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Krankenversicherung (gesetzliche) – Versicherungspflicht

Sozialgericht Dresden

Az: S 25 KR 313/07

Urteil vom 31.01.2008


I. Es wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2007 festgestellt, dass der Kläger ab 01.01.2007 weiterhin in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig ist.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger ab dem 01.01.2007 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt.

Der Kläger ist bei der Beigeladenen abhängig beschäftigt. Zunächst bezog er bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ein Bruttogehalt in Höhe von 1.427,00 EUR zzgl. Provision. Spätestens ab Juni 2007 betrug sein Bruttogehalt 1.562,00 EUR zzgl. Provision. Auf die von dem Kläger vorgelegten Gehaltsabrechnungen wird Bezug genommen (Bl. 41ff der Gerichtsakte). Zum 01.01.2007 meldete er das Gewerbe „H. E. – Dienstleister Büro“ an. Die Gewinn- und Verlustrechnung für den Zeitraum 01.01.2007 bis 30.09.2007, auf die Bezug genommen wird (vgl. Bl. 39f der Gerichtsakte) weist einen Unsatz in Höhe von 11.304, 00 EUR und einen Gewinn in Höhe von 2.255,65 aus. Seit dem 01.01.2007 ist Frau A. , seine Ehefrau, als Büroangestellte mit einer Regelarbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich und einem monatlichen Gehalt in Höhe von 650,00 EUR bei der Firma des Klägers beschäftigt. Mit bestandskräftigen Bescheid vom 07.02.2007 stellte die Beklagte fest, dass Frau A. ab dem 01.01.2007 als abhängig Beschäftigte der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten-, und Arbeitslosenversicherung unterliegt.

Mit Bescheid vom 15.02.2007 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger in seiner selbständigen Tätigkeit einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und damit selbständig sei. Der Beigeladenen teilte sie mit, dass für den Kläger nur noch Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung abzuführen seien.

Mit seinem unter dem 22.02.2007 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er bei der Beigeladenen abhängig beschäftigt sei und damit der Versicherungspflicht unterliege. Die selbständige Tätigkeit werde nur in einem Arbeitsumfang von ca. 10 Stunden monatlich ausgeübt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Da der Kläger in seiner Firma einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftige, gelte er als hauptberuflich Selbständiger im Sinne von § 5 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) mit der Folge, dass ab dem 01.01.2007 keine Krankenversicherungspflicht in seiner abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen bestehe. Für eine hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit genüge es, dass eine der Voraussetzungen (selbständige Tätigkeit als Mittelpunkt des Erwerbslebens oder Beschäftigung mindestens eines Arbeitnehmers mehr als geringfügig) erfüllt sei.

Am 22.06.2007 hat der Kläger Klage erhoben. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei von einer hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit im Sinne von § 5 Abs. 5 SGB V nur auszugehen, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Umfang her die übrige Erwerbstätigkeit deutlich übersteige. Dass sei bei ihm nicht der Fall. Die Einkünfte und die wöchentliche Arbeitszeit der abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen überstiegen die der selbständigen Tätigkeit bei weitem.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 15.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2007 festzustellen, dass er ab dem 01.01.2007 weiterhin in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist zunächst auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid. Das BSG habe in seinem Urteil vom 23.11.2005 – B 12 RA 5/03 R – die von dem Kläger zitierte Rechtsprechung dahin gehend konkretisiert, dass eine hauptberufliche selbständige Tätigkeit auch dann vorliegt, wenn regelmäßig Arbeitnehmer beschäftigt werden, deren Arbeitsentgelt bei Zusammenrechnung der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) überschreiten. Die Ansicht der Beklagten entspreche auch der Ansicht der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen. Die vorgenannten Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Entgegen den Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden ist der der Kläger gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V auch ab dem 01.01.2007 als abhängig Beschäftigter in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Versicherungspflicht nicht gem. § 5 Abs. 5 SGB V ausgeschlossen. Nach der vorgenannten Vorschrift ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 SGB V nicht versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist.

Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich das erkennende Gericht anschließt, ist dann von einer hauptberuflichen selbständigen Erwerbstätigkeit auszugehen, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrige Erwerbstätigkeit zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt (BSG, Urteil vom 29.09.1997 -10 RK 2/97-, SozR 3-5420 § 3 Nr. 3; Urteil vom 29. April 1997 – 10/4 RK 3/96 -, SozR 3-5420 § 3 Nr. 2 jeweils m.w.N). Wenn es gilt, die abhängige Beschäftigung gegen die selbständige Erwerbstätigkeit abzuwägen, ist nur darauf abzustellen, ob die selbständige Erwerbstätigkeit von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Umfang her die übrige Erwerbstätigkeit deutlich übersteigt. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird die selbständige Tätigkeit nicht hauptberuflich ausgeübt. Bei der Bewertung der jeweiligen wirtschaftlichen Bedeutung ist das Gehalt aus der abhängigen Beschäftigung der Gewinn – und nicht der Umsatz – (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 1997 – 10/4 RK 3/96 -, SozR 3-5420 § 3 Nr. 2, Rn. 25f). aus der selbständigen Tätigkeit gegenüberzustellen.

