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Gewährung Wege- und Fahrtrecht

AG Nordhorn – Az.: 3 C 785/17 – Urteil vom 11.07.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf bis zu 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten unter anderem die Ausübung ihres Wege- und Fahrtrechtes auf einer Breite von 3 m.

Die Parteien sind Nachbarn. Die Beklagte ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung N., Flur …, Flurstück …, wobei es sich um das vormalige Flurstück … handelt. Die Klägerin ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung N., Flur …, Flurstück … . Die Klägerin gelangt durch Nutzung eines Weges der Beklagten zu ihrem zurückgelegenen Grundstück.

Die notarielle Urkunde vom … Nr. … der Urkundenrolle des Notars M. (Anlage K2, Bl. 11-13 d.A) enthält in § 7 dazu folgende Regelung:

Der jeweilige Eigentümer des Grundstücks Parzelle … ist verpflichtet zu dulden, dass der jeweilige Eigentümer des Grundstücks Gemarkung N., Flur …, Flurstück … und Flurstück … den über das Grundstück führenden Weg zum Gehen, Reiten, Fahren mit Gespann und Kraftwagen aller Art benutzt.

Entsprechend dieser Regelung existiert eine Grunddienstbarkeit.

Zur Breite des Geh- und Fahrtrechts enthält die notarielle Urkunde keine Regelung.

Die Wegbreite beträgt zwischen dem Haus der Beklagten und der gegenüberliegenden Hecke aufgrund des Dachüberstandes und der Treppe des Hauses der Beklagten höchstens ein Abstand von 2,25 m.

Die Klägerin behauptet, die Treppenstufen seien nachträglich an das Gebäude angebracht worden.

Zudem befinde sich an der zwischen den Grundstücken der Parteien verlaufenden Grenze auf Höhe der Garage eine Ausschüttung mit einer Höhe von etwa 30 cm. Etwas weiter vorgelagert im Türbereich/Eingangsseite der Beklagten gebe es eine weitere Ausschüttung mit einer Höhe von ca. 50 cm.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass das dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Gemarkung N., Flur …, Flurstück … und Flurstück …, eingeräumte Wege- und Fahrtrecht auf einer Breite von mindestens 3 m und auf einer lichten Höhe von mindestens 3,5 m ausgeübt werden kann; die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 €, und für den Fall, dass dieses nicht betrieben werden kann, zu Ordnungshaft, oder zu Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, dass dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Gemarkung N., Flur …, Flurstück … und Flurstück …, eingeräumte Wege- und Fahrtrecht durch Unterbindung, Behinderung oder Erschwerung der Rechtsausübung zu verletzen, insbesondere durch Vermeidung der Breite auf ein Maß von weniger als 3 m und/oder Verringerung der lichten Höhe auf ein Maß von weniger als 3,50 m; die Beklagte zu verurteilen, die auf dem Flurstück … der Flur … der Gemarkung N. an der Grenze zu dem Flurstück … vorhandene Ausschüttungen an der Garagenwand zu beseitigen; die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 564,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.09.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, das Haus, das sich auf ihrem Grundstück befinde, sei in dem Jahr 1900 gebaut worden. Im Jahre 1924 sei ein Anbau erfolgt. Aus der Baubeschreibung vom 23.11.1900, die für den Anbau eingereicht worden sei, sei die Rede von Treppen, die hergestellt werden sollten (Anlagen, Bl. 44-47 d.A.). Im Jahre 1954 als die Dienstbarkeit eingetragen werden sollte, seien die Treppen bereits vorhanden gewesen. Der Dachüberstand sei nach Erbauung des Hauses nicht verändert worden.

Die Parteien haben ein Schlichtungsverfahren vor dem Schiedsamt N. erfolglos durchgeführt (Anlage K7, Bl. 19 d.A.).

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung eines Wege- und Fahrtrechtes auf einer Breite von mindestens 3 m und einer lichten Höhe von mindestens 3,5 m aus §§ 1027, 1004 BGB nicht zu.

Das Wege- und Fahrtrecht der Klägerin besteht lediglich in dem Umfang, welcher ihr seitens der Beklagten eingeräumt wird.

