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Gewerberaummietvertrag – COVID-19-Pandemie – Vertragsanpassung bei Betriebsschließung

Keine Mietminderung trotz Pandemie-bedingter Schließungen

In einem Mietstreit in K.r hat das Landgericht zugunsten der Klägerin entschieden. Die Beklagte, die Verkaufs- und Lagerflächen in der K.r Innenstadt gemietet hatte, weigerte sich, die vertraglich vereinbarten Bruttomieten für April und Mai 2020 in Höhe von insgesamt 76.160 Euro zu zahlen. Sie berief sich auf die staatlich angeordneten Schließungen wegen der Covid19-Pandemie und argumentierte, dass ihr die Zahlungspflicht teilweise entfallen sei. Das Gericht sah das anders und verurteilte die Beklagte zur Zahlung der ausstehenden Miete und gestaffelter Verzugszinsen. Auch die Aufrechnungserklärungen der Beklagten wurden als nichtig erklärt. Eine Betriebsausfallversicherung hatte die Beklagte nicht abgeschlossen. Gegen das Urteil hat sie Berufung eingelegt und unter anderem darauf hingewiesen, dass ihre Umsätze aufgrund der Pandemie erheblich eingebrochen seien. […]

OLG Düsseldorf – Az.: 24 U 8/21 – Urteil vom 23.08.2022

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 09.12.2020 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 46.410,- nebst Zinsen i.H.v. neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 17.850,- seit dem 07.04.2020 und aus weiteren EUR 28.560,- seit dem 08.05.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin EUR 1.336,90 nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.04.2020 zu zahlen.

3. Im Übrigen werden die erstinstanzlichen Anträge abgewiesen.

II. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird die Beklagte ferner – unter Zurückweisung der zweitinstanzlich erfolgten Klageerweiterung im Übrigen – verurteilt, an die Klägerin EUR 36.890,- nebst Zinsen i.H.v. neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 19.635,- ab dem 06.02.2021 und aus weiteren EUR 17.255,- seit dem 06.03.2021 zu zahlen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin jeweils 40 % und die Beklagte jeweils 60 % zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Ursprünglich mietete die Beklagte mit Vertrag vom 06.05./31.05./08.06.2010 (Anlagenkonvolut K 1, GA12 ff, nachfolgend kurz „MV“) nebst Nachträgen von der P. H. XXVII B. V. („Vorvermieterin“) Verkaufs- und Lagerflächen von ca. 2030 qm in der K.r Innenstadt. In diesen Vertrag trat die Klägerin – und zwar vor dem Zeitraum, der vom Streit der Parteien über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Mietzinsen und Betriebskostenvorauszahlungen betroffen ist – ein, indem sie von der Vorvermieterin (und Voreigentümerin) das Grundstück erwarb, auf welchem sich die Mieträumlichkeiten befinden. Der von der Beklagten zu zahlende Bruttomietzins wird vereinbarungsgemäß jeweils am 5. eines Monats fällig; er belief sich vertragsgemäß im streitgegenständlichen Zeitraum auf monatlich EUR 38.080, -.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, indem es die Beklagte antragsgemäß verurteilt hat, an die Klägerin Mietzinsen für die Monate April und Mai 2020 i.H.v. insgesamt EUR 76.160,- nebst gestaffelter Verzugszinsen sowie EUR 1.336,90 an vorgerichtlichen Kosten nebst Verzugszinsen zu zahlen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:

Der zuerkannte Anspruch der Klägerin i.H.v. EUR 76.160,- ergebe sich für die Monate April und Mai 2020 aus § 535 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 4, 5 und 6 des MV. Die Beklagte sei trotz der im Zeitraum 19.03.2020 bis zum 10.05.2020 wegen der Covid19-Pandemie staatlich angeordneten (Teil-)Schließungen nicht (teilweise) von der Zahlung der vertraglich vereinbarten Bruttomiete befreit gewesen. Aus entsprechenden Gründen gingen auch die Aufrechnungserklärungen der Beklagten ins Leere. Alles Vorstehende gelte sinngemäß auch mit Blick auf die teilweise noch fortbestandenen, staatlich angeordneten Schutzmaßnahmen im Monat Juni 2020. Es könne dahinstehen, ob einer (teilweisen) Befreiung von der betreffenden Zahlungspflicht bereits die Regelung des § 2 Abs. 1 MV entgegenstehe. Die Voraussetzungen des § 536 Abs. 1 BGB für eine Mietminderung seien nicht erfüllt; es fehle schon an einem entsprechenden Sachmangel. Ebenso wenig sei der Klägerin die Gebrauchsgewährung aufgrund der behördlichen (Teil-)Schließungsanordnungen unmöglich geworden. In Anbetracht der Vereinbarung in § 2 Abs. 1 MV sei es der Beklagten auch verwehrt, sich auf einen Wegfall bzw. eine Störung der Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 BGB zu berufen. Abgesehen davon habe die Beklagte es versäumt, eine das Pandemie-Risiko abdeckende Betriebsausfallversicherung abzuschließen. Schließlich hätte die Beklagte ihre wirtschaftlichen Einbußen durch die Inanspruchnahme staatlicher Unterstützungsmaßnahmen kompensieren können.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten sowie begründeten Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Argumentation wie folgt:

