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Gesellschaftsorgane – Zuständigkeit des Arbeitsgerichts

Bundesarbeitsgericht

Az: 5 AZB 30/98

Beschluss vom 25.05.1999


1.
Die weitere sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 1. September 1998 – 18 Ta 9/98 – wird zurückgewiesen.

2.
Der Kläger hat die Kosten der weiteren sofortigen Beschwerde zu tragen.

3.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 20.880,00 DM festgesetzt.

Gründe
I.
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte das Beschäftigungsverhältnis mit dem Kläger wirksam gekündigt hat. Der Kläger ist Minderheitsgesellschafter der Beklagten. Seit dem 1. April 1997 war er als Mitgeschäftsführer für sie tätig. Dem lagen ein Gesellschafterbeschluß vom 7. März 1997 und ein Anstellungsvertrag vom selben Tage zugrunde. Die Frist für dessen Kündigung wurde auf drei Monate zum Quartalsende festgesetzt. Der Kläger wurde ins Handelsregister eingetragen.

Am 9. Dezember 1997 beschloß die Gesellschafterversammlung der Beklagten, den Kläger mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abzuberufen und das Anstellungsverhältnis zu kündigen. Die Beklagte erklärte die Kündigung mit Schreiben vom selben Tage zum 31. März 1998.

Mit Schreiben vom 26. Januar 1998 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger wegen verspäteter Krankmeldung und unentschuldigten Fehlens eine fristlose Kündigung aus.

Gegen beide Kündigungen erhob der Kläger Klage vor dem Arbeitsgericht. Er hat unter anderem beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen nicht aufgelöst worden ist.

Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien über die Zulässigkeit des Rechtswegs. Der Kläger hat geltend gemacht, er sei Arbeitnehmer der Beklagten gewesen. Diese habe die Firma M GmbH in einem Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Vornahme ihrer laufenden Geschäfte beauftragt. Er – der Kläger – sei an Weisungen des Geschäftsführers der M GmbH gebunden gewesen. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, damit sei „die gesetzliche Vermutung“ des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG widerlegt.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe seine Tätigkeit für sie frei gestalten können. Er habe keinerlei Weisungen des Geschäftsführers der M GmbH unterlegen. Er sei deshalb nicht ihr Arbeitnehmer gewesen.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als unzulässig angesehen und den Rechtsstreit an das Landgericht verwiesen. Die sofortige Beschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit seiner weiteren sofortigen Beschwerde hält der Kläger an der Zulässigkeit des von ihm beschrittenen Rechtswegs fest.

II.
Die weitere Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben zu Recht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten verneint.
1.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a, b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen „Arbeitnehmern und Arbeitgebern“ aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG. In Betrieben einer juristischen Person gelten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer solche Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person berufen sind.

2.
Bei Vertretern juristischer Personen ist zu unterscheiden zwischen der Organstellung und dem ihr zugrunde liegenden Anstellungsverhältnis. Die Bestellung und die Abberufung als Vertretungsorgan sind ausschließlich körperschaftliche Rechtsakte. Durch sie werden gesetzliche und satzungsmäßige Kompetenzen übertragen oder wieder entzogen. Dagegen ist die Anstellung zum Zwecke des Tätigwerdens als Vertretungsorgan ein schuldrechtlicher gegenseitiger Vertrag (Senatsurteil vom 16. September 1998 – 5 AZR 181/97 – zur Veröffentlichung bestimmt, m.w.N.; Boemke, ZfA 1998, 209, 210). Durch den Anstellungsvertrag wird materiell-rechtlich in der Regel ein freies Dienstverhältnis und nur ausnahmsweise im Einzelfall ein Arbeitsverhältnis begründet.