Vorliegend überwiegt das Bruttogehalt aus der abhängigen Beschäftigung in Höhe von 1.427,00 EUR zzgl. Provision bzw. spätestens ab Juni 1.562,00 EUR zzgl. Provision deutlich den Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit. Aus der vorgelegten und von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Gewinn- und Verlustrechnung ergibt sich nämlich lediglich ein durchschnittlicher monatlicher Gewinn in Höhe von 250,63 EUR. Da der Kläger in seiner abhängigen Beschäftigung eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden hat, für seine selbständige Tätigkeit jedoch unstreitig nicht mehr als zehn Stunden monatlich aufwendet, übersteigt auch der Zeitaufwand der abhängigen Beschäftigung deutlich den der selbständigen Tätigkeit, so dass vorliegend nicht von einer hauptberuflich selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinn von § 5 Abs. 5 SGB V auszugehen ist.

Insoweit die Beklagte davon ausgeht, dass eine hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit auch dann vorliegt, wenn regelmäßig ein Arbeitnehmer beschäftigt wird, dessen Arbeitsentgelt die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 SGB IV überschreitet, so ist zunächst festzuhalten, dass sich dieser Ansatz in keiner Weise in dem Wortlaut des § 5 Abs. 5 SGB V wiederfindet. Bei den von der Beklagten angeführten Vorschriften des § 2 Satz 1 Nr. und 9 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) handelt es sich um Vorschriften, die die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung regeln. Diese sind nicht ohne weiteres auf die Regelungen über die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung übertragbar. Dies gilt um so mehr, als dass die Vorschriften des § 2 Satz 1 Nr. 1 und 9 SGB VI einen anderen Regelungszweck verfolgen als die Vorschrift des § 5 Abs. 5 SGB V: Während § 5 Abs. 5 SGB V bei Vorliegen einer hauptberuflich selbständigen Erwerbstätigkeit die Versicherungspflicht aus der abhängigen Beschäftigung ausschließt, schließen § 2 Satz 1 Nr. 1 und 9 SGB VI allein die Versicherungspflicht in der selbständigen Beschäftigung aus. Wird daneben noch eine abhängige Beschäftigung ausgeübt, bleibt die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung in der abhängigen Beschäftigung gem. § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bestehen.

Die von der von der Beklagten zitierte Entscheidung des BSG (Urteil vom 23.11.2005, – B 12 RA 5/03 -) beschäftigt sich mit der Frage, ob in Anwendung der Vorschriften des § 2 Satz 1 Nr. 1 und 9 SGB VI mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zusammengerechnet werden müssen. Sie kann nicht zur Auslegung von § 5 Abs. 5 SGB V herangezogen werden, zumal § 5 Abs. 5 SGB V keine den Vorschriften des § 2 Satz 1 Nr. 1 und 9 SGB VI entsprechende Regelung kennt. Das BSG hat hingegen in mehreren – oben zitierten – Entscheidungen ausgeführt, wann von einer hauptberuflichen selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 5 Abs. 5 SGB V auszugehen ist. Dass die Hauptberuflichkeit fingiert wird, wenn der Selbständige einen Arbeitnehmer abhängig beschäftigt, findet sich in keiner der Entscheidungen. Das BSG hat lediglich den mit der Leitungsfunktion über die abhängig Beschäftigten notwendig verbundenen Zeitaufwand dem Unternehmer ebenso zugerechnet wie das wirtschaftliche Ergebnis der von ihm eingesetzten Arbeitskräfte (Urteil vom 29. April 1997 – 10/4 RK 3/96 -, SozR 3-5420 § 3 Nr. 2, Rn 18; Urteil vom 29.09.1997 -10 RK 2/97-, SozR 3-5420 § 3 Nr. 3, Rn. 26). Damit hat es zum Ausdruck gebracht, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis die Nebenberuflichkeit nicht in jedem Falle ausschließt, sondern nur im Rahmen der Bewertung des Zeitaufwandes und der wirtschaftlichen Bedeutung zu berücksichtigen ist. Dabei erhöht sich dieser Wert gerade nicht unter Berücksichtigung des Zeitaufwands von fremdem Personal (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 29.09.1997 -10 RK 2/97-, SozR 3-5420 § 3 Nr. 3, Rn. 25). Die Verfügung über fremde Zeitkontingente berechtigt nicht zu dem Schluss, jene Zeit sei – im Rahmen der nach § 5 Abs. 5 SGB V erforderlichen Abwägung – auch vom Unternehmer selbst erbracht worden. Für diese Zurechnung fehlt jeglicher Rechtsgrund. Sie ist selbst – und gerade – dann nicht berechtigt, wenn man davon ausgeht, ohne fremdes Personal hätte der Kläger die Arbeit selbst erbringen müssen. Die Kriterien, auf die bei der Abwägung nach § 5 Abs 5 SGB V abzustellen ist, beziehen sich von vorneherein allein auf die Person des Versicherten: Er muss sowohl das Arbeitsentgelt als auch das Arbeitseinkommen selbst erwirtschaften als auch die zu vergleichende Arbeitszeit selbst aufwenden (BSG, a.a.O.).

Folglich ist die Tatsache, dass der Kläger eine Arbeitnehmerin abhängig beschäftigt, allein im Rahmen der Feststellung des zeitlichen Aufwandes und des Betriebsergebnisses zu berücksichtigen. Wie oben bereits festgestellt, überwiegt vorliegend auch unter Berücksichtigung des Beschäftigungsverhältnisses sowohl der Zeitaufwand der abhängigen Beschäftigung als auch ihre wirtschaftliche Bedeutung deutlich die der selbständigen Tätigkeit. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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