In tatsächlicher Hinsicht habe das Landgericht verkannt, dass – unstreitig – auch die Wiedereröffnung von Geschäften ab dem 11.05.2020 nur unter Auflagen (Hygienemaßnahmen pp.) und unter einer begrenzten Kundenanzahl pro qm gestattet gewesen sei. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei ihre Verpflichtung zur Zahlung von Mietzins aufgrund einer Minderung i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB im streitgegenständlichen Zeitraum entfallen. Soweit man Vorstehendes anders rechtlich bewerten wolle, liege jedenfalls ein Fall von Unmöglichkeit i.S.v. §§ 326, 275 BGB der Vermieterleistungen der Klägerin vor. Soweit das Landgericht der Auffassung sei, dass § 313 BGB keine Anwendung auf den Streitfall finde, sei dies spätestens mit Einführung des Art. 240, § 7 EGBGB überholt. Entgegen der Annahme des Landgerichts sei eine Existenzgefährdung gerade keine Voraussetzung für eine Vertragsanpassung gem. § 313 BGB. Verfehlt sei auch der „unterschwellige“ Begründungsansatz des Landgerichts, wonach der Beklagten Fehler in der Betriebsorganisation zur Last fielen. Es habe insoweit verkannt, dass nach der sechswöchigen Stilllegung im Rahmen des Lockdowns I erhebliche Betriebsbeeinträchtigungen aufgrund staatlich angeordneter Sicherheitsmaßnahmen fortgedauert hätten. Abgesehen davon sei die Grenze zur Unzumutbarkeit schon während des Lockdowns I überschritten gewesen. Bis Dezember 2020 habe sie Umsatzverluste von 30 % zu verzeichnen gehabt; auch nach dem Lockdown I sei der Umsatz um 1/3 vermindert gewesen. Mit der Berufungsreplik hat die Beklagte Umsatzzahlen der streitgegenständlichen K.r Filiale in Bezug auf mehrere Monate vorgetragen und eine Hilfsaufrechnung erklärt. Sie (die Beklagte) habe Kurzarbeitergeld i.H.v. ca. EUR 13 Mio. monatlich erhalten; dem stünden allerdings Personal- und Mietkosten von EUR 58 Mio. monatlich gegenüber. Weitere staatliche Hilfen habe sie nicht generieren können. Ein Antrag auf staatliche Wirtschaftshilfen habe bislang keinen Erfolg gehabt. Zu beachten sei, dass Verwaltungsmitarbeiter – unstreitig – nicht in Kurzarbeit gegangen seien. Aufgrund ihres betrieblichen Konzepts sei es ihr nicht möglich gewesen, Umsatzverluste im stationären Handel durch Online-Geschäfte bzw. einen Lieferservice zu kompensieren. Der Online-Handel sei in ihrem Konzern nicht filialbezogen. Ihr Kundenklientel bevorzuge den stationären Einzeltextilhandel. Teilweise habe sie „click & collect“ bzw. „click & meet“ (Terminshopping) anbieten können. Selbst Rabattaktionen hätten nicht zu einer Kompensation der Umsatzverluste geführt. Auch die sukzessive Öffnung einiger Filialen mit Schutzmaßnahmenkonzepten habe keine signifikante Verbesserung bewirkt. Eine das Pandemierisiko absichernde Betriebsausfallversicherung habe es nicht am Markt gegeben; ihre betreffende Versicherung (vgl. Anlage B 6) decke diesen Fall gerade nicht ab. Die Covid19-Pandemie sei für Unternehmer unvorhersehbar gewesen. Der Verweis des Landgerichts auf § 2 Abs. 1 MV überzeuge nicht; diese Klausel sei gem. § 307 BGB unwirksam. Eine gebotene Auslegung des § 2 Abs. 1 MV belege, dass damit das Pandemierisiko nicht auf die Beklagte abgewälzt worden sei. Die Nebenkostenvorauszahlungen für April und Mai 2020 könne die Klägerin nun nach Eintritt der Abrechnungsreife nicht mehr verlangen. Die Beklagte meint, die Klageerweiterung sei unzulässig, insbesondere sei sie nicht sachdienlich.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage einschließlich der zweitinstanzlichen Klageerweiterung abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen;

2. die Beklagte über die erstinstanzlich bereits titulierten Ansprüche hinausgehend zu verurteilen, an sie EUR 62.475,- nebst Zinsen i.H.v. neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 35.700,- ab dem 06.02.2021 und aus weiteren EUR 26.775,- seit dem 06.03.2021 zu zahlen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Standpunktes:

