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Eso ES 3.0 – Messung – Beeinflussung durch Hasen

Amtsgericht Lüdinghausen

Az: 19 OWi-89 Js 1880/08-170/08

Urteil vom 19.01.2009


In dem Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hat der Richter für Bußgeldsachen aufgrund der Hauptverhandlung vom 12. in der Fortsetzungsverhandlung am 19.01.2009 für Recht erkannt:

Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 60 EUR verurteilt.

Dem Betroffenen wird für die Dauer von 1 Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene (§§ 41 II, 49 StVO, 24, 25 StVG).

G r ü n d e :

Der Betroffene ist verheiratet und Vater einer Tochter im Alter von 7 Jahren, welche in seinem Haushalt wohnt. Von Beruf ist er Marktleiter des A-Baumarktes in X. Zu seinen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen hat er auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts angegeben, dass diese gesichert seien und zwar so, dass es weder zu einer Herabsetzung des im Bußgeldbescheid verhängten Bußgeldes, noch zu einer Ratenzahlung allein auf Grund der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen kommen muss.

Ausweislich des Verkehrszentralregisterauszuges ist der Betroffene wie folgt vorbelastet:

1.

Am 23.07.2007 (Rechtskraft: 11.08.2007) setzte der Kreis Wesel gegen den Betroffenen wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes außerorts eine Geldbuße von 75 Euro fest. Statt zulässiger 80 km/h war der Betroffene 120 km/h gefahren.

2.

Am 25.07.2007 (Rechtskraft: 17.08.2007) setzte der Kreis Paderborn wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes außerorts (gefahrene 129 km/h statt zulässige 100 km/h) ein Bußgeld von 50 Euro fest.

Am 14.06.2008 befuhr der Betroffene gegen 14:27 Uhr in Ascheberg außerorts die B 58 im Bereich „Neue Mühle“. Er war hier der Führer eines PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXX . Im Bereich vor dieser Stelle ist die Geschwindigkeit auf 70 km/h reduziert und zwar von den außerorts üblichen 100 km/h Höchstgeschwindigkeit durch zweimal wenigen hundert Metern Abstand voneinander wiederholte Zeichen 274. Das zweite Schild befand sich über 100 m vor der Messstelle. Die Messanlage selbst war eine solche des Typs es 3.0 des Herstellers eso. Dieses eichfähige Messsystem zur Geschwindigkeitsmessung war zur Tatzeit gültig geeicht und wurde von dem Zeugen H am Tattage nach den Herstellervorschriften in der Bedienungsanleitung des Messsystems aufgebaut. Der Betroffene wurde von der Geschwindigkeitsmessanlage mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h gemessen und bei der Überschreitung der Geschwindigkeit fotografiert. Nach Abzug des erforderlichen Sicherheitsabschlages von 3 km/h ergab sich in soweit eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 97 km/h und somit eine Überschreitung von 27 km/h. Der Betroffene hätte die aufgestellten Schilder erkennen können und seine Geschwindigkeit hierauf einrichten müssen.

Der Betroffene hat seine Fahrereigenschaft eingeräumt und einen Messfehler des Gerätes behauptet. Hierzu hat er ausgeführt:

„Ich war auf der oben genannten Straße mit ca. 75-80 km/h unterwegs als ich am rechten Straßenrand einen Hasen bemerkte, der für eine kurze Zeit meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Nach ein paar Metern raste der Hase nach vorne und überquerte einige Meter vor meinem Fahrzeug die Straße, so dass ich ihn aus den Augen verlor. Dieses Ereignis muss die Messung zu meinem Nachteil beeinflusst haben.“

Auf dem Messfoto ist jedoch kein Hase zu sehen, obgleich dies der Fall sein müsste, wenn der Hase die Messung ausgelöst hat. Es handelt sich bei dem Messfoto um ein qualitativ gutes Lichtbild, so dass gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf das Messfoto Blatt 41 d. A. verwiesen.

