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Geschäftsführerabberufung – Zerwürfnis Mitgeschäftsführer

Bundesgerichtshof

Az: II ZR 27/08

Beschluss vom 12.01.2009


Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Januar 2009 beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 5. Dezember 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens – an den 6. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Streitwert: 164.000,00 EUR

Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist begründet und führt gemäß §§ 544 Abs. 7, 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.

Das Berufungsgericht hat, indem es in Abänderung des klageabweisenden Landgerichtsurteils die Unwirksamkeit der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 18. Juli 2006 beschlossenen Abberufung des Klägers und der gleichzeitigen Kündigung seines Anstellungsverhältnisses festgestellt hat, den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

I.

Das Berufungsgericht hat sich bei seiner der Klage stattgebenden Entscheidung im Kern nur mit einem Teil des Beklagtenvortrags, nämlich der Frage befasst, ob die unstreitig gegebene tief greifende Zerrüttung des Verhältnisses der Gesellschafter-Geschäftsführer von dem Kläger maßgeblich verursacht worden ist. Zwar war das Berufungsgericht insoweit grundsätzlich nicht an einer – von dem Landgericht abweichenden – tatrichterlichen Würdigung des festgestellten Sachverhalts gehindert. Jedoch durfte es sich bei seiner die Unwirksamkeit von Abberufung und Kündigung feststellenden Entscheidung nicht darauf beschränken, ein vom Kläger (mit-)verursachtes, unheilbares Zerwürfnis zwischen den beiden Geschäftsführern zu verneinen; es war vielmehr gehalten, wenn es anders als das Landgericht in diesem Sachverhaltskomplex allein keinen wichtigen Grund finden konnte, sich mit den von der Beklagten darüber hinaus dem Kläger vorgeworfenen weiteren „wichtigen Gründen“ für dessen Abberufung von seinem Geschäftsführeramt und die gleichzeitige außerordentliche Kündigung seines Anstellungsvertrages in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise auseinandersetzen.

II.

Das hat das Berufungsgericht unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) versäumt, weil es entscheidungserheblichen, unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten im Hinblick auf derartige Pflichtverletzungen des Klägers als für den kaufmännischen Bereich verantwortlicher Geschäftsführer nicht oder allenfalls vordergründig in den Blick genommen und gewürdigt hat.

1.

So hat die Beklagte u.a. bereits in der Klageerwiderung und nochmals in der Berufungserwiderung dezidiert und unter Beweisantritt behauptet, der Kläger habe als verantwortlicher Geschäftsführer für den kaufmännischen Bereich pflichtwidrig die Jahresabschlüsse 2004 und 2005 nicht beim Finanzamt eingereicht, auch sei der Jahresabschluss 2003 nicht vollständig erstellt worden; ferner sei seit Gründung der Gesellschaft im Jahre 2000 niemals ein Jahresabschluss beim Registergericht eingereicht worden.

a)

Bereits dieses Vorbringen ist entscheidungserheblich, weil nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung von Buchführungspflichten, insbesondere die Nichteinreichung der Jahresabschlüsse beim Finanzamt, eine schwerwiegende Pflichtverletzung des hierfür verantwortlichen Geschäftsführers darstellt (vgl. Sen. Urt. v. 28. Januar 1985 – II ZR 79/84, GmbHR 1985, 256).

b)

Das Berufungsgericht war seiner Verpflichtung, diesem eine Abberufung und Kündigung des Klägers aus wichtigem Grund rechtfertigenden Vorbringen der Beklagten nachzugehen, nicht etwa dadurch enthoben, dass es gemeint hat, eine einseitige Zuweisung von Verantwortung zu Lasten des Klägers lasse sich wegen „unerlässlicher Mitwirkung beider Gesellschafter“ nicht ohne weiteres feststellen. Mit dieser lapidaren und vordergründigen Erwägung verkennt das Berufungsgericht offensichtlich den Kern des Vorwurfs der Beklagten, die in diesem Zusammenhang auf die insoweit unstreitige interne Ressortzuständigkeit des Klägers verweist.

Unstreitig war der Kläger – von Beruf Rechtsanwalt – auf satzungsrechtlicher Grundlage im Wege der internen Geschäftsverteilung bei der Beklagten für den kaufmännischen Bereich und damit sowohl für die Aufstellung des Jahresabschlusses im Sinne der Zusammenfassung der Zahlen der Buchführung zum Ende des Geschäftsjahres nach den Regeln der kaufmännischen Buchführung (vgl. § 41 GmbHG, §§ 242, 264 HGB) als auch für die Einreichung der Jahresabschlüsse beim Registergericht und beim Finanzamt verantwortlich, während die Mitgeschäftsführerin L. , von Beruf Krankenschwester, für den technischen Bereich der Altenpflege im Rahmen des Gesellschaftszwecks zuständig war. Diese Aufgabenverteilung bei der Geschäftsführung und damit die interne Verantwortlichkeit des Klägers für die ihm vorgeworfenen Pflichtenverstöße ist unabhängig davon, dass letztlich die abschließende Entscheidung über die Aufstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts eine Gesamtgeschäftsführungsmaßnahme darstellt; denn dass etwa die Mitgeschäftsführerin L. ihren Mitwirkungspflichten bei der abschließenden Gesamtentscheidung über die Aufstellung der intern vom Kläger „abschlussfertig“ vorzubereitenden Jahresabschlüsse oder gar bei den – den Gesellschaftern obliegenden -Bilanzfeststellungen (§ 46 Nr. 1 GmbHG) nicht nachgekommen wäre, behauptet nicht einmal der Kläger.