Die Feststellungen des Landgerichts seien insgesamt zutreffend. Die Berufung könne schon in Anbetracht der individualvertraglichen Regelung des § 2 Abs. 1, Unterabs. 4 MV keinen Erfolg haben. Ein Minderungsrecht der Beklagten bestehe nicht. Ebenso wenig sei ihr die Erfüllung der Vermieterverpflichtung zur Gebrauchsgewährung pandemiebedingt unmöglich geworden. Schließlich verfange das Berufungsvorbringen betreffend § 313 BGB nicht: Die Beklagte verkenne, dass Art. 240, § 7 EGBGB erst am 31.12.2020 in Kraft getreten sei; im Streitfall komme die betreffende Vermutungsregelung ohnehin nicht zum Tragen. Die Beklagte trage bloß Allgemeinplätze vor, ohne auf ihre konkrete eigene Betroffenheit durch die Pandemie einzugehen. Die Auffassung der Beklagten, gar keinen Mietzins für den streitgegenständlichen Zeitraum zahlen zu müssen, sei schlechthin unvertretbar. Es fehle auch an einer Differenzierung nach den einzelnen Zeiträumen. An einer Unzumutbarkeit i.S.v. § 313 BGB fehle es im Streitfall. Der Gesetzgeber habe überdies im Zusammenhang mit der sog. „Überbrückungshilfe III“ zum Ausdruck gebracht, dass größere und umsatzstärkere Unternehmen wie die Beklagte keiner staatlichen Hilfen bedürften. Es könne dann aber nicht Aufgabe des jeweiligen Vermieters sein, stattdessen quasi „private Hilfeleistungen“ zur Verfügung stellen zu müssen.

In Bezug auf die Klageerweiterung macht die Klägerin geltend, dass die Beklagte – unstreitig – gemäß vorheriger Ankündigung (Anlagen BB 1 und BB 2) für die betreffenden Monate Februar und März 2021 bloß Teil-Mietzinszahlungen erbrachte. Die Klägerin meint, vor diesem Hintergrund befinde sich die Beklagte mit den rückständigen Beträgen im Schuldnerverzug. Eine nachträgliche Leistungskondiktion der Beklagten in Bezug auf schon gezahlte Mieten scheitere an § 814 BGB. Im Übrigen sei in Bezug auf den von der Klageerweiterung betroffenen Zeitraum zu berücksichtigen, dass sich die wirtschaftlichen Belastungen aufgrund der Pandemie für die Beklagte erhöht hätten. Jedoch sei zu beachten, dass andere Marktteilnehmer erfolgreiche Gegenmaßnahmen ergriffen hätten. Jedenfalls habe die Beklagte dazu nicht substantiiert in der Berufungsbegründung vorgetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten und die von der Klägerin konkludent erhobene Anschlussberufung, mit der sie ihre Klage zweitinstanzlich erweitert hat, haben jeweils nur teilweise Erfolg.

1. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in dem aus Ziffer 1.1. des Tenors des Senatsurteils näher ersichtlichen Umfang Erfolg.

a) Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch für die Monate April und Mai 2020 auf Zahlung von Bruttomietzinsen aus § 535 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 4, 5 und 6 MV i.H.v. insgesamt EUR 46.410.

b) Der Klägerin stehen für den vorgenannten Zeitraum zunächst keine Ansprüche mehr auf Nebenkostenvorauszahlungen zu:

Laut § 5 Abs. 4 MV ist über die Vorauszahlungen der Nebenkosten jährlich bis zum 30.09. des Folgejahres abzurechnen.

Mit Ablauf der Abrechnungsfristen trat zugleich jeweils die sog. Abrechnungsreife ein und der Anspruch der Klägerin auf Zahlung (etwaig) rückständiger Vorauszahlungen für die fraglichen Abrechnungszeiträume ging damit unter (vgl. BGH WuM 2016, 353; BGH WuM 2010, 490 (492); Beyerle, in: Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 4. A. 2017, Kap. 11 Rn 205 m.w.N.). Die Klägerin kann daher jeweils allenfalls noch den Saldo aus der Abrechnung verlangen. Läuft – wie hier – zwischen den Parteien bereits ein Rechtsstreit, in dem der Vermieter den Mieter auf Zahlung von Nebenkostenvorauszahlungen in Anspruch nimmt, muss der Vermieter die Klage gemäß § 264 Nr. 3 ZPO auf die Zahlung des Saldos umstellen oder eine entsprechende Erledigungserklärung abgeben (vgl. BGH WuM 2010, 490 (492); OLG Düsseldorf, ZMR 2001, 882 (884 f.)).

