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Geschäftsführerdienstverhältnis – fristlose Kündigung – Urlaub

LANDGERICHT NÜRNBERG-FÜRTH

Az: 2 HK O 9434/01

Urteil vom 07.05.2002 – rechtskräftig!


Das Landgericht Nürnberg-Fürth, 2. Kammer für Handelssachen, erläßt wegen Feststellung u.a. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3.4.2002 folgendes Endurteil:

I. Es wird festgestellt, daß das Geschäftsführerdienstverhältnis des Klägers bei den Beklagten nicht durch die fristlose Kündigung vom 27.10.2001 aufgelöst wurde.

II. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand:

Die Beklagten haben den Kläger am 14.5.2001 mit Wirkung ab 15.5.2001 zum .alleinigen Geschäftsführer der Beklagten bestellt. Unter § 8 Abs.2 des Geschäftsführervertrages wurde zur Kündigungsfrist folgende Regelung getroffen:

„Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende bis endgültig der S-F gegründet und die Gelder einbezahlt und mindestens vier Gesellschaften vom S-F finanziert sind. Danach gilt folgende Regelung: Die Kündigungsfrist beträgt im ersten Jahr 6 Monate zum Quartalsende und danach 12 Monate zum Quartalsende.“

Unter § 8 Absatz 3 wurde betreffend die außerordentliche Kündigung vereinbart:

„Das Recht zur außerordentlichen Kündigung dieses Vertrages aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Ein wichtiger Grund für die Gesellschaft liegt insbesondere vor, wenn der Geschäftsführer gegen die Bestimmungen dieses Vertrages oder die ihm im Innenverhältnis auferlegten Beschränkungen hinsichtlich der Geschäftsführung verstößt.“

Unter § 7 Absatz 2 wurde betreffend den Urlaub des Geschäftsführers folgende Regelung getroffen:

„Der Geschäftsführer wird den Urlaubszeitpunkt angemessen im voraus mit der Gesellschafterversammlung sowie ggf. den anderen Geschäftsführern unter Wahrung der Belange der Gesellschaft abstimmen.“

Die Beklagten kündigten dem Kläger mit Brief vom 16.8.2001 die Anstellungsverträge mit Wirkung zum 30.11.2001.

Der Kläger hatte für die Zeit vom 20.8.2001 bis 1.9.2001 einen Postlagerauftrag erteilt.

Am 21.8.200l übersandten die Beklagten dem Kläger unter dessen email-Adressen XXX.

Nachdem der Kläger den Beklagten mitteilte, das Einschreiben, welches die Kündigung enthielt, erst am 1.9.2001 erhalten zu haben, forderten die Beklagten den Kläger mit Schreiben vom 15.10.2001 auf, zu erklären, von wann bis wann er sich in Urlaub befunden habe, wer in der Urlaubszeit in seinem Auftrag die emails und die Post entgegen genommen habe, bzw. wer hierzu bevollmächtigt war. Dem Kläger wurde zur Antwort eine Frist bis 19.10.2001, 15.00 Uhr gesetzt, widrigenfalls die fristlose Kündigung ausgesprochen werde.

Mit Einschreiben vom 27.10.2001 erklärten die Beklagten dem Kläger die fristlose Kündigung, welche darauf gestützt wurde, daß die Erklärungsfrist bis zum 19.10.2001 verstrichen war, ohne daß der Kläger auf die Fragen der Beklagten geantwortet hätte.

Der Kläger behauptet, er habe sich vom 18.8. bis 1.9.2001 in Urlaub befunden und den Einschreibebrief erst am 1.9.2001 von der Post abgeholt. Auch seinen Computer habe er erst am 1.9.2001 geleert. Er behauptet, sein „Websurfer“ sei durch eine „IP-Tabelle firewall“ geschützt. Seine Homepage sei mit sog. „relay & spoofing-Tabellen“ geschützt, die es nur dem Benutzer erlauben, mit einer Authentifizierung emails zu senden und zu empfangen. Diese email-Konten seien aus Sicherheitsgründen nicht mit einem sog. Browser abrufbar, da dies einen groben Verstoß gegen alle Sicherheitsrichtlinien darstelle. Die emails können nur mit einem emailclient abgerufen werden, wie z.B. Microsoft Outlook oder ähnlich vergleichbaren email-Programmen .

Der Kläger stellt folgende Anträge:

I.

Es wird festgestellt, daß das Geschäftsführerdienstverhältnis des Klägers bei den Beklagten durch deren fristlose Kündigung vom 27.10.2001 nicht aufgelöst wurde.

II.

Es wird festgestellt, daß das Geschäftsführerdienstverhältnis des Klägers bei den Beklagten durch deren Kündigung vom 16.8.2001 nicht zum 30.11.2001 aufgelöst wird, sondern bis 31.12.2001 fortbesteht.

Die Beklagten beantragen, Klageabweisung. Die Beklagten meinen, der Kläger habe den Urlaub unter Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten nicht mit der Gesellschafterversammlung abgestimmt. Der Umstand, daß er trotz Aufforderung nicht fristgemäß Auskunft über die Dauer seines Urlaubs und die Stellvertretung in seiner Urlaubs-zeit erteilt habe, begründe einen Grund zur außerordentlichen Kündigung seitens der Gesellschaften.

Die Beklagten bestreiten, daß sich der Kläger im behaupteten Zeitraum in Urlaub befunden habe. Die Beklagten sind der Ansicht, daß der Kläger, nachdem er im Geschäftsverkehr unter Angabe von email-Adressen auftrete, emails gegen sich gelten lassen müsse, auch wenn er seinen Computer nicht geleert habe.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die von den Parteien übergebenen Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.

