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Geschäftsführer – Zuständigkeit der Arbeitsgerichte

 

LANDESARBEITSGERICHT KÖLN

Az.: 4 Ta 283/03

Beschluss vom 01.12.2003

Vorinstanz: Arbeitsgericht Bonn, AZ.: 3 Ca 789/03


 In Sachen XX hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln am 1.12.2003 – ohne mündliche Verhandlung – beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 09.07.2003 – 3 Ca 789/03 – abgeändert:

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist unzulässig.

Der Rechtsstreit wird an das Landgericht Bonn verwiesen.

Gründe:

I.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten „zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern“. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG. In Betrieben einer juristischen Person gelten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer solche Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrages allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person berufen sind.

Dabei geht es nicht darum, ob in Beziehung auf andere Rechtsvorschriften, insbesondere auch sozialrechtliche oder steuerliche Vorschriften ein Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren wäre. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG enthält eine Fiktion. Die Fiktion gilt auch für das der Organstellung zu Grunde liegende Rechtsverhältnis und greift unabhängig davon ein, ob dieses sich materiellrechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis darstellt (BAG 13.05.1996 AP Nr. 27 zu § 5 ArbGG; 06.05.1999 AP Nr. 46 zu § 5 ArbGG).

Auch dann, wenn das Anstellungsverhältnis zwischen juristischer Person und Vertretungsorgan wegen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis anzusehen ist und deshalb materiell dem Arbeitsrecht unterliegt, sind zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus dieser Rechtsbeziehung wegen § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, 13 GVG die ordentlichen Gerichte zuständig. Entsprechend § 17 Abs. 2 GVG haben sie ggf. Arbeitsrecht anzuwenden (BAG 06.05.1999 a.a.O.).

Dabei hängt der betreffende rechtliche Charakter des Anstellungsvertrages nicht davon ab, ob es zur vorgesehenen Bestellung als Vertretungsorgan kommt und ob die Organstellung bereits geendet hat. Auch nach einer Abberufung wird das Anstellungsverhältnis nicht notwendig zum Arbeitsverhältnis (BAG 25.06.1997 AP Nr. 36 zu § 5 ArbGG 1979; 06.05.1999 a.a.O.). Das gilt bis zu einer wirksamen Kündigung oder dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages (vgl. BAG 06.05.1999 a.a.O.).

II.

Dementsprechend wurde weder durch die Abberufung des Klägers aus seiner Geschäftsführerstellung durch die Gesellschaftsorgane im Januar 2002 noch durch die gleichzeitig erfolgte Kündigung zum 31.07.2002 noch durch die Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses bis zum 31.07.2002 nach der gesellschaftsrechtlichen Abberufung die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte begründet.

Auch durch die Vereinbarung vom 14.02.2002 (Blatt 11 – 13 d. A.) ändert sich daran nichts. Zwar wird dort das Vertragsverhältnis der Parteien mehrfach als „Arbeitsverhältnis“ angesprochen. Es geht jedoch – das wird aus der Systematik klar – lediglich um die Abwicklung des Anstellungsverhältnisses, das der Organstellung zu Grunde lag: Die Vereinbarung „wird zur Regelung der Folgen der von der Gesellschaft ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung“ getroffen. Wenn in § 1 von „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ die Rede ist, so ist damit das Anstellungsverhältnis gemeint. Denn im Folgenden heißt es: „Das Arbeitsverhältnis der Parteien würde auf Grund der ausgesprochenen arbeitgeberseitigen fristgerechten betriebsbedingten Kündigung mit Ablauf des 31.07.2002 enden. Auf besonderen Wunsch des Geschäftsführers wird er bis zum 31.10.2002 weiterhin seinen Dienst versehen. Zu diesem Termin endet das Arbeitsverhältnis endgültig.“ Mit „das Arbeitsverhältnis“ ist eben das gekündigte Vertragsverhältnis, d. h. das Anstellungsverhältnis, gemeint. Auch soll der Kläger – auf seinen Wunsch (den die Beklagte – vom Kläger unbestritten – dahingehend erläutert hat, dass der Kläger am 08.10.2002 sein 59. Lebensjahr vollendete und somit nach einem Jahr Bezug von Arbeitslosengeld die vorzeitige Rente in Anspruch nehmen konnte) – nach dieser Klausel „weiterhin seinen Dienst“ versehen, also den Dienst, den er auch bisher versehen hat, nämlich den „des Geschäftsführers“.