Von diesen Obliegenheiten hat die Klägerin jeweils keinen Gebrauch gemacht, obwohl die Beklagte diesen Aspekt in der Berufungsreplik explizit angesprochen hat (GA 322f) und der Senatsvorsitzende dies im Rahmen der Einführung in den Sach- und Streitstand anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals aufgegriffen hat.

c) Vorweg ist in Bezug auf die Höhe der geschuldeten Mietzinszahlungen im Übrigen zu bemerken, dass die Anwendbarkeit der mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften und der Regelungen des allgemeinen schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts, insbesondere des § 313 Abs. 1 BGB, nicht durch Art. 240 § 2 EGBGB, mit dem die Kündigungsmöglichkeit des Vermieters wegen eines Corona-bedingten Zahlungsverzugs des Mieters ausgesetzt wurde, ausgeschlossen ist (BGH NZM 2022, 99 Rn. 18 bis Rn. 25 – Pandemie I m.w.N. zum Streitstand; BGH NZM 2022, 292 Rn. 21 – Pandemie II).

d) Die durch die Covid-19-Pandemie bedingte Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts führt nicht zu einem Mangel der Mietsache und somit nicht zu einem Minderungsrecht der Beklagten im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die zwischenzeitlich zu dieser Rechtsfrage ergangene BGH-Rechtsprechung verwiesen (BGH, a.a.O., Rn. 26 bis Rn. 39 – Pandemie I m.w.N. zum Streitstand; BGH, a.a.O. Rn. 22 f – Pandemie II).

Im Streitfall sind keine tatsächlichen Umstände ersichtlich, welche eine abweichende rechtliche Bewertung rechtfertigen könnten.

e) Die Beklagte ist auch nicht deshalb von ihrer Verpflichtung zur Mietzahlung befreit gewesen, weil der Klägerin die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand ganz oder teilweise unmöglich gewesen wäre (§ 326 Abs. 1, § 275 Abs. 1 BGB). Die Klägerin hat daher auch während der Zeit der Betriebsschließung die von ihr gem. § 535 Abs. 1 BGB geschuldete Leistung erbracht (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 40 – Pandemie I; BGH, a.a.O. Rn. 24 – Pandemie II).

f) Entgegen der angefochtenen Entscheidung ist der Mietzins für die Monate April und Mai 2020 nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anzupassen.

aa) Für eine Berücksichtigung der Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ist grundsätzlich insoweit kein Raum, als es um Erwartungen und um Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen. Eine solche vertragliche Risikoverteilung bzw. Risikoübernahme schließt für die Vertragspartei regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf eine Störung der Geschäftsgrundlage zu berufen (BGH, a.a.O. Rn. 49 ff – Pandemie I; vgl. BGH, a.a.O., Rn. 26 – Pandemie II).

Im Streitfall hat die Beklagte nicht vertraglich das alleinige Verwendungsrisiko für den Fall einer pandemiebedingten Schließung ihres Einzelhandelsgeschäfts übernommen. Zwar können die Mietvertragsparteien durch eine entsprechende vertragliche Abrede die Risikoverteilung ändern. Ob das der Fall ist, ist durch Auslegung der getroffenen Vertragsvereinbarungen zu ermitteln. Soweit die Klägerin meint, vorliegend sei in § 2 Abs. 1, Unterabs. 4 des Mietvertrages eine entsprechende Vereinbarung getroffen worden, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Letztgenannte Vertragspassage lautet:

„Soweit behördliche Auflagen oder Forderungen nach Übergabe des Mietobjektes oder die Aufrechterhaltung behördlicher Genehmigungen ihre Ursache in der konkreten Art der Nutzung der Mietsache durch den Mieter haben, obliegen die damit verbundenen Maßnahmen und Kosten allein dem Mieter.“

Da Vertragsbestimmungen, mit denen die Mietvertragsparteien die Risikoverteilung abändern wollen, grundsätzlich eng auszulegen sind (BGH, a.a.O. Rn. 51 – Pandemie I), kann aus dieser Regelung nicht geschlossen werden, dass die Beklagte sogar auch im Fall einer weltweiten Pandemie das alleinige Risiko dafür übernehmen wollte, die Mietsache nicht vertragsgemäß verwenden zu können. Anders als im BGH-Fall „Pandemie I“ ist in der vorgenannten Vereinbarung nicht einmal eine „Katastrophe“ als potenzieller Anwendungsfall explizit angeführt. Sie schließt eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB daher nicht von vornherein aus.

bb) Durch die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen weitreichenden Beschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens hat sich die Geschäftsgrundlage für den zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag schwerwiegend geändert (vgl. näher dazu und zum Folgenden BGH, a.a.O., Rn. 41 ff – Pandemie I m.w.N.; BGH, a.a.O., Rn. 28 ff – Pandemie II).

Unstreitig hatte keine der Parteien bei Abschluss des Mietvertrags im Jahr 2010 die Vorstellung, während der vereinbarten Mietzeit werde es zu einer Pandemie und damit verbundenen erheblichen hoheitlichen Eingriffen in den Geschäftsbetrieb der Beklagten kommen, durch die die beabsichtigte Nutzung der Mieträume eingeschränkt wird. Aufgrund der vielfältigen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wie Geschäftsschließungen, Kontakt- und Zugangsbeschränkungen und der damit verbundenen massiven Auswirkungen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Deutschland während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 ist im vorliegenden Fall die so genannte große Geschäftsgrundlage betroffen. Darunter versteht man die Erwartung der vertragsschließenden Parteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-)Katastrophe ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werde.

