Oberlandesgericht Hamm
Az: 1 Ss OWi 756/07
Beschluss vom 27.11.2007
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 30. Juli 2007 gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 26. Juli 2007 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 11. 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gem. § 80 a OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht Dortmund zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Dortmund hat den Betroffenen in der Hauptverhandlung vom 26. Juli 2007 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 165,00 € verurteilt und ihm darüber hinaus ein Fahrverbot von einem Monat auferlegt. Das Amtsgericht hat dazu u. a. folgende Feststellungen getroffen:
„Der Betroffene fuhr am 26.08.2006 um 15.12 Uhr in Dortmund auf der A 45, km 22,728, in Richtung Frankfurt. Hierbei überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 46 km/h. Die zulässige Geschwindigkeit beträgt an dieser Stelle 100 km/h. Die festgestellte Geschwindigkeit betrug abzüglich des Toleranzwertes 146 km/h.
Dieser Sachverhalt beruht auf dem Geständnis des Betroffenen, dem Messprotokoll und den anliegenden Messbildern sowie dem Eichschein.
Diese Urkunden wurden durch Verlesung zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht.
Der Betroffene hat die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 46 km/h überschritten. Die Verkehrsschilder sind deutlich sichtbar aufgestellt. Durch Hinweis auf die Verkehrsschilder und auch durch das Fahrverhalten der anderen Verkehrsteilnehmer ist dem Betroffenen deutlich zu Bewusstsein gekommen, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten hat.
Es liegt somit ein vorsätzliches Verhalten der Verletzung der Vorschriften der §§ 41 Abs. II, 49 StVO, 24StVG vor.“
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er unter näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts rügt. Er ist insbesondere der Auffassung, dass die Feststellungen des Amtsgerichts den Vorwurf eines vorsätzlichen Fehlverhaltens nicht tragen.
II.
Das statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Rechtsmittel hat auch – einen zumindest vorläufigen – Erfolg. Die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts sind lückenhaft und tragen die angefochtene Entscheidung nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung aller Bußgeldsenate des OLG Hamm und der übrigen obergerichtlichen Rechtsprechung, muß der Tatrichter, um die rechtliche Nachprüfung der Zuverlässigkeit der dem Verkehrsverstoß zugrundegelegten Geschwindigkeitsmessung zu ermöglichen, in den Urteilsgründen zumindest die angewandte Messmethode und den berücksichtigten Toleranzwert mitteilen und gegebenenfalls darlegen, dass mögliche Fehlerquellen ausreichend berücksichtigt worden sind (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2003 – 1 SsOWi 623/03; OLG Hamm VRS 107, S. 114 m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Ihm ist bereits nicht zu entnehmen, mit welcher Messmethode die Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt wurde. Auch wird nicht mitgeteilt, in welcher Höhe das Amtsgericht einen Toleranzabzug vorgenommen hat.
Diesen Angaben ist das Amtsgericht auch nicht deshalb enthoben, weil der Betroffene den Sachverhalt eingestanden hat. Zwar kann auch die geständige Einlassung eines Betroffenen zur Grundlage der Feststellungen gemacht werden.
Abgesehen davon, dass aber auch dann mitzuteilen ist, ob und in welcher Höhe ein Toleranzabzug vorgenommen wurde, muss der Tatrichter in diesem Fall von der Richtigkeit eines solchen Geständnisses überzeugt sein, d.h. es muss ein uneingeschränktes und glaubhaftes Geständnis vorliegen (BGH NJW 1993, S. 3081, 3084). Angaben über die die zu einem gewissen Zeitpunkt auf einer längeren Fahrtstrecke eingehaltene Geschwindigkeit sind vor allem dann in Zweifel zu ziehen, wenn keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Fahrer Veranlassung hatte, darauf besonders zu achten und sich zudem später an eine solche Begebenheit zu erinnern (OLG Zweibrücken, VRS 105, S. 352). Ob sich das Amtsgericht dieser Verpflichtung, die sich aus dem Aufklärungsgrundsatz ergibt, bewusst gewesen ist, kann den Entscheidungsgründen aber nicht entnommen werden. Ebenso wird nicht mitgeteilt, ob der Betroffene nur allgemein eine Überschreitung eingeräumt, ob er diese bestimmte Geschwindigkeit zugegeben hat oder ob er sich dahin eingelassen hat, die ihm vorgeworfene Geschwindigkeit mindestens gefahren zu sein. Vor der Frage nach den rechtlichen Konsequenzen eines Geständnisses hätte sich das Amtsgericht deshalb Klarheit verschaffen müssen, wie die (geständige) Äußerung des Betroffenen im Zusammenhang mit dem übrigen Verfahrensstoff und im Hinblick auf den konkreten Rechtsverstoß zu verstehen ist (BGH a.a.O.).
Schließlich tragen die getroffenen Feststellungen auch nicht die Verurteilung des Betroffenen wegen einer vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Das „Geständnis“ des Betroffenen bezieht sich – jedenfalls nach den getroffenen Feststellungen – ersichtlich nur auf die objektiven Tatumstände, d.h. auf die Fahrereigenschaft des Betroffenen und auf die von ihm eingeräumte Geschwindigkeit, nicht aber auf die bewusste Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit. Das Amtsgericht folgert die vorsätzliche Begehungsweise insoweit nur aus „deutlich sichtbar“ aufgestellten Verkehrsschildern und aus dem „Fahrverhalten der anderen Verkehrsteilnehmer“ ohne diese Umstände allerdings näher zu beschreiben. Zwar ist bereits der hier festgestellte Grad der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ein starkes Indiz für ein vorsätzliches Verhalten des Betroffenen, zumal der Vorsatz die Überschreitung ziffernmäßig nicht genau erfassen muss (vgl. KG DAR 2004, S. 594; OLG Hamm, DAR 1990, S. 178; OLG Hamm, 4 Ss Owi 364/04).
Gleichwohl vermag vermag dieses Indiz allein eine vorsätzliche Begehungsweise noch nicht zu begründen. Hierzu hätte es weiterer Feststellungen zu der Art und Weise der Beschilderung, des konkreten Verhaltens der anderer Verkehrsteilnehmer und der Erörterung bedurft, ob dem Betroffenen – gegebenenfalls als ortskundigem Fahrer – die Geschwindigkeitsbeschränkung bekannt war.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Dortmund zurückzuverweisen.