Thüringisches OLG (Jena)
Az.: 1 Ss 71/99
Beschluß vom 12.07.1999
Leitsatz:
Mehrere Taten im verfahrensrechtlichen Sinn liegen jedenfalls dann vor, wenn die Geschwindigkeitsverstöße bei einer Fahrt mit dem Pkw auf der Autobahn an unterschiedlichen Orten und ohne direkten zeitlichen und räumlichen Zusammenhang begangen werden und ein verbindendes subjektives Element nicht vorhanden ist.
Es stellt sich hier die Frage, ob einer Ahndung wegen der um 9.01 Uhr begangenen Geschwindigkeitsverletzung nicht das Doppelbestrafungsverbot des Art. 103 Abs.3 GG („ne bis in idem“) entgegensteht, das über § 46 Abs.1 OWiG grundsätzlich auch im OWi-Verfahren und hier nicht zuletzt auch deshalb zu beachten ist, weil ausweislich von § 84 Abs.l OWiG „dieselbe Tat nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden“ kann, wenn über sie als Ordnungswidrigkeit bereits rechtskräftig entschieden worden ist.
Die Geschwindigkeitsverstöße müssten hier eine einheitliche Tat darstellen. Eine einheitliche Tat liegt vor, wenn die einzelnen Lebenssachverhalte innerlich so miteinander verknüpft sind, dass sie nach der Lebensauffassung eine Einheit bilden dergestalt, dass ihre Behandlung in getrennten Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines zusammengehörenden Geschehens erscheinen würde.
Vorliegend sind die Geschwindigkeitsverletzungen zwar auf ein und derselben Fahrt begangen worden, doch zeitlich (rund 75 Minuten) und räumlich (rund 130 km) so weit auseinander, dass nicht von einer einheitlichen Tat gesprochen werden kann.
Sachverhalt:
Der Betroffene befuhr am 17.2.1998 die Bundesautobahn A 9 (Nürnberg-Berlin) mit seinem Pkw in Richtung Berlin; dabei wurde er um 7.45 Uhr in Höhe des km 318 bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h mit einer gefahrenen Mindestgeschwindigkeit von 133 km/h (dabei Messtoleranz von 5 km/h bereits in Abzug gebracht) gemessen. Mit rechtskräftigem Urteil vom 18.05.1998 verurteilte das Amtsgericht den Betroffenen insoweit zu einer Geldbuße von 300 DM und einem einmonatigen Fahrverbot. – Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die gleiche Fahrt, die der Betroffene an jenem 17.02.1998 mit seinem Pkw auf der A 9 unternommen hat. Auf jener Fahrt wurde er nämlich gegen 9.01 Uhr in Höhe von km 187 bei einer m zulässigen Höchstgeschwindigkeit von wiederum 100 km/h mit einer gefahrenen Mindestgeschwindigkeit von nunmehr 122 km/h gemessen. Das Amtsgericht hat den darauf ergangenen Bußgeldbescheid der Verkehrsbehörde bestätigt und den Betroffenen wegen einer weiteren fahrlässigen Übertretung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zur Zahlung einer Geldbuße von 160 DM und einem Fahrverbot von der Dauer eines Monats verurteilt. Die Rechtsbeschwerde des Verurteilten zum OLG blieb ohne Erfolg.