Dafür, dass bei einer zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie behördlich angeordneten Betriebsschließung die tatsächliche Voraussetzung einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB erfüllt ist, spricht auch die am 31.12.2020 in Kraft getretene Vorschrift des Art. 240, § 7 EGBGB (näher BGH, a.a.O., Rn. 46 ff. m.w.N.).

Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann auch davon ausgegangen werden, dass die Parteien den Mietvertrag mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätten, wenn sie bei Vertragsabschluss im Jahr 2010 die Möglichkeit einer Pandemie und die damit verbundene Gefahr einer hoheitlich angeordneten Betriebsschließung vorausgesehen und bedacht hätten. Es ist anzunehmen, dass redliche Mietvertragsparteien für diesen Fall das damit verbundene wirtschaftliche Risiko nicht einseitig zulasten des Mieters geregelt, sondern in dem Vertrag für diesen Fall eine Möglichkeit zur Mietanpassung vorgesehen hätten (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 52 – Pandemie I, BGH, a.a.O., Rn. 32 f – Pandemie II).

cc) Allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB berechtigt jedoch noch nicht zu einer Vertragsanpassung. Vielmehr verlangt die Vorschrift darüber hinaus, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Durch diese Formulierung kommt zum Ausdruck, dass nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsabschluss bestehenden oder gemeinsam erwarteten Verhältnisse eine Vertragsanpassung oder eine Kündigung (§ 313 Abs. 3 BGB) rechtfertigt. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Deshalb kommt eine Vertragsanpassung zugunsten des Mieters jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn ihm ein unverändertes Festhalten an der vertraglich vereinbarten Miethöhe unter Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung zumutbar ist (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 53 – Pandemie I m.w.N.).

Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trägt grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache. Dazu gehört bei der gewerblichen Miete vor allem die Chance, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters aufgrund eines nachträglich eintretenden Umstands nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters. Das gilt auch in Fällen, in denen es durch nachträgliche gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs des Mieters kommt (BGH, a.a.O. Rn. 54 – Pandemie I m.w.N.). Beruht die enttäuschte Gewinnerwartung des Mieters jedoch auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wie einer Betriebsschließung für einen gewissen Zeitraum, geht dies über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters hinaus (dazu und zum Folgenden: BGH, a.a.O., Rn. 55 – Pandemie I m.w.N.).

Die wirtschaftlichen Nachteile, die ein gewerblicher Mieter aufgrund einer pandemiebedingten Betriebsschließung erlitten hat, beruhen nicht auf unternehmerischen Entscheidungen oder der enttäuschten Vorstellung, in den Mieträumen ein Geschäft betreiben zu können, mit dem Gewinne erwirtschaftet werden. Sie sind vielmehr Folge der umfangreichen staatlichen Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, für die keine der beiden Mietvertragsparteien verantwortlich gemacht werden kann. Die Art der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wurde zudem von dem Ziel bestimmt, menschliche Kontakte aus Gründen des Infektionsschutzes weitgehend zu reduzieren. Die Maßnahmen waren nach epidemiologischen Gesichtspunkten ausgewählt, knüpften dabei aber grundsätzlich weder an spezifische Eigenschaften des vom Mieter geführten Gewerbebetriebs noch an solche des Mietobjekts an. Durch die COVID-19-Pandemie hat sich damit letztlich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, das von der mietvertraglichen Risikoverteilung ohne eine entsprechende vertragliche Regelung nicht erfasst wird. Diese Systemkrise mit ihren weitreichenden Folgen hat vielmehr zu einer Störung der großen Geschäftsgrundlage geführt. Das damit verbundene Risiko kann regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden (BGH, a.a.O., Rn. 55 – Pandemie I).

Demzufolge hat das Landgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass die pandemiebedingte Schließung von Geschäften allein das Verwendungsrisiko der Beklagten betreffe und ihr selbiges zu Unrecht einseitig aufgebürdet.

dd) Auch wenn die mit einer pandemiebedingten Betriebsschließung verbundene Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietsache nicht allein dem Verwendungsrisiko des Mieters zugeordnet werden kann, bedeutet dies aber nicht, dass der Mieter stets eine Anpassung der Miete für den Zeitraum der Schließung verlangen kann. Ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf auch in diesem Fall einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (dazu und zum Folgenden. BGH, a.a.O. Rn. 57 ff – Pandemie I; BGH, a.a.O., Rn. 33 ff – Pandemie II). Eine pauschale Betrachtungsweise wird den Anforderungen an dieses normative Tatbestandsmerkmal der Vorschrift nicht gerecht. Deshalb kommt eine Vertragsanpassung dahingehend, dass ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände die Miete für den Zeitraum der Geschäftsschließung grundsätzlich um die Hälfte herabgesetzt wird, weil das Risiko einer pandemiebedingten Gebrauchsbeschränkung der Mietsache keine der beiden Mietvertragsparteien allein trifft, nicht in Betracht.