Es geht in der Vereinbarung lediglich um Abwicklung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages und nicht darum, das Vertragsverhältnis auf eine neue Grundlage zu stellen bzw. die Tätigkeit des Klägers mit neuen Inhalten zu füllen. So trifft § 2 unter der Überschrift „Abwicklung“ die ausdrückliche Regelung: „Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis beiderseitig ordnungsgemäß abgewickelt“. Sodann ist in § 3 eine Abfindung von 77.000,00 € ausgeworfen, wobei diese offensichtlich nicht für die dreimonatige weitere Fortsetzung gezahlt wird, sondern als eine Abfindung für das gesamte Vertragsverhältnis. § 3 spricht den Kläger wiederum nur als den „Geschäftsführer“ an. § 4 regelt für den „Geschäftsführer“ die Rückgabe von Eigentum und Unterlagen der Gesellschaft. In § 5 schließlich wird auf das Konkurrenzverbot aus dem Anstellungsvertrag verzichtet. § 6 regelt die Verpflichtung, dass „der Geschäftsführer“ alle ihm während seiner Tätigkeit für die Gesellschaft zur Kenntnis gelangten betriebsinternen Vorgänge, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse auch nach seinem Ausscheiden geheim hält. § 8 schließlich enthält eine Erledigungsklausel, die sämtliche Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis und dessen Beendigung regelt, womit wieder offensichtlich nicht das Vertragsverhältnis vom 14.02.2002, sondern das gesamte Anstellungsverhältnis gemeint ist.

Sofern der Kläger erstinstanzlich behauptet hat, diese Vereinbarung weise ihm „ausdrücklich Tätigkeiten außerhalb seiner Organstellung zu“, so gibt es dafür nicht den geringsten Anhaltspunkt.

Der Kläger hat auch dem Vortrag der Beklagten, er habe weiterhin de facto seine Geschäftsführertätigkeiten ausgeübt, Korrespondenz als Geschäftsführer unterzeichnet, sich über die Visitenkarte als Geschäftsführer ausgewiesen, den Dienstwagen weiter benutzt, sei bei Kundenbesuchen als Geschäftsführer aufgetreten und schließlich Ende Oktober auch betriebsintern als Geschäftsführer verabschiedet worden, wobei beide Parteien bewusst auf eine Mitteilung des Ausscheidens als Geschäftsführer vor dem 31.10. verzichtet hätten, nichts Substantiiertes entgegengesetzt. Er hat vielmehr selbst vorgetragen: „Soweit sich inhaltlich an der Verantwortung des vormaligen Geschäftsführers nichts ändert, wird dieser mithin als leitender Angestellter weiterbeschäftigt“ (Blatt 36 d. A.). Wenn er in demselben Zusammenhang indes meint, wenn die Modalitäten der Beschäftigung denen eines Arbeitsverhältnisses entsprächen, sei es den Parteien bei solchen Vereinbarungen bereits unter dem Gesichtspunkt des Rechtsformzwanges nicht möglich, die Annahme eines Arbeitsverhältnisses auszuschließen, so geht dieser Auffassung am Entscheidenden vorbei. Es geht nicht darum, das Vertragsverhältnis materiell als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren, sondern allein darum, ob die Fiktionswirkung des § 5 ArbGG weiterhin greift.

Handelt es sich bei der Vereinbarung vom 14.02.2002 mithin lediglich um eine Abwicklungsvereinbarung, so verbleibt es angesichts der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bis zu der dadurch erfolgten Beendigung des Anstellungsvertrages auch bei der Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte.

III.

Über die Kosten auch das Beschwerdeverfahren hat das Landgericht zu entscheiden. Eine selbstständige Kostenentscheidung für das vorliegende Beschwerdeverfahren kann nur dann ergehen, wenn die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird (vgl. statt vieler Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Auflage, § 48 Rn. 97). Hat die Beschwerde – wie im vorliegenden Fall – Erfolg, ist keine Kostenentscheidung zu treffen. Wird eine Verweisung vorgenommen, gilt § 17 b Abs. 2 GVG (Germelmann u. a. a.a.O.).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

 

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