Dazu im Einzelnen:

Eine Regelung zur Breite enthält weder § 7 der notariellen Urkunde, noch ist vorgetragen, dass die Eintragung der Grunddienstbarkeit, einen entsprechenden Zusatz enthält.

In der notariellen Urkunde vom … Nr. … der Urkundenrolle des Notars M. (Anlage K2, Bl. 11-13 d.A) ist lediglich Folgendes bestimmt:

Der jeweilige Eigentümer des Grundstücks Parzelle … ist verpflichtet zu dulden, dass der jeweilige Eigentümer des Grundstücks Gemarkung N., Flur …, Flurstück … und Flurstück … den über das Grundstück führenden Weg zum Gehen, Reiten, Fahren mit Gespann und Kraftwagen aller Art benutzt.

Liegen -wie hier- Inhalt und Umfang einer zeitlich unbegrenzten Dienstbarkeit nicht in jeder Beziehung von vornherein für alle Zeiten fest, sondern sind Veränderungen unterworfen, die sich aus der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung ergeben, ist nicht die augenblickliche, bei Bestellung der Dienstbarkeit gerade bestehende Nutzung, maßgeblich. Vielmehr kommt es auf den allgemeinen, der Verkehrsauffassung entsprechenden Charakter des betroffenen Grundstücks an sowie auf das Bedürfnis, von dem Wegerecht in diesem Rahmen Gebrauch zu machen (vgl. BGH, NZM 2003, S. 724).

In diesem Sinne ist der Inhalt der Grunddienstbarkeit auszulegen. Da die Grunddienstbarkeit ein dingliches Recht zwischen dem Eigentümer des jeweiligen herrschenden und dienenden Grundstücks ist, ist eine objektive, an den Erfordernissen des Rechtsverkehrs orientierte Rechtsauffassung erforderlich (Bamberger/Roth/Wegmann, BGB, 3. Aufl., § 1018, Rn. 69). Zur Ermittlung des Inhalts der Dienstbarkeit ist vorrangig auf Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung und der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Außerhalb dieser Urkunde liegende Umstände dürfen nur insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH, NJW 2014, S. 311). Eine Regelung in Bezug auf die Breite des Weges ist nicht geregelt. Dem steht der jedermann erkennbare Umstand entgegen, wonach aufgrund der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse des an den Weg angrenzenden Hauses der Beklagten eine Wegbreite von 3 m und eine lichte Höhe von 3,5 m zu keiner Zeit realisierbar gewesen wäre. Aus der Baubeschreibung von 23.11.1920, die für den Anbau eingereicht wurde, ist in Ziffer 13 die Rede von Treppen, die hergestellt werden sollen im Steigungsverhältnis (Anlage, Bl. 43-44 d.A.).

Auch der Dachüberstand am Objekt führt dazu, dass an dieser Stelle der Abstand zur gegenüberliegenden Hecke höchstens 2,25 m breit sein kann. (Lichtbild Bl. 16 d.A.). Dieser Dachüberstand war seit Bestand des Hauses in dieser Form vorhanden. Dies zeigt Lichtbild 14, auf dem zu erkennen ist, dass es sich bei den Dachpfannen um diejenigen handelt, die immer schon im Hause lagen, das Haus seit jeher mit einem Holzdachüberstand umfasst ist. Dies ergibt sich auch aus den Zeichnungen, die im Jahre 1924 erstellt wurden, somit im Jahre 1954 bereits vorhanden waren (Lichtbild 17, Zeichnungseinfriedung vom 06.12.1924).

Das Gericht ist aufgrund der eingereichten Unterlagen davon überzeugt, dass das Haus der Beklagten im Bereich des Giebels so bereits 1920 errichtet wurde. Gleiches gilt für den Treppenanbau.

Damit war bereits bei Eintragung der Grunddienstbarkeit erkennbar, dass für die Wegesbreite lediglich eine eingeschränkte Breite zur Verfügung stand. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann eine Verpflichtung der Beklagten, das Haupthaus gegebenenfalls zur Gewährung des Wegerechtes zurückzubauen, nicht angenommen werden.