Bei der vorzunehmenden Abwägung ist zunächst von Bedeutung, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind. Diese werden bei einem gewerblichen Mieter primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung bestehen, wobei jedoch nur auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz abzustellen ist. Zu berücksichtigen kann auch sein, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern. Da eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste führen darf, sind bei der Prüfung der Unzumutbarkeit grundsätzlich auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich dieser pandemiebedingten Nachteile erlangt hat.

Auch Leistungen einer einstandspflichtigen Betriebsversicherung des Mieters können zu berücksichtigen sein.

Eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters ist dagegen nicht erforderlich, um eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB vornehmen zu können.

Schließlich sind bei der gebotenen Abwägung auch die Interessen des Vermieters in den Blick zu nehmen.

Bei alledem obliegt es grundsätzlich der Vertragspartei, die sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage beruft, nachzuweisen, dass ihr ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist (BGH, a.a.O., Rn. 61 f – Pandemie I m.w.N.; BGH, a.a.O., Rn. 36 – Pandemie II). Im Fall einer pandemiebedingten Geschäftsschließung muss daher der Mieter darlegen und ggf. beweisen, welche Nachteile ihm aus der Betriebsschließung entstanden sind, die ihm eine vollständige Mietzahlung für diesen Zeitraum unzumutbar machen, und welche zumutbaren Anstrengungen er unternommen hat, um drohende Verluste auszugleichen. Behauptet der Mieter, keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten zu haben, muss er darlegen und ggf. beweisen, dass er sich um mögliche Hilfeleistungen vergeblich bemüht hat. Gelingt ihm dies nicht, muss er sich so behandeln lassen, als hätte er die staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten. Wendet hingegen der Vermieter ein, dass die vom Mieter behaupteten Verluste nicht auf der COVID-19-Pandemie beruhen, trifft ihn hierfür die Darlegungs- und Beweislast.

ee) Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Senat in tatrichterlicher Verantwortung und unter Berücksichtigung von § 287 ZPO für den konkreten Einzelfall die Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 BGB festzustellen und gegebenenfalls eine Vertragsanpassung vorzunehmen (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 62 – Pandemie I).

In diesem Rahmen hält der Senat es unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles für angemessen, die Bruttomiete für den Monat April auf 50 % und jene für den Monat Mai 2020 auf 80 % der vertraglich vereinbarten Miete (abzüglich der nicht mehr geschuldeten Betriebskostenvorauszahlungen, s.o.) im Wege einer Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB zu kürzen. Insoweit geht der Senat davon aus, dass die Auswirkungen der Pandemie grundsätzlich von beiden Vertragsparteien zu 50 % zu tragen wären, soweit sich nicht aufgrund besonderer Umstände (wie insbesondere dem von der Beklagten erzielten filialbezogenen Umsatz) ein Anlass für eine höhere Risikobeteiligung der Beklagten ergibt. Demnach gilt für den Streitfall:

(1) Die Beklagte hat ihr erstinstanzliches Vorbringen zu Umsatzverlusten im Zeitraum April und Mai 2020 im Rahmen der Berufungsreplik vertieft. Da die Klägerin diesen vertieften Ausführungen nicht entgegen getreten ist, ist von folgenden – gem. § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig geltenden – Umsatzverlusten der K.r Filiale der Beklagten auszugehen:

April 2020:

Umsatzverlust i.H.v. 99 % im Vergleich zum April 2019;

Mai 2020:

Umsatzverlust i.H.v. 37 % im Vergleich zum Mai 2019.

Da die Klägerin keine anderen denkbaren Ursachen für die Umsatzrückgänge aufgezeigt hat, schätzt der Senat gem. § 287 ZPO, dass selbige ihren Grund nahezu ausschließlich in der Pandemiesituation hatten und es daher nicht der Einholung des von der Beklagten insoweit angebotenen gerichtlichen Sachverständigengutachtens (GA 313 oben) bedarf. Aus entsprechenden Gründen kann der Senat gem. § 287 ZPO feststellen, dass die Beklagte trotz ihrer pflichtgemäßen Bemühungen (vgl. auch unten) die erlittenen Umsatzverluste nicht in der Zeit zwischen den staatlich angeordneten Schließungen kompensieren konnte (vgl. Zahlenwerk der Beklagten GA 314).

