Zusammenfassung:
Inwieweit kann im Zivilprozess ein „Geständnis“ über Tatsachen abgelegt werden, welche die Gegenseite garnicht behauptet hat? Mit dieser zivilprozessualen Frage, die im Rahmen des § 288 Absatz 1 der Zivilprozessordnung relevant wird, hatte sich der Bundesgerichtshof im anliegenden Urteil auseinanderzusetzen. Es verneinte die Möglichkeit eines solchen Geständnisses, hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Rechtsstreit zur Entscheidung zurück an das Landgericht.
Bundesgerichtshof
Az: VIII ZR 197/92
Urteil vom 15.12.1993
Tatbestand
Der Kläger macht aus abgetretenem Recht des Zeugen T. eine Restkaufpreisforderung in Höhe von 2,5 Millionen österreichische Schillinge (öS) aus dem Verkauf von vier Muldenkippern geltend und verlangt Zahlung von (umgerechnet) 355.900 DM nebst Zinsen. Der Beklagte zu 1 war Angestellter der Handelsagentur H.. Deren Inhaberin war die Beklagte zu 2, die inzwischen geschiedene Ehefrau des Beklagten zu 1. Im Januar 1989 wurden die Handelsagentur H. als Handelsgewerbe abgemeldet und die von dem Beklagten zu 1 gegründete Beklagte zu 3 in das Handelsregister eingetragen.
Am 19. Juli 1988 schickte der Beklagte zu 1 „für Handelsagentur H.“ an den Zeugen T. ein mit „Kaufvertrag und Auftragsbestätigung“ überschriebenes Telefax, in dem es unter anderem heißt:
„Wie heute bereits … zwischen Ihnen und mir vorbesprochen, bestellen wir hierdurch bei Ihnen die unter Betreff aufgeführten Muldenkipper …
Kaufpreis für alle o.g. Muldenkipper OES. 7.500.000,– netto Kasse …“.
Am 1. August 1988 antwortete der Zeuge T. der Handelsagentur H.:
„Wir verkaufen Ihnen wie folgt:
4 gebrauchte CAT Muldenkipper …
Kaufpreis: öS 5.000.000,– …“.
Der Betrag von 5 Millionen öS ist über die Stadtsparkasse F. an den Zeugen T. gezahlt worden. Am 1. und 26. August 1988 übergab der Beklagte zu 1 dem Zeugen T. jeweils einen von ihm ausgestellten Scheck über 193.000 US-Dollar (= 2,5 Millionen öS) sowie am 9. November 1988 einen Scheck über 198.000 US-Dollar. Die Schecks sind nicht eingelöst worden.
Der Kläger hat vorgetragen, es sei ein Kaufvertrag zum Preis von 7,5 Millionen öS mit der Handelsagentur H. zustande gekommen. Für den ihm abgetretenen, nicht erfüllten Restkaufpreisanspruch habe die Beklagte zu 2 als eingetragene Inhaberin der Handelsagentur, die Beklagte zu 3 und der Beklagte zu 1 unter dem Gesichtspunkt der Firmenfortführung und letzterer auch deshalb einzustehen, weil er sich als wahrer Inhaber der Handelsagentur geriert habe und zudem deren Schuld durch die Hingabe der Schecks beigetreten sei. Der Beklagte zu 1 hat demgegenüber behauptet, der ursprüngliche Kaufpreis von 7,5 Millionen sei später auf 5 Millionen öS herabgesetzt worden. Weitere 2,5 Millionen öS habe der Zeuge T. dann als „Schwarzgeld“ verlangt. Die dafür hingegebenen Schecks seien auf eigenen Wunsch des Zeugen gesperrt, der Betrag von 198.000 US-Dollar aber von ihm, dem Beklagten zu 1, dem Zeugen T. in bar ausbezahlt worden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Abweisung der Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3 bestätigt. Den Beklagten zu 1 hat es hingegen antragsgemäß verurteilt, nachdem dessen Prozeßbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht folgendes erklärt hatte:
„Das Geschäft sei wie folgt vereinbart gewesen: Es seien zwei Verträge zustande gekommen; zum einen ein Vertrag über 5 Mio. öS mit der Handelsagentur H. und ein weiterer Vertrag mit Herrn H. selbst über 2,5 Mio. öS, dieser sei erfüllt worden wie im Schriftsatz vom 30.7.1991 … dargestellt.“
Gegen seine Verurteilung richtet sich die Revision des Beklagten zu 1, deren Zurückweisung der Kläger beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten zu 1 hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Beklagte zu 1 habe im Senatstermin zugestanden, daß er aus dem Kauf der vier Muldenkipper persönlich – neben den bereits gezahlten 5 Millionen öS – zur Zahlung weiterer 2,5 Millionen öS verpflichtet gewesen sei. Für seine Behauptung, er habe diesen Betrag gezahlt, sei er dagegen beweisfällig geblieben.
II. Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung vermag eine Verurteilung des Beklagten zu 1 nicht zu tragen.