Der betreffende rechtliche Charakter des Anstellungsvertrags hängt nicht davon ab, ob es zur vorgesehenen Bestellung als Vertretungsorgan kommt und ob die Organstellung bereits geendet hat. Auch nach einer Abberufung wird das Anstellungsverhältnis nicht notwendig zum Arbeitsverhältnis (Senatsbeschluß vom 25. Juni 1997 – 5 AZB 41/96 – AP Nr. 36 zu § 5 ArbGG 1979, m.w.N. = EzA § 2 ArbGG 1979 Nr. 37). Ebensowenig ist mit der Abberufung als Vertretungsorgan notwendig die – fristlose oder fristgemäße – Kündigung des Anstellungsvertrages verbunden. Diese muß eigens erklärt werden und liegt nicht schon in der Erklärung der Abberufung. Bis zu einer wirksamen Kündigung oder dem Abschluß eines Aufhebungsvertrags besteht das Anstellungsverhältnis fort.

3.
Für Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Vertretungsorgan und der juristischen Person sind die Arbeitsgerichte nicht zuständig.

a)
Für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Organstellung, etwa für eine Klage eines Mitglieds des Vertretungsorgans gegen seine Abberufung, folgt dies schon daraus, daß es sich nicht um eine Streitigkeit „aus einem Arbeitsverhältnis“ bzw. über das Bestehen oder Nichtbestehen „eines Arbeitsverhältnisses“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 a, b ArbGG handelt. Betroffen ist ausschließlich der gesellschaftsrechtliche Teil der Rechtsbeziehung.

b)
Für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Anstellungsverhältnis sind die Arbeitsgerichte deshalb nicht zuständig, weil Mitglieder des Vertretungsorgans gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer gelten. Die Fiktion der Vorschrift betrifft gerade das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis. Sie greift unabhängig davon ein, ob dieses sich materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis darstellt (Senatsbeschluß vom 13. Mai 1996 – 5 AZB 27/95 – AP Nr. 27 zu § 5 ArbGG 1979; BAGE 55, 137, 144; 49, 81, 88). Auch wenn das Anstellungsverhältnis zwischen juristischer Person und Vertretungsorgan (ausnahmsweise) wegen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis anzusehen ist und deshalb dem materiellen Arbeitsrecht unterliegt, sind zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus dieser Rechtsbeziehung wegen § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, § 13 GVG die ordentlichen Gerichte berufen. Gemäß § 17 Abs. 2 GVG haben sie ggf. Arbeitsrecht anzuwenden.

An der Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte ändert sich folglich nichts dadurch, daß zwischen den Beteiligten streitig ist, wie das Anstellungsverhältnis materiell-rechtlich zu qualifizieren ist. Hat die juristische Person den Organvertreter abberufen und den Anstellungsvertrag unter Einhaltung der Kündigungsfrist für ein freies Dienstverhältnis gekündigt und erhebt der Organvertreter gegen die Kündigung Klage mit der Begründung, er sei in Wirklichkeit Arbeitnehmer, so greift dennoch die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ein. Die bloße Rechtsansicht des Organvertreters, er sei nach Maßgabe des zugrunde liegenden Anstellungsverhältnisses Arbeitnehmer, reicht hier nicht aus, um die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zu begründen. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greift sogar dann ein, wenn objektiv feststeht, daß das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist. Die Vorschrift greift darum erst recht ein, wenn darüber Ungewißheit besteht und möglicherweise ohnehin ein freies Dienstverhältnis vorliegt.

In seinen Beschlüssen vom 10. und 18. Dezember 1996 – 5 AZB 20/96 – und – 5 AZB 25/96 – (AP Nr. 4, 3 zu § 2 ArbGG 1979 Zuständigkeitsprüfung = EzA § 2 ArbGG 1979 Nr. 36, 25) hat der Senat noch dahinstehen lassen, ob die Grundsätze für die Rechtswegbestimmung in sog. sic-non-Fällen auch auf Organvertreter anwendbar sind. Nach den vorstehenden Erörterungen ist die Frage zu verneinen (Senatsbeschluß vom 6. Mai 1999 – 5 AZB 22/98 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt). Es handelt sich bei § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch nicht etwa – anders als offenbar die Parteien annehmen – um eine gesetzliche Vermutung, die unter Umständen widerlegt werden könnte. Die Vorschrift stellt eine gesetzliche Fiktion dar. Deren Rechtsfolgen gelten unbeschadet der Wirklichkeit und ausnahmslos.