(2) Die Beklagte hat substantiiert dargetan, dass die Umsatzverluste im Filialgeschäft nicht durch Online-Handel …. kompensiert werden konnten. Die Klägerin hat zu dem in der Berufungsreplik vertieften Vorbringen der Beklagten nicht mehr Stellung genommen, so dass gem. § 138 Abs. 3 ZPO von Folgendem auszugehen ist:

Aufgrund ihres betrieblichen Konzepts war es der Beklagten nicht möglich, Umsatzverluste im stationären Handel durch Online-Geschäfte bzw. einen Lieferservice zu kompensieren. Der Online-Handel ist im …-Konzern nicht filialbezogen. Die Kunden der Beklagten bevorzugen den stationären Einzeltextilhandel. Auch durchgeführte Rabattaktionen der Beklagten führten nicht zu einer Kompensation der Umsatzverluste. Die sukzessive Öffnung einiger Filialen mit Schutzmaßnahmenkonzepten bewirkte keine signifikante Verbesserung.

(3) Die Beklagte kann für die erlittenen Umsatzverluste keine Betriebsausfallversicherung haftbar machen. Die Beklagte hat dies unter Vorlage der einschlägigen Dokumente (Anlage B6 des Berufungsverfahrens: Versicherungsverträge mit der #### nebst den „SABU“ 2017) belegt und die Klägerin ist diesem umfangreichen Vorbringen nicht mehr entgegen getreten.

Es ist nicht ersichtlich, dass der konkrete Versicherungsschutz der Beklagten das streitgegenständliche Pandemierisiko abdeckt. Den Versicherungsverträgen liegen nicht die „Zusatzbedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung) – 2008“ zugrunde. Abgesehen davon wäre selbst in diesem Falle die einschlägige BGH-Rechtsprechung auf dem Gebiet des Versicherungsrechts zu beachten, wonach selbst dann die Covid19-Pandemie nicht erfasst wäre (vgl. BGH NJW 2022, 872). Insofern droht im Streitfall keine „Überkompensation“ der von der Beklagten pandemiebedingt erlittenen Nachteile durch einen flankierenden Versicherungsschutz.

(4) An staatlichen Leistungen hat die Beklagte unstreitig allein Kurzarbeitergeld erhalten, welches ihre Umsatzverluste keineswegs kompensieren konnte. Das diesbezügliche Beklagtenvorbringen (GA 318 f) zeigt auch spezifisch für die K.r Filiale auf, dass das erhaltene Kurzarbeitergeld die Personalkosten nicht abdeckte und die erlittenen Umsatzverluste damit nicht annähernd kompensiert werden konnten.

Bezüglich sonstiger staatlicher Leistungen erfüllte die Beklagte als größeres Unternehmen unstreitig nicht die jeweiligen Bezugsvoraussetzungen (vgl. nähe GA 321 f). Entgegen der Ansicht der Klägerin ist aus dem Umstand, dass der Staat bislang nur kleine und mittlere Unternehmen durch staatliche Leistungen unterstützte, nicht abzuleiten, dass große Unternehmen wie die Beklagte auch in Privatrechtsverhältnissen von einer pandemiebedingten Vertragsanpassung per se ausgenommen wären. Dagegen spricht auch, dass grundsätzlich sogar Unternehmen bis zu einem weltweiten Umsatz von 750 Mio. EUR antragsberechtigt sein können (vgl. Link auf GA 322).

(5) Soweit die Beklagte mit angeblichen Rückzahlungsansprüchen für die Monate März 2020 und Juni 2020 eine Hilfsaufrechnung erklärt hat, geht dies schon deshalb ins Leere, weil weder dargetan noch sonst ersichtlich ist, dass die Beklagte diese Aufrechnungen einen Monat vorher ankündigte. Letzteres verlangt aber die vertragliche Vereinbarung gem. § 15 Abs. 1 MV. Eine entsprechende Einschränkung des Aufrechnungseinwandes ist in gewerblichen Mietverträgen wirksam (vgl. Senat, NZM 2002, 953; zum Zurückbehaltungsrecht ebenso: Senat, Urteil vom 21.09.2021 – I-24 U 209/19, S. 19).

(6) Vor diesem Hintergrund ergeben sich für die Monate April und Mai 2020 folgende Zahlungsansprüche der Klägerin in der Hauptsache:

April 2020

Bruttomiete (abzgl. Nebenkosten): EUR 35.700 davon 50 % (s. oben) EUR 17.850,-

Mai 2020

Bruttomiete (abzgl. Nebenkosten): EUR 35.700 davon 80 % (s. oben) EUR 28.560,-

g) Aus den vorerwähnten Beträgen stehen der Klägerin gegen die Beklagte die aus dem Urteilstenor zu Ziffer 1.1. ersichtlichen gestaffelten Verzugszinsen gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 2 BGB zu.

h) Ferner schuldet die Beklagte der Klägerin die Erstattung von vorgerichtlichen Kosten aus dem (von der Klägerin insoweit geltend gemachten) Gegenstandswert von EUR 38.080,- nebst Verzugszinsen aus diesem Betrag gem. §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Insofern errechnet sich – unter Beachtung des § 308 Abs. 1 ZPO (vgl. Klageschrift, S. 10) – folgende Nebenforderung:

Geschäftsgebühr VV2300 EUR 1.316,90

Auslagen VV7001, 7002 EUR 20,00

MwSt. 19 % EUR 0,00

EUR 1.336,90

2. Die zweitinstanzliche Klageerweiterung hat ebenfalls nur teilweise Erfolg.

a) In der betreffenden Klageerweiterung ist eine zulässige Anschlussberufung (§ 524 ZPO) zu erblicken.