Die durch das Messgerät angezeigte Geschwindigkeit konnte ebenfalls durch Inaugenscheinnahme des Messfotos und Verlesung der in das Messfoto „eingespielten“ Zahlen und Daten im Datenfeld des Messfotos festgestellt werden. Hier ließ sich eine Geschwindigkeit von 100 km/h ablesen. Die ordnungsgemäße Beschilderung, wie sie oben in den tatsächlichen Feststellungen genannt ist (wiederholte Beschilderung mit Zeichen 274 „70 km/h“) wurde von dem genannten Zeugen bestätigt. Er bestätigte sowohl den ordnungsgemäßen Aufbau des Messgerätes entsprechend der Bedienungsanleitung als auch die Kontrolle der Ordnungsgemäßheit der Beschilderung vor und nach dem Messeinsatz. Insoweit wurde ergänzend das Messprotokoll 161 vom 14.06.2008 verlesen, aus dem sich ergab, dass keinerlei Besonderheiten bei der Messung zu verzeichnen waren. Der Zeuge erklärte, dass das Messgerät zur Tatzeit gültig geeicht gewesen sei. Bestätigt werden konnte dies durch Verlesung des sich bei der Akte der befindenden Eichscheins, der eine ordnungsgemäße Eichung vom 07.03.2008 gültig bis zum 31.12.2009 auswies.

Weitere Anhaltspunkte für etwaige Messfehler oder Fehlbedienungen sind dem Gericht nicht bekannt geworden und wurden – mit Ausnahme des bereits erwähnten Hasen – auch nicht geltend gemacht, so dass es nach den oben genannten Feststellungen von einer ordnungsgemäßen und verwertbaren Messung ausgehen konnte. Bei der mobilen Geschwindigkeitsmessanlage ES3.0 handelt es sich um einen sog. Einseitensensor des Herstellers eso. Die Grundausstattung des ES3.0 besteht aus einem Sensorkopf auf Stativ, einer Rechnereinheit mit Messkarte, einem berührungsempfindlichen Bildschirm, einer digitalen Fotoeinrichtung des Typs FE3.0 sowie entsprechendem Zubehör. Zur Verbesserung der Ausleuchtung des Fotobereichs, insbesondere bei Dunkelheit, wird eine Blitzeinheit BE1.1 verwendet. Mit dem System können Geschwindigkeitsmessungen mit Frontfotodokumentation zur Fahreridentifikation entweder gleichzeitig in beide Fahrtrichtungen (zu- und abfließend) oder für mehrere Spuren durchgeführt werden. Die Einzelmesswerte, die gleich oder größer als ein vorgewählter Geschwindigkeitsgrenzwert (im vorliegenden Falle: 63 km/h) sind, bleiben im Rechner gespeichert und können per Speichermedium (USB2.0 Stick) auf einen anderen Rechner übertragen werden. Die Speicherung auf dem Speichermedium erfolgt automatisch bei Messende. Den Kern der Anlage bildet der Sensorkopf mit 5 optischen Helligkeitssensoren. Drei der fünf Sensoren überbrücken die Straße rechtwinklig zum Fahrbahnrichtungsverlauf, der vierte und fünfte dagegen schräg versetzt. Die Sensorebene mit allen fünf Sensoren ist in der Regel parallel zur Fahrbahn ausgerichtet, wobei die Blickrichtung des Sensors über die Straße je nach Einsatzbedingung auch abweichen kann. Das Messprinzip beruht bei dem ES3.0 auf einer„Weg – Zeitmessung“. Die Geschwindigkeit v eines Fahrzeuges ergibt sich dabei aus der Messbasis s und der Zeit t, in der das zu messende Fahrzeug die Messbasis durchfährt. Bei der Durchfahrt wird in jedem der 5 Sensoren ein Helligkeitsprofil des gemessenen Fahrzeugs erfasst, digitalisiert und gespeichert. Aus den abgetasteten Helligkeitsprofilen der drei parallelen Sensoren wird der zeitliche Versatz ermittelt, um dann die Geschwindigkeit zu errechnen. Der Einseitensensor ES3.0 arbeitet vollautomatisch, nachdem er nach den Herstellerangaben entsprechend der Bedienungsanleitung aufgebaut wird (weitere Einzelheiten zum Messsystem: Grün in: Burhoff/Neidel/Grün, Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen im Straßenverkehr, 1. Aufl. 2007, Rn. 470 ff).