2.

Die Beklagte hat weiter vorgetragen, dass nach B. Nr. 1 d der Verlängerung des Pachtvertrages die Abrechnung des Umsatzpachtanteils jährlich nach Vorlage des Jahresabschlusses der Beklagten innerhalb der handelsrechtlichen Frist vorgenommen werden sollte. Aufgrund der – dem Kläger anzulastenden – unterlassenen Vorlage des Jahresabschlusses der Beklagten innerhalb der handelsrechtlichen Frist und verbunden damit der fehlenden Pachtzinszahlung sei es letztlich zur Kündigung des Pachtvertrages durch den Verpächter gekommen; nach dem vorgelegten Schreiben des Zwangsverwalters vom 26. Mai 2006 seien Jahresabschlüsse regelmäßig verspätet vorgelegt worden.

Auch diese Vorwürfe betreffen die dem Kläger nach der internen Geschäftsverteilung obliegende kaufmännische Geschäftsführung und stellen – sofern sie sich als zutreffend erweisen sollten – eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, die das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht in die gebotene Gesamtwürdigung bei der Frage des Vorliegens eines wichtigen Grundes zur Abberufung bzw. Kündigung des Klägers als Geschäftsführer einbezogen hat.

III.

Das Berufungsgericht wird in der neuen Berufungsverhandlung hierzu die erforderlichen Feststellungen treffen müssen.

Insoweit weist der Senat noch auf Folgendes hin:

1.

Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung können auch die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Frage der unheilbaren Zerrüttung des Verhältnisses zwischen den beiden Geschäftsführern, insbesondere hinsichtlich der Frage einer mangelnden Kooperationsbereitschaft des Klägers im Verhältnis zu seiner Mitgeschäftsführerin im Zusammenhang mit der Reaktion auf die vom Verpächter ausgesprochene Kündigung, in einem anderen Licht erscheinen. Es liegt auf der Hand, dass die fristlose Kündigung des Pachtverhältnisses durch den Zwangsverwalter die Grundlagen der Gesellschaft berührte und deshalb – zumal wegen der hierfür ohnehin nach der Satzung geltenden Grundsätze der Gesamtvertretung – eine vorherige ausreichende Information und Beteiligung der Mitgeschäftsführerin im Hinblick auf das weitere Vorgehen gegenüber dem Verpächter geboten war; eine diesbezügliche Pflicht zur Beteiligung der Mitgeschäftsführerin kann der Kläger, der im Übrigen – wie ausgeführt – diese Aufgabe nicht ordnungsgemäß wahrgenommen haben soll, nicht mit dem Hinweis ausräumen, er sei intern grundsätzlich für den kaufmännischen Bereich allein zuständig.

In diesem Zusammenhang ist für die Gesamtwürdigung auch die zwischen den Parteien streitige Frage bedeutsam, wer die geplante Besprechung zwischen den Geschäftsführern am 23. Juni 2006 in der Kanzlei des Klägers abgesagt hat. Sollte die Absage vom Kläger ausgegangen sein – wie die Beklagte behauptet -, so könnte sich gerade darin zeigen, dass der Kläger sein Schreiben vom 23. Juni 2006 an den Zwangsverwalter bewusst ohne Abstimmung mit der Mitgeschäftsführerin verfassen wollte. Das kann ein Indiz für seine fehlende Kooperationsbereitschaft und Dialogfähigkeit bei der Gesamtleitung der Beklagten sein, die – neben den weiteren seitens des Klägers gegenüber der Mitgeschäftsführerin erhobenen, nach Behauptung der Beklagten unberechtigten Vorwürfen – zur Zerrüttung des Verhältnisses zu der Mitgeschäftsführerin beigetragen haben.

2.

Im Übrigen reicht nach der Rechtsprechung des Senats zur Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund wegen eines unheilbaren Zerwürfnisses mit einem Mitgeschäftsführer aus, dass zwei oder mehrere Geschäftsführer untereinander so zerstritten sind, dass eine Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht mehr möglich ist: In einem solchen Fall kann jeder von ihnen jedenfalls dann abberufen werden, wenn er durch sein – nicht notwendigerweise schuldhaftes – Verhalten zu dem Zerwürfnis beigetragen hat (vgl. Sen. Urt. v. 24. Februar 1992 – II ZR 79/91, ZIP 1992, 760, 761 m.w.Nachw.). Soweit die Vorinstanzen darauf abgestellt haben, dass der abzuberufende Geschäftsführer zu dem Zerwürfnis „entscheidend“ oder „maßgeblich“ beigetragen haben müsse, so ist das nur insoweit zutreffend, als damit die „Wesentlichkeit“ dieses wichtigen Grundes charakterisiert werden soll. Nicht erforderlich ist demgegenüber, dass etwa der Verursachungsanteil des Abzuberufenden denjenigen des Mitgeschäftsführers überwiegt. Denn – anders als dies teilweise vertreten wird (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG 18. Aufl. § 38 Rdn. 13 m.Nachw.) – hat das etwa beiden Geschäftsführern infolge ihres jeweiligen Verhaltens anzulastende tief greifende unheilbare Zerwürfnis nicht zur Folge, dass bei einer Zweipersonengesellschaft nur einer der Geschäftsführer ausscheiden muss, während der andere bleiben darf; vielmehr liegt es in der Konsequenz der ständigen Senatsrechtsprechung, dass – je nach Beschlusslage – jeder der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer den anderen als Geschäftsführer abberuft bzw. ihm kündigt, weil wechselseitig wesentliche Ursachen für das Zerwürfnis gesetzt worden sind.

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