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Salvatorische Klausel – Gewerbemietvertrag – Nachholung Schriftform

Bundesgerichtshof

Az: XII ZR 143/05

Urteil vom 25.07.2007


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juli 2007 für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. Juni 2005 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger verlangen Miete aus einem Mietvertrag vom 16. Januar 1990, den der damalige Eigentümer S. mit dem Beklagten für die Zeit vom 1. März 1990 bis 28. Februar 2010 abgeschlossenen hatte. S. hat das Mietobjekt 1994 an H. J. veräußert, der von C. J. und dem Kläger zu 2 beerbt worden ist. Der Kläger zu 1 ist Testamentsvollstrecker für den Erbteil der C. J.

Die Mieträume sind in § 1 des Mietvertrages wie folgt beschrieben:

„… die im Hause H. straße 133, 135, B. 14 gelegenen Räume, und zwar: siehe Zeichnung.

Die vermietete Fläche ist mit ca. 892 m² vereinbart (einschl. Garagen u. Einstellplätze).“

In § 22 Ziffer 4 des Mietvertrages ist vereinbart:

„Nachträgliche Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages gelten nur bei schriftlicher Vereinbarung. Sollte eine der Bestimmungen dieses Vertrages ganz oder teilweise rechtsunwirksam sein oder werden, so wird die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen dadurch nicht berührt. In einem solchen Fall ist der Vertrag vielmehr seinem Sinne gemäß zur Durchführung zu bringen.“

In einem Beiblatt, das Bestandteil des Mietvertrages ist, heißt es unter § 22:

„Der Mieter übernimmt sämtliche Umbauarbeiten lt. Bauschein-Nr. 5.6301.810994.2 auf eigene Kosten.“

Am 27. November 2002 kündigte der Beklagte den Mietvertrag. Er ist der Ansicht, das Mietobjekt sei im Mietvertrag nicht hinreichend bestimmbar beschrieben. Deshalb sei die Schriftform nicht gewahrt und der damit auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Mietvertrag ordentlich kündbar.

Der Beklagte zog am 15. August 2003 aus. Die Kläger, die die Kündigung für unwirksam halten, vermieteten das Mietobjekt zu einem geringeren Mietzins weiter. Sie verlangen mit der Klage die Miete bzw. Mietzinsdifferenz für die Zeit vom 16. August 2003 bis 29. Februar 2004.

Das Landgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung des Beklagten änderte das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts und wies die Klage ab. Dagegen richtet sich die Revision, die der Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, den Klägern stünden für die Zeit nach dem Auszug des Beklagten am 15. August 2003 keine weiteren Mietzinsansprüche mehr zu. Denn der Mietvertrag vom 16. Januar 1990 sei durch die Kündigung des Beklagten vom 27. November 2002 wirksam zum 30. Juni 2003 beendet worden. Der Beklagte sei zur ordentlichen Kündigung des Mietvertrages unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 580 a Abs. 2 BGB n.F. berechtigt gewesen, weil der Mietvertrag wegen Nichteinhaltung der nach §§ 550 Satz 1, 578 Abs. 1 BGB n.F. vorgeschriebenen Schriftform als für unbestimmte Zeit abgeschlossen gelte. Aus den Angaben im Mietvertrag könne ein potentieller Grundstückserwerber, dessen Informationsbedürfnis die in § 550 BGB n.F. vorgeschriebene Schriftform vorrangig diene, die präzise Lage und Anordnung der Mieträume an Ort und Stelle nicht feststellen. Denn der Mietvertrag enthalte hinsichtlich des Mietgegenstandes allein die postalische Anschrift und die Größe der vermieteten Flächen, nicht aber deren Lage in den Gebäuden.

Die erforderliche Schriftform sei auch nicht durch die in § 1 des Mietvertrages enthaltene Bezugnahme: „siehe Zeichnung“ gewahrt. Zwar genüge es der Schriftform, wenn die Bestimmung des Vertragsgegenstandes nicht im Mietvertrag selbst, sondern in einer ausgelagerten Anlage niedergelegt sei. Dies setze aber voraus, dass die Anlage im Mietvertrag so genau bezeichnet werde, dass eine zweifelsfreie Zuordnung der Anlage zum Mietvertrag möglich sei.

Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Nach der unwiderlegten Behauptung des Beklagten gebe es die in § 1 des Mietvertrages genannte Zeichnung schon nicht. Sollte es sich bei der in Bezug genommenen Zeichnung, wie die Kläger behaupteten, um die Grundrisszeichnung des Architekten B. vom 11. April 1988 handeln, so sei jedenfalls deren zweifelsfreie Zuordnung zu § 1 des Mietvertrages nicht möglich. Denn es fehlten jegliche individualisierenden Merkmale dazu, dass es sich bei der dort genannten Zeichnung gerade um die Grundrisszeichnung habe handeln sollen. Dem Schriftformerfordernis wäre nur dann Genüge getan, wenn etwa im Mietvertrag selbst vermerkt wäre: „Zeichnung des Architekten B. vom 11. April 1988“.