Entscheidungsgründe:

1.

Die Feststellungsklage ist zulässig:

Der Kläger hat ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Unwirksamkeit der ordentlichen und der fristlosen Kündigung, da die Dauer des Dienstverhältnisses als Geschäftsführer Grundlage für Gehalts- bzw. Vergütungs- oder Sozialversicherungsansprüche sein kann (§ 256 Abs.l ZPO).

2.

Die Klage ist jedoch lediglich in Ziffer l begründet:

2.1

Das Geschäftsführerdienstverhältnis des Klägers wurde durch die fristlose Kündigung vom 27.10.2001 nicht aufgelöst. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers setzt Tatsachen voraus, die aus der Sicht eines verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der weiteren Zusammenarbeit die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf ordentlicher Kündigungsfrist unzumutbar machen (Baumbach/Hueck, GmbHG, 17.Aufl., § 35 GmbHG, Rdnr.llSa).

Eine erhebliche Pflichtverletzung bzw. ein schwerer Treueverstoß liegt weder im Urlaubsanritt des Klägers noch in der Nichteinhaltung der von den Beklagten gesetzten Frist:

Zwar war der Kläger gemäß § 7 Abs.2 des Geschäftsführervertrages verpflichtet, „den Urlaubs-Zeitpunkt angemessen im Voraus mit der Gesellschafterversammlung sowie ggf. den anderen Geschäftsführern unter Wahrung der Belange der Gesellschaft abzustimmen“. Jedoch hat der Kläger von den Beklagten unwidersprochen- vorgetragen, er habe bereits im März 2001 dem Gesellschafter Dr.X) angekündigt, daß er in der 2. Augusthälfte in Urlaub gehen werde, woraufhin er zur Antwort bekommen, daß dies überhaupt kein Problem sei. Der Kläger hat es zwar entgegen § 7 Abs.2 unterlassen, den Urlaub mit der Gesellschafterversammlung abzustimmen; diese Vertragsverletzung stellt jedoch keinen schweren Pflicht- oder Treueverstoß im Sinne eines wichtigen Kündigungsgrundes dar, zumal es an jeder Darlegung der Beklagten fehlt, inwieweit durch den Zeitpunkt des Urlaubsantritts konkrete Belange der Gesellschaften gefährdet worden wären. Aus diesem Grund ist auch die unterbliebene Auskunft des Klägers auf das Schreiben der Beklagten vom 15.10.2001 keine derart schwere Pflichtverletzung, daß sie eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnte. Denn die von den Beklagten eingeforderte Rechenschaft sollte nicht dem Schutz wichtiger Belange der Gesellschaften sondern der Überprüfung dienen, in welchem Zeitpunkt dem Kläger die ordentliche Kündigung zugegangen ist.

Hierzu hat der Kläger bereits mit Schreiben vom 2.9.2001 und vom 4.10.2001 (Anlagen B 5 und B 6) Stellung genommen.

Nach alledem ist die fristlose Kündigung vom 27.10.2001 unwirksam.

2.2

Wirksam ist hingegen die ordentliche Kündigung vom 16.8.2001 zum 30.11.2001:

2.2.1

Der Kläger hat unter Bezugnahme auf eine email eines A vom 30.1.2002 vorgetragen, seine email-Konten seien zwar nicht mit einem Internet-Browser abrufbar, jedoch mit einem emailclient, wie z.B. Microsoft Outlook oder vergleichbaren email-Programmen. Der Kläger, der für den unterbliebenen Zugang elektronischer Mitteilungen beweispflichtig ist (OLG München, NJW 1994, 527 zum Faxzugang) , hat jedoch nicht dargelegt, weshalb er am Ausleeren seiner Mailbox mittels eines emailclient (Microsoft Outlook) gehindert gewesen wäre.

Im übrigen betreffen die vom Kläger in bezug genommenen Ausführungen zum Schutz der email-Adresse vor unberechtigten Abrufen mittels web-Browser lediglich die Adresse www. XXXXXXde, wo hingegen die Beklagten unstreitig die Kündigungserklärung an die Anschriften XXXXXX.

Hinsichtlich der zweiten Anschrift fehlt es an jeden Darlegungen des Klägers.

Dieser tritt unstreitig im, Geschäftsverkehr unter Verwendung beider, genannter Internet-Adressen auf. Aus diesem Grund gilt eine elektronische Erklärung am Tag des Eingangs in den elektronischen Empfängerbriefkasten als zugegangen (Ultsch, Zugangsprobleme bei elektronischen Willenserklärungen, dargestellt am Beispiel der Elektronik-mail, NJW 1997, 3007, 3008).

Mit Eingang der Erklärung in die Mailbox des Empfängers geht das Verlust- und Verzögerungsrisiko auf diesen über, da es zum Risikobereich des Empfängers gehört-, wenn. Störungen in seinem Machtbereich eintreten, beispielsweise, der unterlassene Abruf seiner Mailbox (Ultsch, a.a.O.).

2.2.2

Der Umstand, daß die email dem Kläger während dessen Urlaubs zugesandt wurden, ist für die Feststellung des Zugangs der Mitteilung unschädlich (BAG NJW 1989, 606; BAG NJW 1989, 2213).

Nach alledem ging die ordentliche Kündigung dem Kläger noch im August 2001 zu und wurde damit zum 30.11.2001 wirksam.

3 .

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. l ZPO.

4.

Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit unterblieb, da das Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.

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