Die Beklagte hat ein anzuerkennen Interesse daran, dass sie an den Baulichkeiten ihres Objektes nichts verändern muss, um die Grunddienstbarkeit, die im Jahre 1954 eingerichtet wurde und zu deren Einrichtungszeitpunkt der Zustand des Objekts schon genauso war, nicht zu verändern.

Auch eine Beeinträchtigung aufgrund einer gewährten Breite von knapp 2 m wird nicht plausibel gemacht. Aus den eingereichten Fotografien (Bild 1-3, Bl. 34-35 d.A.) ergibt sich ein komfortabler Weg zum Grundstück der Klägerin.

Letztlich vermag auch die zitierte Entscheidung des OLG Naumburg vom 20.12.2001 (Az. 11 U 167/01), wonach zur Ermittlung des Umfangs eines Wegerecht zum Zwecke der Zu- und Durchfahrt auf Anhang C des Richtlinienerlasses des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr vom 08.08.2001 (NBI LSA 41/2001 vom 01.10.2001) sowie der DIN 14090 (Flächen für die Feuerwehr auf Grundstücken) zurückgegriffen werden könne, zu keiner abweichenden rechtlichen Beurteilung führen. Bei den dort zugrunde gelegten Breiten handelt es sich um Richtwerte, die nicht absolut gelten. Vielmehr ist auch dieser Entscheidung zu entnehmen, dass sich die tatsächliche Breite an den örtlichen Gegebenheiten zu richten hat. Dies wird deutlich, in dem der Senat die Festlegung der einzuräumen Zufahrt auf 3,5 m festlegt, weil sich aus den zur Akte gereichten und im Termin zur mündlichen Verhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern ergebe, dass die Durchfahrt auf beiden Seiten durch Gebäude eingeengt und begrenzt werde.

2. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 €, und für den Fall, dass dieses nicht betrieben werden kann, zu Ordnungshaft, oder zu Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, dass dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Gemarkung N., Flur …, Flurstück … und Flurstück …, eingeräumte Wege- und Fahrtrecht durch Unterbindung, Behinderung oder Erschwerung der Rechtsausübung zu verletzen, insbesondere durch Vermeidung der Breite auf ein Maß von weniger als 3 m und/oder Verringerung der lichten Höhe auf ein Maß von weniger als 3,50 m, besteht ebenfalls nicht, da die Beklagte bereits nicht verpflichte ist, diese Breite zu gewährleisten.

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3. Ferner steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Beseitigung der auf dem Flurstück … der Flur … der Gemarkung N. an der Grenze zu dem Flurstück … behaupteten Ausschüttungen nicht zu.

Nachdem die Beklagte bestritten hat, an der zwischen den Grundstücken der Parteien verlaufenden Grenze befände sich auf Höhe der Garage eine Ausschüttung mit einer Höhe von etwa 30 cm und eine weitere Ausschüttung mit einer Höhe von ca. 50 cm etwas weiter vorgelagert im Türbereich/Eingangsseite der Beklagten und hierzu entsprechende Lichtbilder zur Akte gereicht hat, auf denen keine Aufschüttungen zu sehen sind, genügt der Vortrag der Klägerin, die Aufschüttungen seien nicht vollständig entfernt worden nicht. Denn Rückstände sind auf den Lichtbildern nicht erkennbar. Es hätte daher der Klägerin oblegen substantiiert vorzutragen, inwieweit die behaupteten Aufschüttungen noch vorhanden sind, um überhaupt einen Anspruch auf Beseitigung begründen zu können.

4. Letztlich steht der Beklagten auch ein Anspruch auf Erstattung der im Schlichtungsverfahren angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 564,66 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.09.2017 nicht zu.

Die außergerichtlichen Kosten in einem obligatorischen Schlichtungsverfahren sind im Falle des Scheiterns der Schlichtung als notwendige Vorbereitungskosten im Rahmen der Kostenerstattung nach § 91 ZPO in einem nachfolgenden Klageverfahren grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt der Vorbereitungskosten erstattungsfähig (BayObLGZ 2004, 169; Karlsruhe OLGR 2008, 761; Köln MDR 2010, 295). Mithin kann die Erstattung nicht separat begehrt werden.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlagen in den §§ 708 Nr. 11 Alt. 2, 711 ZPO.

IV. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 3, 4 ZPO in Verbindung mit § 48 GKG.

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