1. Zu Recht rügt die Revision, daß in der in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht namens des Beklagten zu 1 abgegebenen Erklärung ein Geständnis im Sinne des § 288 Abs. 1 ZPO nicht gesehen werden kann. Denn zugestanden werden können nur solche Tatsachen, die der Gegner, also der Kläger, behauptet hat (z.B. BGH, Urteile vom 23. November 1977 – IV ZR 131/76 = WM 1978, 354 unter III und vom 29. September 1989 – V ZR 326/87 = WM 1989, 1862 unter II 3 a). Der Kläger hat indessen zu keiner Zeit den – vom Beklagten zu 1 vor dem Berufungsgericht vorgetragenen – Abschluß zweier Verträge mit zwei verschiedenen Vertragspartnern, darunter den Abschluß eines Vertrages über 2,5 Millionen öS mit dem Beklagten zu 1, behauptet, sondern stets – gestützt auf das Telefax vom 19. Juli 1988 – geltend gemacht, der Zedent T. habe einen Kaufvertrag über 7,5 Millionen öS mit der Handelsagentur H. geschlossen. Daß damit auch nicht zugleich ein Vertragsschluß mit dem Beklagten zu 1 selbst vorgetragen werden sollte, wird daraus deutlich, daß der Kläger den Beklagten zu 1 zunächst nur als vermeintlichen Inhaber der Handelsagentur H. in Anspruch genommen und nach Aufklärung über die Inhaberschaft der Beklagten zu 2 eine Verpflichtung des Beklagten zu 1 aus den anderen genannten Rechtsgründen hergeleitet hat (dazu unten IV).
2. Zwar ist auch ein sog. antizipiertes Geständnis möglich, wenn der Gegner des Erklärenden sich dessen Ausführungen zumindest hilfsweise zu eigen macht (z.B. BGH, Urteile vom 23. November 1977 und 29. September 1989, jeweils aaO; MünchKommZPO-Prütting, § 288 Rdnrn. 19, 22). Daran fehlt es hier jedoch: Das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht enthält nach der Erklärung des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten zu 1 von seiten des Klägers allein noch die Stellung des Sachantrages. Darin kann selbst ein nur hilfsweises und stillschweigendes Zueigenmachen der vorangegangenen Erklärung des Beklagten zu 1 schon deshalb nicht gesehen werden, weil der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten zu 1 mit seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung offensichtlich nur den bisherigen Vortrag wiederholen und erläutern wollte, der Zeuge T. habe mit der Handelsagentur H. am 1. August 1988 einen Vertrag über 5 Millionen öS geschlossen und dann darüberhinaus noch zusätzlich – „schwarz“ – weitere 2,5 Millionen öS verlangt; eben diesen Vortrag aber hatte der Kläger in erster wie in zweiter Instanz ausdrücklich bestritten.
III. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
1. Die Erklärung des Beklagten zu 1 in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht kann nicht unter dem Gesichtspunkt des sog. gleichwertigen Parteivorbringens berücksichtigt werden, wobei die von der Revision bezweifelte „Gleichwertigkeit“ dieser Erklärung mit dem Vorbringen des Klägers keiner Entscheidung bedarf. Ergibt das Vorbringen des Beklagten aufgrund eines anderen als des von dem Kläger vorgetragenen Sachverhalts die Schlüssigkeit des Klagebegehrens, so verhilft dies der Klage nur dann zum Erfolg, wenn sich der Kläger das zu seinem Sachvortrag in Widerspruch stehende Vorbringen des Beklagten wenigstens hilfsweise zu eigen macht und seine Klage (auch) hierauf stützt (BGH, Urteil vom 14. Juli 1969 – V ZR 145/66 = LM ZPO § 138 Nr. 12 unter II 1 b; vom 3. Februar 1984 – V ZR 190/82 = WM 1984, 700 unter I 2 und vom 23. Juni 1989 – V ZR 125/88 = BGHR ZPO § 138 Abs. 2 – gleichwertiges Parteivorbringen 1 m. Nachw.). Wie ausgeführt (oben II 2), ist ein hilfsweises Zueigenmachen der Erklärungen des Beklagten zu 1 durch den Kläger nicht festzustellen.
2. Der Kläger dringt auch nicht deshalb durch, weil nicht er – was das Landgericht verkannt hat – für die Vereinbarung eines Kaufpreises in Höhe von 7,5 Millionen öS, sondern der Beklagte zu 1 für die behauptete Herabsetzung des Kaufpreises von 7,5 Millionen auf 5 Millionen öS beweispflichtig ist (z.B. Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. 1, 2. Aufl., § 433 Rdnr. 6 m.Nachw.) und einen Beweis nicht angetreten hat. Denn Vertragspartner des Zedenten T. sollte nach dem Telefax vom 19. Juli 1988 und dem Schreiben T.s vom 1. August 1988 nicht der Beklagte zu 1, sondern die Handelsagentur H. sein. Deren Inhaber aber war nach der korrigierten Darstellung auch des Klägers selbst die Beklagte zu 2 und nicht der Beklagte zu 1.
IV. Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Zu den weiter vom Kläger gegenüber dem Beklagten zu 1 geltend gemachten Haftungsgründen einer Firmenfortführung der Handelsagentur H. (§ 25 HGB) und eines Schuldbeitritts durch die Scheckhingabe fehlt es an Feststellungen des Berufungsgerichts. Diese wird das Berufungsgericht nach Zurückverweisung der Sache, gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien, nachzuholen haben.