortigen Rückzahlung fällig stellte. Zu diesem Zeitpunkt war das Darlehen mit der Endnummer […] 8 inklusive eines Vorfälligkeitsentgeltes noch in Höhe eines Gesamtbetrages von 289.727,50 € zurück zu zahlen; das Darlehen mit der Endnummer […] 4 war noch hinsichtlich eines Gesamtbetrages von 132.177,33 € offen (Bl. 30 der Akte). Die Beklagte verkaufte die Wohnung im Dezember 2011. Der Verkaufserlös wurde zur kompletten Rückführung des Darlehens mit der Endnummer […] 8 sowie i.H.v. 48.124,26 € zur Rückführung des Darlehens mit der Endnummer […] 4 verwandt. Zur Rückführung der noch offenen Darlehensschuld von 84.053,07 € hinsichtlich des Darlehens mit der Endnummer […] 4 verwertet die Bank die ihr vom Kläger zur Sicherung abgetretene Lebensversicherung bei der Allianz i.H.v. 79.726,18 € sowie den ebenfalls von ihm abgetretenen Bausparvertrag mit einem Erlös von 6.807,48 €. Zudem verlangte die Sparkasse vom Kläger eine Vergleichszahlung i.H.v. 2.500 € und nahm eine Kontopfändung bei ihm vor, woraus sie weitere 1.864,96 € erlöste. Hinsichtlich der vorgenannten Beträge hat der Kläger von der Beklagten Erstattung gemäß § 426 BGB verlangt. Die Beklagte hat die Zahlung verweigert. Gegen einen am 30.7.2014 erlassenen Mahnbescheid über 85.117,62 €, der der Beklagten am 2.8.2014 zugestellt worden ist, hat diese Widerspruch eingelegt. Im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens hat die Beklagte Zweifel an der wirtschaftlichen Bedürftigkeit des Klägers geäußert und gegen den von ihm geltend gemachten Anspruch die Einrede der Verjährung erhoben. Zudem hat sie geltend gemacht, dass dem Kläger auch deshalb kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe zustünde, weil die von ihm angestrebte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg habe und mutwillig sei. Die streitgegenständliche Wohnung sei der Beklagten vom Kläger geschenkt worden. Die Beklagte habe damals ebenso wie heute keine nennenswerten Einnahmen. Sie sei daher nicht in der Lage gewesen, die Darlehensraten gegenüber der Sparkasse zu begleichen. Die Rückzahlung habe daher der Kläger übernommen. Die finanziellen Einbußen, die der Kläger durch seine Zahlungseinstellung gegenüber der Sparkasse erlitten habe, könne er nicht ihr, der Beklagten, anlasten. Sie habe durch Rückübertragung der Immobilie auf die ursprüngliche Verkäuferin erheblich zur Rückführung der Darlehen beigetragen. Im Übrigen sei sie prozessunfähig, wie sich aus einem ärztlichen Dokument, das sie ihrem Schriftsatz beigelegt hat, entnehmen lasse.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 24.6.2015 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an den Kläger abgelehnt. Es hat sich auf einen fehlenden Nachweis der Bedürftigkeit des Klägers gestützt.

Gesamtschuldnerausgleich bei der Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
Symbolfoto: FreedomTumZ/Bigstock

Gegen diesen, seiner Prozessbevollmächtigten am 7.7.2015 zugestellten Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde, die am 22.7.2015 beim Landgericht Bremen eingegangen ist und der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die statthafte (§§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ZPO), form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es bedarf keiner weiteren Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers, da es hinsichtlich der von ihm beabsichtigten Klage auf Gesamtschuldnerausgleich bereits an der ausreichenden Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO fehlt.

1.