c)
Anders ist die Rechtslage dann, wenn die Rechtsstreitigkeit zwischen dem Mitglied des Vertretungsorgans und der juristischen Person nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, sondern eine weitere Rechtsbeziehung betrifft. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Vertreter Rechte aus einem schon vor Abschluß des Anstellungsvertrags begründeten und angeblich weiter bestehenden Arbeitsverhältnis herleitet oder wenn er Rechte mit der Begründung geltend macht, nach Abberufung habe sich das nicht gekündigte und fortgesetzte Anstellungsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt. Hier greift die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht. Für einen solchen Rechtsstreit können deshalb nach den allgemeinen Grundsätzen zur Rechtswegbestimmung – etwa im sic-non-Fall – die Arbeitsgerichte zuständig sein (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. und 18. Dezember 1996, aaO).

4.
Im Streitfall hat das Landesarbeitsgericht zutreffend entschieden, daß der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet ist. Der Kläger wehrt sich vor allem gegen die Beendigung seines Anstellungsverhältnisses. Die erste Kündigung sprach die Beklagte aufgrund eines entsprechenden Beschlusses ihrer Gesellschafter am 9. Dezember 1997 zum 31. März 1998 aus. Auf derselben Versammlung hatten die Gesellschafter zuvor die sofortige Abberufung des Klägers als Geschäftsführer beschlossen. Wird der Anstellungsvertrag des Organvertreters in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Abberufung gekündigt, so wirkt für den Kündigungsschutzprozeß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG. Ob das Anstellungsverhältnis in Wirklichkeit ein Arbeitsverhältnis war oder ob es sich anschließend in ein solches umgewandelt hat, ist auf die Anwendbarkeit dieser Vorschrift ohne Einfluß. Maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung und für die Bestimmung des zulässigen Rechtswegs sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer und die Kündigung seines Anstellungsvertrages hat die Beklagte zeitgleich beschlossen. Der Kläger war auf der Gesellschafterversammlung anwesend und erfuhr von beiden Beschlüssen ebenfalls zeitgleich. Auch wenn die Kündigung des Anstellungsvertrages nach dessen § 2 zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedurfte und auch wenn dem Kläger die schriftliche Kündigung erst kurze Zeit nach seiner Abberufung zugegangen sein sollte, besteht zwischen beiden Rechtshandlungen ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang. Zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung vom 9. Dezember 1997 sind deshalb die Arbeitsgerichte nicht zuständig.

Gleiches gilt für die fristlose Kündigung vom 26. Januar 1998. Zwar war der Kläger bei ihrem Ausspruch schon einige Zeit nicht mehr Geschäftsführer der Beklagten. Die Kündigung erfolgte jedoch innerhalb der bis zum 31. März 1998 laufenden Frist für die ordentliche Kündigung vom 9. Dezember 1997. Damit betrifft auch sie noch das der Organstellung des Klägers zugrunde liegende Anstellungsverhältnis. Der um ihre Wirksamkeit geführte Rechtsstreit wird deshalb von der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG mit erfaßt.

Das trifft gleichermaßen für die übrigen Klageansprüche zu. Sowohl der Weiterbeschäftigungsantrag als auch die Anträge auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses, auf Rücknahme einer Abmahnung und auf Abgeltung von 20 Urlaubstagen betreffen ausschließlich mögliche Ansprüche des Klägers aus seinem der Organstellung zugrunde liegenden Anstellungsverhältnis. Auch für sie gilt deshalb die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG.

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