Nach alledem geht das Gericht davon aus, dass es sich bei dem Einseitensensor ES3.0 um ein so genanntes standardisiertes Messverfahren im Sinne von BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081 handelt. Unter diesem Begriff ist ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren zu verstehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGH NJW 1998, 321). Es ist insoweit auf die Ausführungen des OLG Stuttgart zum Vorgängermodell ES1.0 des hier genutzten Messsystems in NJW-Spezial 2008, 75 = VRR 2007, 476 [Deutscher] zu verweisen.

Wie bereits oben dargestellt, ist auf dem Messfoto ein Hase nicht zu erkennen, sondern vielmehr das Fahrzeug des Betroffenen. Zudem ist auf der Gegenfahrbahn unmittelbar im Bereich vor der Front des Betroffenen ein entgegenkommendes Fahrzeug erkennbar, so dass eine Überquerung der Fahrbahn durch einen Hasen nach Einschätzung des Gerichtes nicht glaubhaft ist, sondern als bloße Schutzbehauptung des Betroffenen zu werten ist. Ein unmittelbar vor dem Fahrzeug des Betroffenen querender Hase müsste nämlich auch eigentlich aufgrund der zwei sich begegnenden Fahrzeuge „unter die Räder“ gekommen sein. Hiervon hat der Betroffene allerdings nichts berichtet.

Im Übrigen bewegen sich Hasen üblicherweise nicht mit Geschwindigkeiten von nahezu 100 km/h. So heißt es etwa in einem Im Internet unter http://www.vu-wien.ac.at/i128/pub/weidwerk/valencak%20ruf%205-2005.pdf frei abrufbaren Beitrag „Wildtiere: Schnelligkeit entscheidet!“ der renommierten Wissenschaftler Mag. Teresa Valencak und Univ.-Prof. Dr. Thomas Ruf, erschienen in der Zeitschrift Weidwerk 5/2005 zur Geschwindigkeit von Hasen: “ Bei besonders schnellen Tieren beobachtet man, dass die Muskelmasse eher nach innen Richtung Körperschwerpunkt verlagert wird, sodass die Unterläufe zart erscheinen, Oberschenkel und Hüfte dagegen von großen Muskelpaketen umgeben sind. Diese anatomischen Verhältnisse finden sich zum Beispiel sowohl beim Geparden als auch bei unserem einheimischen Feldhasen. Die „Leichtfüßigkeit“ dieser Tiere maximiert ihre Geschwindigkeit, da der äußere Lauf beim Rennen die größte Beschleunigung erfährt. Hasen sind etwa viermal schneller als Nagetiere der gleichen Körpergröße, wobei die hohe Geschwindigkeit von 72 km/h praktisch ausschließlich mithilfe der körpernahen Muskulatur der Hinterläufe und durch eine enorme Streckphase erreicht wird.“

Gegen die Einlassung des Betroffenen spricht weiterhin die durch das Gerät vorgenommene Abstandsmessung bei der Geschwindigkeitsmessung, die ausweislich der urkundsbeweislichen Verlesung des Datenfeldes des Messfotos einen Wert von 7,20 m für die Messung als Abstandswert des gemessenen Gegenstandes angibt.

Aus dem Messprotokoll und der Zeugenaussage des Zeugen H ergibt sich jedoch, dass der Straßenrand – also die am unteren Rand des Messfotos sichtbare Randmarkierung – von dem Messsensor bereits 612 cm entfernt war, so dass die Messung einen vorbeifahrenden Gegenstand betrifft, der sich über 1 m weiter auf der eigentlichen Fahrbahn befindet. Der Betroffene aber hat in seiner Einlassung erklärt, der Hase, der die Messung beeinflusst haben könnte, sei am Straßenrand entlang gelaufen und dann über die Straße gelaufen. Dies ist mit der Abstandsmessung des Messsystems, auf die sich ebenfalls die Eichung des Messsystems bezieht, nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Letztlich ist es auch so, dass durch die Abtastung und den Vergleich der verschiedenen abgetasteten Helligkeitsprofile gerade sichergestellt wird, dass äußere Einflüsse die Messung mit dem ES 3.0 nicht beeinflussen können. Ein sich bewegender Hase mit einer Geschwindigkeit von 97 km/h würde sich nach Einschätzung des Gerichts durch die erforderlichen motorischen Bewegungen des Körpers derart stark bewegen, dass er bei den jeweiligen Sensoren des Messgerätes verschiedene Lichtprofile erzeugen würde. Aus demselben Grunde scheidet auch ein Zusammenwirken der Helligkeitsprofile des Fahrzeugs und des Hasen als Auslöser für die Messung aus.