Möchte der in erster Instanz erfolgreiche Kläger in der Berufungsinstanz seine Zahlungsklage erhöhen (§ 264 Nr. 2 ZPO), so kann dies nur mit einer Anschlussberufung innerhalb der Frist des § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO geltend gemacht werden. Im Streitfall ist die Klageerweiterung der Klägerin innerhalb der Berufungserwiderungsfrist erfolgt, so dass die Frist für die in dieser Klageerweiterung konkludent (vgl. nur BGH GRUR 2012, 180 Rn. 26) enthaltene Anschlussberufung gewahrt ist.

Dass die Klägerin durch das angefochtene Urteil selbst nicht beschwert ist, steht der Zulässigkeit der Anschlussberufung, mit der eine Klageerweiterung erfolgt ist, nicht entgegen (vgl. BGH NJW 2008, 1953; BAG NZA-RR 2016, 550).

Die Klageerweiterung auf weitere Monatsmieten erfüllt zudem die Anforderungen des § 533 ZPO. Sie ist sachdienlich (§ 533 Nr. 2 ZPO), da im Interesse der Prozessökonomie ein weiterer Prozess vermieden wird, und die ohnehin vom Senat nach § 529 Abs. 1 ZPO anzuwendenden tatsächlichen Feststellungen können auch insoweit verwertet werden (§ 533 Nr. 1 ZPO). Insbesondere ist entgegen der „Befürchtung“ der Beklagten nicht aufgrund neuer, mit der Klageerweiterung vorgebrachter Tatsachen eine gesonderte Beweisaufnahme erforderlich geworden.

b) Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von restlicher Miete für die Monate Februar 2021 und März 2021 im aus dem Tenor des Senatsurteils zu Ziffer II. näher ersichtlichen Umfang gem. § 535 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 4, 5 und 6 MV.

Insofern verweist der Senat zunächst auf die Ausführungen zur Berufung, die für den von der Klageerweiterung betroffenen Zeitraum sinngemäß gelten.

Hinsichtlich der von der Anschlussberufung betroffenen Monate sind abweichend davon folgende Umsatzeinbußen (relativ zum Monat des Vorjahres) der K.r Filiale gemäß dem mit der Berufungsreplik vertieften Vorbringen der Beklagten, dem die Klägerin nicht mehr entgegen getreten ist, gem. § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig (vgl. GA 311).

Februar 2021: Umsatzverlust von 83 %;

März 2021: Umsatzverlust von 54 %.

Ferner ist insoweit zu beachten, dass (was auch die Klägerin einräumt), die Beklagte bis zu dem von der Anschlussberufung betroffenen Zeitraum (in unterschiedlichem Ausmaß – je nach dem Umfang der staatlichen Reglementierungen im Einzelhandel) bereits seit fast einem Jahr Umsatzeinbußen zu verzeichnen hatte. Lediglich in den Monaten Juli, September und Oktober 2020 wurde ein (etwas) besseres Ergebnis als im Vorjahr erzielt (vgl. die Umsatzmitteilungen zur K.r Filiale für die Zeit von Juni 2020 bis Dezember 2020, GA 314).

Demnach erachtet der Senat nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles für den Monat Februar 2021 eine Kürzung auf 55 % und für den Monat März 2021 auf 75 % der vertraglich vereinbarten Bruttomiete von EUR 38.080,- monatlich als angemessen.

Die Hilfsaufrechnungen der Beklagten mit den für Dezember 2020 und Januar 2021 gezahlten Mieten (GA 312 oben) sind wiederum schon deshalb erfolglos, weil es abermals an der Ankündigung der Aufrechnungen spätestens einen Monat davor mangelt. Die „Aussetzung“ hinsichtlich der Miete Februar 2021 wurde erst am 28.01.2021 angekündigt (Anlage BB 1, GA 300). Für den Monat März wurde ein Einbehalt von 25 % erst am 11.03.2021 angekündigt (Anlage BB 2, GA 301).

c) Dies vorausgeschickt errechnen sich die berechtigten Forderungen der Klägerin in Bezug auf die Klageerweiterung wie folgt:

Februar 2021

Bruttomiete abzgl. gezahlter NK: EUR 35.700

55 % der Restschuld EUR 19.635,-

März 2321

Bruttomiete: EUR 38.080

abzgl. Teilzahlung von EUR 11.305,- EUR 26.775

75 % der Restschuld EUR 17.255,-

d) Hinsichtlich der insoweit zuerkannten Verzugszinsen aus dem berechtigten Gesamtbetrag (EUR 36.890,-) der Klageerweiterung gilt das zur Berufung Ausgeführte sinngemäß.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit resultieren aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

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