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Geschwindigkeitsüberschreitung – notwendiger Inhalt des Bußgeldurteils

Oberlandesgericht Brandenburg, Az.: 1 Ss (OWi) 117 B/99, Beschluss vom 04.11.1999

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgericht Prenzlau vom 14. Juni 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieses Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht Prenzlau gegen den Betroffenen „wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen §§ 41 (Zeichen 274), 49 StVO, 24 StVG“ eine Geldbuße von 500,00 DM sowie ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt. Dagegen richtet sich die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechtes rügt.

Die Rechtsbeschwerde führt zu einem (vorläufigen) Erfolg.

Die Verfahrensrüge ist zulässig und begründet, soweit der Betroffene geltend macht, das Amtsgerichts hätte den Beweisantrag auf Vernehmung der Meßbeamten A und S nicht zurückweisen dürfen. Diese Verfahrensrüge entspricht den gesetzlichen Voraussetzungen (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 S. 2 StPO). Es werden alle „die den Mangel enthaltenen Tatsachen angegeben“, so daß die Verfahrensrüge zulässig ist. Sie ist auch begründet, weil dem Antrag hätte stattgegeben werden müssen. Schon die Begründung der Ablehnung dieses Antrages ist rechtsfehlerhaft; sie entspricht nicht den gesetzlichen Voraussetzungen, die für eine Ablehnung vorliegen müssen. Nach § 77 Abs. 2 OWiG kann ein Beweisantrag außer in den Fällen des § 244 Abs. 3 StPO auch dann abgelehnt werden, wenn das Gericht den Sachverhalt nach den bisherigen Ergebnissen der Beweisaufnahme für geklärt hält und entweder nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist oder nach seiner freien Würdigung das Beweismittel ohne verständigen Grund so spät vorgebracht worden ist, daß die Beweiserhebung zur Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde. Auf keine dieser gesetzlichen Voraussetzungen hat der Bußgeldrichter die Ablehnung des Beweisantrages gestützt, die Ablehnung vielmehr damit begründet, daß „er offenkundig der weiteren Verfahrensverzögerung dient und die ordnungsgemäße Beschaffenheit des Meßgerätes durch Eichschein und Meßprotokoll hinreichend belegt ist.“ Nur der zweite Teil der Begründung ist rechtlich nicht zu beanstanden; mit ihm soll offenbar darauf hingewiesen werden, daß „das Gericht den Sachverhalt nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme für geklärt (hält)“. Im übrigen aber ist nicht erkennbar, auf welche Gesetzesnorm sich der Bußgeldrichter bei seiner Ablehnung stützt. Die Verwendung des Begriffes „weitere Verfahrensverzögerung“ indiziert die Annahme, daß das Amtsgericht den „Antrag zum Zweck der Prozeßverschleppung“ als gestellt angesehen und damit die Voraussetzungen des § 244 Abs. 3 S. 2 bejaht hat. Eine solche Zurückweisung wäre schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Ablehnung wegen Verschleppungsabsicht voraussetzt, daß der Betroffene den Antrag bewußt und ausschließlich zur Verfahrensverzögerung gestellt hat (BGHST 29, 149, 151; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 244 Rn. 68 mwN.). Dazu fehlt in dem Ablehnungsbeschluß jede Begründung. Das verstößt gegen § 244 Abs. 6 StPO. Danach bedarf die Ablehnung eines Beweisantrages eines begründeten Gerichtsbeschlusses, der dem Rechtsbeschwerdegericht die rechtliche Überprüfung ermöglicht, ob das Gericht die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ablehnung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen hat. An einer solchen Begründung fehlt es hier völlig. Auf § 77 Abs. 3 OWiG konnte sich der Bußgeldrichter bei der Begründung der Ablehnung nicht stützen. Diese Vorschrift erleichtert zwar den Begründungszwang; danach kann die Begründung für die Ablehnung eines Beweisantrages nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG in dem Gerichtsbeschluß in der Regel darauf beschränkt werden, daß die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Gerade darauf hat es der Bußgeldrichter aber nicht abgestellt. Schon deshalb unterliegt das Urteil auf die Verfahrensrüge der Aufhebung.

Auch die Sachrüge hat Erfolg.

Dazu hat die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 27. September 1999 zutreffend ausgeführt:

„Denn in dem Urteil sind die der Verurteilung zugrunde liegenden Tatsachen nicht in einer Weise dargetan, die dem Rechtsbeschwerdegericht die rechtliche Überprüfung ermöglicht (KK-OWiG § 72 Rdn. 66). Bei einer Verurteilung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung hat der Bußgeldrichter mitzuteilen, aufgrund welcher Meßmethode die Geschwindigkeitsüberschreitung ermittelt wurde, wie hoch die gemessene Geschwindigkeit war und welchen Toleranzwert er zugrunde gelegt hat (BGHST 39, 291; ständige Senatsrechtsprechung vgl. Beschluss vom 20.4.1999 – 1 Ss OWi 47 B/). Zwar läßt sich dem angefochtenen Urteil noch entnehmen, daß die Geschwindigkeit mit Hilfe eines nachfahrenden Meßfahrzeuges festgestellt worden ist, legt also eine Geschwindigkeitsmessung auf der Grundlage des sogenannten Police-Pilot-Systems nahe, teilt aber eben nicht mit, mit welcher der diesem System möglichen Meßverfahren gemessen wurde (Senatsbeschluß vom 4. März 1999 2 Ss OWi 20 B/99 m.w.N.). Damit ist es für das Rechtsbeschwerdegericht schon nicht nachprüfbar, ob das der Entscheidungsfindung des Bußgeldrichters hier zugrunde gelegte Meßvideo Ergebnis einer anerkannten und standardisierten Meßmethode ist.

Der Senat kann daher weder die Richtigkeit der eigenen Ermittlung der durchschnittlich gefahrenen Geschwindigkeit des Betroffenen durch den Bußgeldrichter (gegen die auch grundsätzliche Bedenken bestehen) nachprüfen, noch beurteilen, ob tatsächlich eine „großzügige“ Toleranz (Bl. 3 UA) eingeräumt worden ist. Denn welchen Toleranzwert das Gericht zugrunde zu legen hat, ergibt sich einzig aus der Meßmethode selbst.“

Der Senat sieht sich veranlaßt, abschließend auf folgendes hinzuweisen:

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden (§ 274 StPO). Diese ausschließliche Beweiskraft des Sitzungsprotokolls macht es erforderlich, mit besonderer Sorgfalt darauf zu achten, daß die Beobachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten aus der Niederschrift ersichtlich wird. Diesem Erfordernis genügt das Protokoll nicht. Wenn es darin heißt, daß „die Verhandlung zunächst unterbrochen“ und „gemeinsam mit dem Verteidiger in den Räumen der PHW Prenzlau das Meßvideo eingesehen“ worden sei, wird nicht ersichtlich, ob in diesen Räumen die Hauptverhandlung fortgesetzt worden und dabei die Öffentlichkeit gewahrt worden ist. Es ist denkbar, daß die Hauptverhandlung erst im Anschluß danach fortgesetzt worden ist. Dafür spricht, daß in die Niederschrift ausdrücklich aufgenommen worden ist „Der Inhalt des Meßvideos wurde erörtert.“ Welche Verfahrensweise das Gericht letztlich eingeschlagen hat, bleibt im Dunkeln. Das ist rechtsfehlerhaft.

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