Ob die vom Landgericht vertretene Auffassung zutrifft, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe scheitere bereits daran, dass der Kläger seine Arbeitskraft nicht in hinreichendem Umfang eingesetzt habe, kann offen bleiben. Denn der beabsichtigten Klage fehlt zumindest die Erfolgsaussicht, da die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede durchgreift.

a) Der Kläger beruft sich auf die Voraussetzungen des § 426 BGB und fordert von der Beklagten einen Gesamtschuldnerausgleich. Dabei ist unstreitig, dass die Parteien im Jahre 2007 zwei Darlehen gesamtschuldnerisch aufgenommen haben, um damit den Immobilienerwerb durch die Beklagte zu finanzieren. Die mit den Beträgen angeschaffte Wohnung stand im Alleineigentum der Beklagten. Darlehensnehmer waren aber sowohl der Kläger als auch die Beklagte. Somit besteht grundsätzlich ein Gesamtschuldverhältnis zwischen ihnen und daher auch ein Ausgleichsanspruch desjenigen, der den Gläubiger über seinen Anteil hinaus befriedigt hat. Dies ergibt sich zum einen aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, aber auch aus § 426 Abs. 2 S. 1 BGB. Da in der gesetzlichen Regelung des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB formuliert ist, dass die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet sind, hat derjenige, der sich auf eine hiervon abweichende Regelung beruft, diese darzulegen und zu beweisen. Im vorliegenden Fall müsste demnach die Beklagte, die behauptet, der Kläger habe ihr die mit den Darlehen finanzierte Wohnung geschenkt mit der mutmaßlichen Folge, dass er sie auch dauerhaft von ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber der Bank aus den beiden Darlehensverträgen freigestellt hat, diese von der grundsätzlichen Regel in § 426 Abs. 1 S. 1 BGB abweichende Vereinbarung darlegen und beweisen. Ein Beweisangebot der Beklagten ist hier vonnöten, da der Kläger die behauptete Schenkung bestreitet. An einem Beweisangebot der Beklagten für ihre Behauptung (Schenkung als anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB) fehlt es bisher, weshalb der Anspruch des Klägers aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB nach derzeitigem Sachstand grundsätzlich begründet wäre.

b) Im vorliegenden Fall fehlt es aber an der hinreichenden Erfolgsaussicht der vom Kläger beabsichtigten Klage auf Gesamtschuldnerausgleich deshalb, weil die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede durchgreift.

Ansprüche auf Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 BGB verjähren in drei Jahren (§§ 195, 199 BGB). Die Verjährungsfrist ist hier mit dem 31.12.2013 abgelaufen.

Da der Kläger bis zur Trennung der Parteien die Kreditraten in voller Höhe gezahlt hat, ist zumindest aufgrund dieser ständigen Übung der Schuldentilgung anzunehmen, dass zwischen den Parteien eine konkludente anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB zustande gekommen ist, wonach der Kläger die Schuldentilgung zu übernehmen hatte. Durch die Trennung der Lebenspartner im Frühjahr 2010 sind hingegen die Umstände entfallen, denen man einen besonderen, von der gesetzlich vorgesehenen Halbteilung abweichenden Verteilungsmaßstab entnehmen konnte. Damit ist auch die bisher getroffene anderweitige Bestimmung entfallen und es kommt der gesetzliche Regelfall der Haftung zu gleichen Anteilen gemäß § 426 Abs. 1 S. 1 BGB zum Zuge, sofern nicht wiederum eine anderweitige Bestimmung bzw. besondere Umstände vorliegen, aus denen sich ein vom Regelfall abweichender Verteilungsmaßstab ergibt (vgl. Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 6. Auflage, Rn. 294). Dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Trennung der Parteien nach wie vor nicht zahlungsfähig war, um sich an der Rückführung der Kredite zu beteiligen, hindert hingegen nicht das Entstehen eines Anspruches auf Gesamtschuldnerausgleich (vgl. Wever, a.a.O., Rn. 295).