Der Betroffene war dementsprechend wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und folgerichtig wegen einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG zu verurteilen, da er die aufgestellten Schilder hätte beachten und seine Geschwindigkeit hierauf hätte einstellen müssen.

Die hierfür im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelgeldbuße war aufgrund der Voreintragungen angemessen auf 60 € zu erhöhen.

Des weiteren war wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes des Betroffenen gegen diesen ein Fahrverbot gemäß § 25 Abs. 1 StVG festzusetzen, und zwar unter Zubilligung der Schonfrist nach § 25 Abs. 2a StVG. Die Beharrlichkeit ergibt sich aus den beiden Voreintragungen, die jede für sich bereits geeignet gewesen wären, im hiesigen Verfahren einen Beharrlichkeitsschluss zu ziehen. Aus diesem Grunde erschien es dem Gericht nicht geboten, unter Anwendung des § 4 Abs. 4 BKatV unter gleichzeitiger Erhöhung des Bußgeldes von dem Regelfahrverbot abzusehen. Dem Gericht ist diese Möglichkeit bekannt.

Der Betroffene hat Härten geltend gemacht. Er hat nämlich erklärt, dass er erhebliche berufliche Probleme haben würde, da er dann nicht mehr von seinem Wohnort zu seinem Arbeitsplatz gelangen könne. Keinesfalls könne er als Marktleiter länger als 2 Wochen Urlaub nehmen. Eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln wäre unzumutbar, da sie mehrere Stunden dauern würde. Arbeitsbeginn sei für ihn üblicherweise zwischen 6.30 und 6.45 Uhr. Die Einstellung eines Fahrers sei für ihn bei einem monatlichen Nettogehalt von 2500 Euro nicht zumutbar, zumal seine Ehefrau nicht berufstätig sei. Zwar habe seine Ehefrau einen Führerschein und könne ihn auch jeden Tag zur Arbeit fahren, jedoch sei das dem Kind des Betroffenen nicht zumutbar. dieses Kind sei 7 Jahre alt und schulpflichtig. Die Schule beginne in der Regel um 8.00 Uhr. Das Kind könne man nicht morgens alleine aufstehen lassen.

Der Betroffene ist jedoch darauf zu verweisen, dass angesichts der Schonfristgewährung und der von dem Betroffenen selbst eingeräumten Möglichkeit, zunächst 2 Wochen Urlaub zu nehmen, eine erhebliche Entlastung von den Folgen des Fahrverbotes möglich ist. In den dann noch zu überbrückenden etwa 2 Wochen erscheint es dem Gericht durchaus zumutbar, ein Taxi zu nehmen oder wahlweise sich doch der Fahrdienste der eigenen Ehefrau zu bedienen, um zur Arbeit zu gelangen. Ggfs. muss die gesamte Familie um 6.00 Uhr morgens aufstehen und zunächst den Familienvater zur Arbeit bringen. Für die Dauer von 2 Wochen und damit 10 Schultagen erscheint dies dem Gericht zwar eine unangenehme Konsequenz des Fahrverbotes für das Familienleben, aber nicht schlichtweg unzumutbar. Es muss zudem berücksichtigt werden, dass der Betroffene nur pauschal eine Existenzgefährdung behauptet, dies aber auf Nachfrage des Gerichts nicht „mit Leben füllen“ konnte. Er hat hierzu lediglich erklärt, in seinem Beruf sei der Druck auf die Angestellten sehr groß. Auf Nachfrage gab er zudem an, dass er bei seinem Vorgesetzten wegen eines Fahrverbotes angefragt habe und dort erfahren habe, dass ihm keine Hilfe seitens des Unternehmens zu Teil werden würde. Das Gericht hat hierauf ausdrücklich nachgefragt, ob eine Kündigung angedroht worden sei. Dies hat der Betroffene verneint.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO, 46 OWiG.

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