Auch aus dem Beiblatt, das Gegenstand des Mietvertrages geworden sei, lasse sich zu Umfang und Lage der vermieteten Räumlichkeiten nichts entnehmen. Die Regelungen im Beiblatt beträfen andere Fragen, wie die Durchführung und Kostentragung von Umbauarbeiten, Beschaffung der erforderlichen Gewerbekonzessionen, Verkehrssicherungspflichten, Versicherung und dergleichen.

Soweit die Kläger der Ansicht seien, dass durch die Bezugnahme auf den Bauschein in § 22 des Beiblatts zum Mietvertrag der Mietgegenstand hinreichend bestimmbar sei, weil dem Bauantrag, der dem Bauschein zugrunde gelegen habe, die Grundrisszeichnung des Architekten B. vom 11. April 1988 beigefügt gewesen sei, könne dem nicht gefolgt werden. Denn der Mietvertrag enthalte keinerlei Hinweis darauf, dass nicht nur wegen der im Beiblatt im Einzelnen aufgeführten weiteren Vertragspflichten, sondern gerade auch wegen der Lage und Größe des Mietgegenstandes auf das Beiblatt Bezug genommen werden solle. Insoweit fehle es an einer eindeutigen gedanklichen Verbindung zwischen dem Mietvertrag und der Anlage, wie sie für die Einhaltung der Schriftform erforderlich sei.

Dem Beklagten sei eine Berufung auf den Formmangel auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt. Denn jede Mietvertragspartei könne sich grundsätzlich selbst dann auf die Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform berufen, wenn sie den Mietvertrag in Kenntnis der wahren Begebenheiten und der mangelnden Schriftform zuvor jahrelang durchgeführt habe. Eine Treuwidrigkeit komme nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Berufung auf die Formnichtigkeit zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führe. Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, der Mietvertrag vom 16. Januar 1990 genüge nicht der Schriftform (§ 550 BGB).

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt, wenn sich alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere der Mietgegenstand, der Mietzins sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses, aus der Urkunde ergeben. Werden Teile der wesentlichen Vertragsbedingungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, so ist die Schriftform nur gewahrt, wenn die Anlagen im Mietvertrag so genau bezeichnet werden, dass deren zweifelsfreie Zuordnung zum Mietvertrag möglich ist (Senatsurteile BGHZ 142, 158, 161 = NJW 1999, 2591, 2592; vom 25. Oktober 2000 – XII ZR 133/98 – ZMR 2001, 43 und vom 11. September 2002 – XII ZR 187/00 – NJW 2002, 3389, 3391 m.w.N.).

b) Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Mietvertrag diesen Anforderungen hinsichtlich des Mietgegenstandes nicht genügt.

Aus der Beschreibung des Mietgegenstandes in § 1 des Mietvertrages ergibt sich die Örtlichkeit der Gebäude, in denen die Mieträume gelegen sind, und die m²-Zahl der gesamten Mietfläche bestehend aus Räumen, Garagen und Einstellplätzen. Anhand dieser Beschreibung, die zur Lage der Mieträume, Garagen und Stellplätze innerhalb und außerhalb des Hauses keine Angaben enthält, wäre es – wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat – einem potentiellen Erwerber nicht möglich gewesen, mit hinreichender Sicherheit den Gegenstand des Mietvertrages festzustellen.

Entgegen der Ansicht der Revision ist das Mietobjekt nicht durch die in § 1 des Mietvertrages in Bezug genommene Zeichnung bestimmbar beschrieben. Es lässt sich schon nicht erkennen, um welche Zeichnung es sich handeln soll. Denn sie ist weder näher gekennzeichnet, noch lag dem Mietvertrag eine Zeichnung bei.

Selbst wenn es sich bei der Zeichnung, wie die Kläger behaupten, um die Grundrisszeichnung des Architekten B. vom 11. April 1988 handeln sollte, so ergibt sich deren Zuordnung zu § 1 des Mietvertrages jedenfalls nicht zweifelsfrei aus dem Mietvertrag. Es kann nämlich entgegen der Ansicht der Revision aus § 22 des Beiblatts zum Mietvertrag, der dem Mieter sämtliche Umbauarbeiten laut Bauschein auferlegt, nicht der Schluss gezogen werden, die dem Bauschein zugrunde liegende Zeichnung des Architekten B. vom 11. April 1988 sei die zur Beschreibung des Mietobjekts in § 1 in Bezug genommene Zeichnung. Weder verweist § 1 des Mietvertrages zur Beschreibung des Mietobjekts auf den Bauschein und die diesem zugrunde liegende Zeichnung, noch enthält § 22 des Beiblatts zum Mietvertrag eine Beschreibung des Mietobjekts. Vielmehr dient die dortige Bezugnahme auf den Bauschein nur der Konkretisierung der von dem Beklagten geschuldeten Umbauarbeiten.

2. Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt, wenn er sich darauf beruft, der Mietvertrag sei mangels Einhaltung der Schriftform ordentlich kündbar gewesen.

a) Grundsätzlich darf sich jede Partei darauf berufen, die für einen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten. Nur ausnahmsweise, wenn die Nichtigkeit des Vertrages zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, kann es gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, sich auf den Formmangel zu berufen. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder sich sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat oder wenn bei Formnichtigkeit die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht wäre (BGH Urteil vom 24. Januar 1990 – VIII ZR 296/88 – NJW-RR 1990, 518, 519; BGHZ 92, 164, 171 f.; 99, 54, 61; 149, 326, 331; Senatsurteil vom 2. November 2005 – XII ZR 233/03 – NJW 2006, 140, 141). Die Voraussetzungen für eine solche Ausnahme liegen, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hier nicht vor.

b) Entgegen der Ansicht der Revision ist die vorzeitige ordentliche Kündigung des Mietvertrages durch den Beklagten auch nicht deshalb treuwidrig, weil der Beklagte aufgrund der im Mietvertrag enthaltenen salvatorischen Klausel zur Nachholung der Schriftform verpflichtet gewesen wäre.

aa) Die in § 22 des Mietvertrages vereinbarte Klausel besteht aus zwei Teilen. Sie regelt zum einen das Fortbestehen des Vertrages für den Fall der Unwirksamkeit einer Bestimmung. Zum anderen sieht sie vor, dass in einem solchen Fall der Vertrag seinem Sinn gemäß zur Durchführung gebracht werden soll.

Der erste Teil der Klausel dient der Erhaltung des Vertrages. Mit dieser sogenannten Erhaltungsklausel soll die gemäß § 139 BGB im Zweifel aus der Teilnichtigkeit folgende Gesamtnichtigkeit des Vertrages verhindert werden. Nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur führt die Erhaltungsklausel allerdings nicht ohne weiteres zur Wirksamkeit des restlichen Vertrages. Sie bewirkt lediglich eine Umkehr der Vermutung des § 139 BGB dahin, dass derjenige, der sich auf die Gesamtnichtigkeit des Vertrages beruft, die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die Parteien den Vertrag ohne den nichtigen Teil nicht abgeschlossen hätten (BGH Urteil vom 24. September 2002 – KZR 10/01 – NJW 2003, 347 f. m.w.N.; Senatsurteil vom 6. April 2005 – XII ZR 132/03 – NJW 2005, 2225, 2226; Staudinger/Roth [2003] § 139 BGB Rdn. 22 m.w.N.).

Der zweite Teil der Klausel knüpft an den ersten Teil an. Er ist nach Sinn und Zweck dahin auszulegen, dass die Parteien verpflichtet sein sollen, den Vertrag so durchzuführen, als wäre die unwirksame Bestimmung durch eine ihr sinngemäß am besten entsprechende, gültige ersetzt worden. Dieser Teil der Klausel bezweckt somit die Schließung der durch die Nichtigkeit einzelner vertraglicher Regelungen entstandenen Lücken.

bb) Diese salvatorische Klausel erfasst den Fall der fehlenden Schriftform des Mietvertrages nicht.

Es bedarf von vorneherein keiner Erhaltung eines von der Unwirksamkeit gemäß § 139 BGB bedrohten Restvertrages, weil die fehlende Schriftform nicht zur Unwirksamkeit des Mietvertrages führt. Dieser bleibt vielmehr bestehen. Er gilt lediglich als nicht für bestimmte, sondern für unbestimmte Zeit abgeschlossen (§ 550 Satz 1 BGB).

Auch der zweite Teil der Klausel enthält keine Verpflichtung der Vertragsparteien, die Schriftform nachzuholen. Denn die Ersetzungsklausel ist anknüpfend an die Erhaltungsklausel auf die Fälle ausgerichtet, in denen eine Klausel endgültig unwirksam ist und deshalb durch eine gültige sinngemäße Klausel ersetzt werden soll (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Juli 2002 -XII ZR 248/99 – NJW-RR 2002, 1377; Wichert ZMR 2006, 257, 258). Eine solche Ersetzung erfolgt durch die Nachholung der Schriftform nicht. Durch den Mangel der Schriftform wird die vereinbarte Mietdauer, wenn sie ein Jahr überschreitet, unwirksam. Die Unwirksamkeit der vereinbarten Mietdauer beruht danach nicht auf dem Inhalt dieser Vereinbarung, sondern ist darauf zurückzuführen, dass die Parteien die Schriftform (hier: durch unzureichende Bezeichnung des Mietgegenstandes) nicht gewahrt haben. Folglich ersetzt die Nachholung der Schriftform des Vertrages die unwirksame Vereinbarung auch nicht durch eine andere, sondern lässt sie mit unverändertem Inhalt wirksam werden.

Im vorliegenden Fall kann die Ersetzungsklausel auch deshalb nicht dahin verstanden werden, dass sie zur Nachholung der Schriftform verpflichtet, weil die Parteien im Zusammenhang mit der salvatorischen Klausel in § 22 Ziff. 4 des Mietvertrages ausdrücklich vereinbart haben, dass nachträgliche Änderungen und Ergänzungen des Vertrages nur bei schriftlicher Vereinbarung gelten. Dieser ausdrücklich vereinbarte Formzwang verlöre seinen Sinn, wenn die Ersetzungsklausel bei Nichteinhaltung der Form die Vertragsparteien stets zu deren Nachholung verpflichten würde.

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