Der Ausgleichsanspruch desjenigen, der mehr geleistet hat als seiner Verpflichtung im Innenverhältnis entspricht, entsteht ohne besondere Geltendmachung. Der Anspruch kann grundsätzlich rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Scheiterns der nichtehelichen Lebensgemeinschaft geltend gemacht werden (vgl. Wever, a.a.O., Rn. 296). Schon vor der Befriedigung des Gläubigers hat jeder Gesamtschuldner gegenüber dem anderen einen Anspruch darauf, an der Befriedigung des Gläubigers entsprechend seinem Anteil im Innenverhältnis mitzuwirken. Dieser Anspruch richtet sich auf Befreiung (Freistellung) von dem Teil der Schuld, den der Mitschuldner im Innenverhältnis zu tragen hat. Allerdings wird dieser aus § 426 Abs. 1 BGB herzuleitende Befreiungsanspruch erst fällig, wenn auch die Gläubigerforderung fällig ist. Der Befreiungsanspruch beschränkt sich somit auf den fälligen Teil der Gesamtschuld; nach Fälligstellung der gesamten Verbindlichkeit – etwa durch Kündigung der Bank wegen Zahlungsrückständen – erfasst der Befreiungsanspruch die gesamte Schuld (vgl. Wever, a.a.O., Rn. 373, 374).

Ansprüche aus § 426 Abs. 1 BGB – unabhängig davon, ob sie auf Zahlung oder Befreiung gerichtet sind – unterliegen der regelmäßigen dreijährigen Verjährung gemäß § 195 BGB. Entstanden im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist ein Ausgleichsanspruch mit der Begründung und Fälligkeit der Gesamtschuld im Verhältnis zwischen Gesamtschuldgläubiger und Gesamtschuldnern. Die dreijährige Verjährungsfrist läuft für den Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB in seinen verschiedenen Ausprägungen einheitlich. Für den Beginn der Verjährung ist nicht auf den Schluss des Jahres abzustellen, in dem der Befreiungsanspruch fällig geworden ist, sondern auf den Schluss des Jahres, in dem die Forderung fällig geworden ist, von der zu befreien ist (vgl. Wever, a.a.O., Rn. 388, 389 m.w.N.).

Die Sparkasse […] hat die beiden streitgegenständlichen Darlehensverträge angesichts der aufgetretenen Zahlungsrückstände am 29.10.2010 gekündigt. Die Trennung der Parteien war bereits unstreitig im Frühjahr 2010 erfolgt, so dass zum Zeitpunkt der Kündigung durch die Bank die vor der Trennung der Parteien bestehende konkludente Vereinbarung hinsichtlich des Schuldenabtrags durch den Kläger nicht mehr bestand. Dass es nach der Trennung der Parteien zu einer neuen Vereinbarung gekommen ist, wonach der Kläger weiterhin den kompletten Schuldenabtrag zu leisten hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es ist somit davon auszugehen, dass mit Fälligstellung der gesamten noch offenen Kredite durch Kündigung der Bank im Oktober 2010 der Kläger einen fälligen Befreiungsanspruch gegen die Beklagte aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB hatte, sofern von ihm Zahlungen über die hälftige Darlehenstilgung hinaus verlangt wurden. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB hinsichtlich dieses Anspruches, der sich durch Zahlungen des Klägers an die Bank in einen Zahlungsanspruch umwandelte, begann somit am 1.1.2011 zu laufen. Am 1.1.2014 trat daher Verjährung hinsichtlich des Anspruches des Klägers aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB ein. Der den Lauf der Verjährungsfrist hemmende Mahnbescheid ist erst am 2.8.2014 und somit nach Verjährungseintritt der Beklagten zugestellt worden.

2.

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung bedarf es wegen der von ihr geltend gemachten Prozessunfähigkeit keiner Verfahrensaussetzung. Denn an diesem Einwand der Prozessunfähigkeit würde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht scheitern. Zwar hat das Gericht die Prozessvoraussetzungen zu prüfen. Dies geht allerdings nicht so weit, dass dem Kläger die Prozesskostenhilfe mit der Begründung verweigert werden kann, er habe die Prozessfähigkeit des Beklagten nicht nachgewiesen. Im Falle einer vermuteten Prozessunfähigkeit des Beklagten muss vielmehr das Gericht Prozesskostenhilfe bewilligen und anschließend von Amts wegen die Prozessfähigkeit im Hauptsacheverfahren klären (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 31. Auflage, § 114 Rn. 22).

3.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

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